Mein neues Ich

By Cherrydream_2201

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"Was ist hier los?" rief ich und ignorierte die ängstlichen Stimmen der Anderen. Lens Kehle verließ nur ein... More

Eine Katze bricht bei mir ein
Die spinnen doch alle
Die Entscheidung fällt
Aufbruch
Ich frage Tyler Löcher in den Bauch
Mr. Schlafmütze und seine Kumpanen
Meine Rettung
Ich werde zur Nervensäge
Notiz an mich: Feststellen ob ich träume
Essen, schlafen und schon wieder essen
Ich, der Stalker
Alle haben's drauf, nur ich nicht
Im Kampf des Löwen
Der Befehl des Alphas
Himmel oder...
Hölle
Ich mu(T)ier(e)
Vertrauen
Zu viel Adrenalin
Lektion eins
Luxus
Das Geheimnis
Ich attackiere meine Direktorin
Zwischen Staub und toten Fliegen
Eine interessante Entdeckung, wenn du verstehst, was ich meine
Ich werde zur Spionin
Emotionale Ausbrüche
Ich falle durch ein Bücherregal
Len durchbricht eine Wand
Endgültige Erkenntnis
Blondi und ich bilden ein Team
Man rettet mir den Allerwertesten
Immer eine Frage der Perspektive
Ich, die (mal mehr oder weniger) kreative Person
Überraschende Wendungen
Wenn die eigene Lebensdauer gefährdet ist
Eine Zeitreise ist lustig, eine Zeitreise ist schön
Wenn man einfach mal eine Zuflucht braucht
("Mädchen-")Gespräche
Wenn die eigene Mutter zum Fangirl mutiert
Frohe Weihnachten, Sarina
Wieder "richtig" zu Hause?
Die Geschichte der magischen Welt für Ahnungslose, bitte.
Waschechte Männergespräche!
Von Glitzervampiren und rücksichtslosen Chefs
Zweisamkeit
Kuchen und Küsse
Neunzehn
Vergangenheit um Vergangenheit
Überraschungen soweit das Auge reicht
Fragen über Fragen
Lasst das Spiel beginnen
Wahrheiten
Päckchen und Kindergartenkinder
Wenn man vor Emotionen fast verrückt wird
Erinnere dich!
Klarheit
Des Mondes Kind
Wie in Trance
Ein sehr . . . außergewöhnlicher Morgen
Geständnisse
Und die Vorbereitungen beginnen
Mein erster Ball . . .
. . . endet in einem Desaster
Der Beginn
Tag eins -Verborgen in der Dunkelheit
Tag eins -Die Suche ins Nichts?
Tag eins -Der gesuchte Fund
Tag zwei -Erwachen
Tag zwei -Macht
Tag zwei -Der nächste Schritt
Tag drei -Ein kleiner Funke Hoffnung
Tag drei -Maulwurf
Tag drei - Finale Planungen
Die Sonnenquelle
Es ist Krieg
So nah und doch so fern
Trancengleichheit
Wiedersehensfurcht
Wie man richtig wütend wird:
Das letzte Gefecht
Unerwartete Hilfe
Unerwartetere Hilfe
In Finsternis
Von Krankenstationen und Liebesbekundungen
Hoffnungsvolle Versprechen
Epilog -Mein neues Ich
Ritter des Lichts (Ruby x Cody)
Charakterverzeichnis
Q&A

Die Künste eines Mädchens

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By Cherrydream_2201

Ein großer, schlanker Körper kam rückwärts, einen großen Müllsack hinter sich herziehend, aus der Tür gewankt.
Anscheinend war er weder betrunken, noch im Halbschlaf, so vermutete ich sehr stark, dass er derjenige mit der üblen Laune war.
Keine Frage, er murmelte nämlich unschöne Beleidigungen vor sich hin, als er weiterhin rückwärts die kleine Treppe hinunterstieg, bis er knapp drei Meter vor mir zum stehen kam.
Ich hielt die Luft an und hoffte, dass er einfach wieder im Innern des Hauses verschwinden würde, ohne sich umzusehen.

Aber er drehte sich um.
Mein Atem entwich mir mit einem pfeifenden Geräusch und für einen kurzen Moment war ich wie versteinert.

Ein hochgeschossener, schwarzhaariger Junge hatte überrascht den Mund geöffnet und starrte mich aus eisblauen, stechenden Augen an.
Ich schätzte ihn mindestens drei Jahre älter als mich. Vielleicht 19 oder 20.
Seine Klamotten waren ausgeleiert, aber er war keinesfall dünn oder schmächtig, sodass sie an ihm wirkten, wie eine übergroße Patchworkdecke. Eher im Gegenteil.
Harte Muskeln zeichneten sich wage unter den langen Ärmeln eines grauen Pullis ab und die kräftigen Beine waren von einer halb zerrissenen Jeans bedeckt. Seine Füße steckten in zertretenen Chucks.
Durch die verschwuschelten Haare wirkte er noch sehr jungenhaft, was aber so gar nicht zur harten Miene passte, mit der er mich jetzt betrachtete.

