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"Auch wenn es nicht nötig war, danke, dass du mich nachhause gebracht hast", bedankte ich mich freundlich bei Kerem.
Ich wehrte mich zwar ins Auto ein zu steigen, aber er hörte nicht auf mich und packte mich auf seine Schulter. Klassisch Kerem. Ich weiß nicht wie ich mit ihm aushalten werde. Ich bin kein Mädchen, das mit eingeschränkter Freiheit leben kann. Ich brauche meinen Freiraum. Deswegen kam ich auch hier nach Wien. Weit weg von meinen Eltern.
Und jetzt waren wir vor meiner Haustür angelangt.
Sein Handy läutete. Er zupfte aus seiner Hosentasche sein Handy und ging ans Telefon.
"Sag schnell", befahl er mit einer kalten Stimme dem Gegenüber.
Ich konnte nicht hören, was der Typ am anderen Ende des Telefons sagte.
Ich wollte aussteigen, doch hielt mich Kerem an meiner Hand.
"Ist das dein Ernst Ali ! Kannst du das nicht ohne mich klären ! Ich habe gerade etwas viel Wichtigeres zu tun", dabei schaute er mich an.
Viel Wichtigeres zu tun ? Meint er etwa mich? ich spürte wie meine Wangen wiedermal rot wurden. Ich drehte meinen Kopf auf die Fensterseite.
Kurz bevor er auflegte, murmelte er paar heftige Schimpfwörter.
Er atmete genervt aus.
"Ist alles in Ordnung ?", fragte ich ihn vorsichtig.
"Paar Probleme in Hills. Ich muss dorthin, aber ich kann dich unmöglich allein lassen", sagte er und schaute er mich seufzend an.
"Ist schon gut, machen wir doch so, geh jetzt und erledige deine Geschäfte und am Abend komm dann mit Ali zu uns okey ?", schlug ich ihm vor.
Er dachte für einen Moment nach, dann willigte er mit dem Kopf ein.
Ich lächelte ihn an, kam ihm näher und gab einen riesen Kuss auf seine Wangen.
Das löste bei ihm ein breites Lächeln auf seinem Gesicht.
"Wir sehen uns am Abend", sagte ich noch bevor ich ausstieg.
Ich wollte so schnell wie möglich weg von hier. Denn ich war mir sicher, dass ich wiedermal rot geworden war.
•
Zuhause angekommen, bemerkte ich, dass die Mädels im Wohnzimmer waren.
Sie schienen in einem Gespräch vertief zu sein.
"Heyhoo", begrüßte ich sie und gab den Beiden einen fetten Wangenkuss.
"Die letzte Nacht schien gut gelaufen zu sein", sagte Seyma lächelnd.
"War er echt so gut im Bett ?", fing Sara an zu lachen.
Ich warf ihr das Kissen. Die Mädels fingen an noch lauter zu lachen.
Ich erzählte ihnen all die Geschehnisse vom letzten Tag.
"Wow! Das heißt er plant wirklich einen Antrag ? Wie süüüüß ist das !", sagte Sara verträumt.
"Ich weiß nicht", gab ich ehrlich zu. "Er ist wie diese typisch reichen Jungs. Sie wollen immer alles haben. Ich finde es unnötig, dass er seine Zeit mit mir verweilt. Nur, weil ich das einzige Mädchen bin, das ihm widerspricht, denkt er sich, dass er mich haben muss."
"Und was ist mit dir ? Empfindest du Gefühle für ihn ?", fragte mich Seyma.
Ich beantwortete ohne nach zu denken :
"Ich weiß nicht. Es ist keine Liebe zwischen uns. Wir haben eine komische Bindung zueinander. Ich fühle mich in Sicherheit in seinen Armen. Wir streiten sehr oft, aber in den Zeiten, wo wir nicht streiten, haben wir viel Spaß miteinander. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er mich versteht und mir vertraut."
Die letzten Monate kamen mir vors Auge. Unwillkürlich kam ein Lächeln aus meinem Mundwinkel heraus. Die Mädels hörten mir vorsichtig zu.
