Der Sommer ihres Lebens ✔️

By Thoronris

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Die 25jährige Johanna Voigt hatte schon immer davon geträumt, ihre Lieblingsband lorem ipsum auf einer Tour z... More

Vorwort
TEIL 1: lorem ipsum
Letzte Vorbereitungen
Das erste Konzert
Die Fackel
Backstage
Das gelbe Band
Whisky mit Jonathan
Machtspielchen
Der Schlusstrich
Und die Fackel brennt

Der Morgen danach

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By Thoronris


Ein metallenes Poltern weckte Johanna aus ihrem Schlaf. Orientierungslos stellte sie fest, dass sie sich heillos in ihrem Kleid verwickelt hatte. Moment, ihr Kleid? Warum hatte sie es gestern vorm Zubettgehen nicht ausgezogen? Langsam richtete sie sich auf und öffnete blinzelnd die Augen. Als sie den großen Raum um sich herum wahrnahm, fiel ihr alles wieder ein.

Sie war gestern Nacht nicht zurück ins Hotel gegangen. Stattdessen hatte sie sich stundenlang mit John vergnügt.

Oh Gott.

Sie hatte es tatsächlich getan.

Hektisch blickte sie sich um, doch auf den ersten Blick konnte sie niemanden sonst im Aufenthaltsraum sehen. Hatte sie sich selbst auf dem Sofa schlafen gelegt? Daran konnte sie sich gar nicht erinnern. Sorgsam richtete sie ihr Kleid, während sie erneut ihren Blick durch den Raum wandern ließ. Ein leises Atmen vom Sofa neben ihr zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

Da lag John, schlafend, in denselben Klamotten wie gestern.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er war hier geblieben, er war nicht zurück in den Tourbus gegangen. Hatte er sie hierher gebracht? Enge legte sich wie eine eiserne Faust um ihr Herz. John hatte sich den Abend über wie ein Arschloch verhalten, doch am Ende hatte er seinen Stolz geschluckt und war ihr nachgelaufen. Er war ihr nachgelaufen. Und nun war er offensichtlich die ganze Nacht nicht von ihrer Seite gewichen.

Mit zitternden Fingern fischte sie die Haarnadeln aus ihrer Frisur, die inzwischen sowie völlig zerstört war. John hatte ihre kühnsten Träume in den Schatten gestellt. Es war nicht so, dass sie gar keine Erfahrung in Sachen Sex hatte, aber sie war sich immer bewusst gewesen, dass ihre spezielleren Interessen nur wenige Gleichgesinnte in dieser Welt finden würden, und so hatte sie keinem ihrer vorigen Partner irgendetwas davon gesagt. Auch John gegenüber hatte sie nichts gesagt. Er hatte es sich einfach genommen. Er hatte getan, wovon sie schon immer geträumt hatte, ohne dass sie es hatte aussprechen müssen.

Die letzte Nacht hatte sie jeglichen Willen, jegliche Selbstbestimmung abgegeben und tun lassen, wonach auch immer ihm der Sinn gestanden hatte.

Es war eine berauschende Nacht gewesen. Sie hatte nicht erwartet, ausgerechnet in John jemanden zu finden, der genauso tickte wie sie. Tatsächlich war sie immer davon ausgegangen, dass sie eines Tages schlicht den Mut aufbringen musste, und sich in einen der einschlägigen Clubs begeben müsste. Ausgerechnet John ...

Wehmütig schaute sie zu ihm. Sie war sich sicher, dass er diese Nacht niemals vergessen würde. Das war alles, was sie sich erhofft hatte. Sie sehnte sich danach, ihn aufzuwecken und vielleicht ein weiteres Treffen mit ihm zu arrangieren. Ihm ganz unverblümt zu sagen, dass sie die Nacht wiederholen wollte.

Doch das ging nicht.

Energisch richtete sie sich auf, ergriff ihre Handtasche und schüttelte den Rock ihres Kleides aus, um zumindest die gröbsten Falten zu glätten. Es war besser, wenn sie ging, ehe er aufwachte. John wäre sicherlich auch froh darüber, wenn er sich nicht mit ihr beschäftigen müsste nach dem Aufwachen.

