Sprechende Hände

By lonelydesertflower

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»Welche Sprache sprichst du, wenn du nicht hören kannst?« fragte ich ihn, aber er sah mich einfach stumm an u... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog
SPIN-OFF IST VERÖFFENTLICHT
Fortsetzung
UPDATE !

Kapitel 12

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By lonelydesertflower

Was erhoffte ich mir eigentlich?
*

Ich konnte einfach nicht aufhören. Egal wo ich hinsah, meine Augen suchten nach Toprak. Sogar mein Körper versuchte unbewusst immer an Orten zu sein, wo er vielleicht auch sein könnte.

»Wohin gehst du?« wollte Banu im Treppenhaus unseres Wohnblocks wissen. Sie kam gerade von der Arbeit, als wir uns vor der Tür begegneten.
»Frische Luft schnappen« entgegnete ich ihr schnell und lief an ihr vorbei.

Als ich zurück an die Nacht dachte, in der mir Toprak geholfen hatte, erinnerte ich mich an die Plastiktüte in seiner Hand. "Südstadt Süpermarket" war in großen Buchstaben darauf gedruckt gewesen.

Ohne es zu wollen, aber irgendwie wollte ich es auch, plante ich am Tag nach der Versprechung von Banu, zu diesem Laden zu gehen. Ich war erst vor einigen Wochen endgültig verheilt und durfte wieder alleine raus in die Stadt. Außerdem war jeder nun beschäftigt mit Fotos vom Söz und ganz viel Telefonieren mit der Türkei.

In der Straßenbahn konnte ich vor Nervosität nicht aufhören, mit dem Anhänger meiner Kamera zu spielen. Ob er auch in dem Laden sein wird? Wie wird Toprak reagieren, wenn er mich sieht? Was erhoffe ich mir eigentlich?

Nur um sicher zu gehen, schaltete ich mein Handy auf Flugmodus, damit ich meine Ruhe hatte und nicht an Ünal denken musste. Allein der Fakt, dass ich ihn somit vermeiden wollte, weil er immer noch an meiner Pelle hockte, trieb mich in den Wahnsinn!

Natürlich hatte ich den Laden vorher gegoogelt und nach den Öffnungszeiten geschaut. Es war circa 23 Uhr, als Toprak vor zwei Monaten mit dieser Tüte auf uns gestoßen war. Und wie es im Internet stand, hatte der Laden wirklich bis 23 Uhr offen.

Die Bahn blieb stehen und ich sprang auf, um auszusteigen. Nach einigen Metern war ich auch schon da. Der kleine, türkische Einkaufsladen duftete schon aus der Ferne nach frischen Tomaten und anderem Gemüse.

Langsam begab ich mich hinein und sah mich um. »Was mach ich hier eigentlich« flüsterte ich zu mir selbst und schliff durch die einzelnen Gänge. Toprak war nicht hier. Wieso sollte er auch? Außgerechnet zur selben Zeit in dem Laden sein, von dem er eine Tüte in der Hand gehalten hatte. Ich schlendere planlos durch die Gänge und kam machte dann die Feststellung, dass ich den Verstand verloren haben muss. Ich wollte nicht mit leeren Händen durch die Kasse laufen, also schnappte ich mir Sonnenblumenkerne.

Enttäuscht, weil ich Toprak nicht gesehen hatte und gleichzeitig genervt über mich selbst, weil ich so naiv gewesen bin hierher zu kommen, lief ich zügig zur Kasse, um so schnell wie möglich zu verschwinden.

Plötzlich tippte mir jemand auf den Arm und mein Herz blieb stehen. Als ich mich umdrehte, stand vor mir ein kleiner Junge mit Brille.

»Schwester, hast du das fallen lassen?« fragte er und hielt mir eine goldene Glocke entgegen. Ich atmete aus und versuchte mich zu beruhigen. Für eine Sekunde hatte ich wirklich geglaubt, es wäre Toprak. Was habe ich mir dabei gedacht?! Of, Züleyha.

»Gehört er dir?« wiederholte der Junge noch einmal, als ich nicht antwortete.
»Oh, ehm. Ja, danke. Das ist mein Anhänger.«
»Bist du taub? Ich klingle dir seit einer Minute hinterher, du hast überhaupt nicht reagiert« lachte er und verschwand aus dem Laden.

*

Erst als ich wieder zuhause war, hatte sich mein Herz beruhigt. Ich zog meine Schuhe aus und betrat unsere klimatisierte Wohnung.

»Wer ist da?« rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer.
»Mama, ich bin's«
»Komm hierher« befahl sie neutral. Sie klang viel zu ruhig und sofort bemerkte ich die merkwürdige Luft. Ich drehte mich kurz um und erkannte zwei Paar fremde Männerschuhe im Schuhregal.

Wissend, was mich nun erwarten würde, trat ich durch die offene Tür ins Wohnzimmer und rollte meine Augen.

»Muss ich mich an diesen Anblick gewöhnen?« fragte ich ironisch, als ich keinen anderen als Ünal und seinen Vater Hüseyin Eşkazan auf der Couch sah. Meine Mutter saß im Sessel daneben.

»Willst du sie nicht begrüßen?« forderte mich meine Mutter lächelnd auf, wobei ihre Augen zeigten, dass sie nicht besonders erfreut über meinen Kommentar war.
»Willkommen« sagte ich trocken und versuchte Ünals nervöse Blicke zu übersehen. Er saß kerzengerade neben seinem Vater und schien auf etwas zu warten.