Ich fuhr fort : "Auch, wenn ich ihm nie zugestanden habe und es auch nie tun werde - er sagt mir ja immer 'Zeynep, du gehörst nur mir' ", machte ich seine tiefe Stimme nach "Ich weiß nicht. Ich finde das so süß. Ihr wisst auf was für Typen ich stehe. Die wissen was sie wollen und sich nicht schämen um für das Mädchen zu kämpfen, das sie lieben. Und Kerem gehört definitiv zu dieser Kategorie. Nur ...", hielt ich eine Weile an, während ich auf dem Boden schaute.
"Nur ?.. Lass mich deinen Satz beenden . Du hast Angst. Deine gefühlslose Maske loszulassen und für ihn Gefühle zu zeigen, denn du hast Angst verletzt zu werden. Stimmt's ?", fragte mich Sara.
Ich gab nur ein Kopfnicken. Sie hatte Recht.
Diesmal fuhr Seyma fort : "Außerdem hast du Angst dich zu binden, dich für jemanden zu öffnen und am Ende enttäuscht zu werden. Denn du glaubst nicht ans Happy End. Auch wenn du etwas mit ihm anfangen würdest, würde es irgendwann enden und du würdest mit den ganzen Schmerzen und Erinnerungen zurück bleiben. So denkst du doch ?"
Es wunderte mich immer wieder, dass sie mich so gut kannten.
Diesmal kam ich zu Wort : "Genau so denke ich. Ich will nicht verletzt werden. Jahre lang habe ich Jungs von mir ferngehalten mit der Angst, dass mein Bruder von mir enttäuscht sein könnte. Auch, wenn ich Kerem vielleicht eine Chance geben sollte, bin ich mir dabei nicht so sicher. Ich glaube, es ist am Besten mich von ihm fern zu halten."
Die Mädchen schauten sich gegenseitig an.
"Bist du dir dabei auch sicher ? Du kannst doch nicht mit ständiger Angst leben, verletzt zu werden ? Das ist das Leben. Wir können uns nicht von allen Gefahren, isolieren lassen. Vielleicht wirst du bis ans Ende deines Lebens glücklich mit Kerem. Okey du bist erst neunzehn. Die Wahrscheinlichkeit, dass du in diesem Alter deine große Liebe findest ist eher gering. Aber du kannst es nicht wissen ohne, dass du es versuchst."
Ich dachte nach, aber fand keine Antwort.
Ich konnte nichts tun, ohne dass ich von meinen eigenen und Kerems Gefühlen sicher war. Am besten alles der Zeit überlassen, sich zurück lehnen und zuschauen, was auf uns zukommt.
"Was auch immer. Das war jetzt für uns ein zu emotionales Gespräch", lächelte ich sie an. "Ich habe Kerem und Ali für heute Abend eingeladen, wäre das für euch auch okey ?", fragte ich sie.
Auf Saras Gesicht erblühte ein breites Lächeln.
Seyma hingegen wehrte sich : "Ah, kommt schon Mädels. Was soll ich denn alleine machen ?"
"Soll ich auch meinen Bruder einladen", fragte ich aufgeregt ? Wäre doch toll so ein dreifaches Date zu haben.
Date ? Wir haben doch mit Kerem kein Date !
"Klar, Zeynep. Dann kommt dein Bruder, sieht Kerem und stell dir vor wie der Abend enden wird. Entweder im Krankenhaus oder bei der Polizei."
Ich gab einen Schlag auf meiner Stirn. Natürlich, das hatte ich voll vergessen.
"Dann hast du halt ein Date alleine mit meinem Bruder", sagte ich, ohne meine Aufregung zu vermindern. Seyma sah mich überrascht an. " Überlass es mir"
Ich ging in mein Zimmer und zog mich um. Vorsichtig faltete ich Kerem's Hemd, das ich über meinem Kleid trug und lag sie beiseite.
Ich sollte heute noch meine Eltern anrufen. Ich redete seit Langem nicht mit ihnen. Wie ich sie vermisst hatte. Ein Kurztrip nach Istanbul würde echt nicht schaden.
Doch davor musste ich ein Date für Seyma organisieren. Ich nahm schnell mein Handy und rief Burak, den besten Freund meines Bruders an.
"Hey Kleines"
"Hey Burak. Ich will das Gespräch nicht verlängern. Also sage ich gleich was ich von dir will", platzte ich. Schließlich hatte ich nur 1000 Freiminuten und musste einen Monat lang damit aushalten.