Auf leisen Sohlen schlich sie zur Tür. Bevor sie die Klinke ergriff, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Da lag er, der Mann ihrer Träume. Er schlief lang ausgestreckt auf dem Rücken, einen Arm unter dem Kopf verschränkt, der andere baumelte von der Sofakante, so dass seine Finger leicht den Boden berührten. Er konnte nicht ahnen, was er ihr bedeutete. So sehr er die Feministin in ihr auch gereizt und verärgert hatte, so sehr hatte er doch die Frau in ihr erregt. Und wer wusste schon, ob nicht ein paar ernsthafte Gespräche mit ihr ihn zu der Einsicht führen würden, dass Frauen in allen Lebenslagen gleichberechtigt sein konnten, wenn man sie nur ließ? Vielleicht war die Tatsache, dass er seit über einem Jahrzehnt nur noch mit Groupies zu tun gehabt hatte, einfach schuld daran, dass er in gewisser Weise den Respekt für Frauen verloren hatte. Vielleicht ...

Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie sollte ihre Gedanken gar nicht erst dahin wandern lassen. Eine solche Änderung würde eine ernsthafte Beziehung erfordern. Und keine Beziehung sollte unter der Prämisse beginnen, dass man seinen Partner ändern will. Sowieso wäre es vermessen, anzunehmen, dass die Fackel nach einer heißen Nacht an einer Beziehung interessiert war.

Vorsichtig zog sie die schwere Tür auf, trat hindurch und ließ sie möglichst leise hinter sich ins Schloss fallen. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an die Tür. Heute Nacht war ihr Traum in Erfüllung gegangen, doch der Sommer war noch nicht vorbei. Es standen noch diverse Konzerte auf der Liste. Sie würde diese Nacht sorgsam in ihrem Gedächtnis abspeichern und sie würde niemals mit Bedauern zurückschauen. Das hier war ihre Wahl. Ihre Entscheidung.

„Oha, guten Morgen, Madame!"

Entsetzt riss Johanna die Augen auf. Am Ende des Ganges stand Mark, in den Händen eine offensichtlich schwere, schwarze Kiste, und grinste sie aus der Entfernung breit an. Müde winkte sie ihm zu, dann stieß sie sich von der Tür ab und ging auf ihn zu.

„Na, hatten wir eine schöne Nacht?", fragte er mit wissend erhobener Augenbraue.

„Kann man so sagen", erwiderte sie. Gegen ihren Willen stahl sich doch ein Grinsen auf ihre Lippen. Wem wollte sie etwas vormachen? Sie konnte ruhig dazu stehen, dass sie wie ein gewöhnlicher Groupie mit John geschlafen hatte.

„Und jetzt schleichst du dich einfach davon?"

Ihr Grinsen machte einem gequälten Gesichtsausdruck Platz: „Ich schleiche mich nicht davon. Es ist nur ... so ist es besser für alle. Keine unangenehmen Gespräche am Morgen. Keine höfliche Konversation, während alle nur beten, den anderen so schnell wie möglich loszuwerden."

Mark stellte die Kiste ab und verschränkte die Arme vor der Brust: „Du gehst also einfach davon aus, dass John dich heute Morgen nicht sehen will?"

„Ja", erwiderte Johanna schlicht: „Und selbst, wenn es anders wäre ... das ist nicht seine Entscheidung."

Überrascht hob der muskulöse Mann beide Augenbrauen: „Das sind mal ganz andere Töne, als ich sie normalerweise höre. Die anderen Mädchen sind immer ...", er brach ab, verzog das Gesicht und schlug dann eine piepsige Stimmlage an: „Oh, aber wir hatten doch so viel Spaß! Kann ich nicht noch bleiben? Wir könnten uns einen schönen Tag machen! Und ich versüße dir gerne den Abend! Oh, gib doch zu, noch keine vorher war so wie ich."

Johanna schnaubte: „Ja, genau. Mark, du bist ein Arschloch."

Abwehrend hob er beide Hände: „Hey, wieso sagst du das zu mir? John ist doch derjenige, der die Mädchen wie Dreck behandelt."

Stirnrunzelnd stemmte Johanna ihre Hände in die Hüften: „Nein, John ist einfach ehrlich. Jede von uns weiß, worauf sie sich hier einlässt. Wenn irgendeine von den Frauen ernsthaft denkt, John würde sich nach einer Nacht in sie verlieben, dann ist das ihr Problem. Er spielt mit offenen Karten. Natürlich hofft jede das insgeheim, aber es wird nicht passieren. Mach dich nicht lustig über die Träume und Hoffnungen anderer."