"Äh." machte ich und ließ den Mülltonnendeckel mit einem lauten Scheppern auf den Boden fallen. Bei dem Geräusch fuhr der Fremde erschrocken zusammen.

"Hast du zufällig ein Taschentuch?"
Innerlich stöhnte ich auf.

Die hypnotischen Augen verengten sich zu Schlitzen, doch der Typ zog nur stumm ein sauberes Tempo aus seiner Hosentasche.
Dankend nahm ich es entgegen, darauf bedacht nicht seine Hand zu streifen, und wischte mir dann mit einem angewiderten Gesicht irgendeine Flüssigkeit von den Fingern.
Nur die Vorstellung, was das alles sein könnte, löste bei mir leichte Schauder aus.

Der Eisaugentyp räusperte sich einmal verhalten und sagte dann "Dürfte ich fragen, was du in der Nacht, an diesem Ort, um diese Uhrzeit hier tust?"
Ich zuckte gleichgültig die Schultern, blieb ihm aber eine Antwort schuldig.

Er schnaufte.
"Na ja, kann mir eigentlich auch egal sein. Ich rate dir nur, du verlässt am besten schnellstens den Hof, sonst wirst du dir nur unnötige Probleme einhandeln."

Ein wenig eingeschnappt reckte ich das Kinn. Ich musste mich an den Plan halten.
"Von dir lass' ich mir gar nichts sagen."

Ich sah die hervortretende Ader an seiner Stirn und bemerkte, wie er darum rang, Fassung zu bewahren.
"Ich meine, du bist ja nicht mein Vater, sonst wäre die Situation natürlich anders."
Kurze Pause.
"Hmm, ich denke, ich sollte ihn anrufen, damit er mich abholt." plapperte ich weiter. "Ich war heute nämlich mit meinen Freundinnen in einem Club. Der ist ganz in der Nähe. Schreckliche Musik, sag' ich dir. Aber die Drinks waren echt gut. Obwohl," ich tippte mir mit dem Zeigefinger ans Kinn " die Bezeichnung 'Besser als erwartet' vielleicht passender wäre. Warst du schon mal da?"

Der Fremde drängte sich mit zusammengepresstem Kiefer an mir vorbei zu den Mülltonnen und ließ seine schwere Last auf den, schon ohnehin viel zu hohen, Haufen fallen.
Missbilligend rümpfte ich die Nase.
"Sag' mal, wie lange ist eigentlich der letzte Besuch des Müllautos her?"
Eisauge hatte mir immer noch den Rücken zugekehrt und atmete tief ein und aus.
Eigentlich der perfekte Augenblick, ihn mit einem Schlag auf den Kopf das Licht auszuschalten.
Doch etwas hielt mich zurück.
Ich merkte nämlich, dass ich langsam Gefallen an der ganzen Sache fand.
"Wusstet du, dass Müllmänner voll viel Geld verdienen? Ein Freund aus meiner Grundschule wollte nämlich Müllmann werden." Hey, das ist wirklich wahr. "Na ja," ich runzelte die Stirn, was er natürlich nicht sehen konnte, weil er ja immer noch damit beschäftigt war, nicht gleich zu explodieren. "bis Camille Roye ihm darauf mitteilte, dass, wenn er diesen Beruf wählen würde, sie ihn niemals heiratet. Und ab da an, wollte er Superheld werden." beendete ich meinen Monolog stolz und war froh, dass ich mich kein einziges Mal verhaspelt hatte.

"Wolltest du nicht deinen Vater anrufen?" presste der Typ hervor und linste über seine Schulter, herüber zu mir.

"Ach stimmt ja." lachte ich (was in meinen Ohren ziemlich hysterisch klang).

Ich wühlte in meiner Jackentasche nach dem Smartphone und hielt es dann Eisauge triumphierend unter die Nase, als ich es endlich in die Finger bekam.
Ich drückte den Startknopf.
Nichts passierte.
Erneut versuchte ich es.
Vergebens.
Ich bemühte mich das Handy zum Leben zu erwecken, aber es blieb hartnäckig schwarz.
Entrüstet starrte ich auf das Display.
"Ich würde sagen, der Akku ist alle." teilte mir der Eiskönig unnötigerweise mit.
Missbilligend schnalzte ich mit der Zunge und tat, als würde ich angestrengt nachdenken.
Dann schaute ich zu dem Fremden hinüber.
"Gibt es hier eine Telefonzelle, oder so etwas in der Art?"
"Ja." bekam ich als einsilbige Antwort zurück.
"Alsooo," Ich sah ihn bittend an. "könntest du mich eventuell da hinbringen? Ich habe nämlich eine leichte Phobie vor der Dunkelheit und weil meine Taschenlampe vom Handy nicht geht..." Ich ließ den Satz unvollendet.