Na gut, wenn lüge ich hier an! Ich habe keinen Freund, mit dem ich stundenlang telefonieren kann, deswegen verbrauche ich eigentlich auch nur 300 Minuten.
"Deswegen liebe ich dich Kleines. Rufst du wegen Seyma an ? Es ist alles unter Kontrolle. Wie wir das seit Tagen geplant haben. Ich rede ununterbrochen über Seyma. Du musst jedes Mal sein Gesicht sein. Er versucht es zu verstecken, aber man merkt allein von zehn Meter Entfernung seine Eifersucht."
"Du bist toll! Gut und heute Abend organisiere ein Essen, wo du mit Seyma hingehst."
"Perfekter Zeitpunkt. Heute hat Emre ein Geschäftsessen. Ich tauche dort mit Seyma auf und sorge dafür, dass er sich zu uns hinsetzt und verschwinde danach."
"Ich liebe dich Burak. Du bist der Beste! Ich verspreche dir irgendwann werde ich dir auch eine tolle Freundin finden", schlug ich ihm vor.
Ohne dass ich ihn sah, wusste ich wie er seine Augen verdreht hatte :"Kleines du weißt, ich bin der Junge, der nur für's One-Night-Stand da ist. Ich will keine Beziehung."
"Was auch immer. Wir hören uns dann, sei um 18 Uhr hier !", befahl ich ihm bevor ich auflegte.
Mit einem Lächeln informierte ich Seyma über meinem Plan. Sie weigerte sich, dennoch konnte ich sie überreden. Somit verließen Sara und ich die Wohnung und machten uns Richtung Uni.
***
"Zeynep, ich halte es nicht mehr aus!, nörgelte Sara. "Ich gehe nachhause !"Die Vorlesung war auf geschichtliche Architektur bezogen. Seit dem ich Sara kannte, hasst sie Geschichte.
"Ich treffe mich mit Ali und geh dann mit ihm gemeinsam. Komm vorsichtig nachhause", befahl sie mir, während sie aufstand und den Raum verließ.
Ich konzentrierte mich auf dem Unterricht.
Nach vierzig Minuten war auch schon die Vorlesung vorbei. Ohne Eile, packte ich meine Sachen ein und machte mich auf dem Weg zu meinem Auto.
Kerem hat nachdem wir uns getrennt hatten, ein paar Mal angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich hatte das Gefühl, das er etwas versteckte. Seitdem er mit Selim geredet hatte, kümmerte er sich mehr um mich. Er schlug vor mich abzuholen, aber ich lehnte es strick ab und er akzeptierte widerwillig.
Seyma war schon auf dem Weg zu ihrem Date. Ich war so aufgeregt für sie. Sara, Ali und Kerem waren schon bei uns zuhause.
Als ich mit diesen Gedanken das Auto fuhr, bemerkte ich ein schwarzes Auto hinter mir. Es machte komische Bewegungen. Als wollte es mich in die Enge drängen. Genervt fuhr ich schneller. Jedoch mit jeder Geschwindigkeitsheitserhöhung, kam mir das Auto näher. Ich versuchte keine Panik zu bekommen. Paar Meter entfernt war die Lampe rot geworden. Wenn ich stoppen würde, war ich mir sicher, dass das Auto nicht anhielt und an meinem anstoßen könnte.
Ich wollte das nicht riskieren. So entschied ich mich, auf der rechten freien Seite anzuhalten.
Der Fahrer schien mein Manöver nicht zu erwarten. Jedoch hielt es wenige Meter hinter meinem Auto an.
Ich spürte wie meine Hände zitterten. Wer weiß, wer da jetzt aussteigen wurde. Die Gegend war nicht wirklich leer. Es war zwar keine Hauptstraße, dennoch waren paar Geschäfte zu sehen. Als die Tür vom anderen Auto geöffnet wurde, nahm ich schnell mein Handy und tippte auf Kerems Nummer. Als ich ihn anrufen wollte, bemerkte ich, dass aus dem Auto überraschende Weise kein Mann, sondern eine Frau ausstieg.
Verwirrt stieg ich genauso aus dem Auto. Sie kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Ich fing an sie zu mustern. Sie hatte gefärbte blonde Haare, die bis zu ihren Schultern reichten. Sie hatte ein schwarzes kurzes Kleid an, das ihre Figur zum Vorschein brachte. Ihre Augen leuchteten vor Wut.