Mit einer Hand kratzte Mark sich am Kinn: „Und du? Hoffst du es auch?"

Offen lächelte sie ihn, auch wenn sie die Traurigkeit nicht aus ihrer Stimme verbannen konnte: „Natürlich. Aber ich weiß, ich würde mich nur in Gefahr begeben, sollte tatsächlich noch irgendetwas zwischen ihm und mir laufen."

„Gefahr?"

„Die Gefahr, mich ernsthaft zu verlieben. Mark ...", setzte sie an, doch sofort unterbrach sie sich. Sie sollte das nicht mit einem nahen Mitarbeiter von John besprechen. Kopfschüttelnd zwang sie sich zu einem munteren Grinsen: „Vergiss es einfach. Falls John fragt – was er eh nicht tun wird – aber falls er fragt, sag ihm einfach, dass ich danke gesagt habe. Und ich bin sicher nicht abgehauen, weil er schlecht war oder so. Nicht, dass ein Ego wie er auf diese Idee käme."

Sie rückte ihre Handtasche zurück, winkte noch einmal und eilte dann mit schnellen Schritten durch die Gänge davon. Sie brauchte Frühstück. Kaffee. Andere Gedanken.

Einem Impuls folgend holte sie ihr Handy hervor, kramte nach dem neuesten Eintrag und schickte eine Nachricht an Micha. Vielleicht war er ja noch in der Stadt und hatte Zeit für sie.


Sie hatte sich im Hotelzimmer nur etwas anderes angezogen und ihre Haare gebürstet, aber für Duschen oder gar aufwändig Neuschminken hatte Johanna der Nerv gefehlt. So saß sie mit ungeschminkten Gesicht, offenen Haaren und einem schlichten roten Kleid im Café gegenüber ihres Hotels, wo sie auf Micha wartete.

Sie musste nicht lange warten, ehe er mit schweren Schritten durch die Tür kam und sie laut begrüßte: „Hey, schöne Dame! Welche Ehre, von dir tatsächlich eine Nachricht zu kriegen!"

„Ach, halt die Klappe, du Spinner!", rügte sie ihn, um ihn dann trotzdem in eine kurze, feste Umarmung zu ziehen. Gemeinsam setzten sie sich wieder an den kleinen Tisch, bestellten beide ein Französisches Frühstück und warteten dann auf den Kaffee, ehe sie anfingen, miteinander zu reden.

„Also, wie war der Abend? Oder sollte ich besser sagen: die Nacht?"

Gespielt verärgert blickte Johanna ihren großen Freund über den Rand ihrer Kaffeetasse an: „Haha. Sehr lustig. Aber wenn du es so genau wissen willst: Es war tatsächlich eine Nacht und sie war ... gut."

Anzüglich wackelte er mit den Augenbrauen: „Nur gut?"

Indigniert stellte sie ihre Tasse zurück auf den Tisch: „Atemberaubend. Heiß. Lang. Feucht. Voller Schweiß und Stöhnen und Körpersäfte jeglicher Art. Willst du das hören? Oder noch mehr Details?"

Lachend hielt Micha sich die Ohren zu: „Du musst mein armes, unschuldiges Selbst nicht gleich völlig verderben, Johanna!"

Statt einer Antwort blickte sie zu der Kellnerin auf, die mit einem Tablett ankam, um Croissants, Butter und Marmelade zu servieren. Schweigend warteten beide ab, bis die junge Aushilfe wieder verschwunden war.

„Aber ganz ehrlich", sagte Micha schließlich, nachdem er den ersten Bissen runtergeschluckt hatte: „Sänger müsste man sein. Wenn man da Frauen wie dich ins Bett kriegt."

Johanna runzelte die Stirn: „Das hat gar nichts damit zu tun, dass er Sänger ist."

„Ach nein?"

„Nein", betonte sie. Nachdenklich strich sie sich Butter auf ihr Croissant und biss ab, während ihr Blick durch das an diesem Morgen recht leere Café wandern ließ. Es war gemütlich, klein, aber gepflegt, die Möbel wirkten alt und passten damit perfekt zu ihrem Kleidungsstil. Sie fühlte sich wohl hier, als wäre sie in der Gesellschaft von hochgebildeten Damen und Herren. Mit Micha über ihr Sexleben – oder besser: das von John – zu sprechen, wollte so gar nicht ins Bild passen. Und genau das gefiel ihr. Sie legte den Kopf schräg: „Ohne lorem ipsum wäre ich vermutlich nie auf ihn aufmerksam geworden. Aber wenn ich ihm einfach so auf der Straße begegnet wäre, hätte er mich trotzdem in seinen Bann gezogen."