»Danke, mein Kind« sagte Hüseyin und nickte kurz »Ich will nicht länger um den heißen Brei reden und komme jetzt zum Punkt.«
»Okay?« sagte ich und wartete. Hüseyin deutete auf den freien Sessel und sah mich fragend an.
»Willst du dich nicht erst setzen?«
»Nein, mir geht's gut so.«

Hüseyin atmete tief ein und hielt es dann an. »Na, gut. Ich bin hier, weil ich mich im Namen meines Sohnes bei dir entschuldigen will.«
»Sie? Bei mir?« fragte ich und zeigte mit dem Finger auf mich selbst.
»Ja« antwortete er und schaute zu Ünal, der immer noch zappelig neben ihm saß »Ich sehe, dass euer Streit auf meinen Mist gewachsen ist. Die Releasparty habe ich deshalb auf nächste Woche verschoben. Ünal muss eure Reise also nicht abblasen.«

Ich konnte es nicht fassen. Als Ünal gestern bei der Versprechung gemeint hatte, dass er auch nach Istanbul fliegen würde, hatte ich nur genickt und ihn unglaubwürdig angelächelt. »Ich dachte nächste Woche ist diese Party im Autohaus?« hatte ich gefragt, worauf er folgendes geantwortet hatte: »Das kläre ich.«

Und nun saß er in unserem Wohnzimmer, zusammen mit seinem Boss-Vater und spielte mir wieder etwas vor. Aus Respekt gegenüber Hüseyin, der ja immerhin der Schwiegervater meiner Schwester war, hielt ich meine Wut inne und ballte meine Fäuste zusammen.

»Bei allem Respekt, Hüseyin« begann ich mit geschlossenen Augen und atmete aus »Sie wissen, dass ich diese Entschuldigung nicht akzeptieren werde.«

Er schwieg und drehte seinen Kopf zu meiner Mutter, um ihre Reaktion zu sehen. Auch sie schwieg und beobachtete mich. Dieser Moment zählte. Was ich hier und jetzt zu sagen hatte, würde alles ausmachen.

»Es war nicht diese "Releasparty", die den Streit ausgelöst hat. Sondern Ünals Vorwurf, dass ich ihm gegenüber untreu gewesen bin.«

Hüseyin schwieg und zog seine Augenbrauen zusammen.

Ich sah zu Ünal und schüttelte entsetzt meinen Kopf. »Du erzählst ihm nur Lügen, oder? Und die Fensterscheibe-?«
»Hör auf, Züleyha« warnte Ünal.
»Immer soll ich aufhören, weil ich versuche, die Wahrheit zu sagen?«
»Yusuf Karadağ« sagte er plötzlich und brachte mich zum Schweigen. Meine Mutter setzte sich auf und horchte genau hin. »Yusuf, wer? Wer ist das?« wollte sie wissen.

Ünal stand auf und kam langsam auf mich zu.
»Zwing mich nicht, über ihn reden zu müssen.«
»Und als Gegenleistung soll ich dir vergeben?!« wollte ich laut wissen. Ünal nickte und deutete mit seinem Kopf auf meine Mutter.
»Sie wird nicht so erfreut sein«
»Sie ist meine Mutter« kopfschüttelnd blickte ich in seine ernsten Augen. Kein Zweifel. Es war nichts mehr von der Liebe übrig. »Ich würde lieber einen Umweg nehmen, anstatt einen Weg zu gehen, den du auch nimmst.«
»Mit der Zeit« begann Hüseyin und sah zu meiner Mutter, um ihre Zustimmung zu bekommen »wird alles besser und man lernt zu vergeben.«

Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte bemitleidend. Hüseyin war viel zu überzeugt von seinem Sohn, um mir zu glauben. »Wenn erstmal Ünal nicht lernt, die Wahrheit zu sagen, werde ich nicht lernen zu Vergeben.«
»Bitte« sagte Ünal und biss sich auf die Lippen »Ihm vergibst du ja wohl, dass er mein Auto beschädigt hat.«
»Das warst du selbst!! Er hat das nicht getan und das weißt du! Hör auf, jedem vorzumachen, du wärst das Opfer der ganzen Geschichte!«

»Yusuf Karadağ« sagte Hüseyin und stand nun auch auf. Mein Geschrei legte sich, als ich den Namen erneut hörte »23 Jahre alt. Geboren hier in Wandelburg. Vor fünf Jahren« Hüseyin machte einige Schritte vor und stellte sich neben seinen Sohn »Also, als er erst 17 war, musste er in der Türkei zwei Monate Haftstrafe absitzen.«

Meine Mutter hielt sich den Mund zu und blickte wütend zu mir rüber »Oh, Gott. Wusstest du das, Züleyha? Und hattest ihn trotzdem getroffen?!«

Ich schluckte schwer. Das konnte nicht wahr sein. Ünal muss das wohl erfunden haben. Aber dafür klang auch Hüseyin viel zu zuversichtlich. Schmunzelnd checkte mich Ünal ab und öffnete wieder seinen Mund.

»Er tarnt sich mit der Ausrede, nicht hören zu können und Töpfermeister zu sein, wie süß« lächelte er, um mich zu provozieren. »Dabei ist er in Wahrheit ein Mörder.«

*

A/N
Scroll weiter! Ich habe zwei Kapitel auf einmal veröffentlicht!
Bekomme ich dafür bitte bitte ein Vote? xx :)

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