Ohne das sie etwas sagen konnte, schrie ich sie an : "Was fällt dir ein ! Wegen dir hätten wir gerade einen Unfall gehabt !''
"Zeynep, stimmt's ?", fragte sie.
Überrascht sah ich sie an. "Und du bist ?", fragte ich.
"Ich sage das kein zweites Mal Nutte. Du hörst ab sofort auf Kerem hinterher zu laufen!", befahl sie mir laut.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
"Und du bist ?", wiederholte ich mich und ignorierte ihre Beschimpfung.
"Sabrina, Kerem's Freundin."
Ein lautes Lachen aus meinem Mund. Nicht, weil ich amüsiert war, eher weil meine Nerven 'zerstört' waren.
Das schien sie zu verärgern und sie drohte mich weiter : "Ich weiß, dass du ihm seit Tagen hinter her rennst. Ich kenne solche Mädchen, wie dich. Mach deine Nuttigkeiten wo anders und lass Kerem und mich in Ruhe !", schrie sie mich noch lauter an.
Ein paar Menschen, die vorbei gingen, schauten uns verwirrt an. Doch mischten sich nicht ein und gingen weiter.
Ich spürte wie die Wut in meinem Körper durchdrang.
Ich nährte mich an sie und hielt fest an ihren Haaren und presste ihren Kopf gegen das Auto.
Sie schien das nicht erwartet zu haben und kam schnell zu sich und versuchte sich zu wehren.
Doch ich hielt sie fester und flüsterte an ihrem Ohr :
"Wenn du mich noch einmal Nutte nennst, schwöre ich dir, bringe ich dich um ! Weißt du wer ich bin ?'', sagte ich zwischen meinen Zähnen. "Die Schwester von Emre, ja von deinem Ex, und wenn du meinen Bruder kennst, kannst du dir auch vorstellen, dass ich genauso zu dem fähig bin. Nun wer ist hier die Nutte ! Du hast mit meinem Kerem rum gemacht, während du mit meinem Bruder zusammen warst ! Also denk mal nach, wer von uns die Nutte ist. Und drittens'', fuhr ich fort ohne auf ihren Widerstand zu achten. ''Ich laufe ihm nicht hinterher und das weißt du genau. Er will nur mich und ich gehöre auch nur ihm. Wenn du mir noch einmal zu Nahe kommst, schwöre ich dir, dass es nicht bei diesen blauen Flecken bleiben wird", sagte ich und schlug ihren Kopf fest ans Auto. Verärgert warf ich sie weg und stieg wieder ins Auto ein.
Sie rief mir noch hinter her : ''Ich gebe nicht auf Zeynep Ardil. Du bekommst alles zurück !"
Mit schnellem Tempo fuhr ich nachhause. Mein ganzer Körper zitterte. Ich zwang meine Tränen nicht loszulassen, aber unkontrolliert kamen eins nachdem anderem.
Ich war froh, dass mir mein Bruder solche Selbstverteidigungsübungen beigebracht hatte. Damit ich keinen Blödsinn mache, nahm er mich manchmal mit in seinem Kickboks Unterricht. So lernte ich vieles. Naja, eigentlich nur so viel, dass ich mich trotz meiner dünnen Figur verteidigen konnte.
Was fiel ihr ein mich an zu drohen. Voller Wut schlug ich auf das Lenkrad, noch einmal und noch einmal.
Ich parkte schnell ein und versuchte mich zu beruhigen. Sie hatte doch gesagt, dass sie seine Freundin war. Könnte das stimmen ? Die Wahrscheinlichkeit war hoch. Sie hatte ihn zwei Mal neben mir an gerufen und jedes Mal ging er ran.
Ich schüttelte den Kopf. Ich durfte keine Theorien erfinden, bevor ich mit Kerem rede. Ich durfte nicht wie diese dummen Mädchen in Büchern sein, die alles in sich verstauchen und nie die Probleme mit ihren Freunden besprechen. Wenn es ein Problem gab, dann müsste ich es mit Kerem besprechen. Ich muss so schnell wie möglich herausfinden, ob sie wirklich seine Freundin war.
Wenn ja, dann werde ich für immer aus seinem Leben verschwinden!