Micha wischte sich sorgsam den Mund ab, ehe er einen weiteren Schluck Kaffee nahm und ebenso nachdenklich erwiderte: „Du bist vermutlich alleine da mit dieser Einstellung. Aber ich glaube dir das, keine Sorge. Du erscheinst mir nicht wie der Typ Frau, der einfach nur auf Berühmtheit steht."

„Ich interessiere mich wirklich für den Mann. John ... macht seinem Namen als Fackel alle Ehre."

Als habe er einen Unterton wahrgenommen, blickte Micha von seinem Teller auf: „Dich bedrückt etwas, mh?"

Hilflos zuckte Johanna mit den Schultern. Sie wusste ja selbst nicht recht, was sie denken oder fühlen sollte. Langsam riss sie ein Stück von ihrem Croissant ab, doch sie schob es sich nicht direkt in den Mund. Leise, beinahe mehr zu sich selbst, erklärte sie: „Die Nacht war einfach ... jenseits meiner Vorstellung. John ist so viel ... so viel mehr, als ich zu hoffen gewagt habe. Vorher war es einfach nur eine kleine Verliebtheit, eine Schwärmerei für den unerreichbaren Star. Genährt durch feuchte Träume in der Nacht. Sicher, ich wollte ihm näher kommen, ich hatte gehofft, dass er mich bemerkt. Aber jetzt ..."

„Jetzt hast du dich ernsthaft verliebt?"

Seine Worte waren ruhig und einfühlsam gesprochen, ohne jede Anschuldigung, einfach nur offen und ehrlich fragend. Johanna ließ die Hände in ihren Schoß sinken: „Ja. Nein. Ich bin mir nicht sicher. Ich bin heute Morgen gegangen, ohne mich von ihm zu verabschieden. Ich hatte einfach ... Angst. Wenn ich ihm noch einmal so nahe komme, würde ich mich definitiv verlieben. Ich glaube, ich bin es noch nicht wirklich. Im Moment ist er mir noch fremd genug. Ich weiß gerade wenig genug über ihn, dass ich nicht ernsthaft verliebt sein kann. Aber sollte es eine zweite Nacht geben ... vielleicht auch mit richtigem Gespräch vorher oder nachher ..."

Micha blickte in seine Kaffeetasse und antwortete, ohne den Blick zu heben: „Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Jemand wie John verliebt sich nicht in einen seiner Fans. Er ist schon zu lange in diesem Geschäft, er weiß, dass er sich das nicht erlauben kann. Er hat eine professionelle Mauer aufgebaut. Du würdest dir nur selbst wehtun, wenn du ihm näher kommst."

Johanna nickte: „Ja, das sind so ziemlich genau meine Gedanken. Ich will mich nicht verlieben."

Schweigend aßen sie den Rest ihres Frühstücks. Sie fühlte sich beinahe schlecht, dass sie am frühen Morgen mit Micha über so ein schweres Thema sprach, doch er schien sich nicht wirklich daran zu stören. Und zu ihrer Überraschung und Freude war er aufmerksam, intelligent und sehr hilfreich.

Die Bedienung hatte gerade ihre Teller abgeräumt, da schnitt Micha das Thema erneut an: „Es stehen noch einige Konzerte auf dem Plan. Was, wenn du ihm wieder unter vier Augen begegnest?"

„Ja, was dann?", murmelte Johanna, das Kinn auf ihre Hand gestützt, während sie mit dem Zeigefinger ihrer Rechten den Rand ihrer Kaffeetasse umfuhr: „Ich glaube nicht, dass John von sich aus noch einmal auf mich zukommt. Ich glaube, dazu ist er zu ... zu erfahren. Er will sich ja auch selbst keinen anhänglichen Groupie einhandeln. Das ist zu anstrengend für ihn. Und die Konzerte von lorem ipsum kann ich ja ganz unabhängig von ihm genießen."

Für einen Moment schaute Micha sie nur intensiv an, doch dann grinste er: „Richtig. Ich vergesse immer wieder, dass du die Musik tatsächlich mindestens ebenso geil findest wie ich."

Gespielt verärgert streckte sie ihm die Zunge raus: „Nur, weil ich mich anständig zu kleiden weiß!"

Erleichtert, dass sich die Stimmung zwischen ihnen wieder gehoben hatte, ließ sich Johanna nur zu gerne auf leichtere Themen ein. Sie plauderten noch eine ganze Weile, während beide einen Kaffee nach dem anderen tranken. Erst, als eine Turmuhr in der Ferne elf schlug, erinnerte Johanna sich daran, dass sie noch ihre Artikel schreiben musste. Sie verabschiedete sich herzlich von Micha und versprach, dass sie sich wiedersehen würden, sobald die Tour zu Ende war. Zumindest dieser Mann in ihrem Leben tat ihrem Herz gut.


„Gib ihr das gelbe Band!"

Genervt rollte Mark mit den Augen: „Ja, Boss. Wird erledigt, Boss."

Wütend tigerte Jonathan vor dem Crewmitglied auf und ab: „Ich meine es ernst. Ich will, dass sie heute Abend wieder mit dabei ist. Ich kann nicht auf mir sitzen lassen, dass sie einfach so gegangen ist."

„Die Frau scheint es raus zu haben, an deinem Ego zu kratzen, was?", mischte sich Arne ein, der zuvor nur hämisch grinsend das Gespräch der beiden beobachtet hatte. Die Bühne war aufgebaut, alle Bandmitglieder waren bereits in ihren Kostümen und es dauerte nur noch etwa eine Stunde, bis der Einlass begann, doch John schien nicht im geringsten interessiert daran. Seit er am Morgen vor drei Tagen aufgewacht war und Johanna nicht vorgefunden hatte, war er unausstehlich gewesen.

„Halt du dich da raus!", fuhr John ihn an, doch immerhin hörte er auf, wie ein Wahnsinniger durch den Aufenthaltsraum zu laufen. Stattdessen ließ er sich auf einen Stuhl fallen.

„Ehrlich, Mann. Ich hab ja auch gesehen, dass sie anders ist als die anderen", sagte Arne ernst: „Aber ist das hier nicht ein bisschen übertrieben? Sie fand die Nacht halt nicht so geil und ist deswegen gegangen. Ende der Geschichte. Passiert."

Mit blitzenden Augen drehte John sich zu ihm um: „Schwachsinn. Darum geht es außerdem nicht."

Absichtlich langsam erhob Arne sich und kam zu John rüber geschlendert. Eine Hand auf der Stuhllehne, die andere auf dem Tisch abgestützt, raunte er ihm eisig zu: „Mir ist egal, worum es hier geht. Konzentrier dich auf den Auftritt, das ist alles, was jetzt gerade wichtig ist. Hör auf, mit deinem Schwanz zu denken. Du bist Profi. Ist das klar?"

Zorn wallte in Jonathan hoch: „Erzähl mir nichts. Ich weiß genau, was ich tue. Es gibt hier kein Problem."

Noch einen Moment lang starrte Arne ihm mit eisigem Blick in die Augen, dann kehrte das bekannte, spielerische Grinsen zurück: „Dann ist ja gut. Wir brauchen unsere brennende Fackel."

Er wandte sich ab, um zu den anderen Bandmitgliedern zu gehen, die auf der Bühne ein paar letzte Akustikproben durchführten. Wütend blieb John zurück. Er konnte es einfach nicht begreifen. Er konnte nicht begreifen, wie eine Frau, die so offensichtlich kompatibel mit ihm war, einfach so verschwinden konnte. Sie hatte den Sex doch auch genossen.

Oder nicht?

Er war hart und egoistisch gewesen. Er hatte Dinge mit ihr getan, von denen er nicht wusste, dass eine Frau sie mit sich machen lassen würde. Sie hatte nie rot gesagt. Und sie war danach erschöpft vom Orgasmus eingeschlafen. Das war doch Beweis genug, dass es ihr gefallen hatte.

Unwillig fuhr er sich durch seinen stoppeligen Bart. Er wandelte nun schon seit über vierzig Jahren auf dieser Erde, aber noch keine Frau hatte es geschafft, ihn so aus der Bahn zu werfen. Er würde sie heute Abend erneut sprechen, er würde sie ganz offen und direkt fragen – und dann würden sie noch einmal berauschenden Sex haben. Danach konnte sie gerne ihrer Wege gehen, aber zumindest ein einziges Mal noch brauchte er dieses Erlebnis.

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