Eisauge stöhnte gereizt auf.
"Meinetwegen. Aber wir müssen uns beeilen, da ich wieder hier sein muss, wenn mein Boss aufwacht."
Ich nickte eifrig.

"Okay, dann komm mit."
Bevor ich ihm folgte, schielte ich noch einmal zum Türschloss.
Der Schlüssel steckte.
Ein triumphierendes Grinsen huschte über mein Gesicht und schnell schloss ich zu dem Typ auf.

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

"Wo sind eigentlich deine Freundinnen? Nicht, dass die sich auch in unseren Hinterhof verirren." fragte er, als ich neben ihm herlief.
"Äh, ich glaube, die sind mit ein paar Jungs mitgegangen." log ich und hoffte, dass er keine weiteren Fragen stellte.
Er schien es aus irgendeinem Grund zu merken und hielt den Mund.

Wir waren mittlerweile noch gute fünf Meter von der Straße, und somit auch von Cody entfernt.
Ich lief weiter, doch bemerkte, dass der Eiskönig langsamer wurde. Seine ganze Haltung war plötzlich angespannt und die Augen blitzten wachsam.

Noch ein Schritt.
Ich nahm Cody aus dem Augenwinkel wahr. Mein rechtes Augenlied zuckte.
"Warte! Geh nicht weiter!" rief der Fremde urplötzlich, streckte die Arme aus und sprang neben mich.
Reumütig sah ich ihn an, formte mit den Lippen ein 'Tut mir leid' und noch im selben Augenblick, schnellte Cody nach vorn und schlug ihn mit einem kräftigen Schlag zu Boden.

"Autsch." sagte ich gequetscht und kniff ein Auge zu. "Ich glaube, wir hätten irgendetwas drunterlegen sollen."
Cody schnaubte amüsiert.

Die Anderen strömten aus den verschiedensten Ecken herbei und wir umringten den schlaffen Körper des Jungen.
"Er sieht gut aus." stellte Emily fest und Scarlet nickte zustimmend.
Ich sah, wie David Emily von der Seite musterte.
"Na ja." brummte Seth, dem das Interesse der Mädchen nicht entgangen war.
Len räusperte sich.
"Könnten wir bitte zur Sache kommen? Sarina?" er wandte sich mir zu . "Hat er die Schlüssel?"
Ich schüttelte den Kopf. "Die stecken im Schloss."

Ein Lächeln breitete sich auf Lens Gesicht aus. "Perfekt."
Ich erwiderte sein Grinsen.
"Na, dann los." drängte Scarlet und setzte sich in Bewegung. Seth folgte ihr und legte beinahe besitzergreifend einen Arm um ihre Hüfte, als er noch einen letzten Blick zurück auf Eisauge warf.
Auch die Anderen liefen jetzt los und ich wartete, bis Cody und Len den armen bewusstlosen Kerl auf eine Bank in der Nähe geschleppt hatten.
Len schickte Cody vor, um ihn sich noch zwei weitere Helfer aussuchen zu lassen.
Er selber lief jetzt neben mir her.
Schweigend.
Natürlich.

Nach einer Weile, da ich die Stille nicht mehr aushielt, begann ich zu reden. "Ich bin froh, dass du mir das erlaubt hast."
Len erwiderte nichts.
"Ich meine, du hättest mich auch einfach ins Auto sperren können, oder in der Richtung."
Der Alpha lächelte müde.
"Also," ich sah zu ihm hoch "danke nochmal."

Len drehte den Kopf zu mir.
Er wirkte ziemlich geschafft. Die Krankheit und die zusätzlichen Verletzungen machten ihm sichtlich zu schaffen.
Er musste mit seiner Kraft auch schon am Ende sein.

"Ich denke, ich habe einfach gehofft, dass das Glück diesmal wieder auf unserer Seite ist." er hielt kurz inne "Außerdem vertraue ich dir." und zuckte mit den Schultern, als würde das alles erklären.

Ich war ein wenig gerührt durch das Geständnis und hielt es für besser, erst einmal nichts zu sagen.

Als wir bei der Gruppe ankamen, standen David und Tai neben Cody. Sie warteten bereits auf uns und schwiegen verlegen, während Seth mit Scarlet in eine hitzige Disskussion verstrickt war.
Soweit ich es verstand, wollte sie mit uns kommen und ihre Schwester von dort unten befreien.
Ich konnte spüren, dass ihre Nerven nicht mehr lange durchhalten würden.

Seth redete nun beruhigend auf sie ein und flüsterte ihr leise etwas ins Ohr.
Daraufhin senkte sie die Augen, seufzte schwer und schlang ihre Arme um den Oberkörper.
Sie gab sich geschlagen.
Mir fiel auf, dass die Beiden ein schönes Paar abgeben würden.

"Alles in Ordung?" versicherte sich Len noch einmal in Richtung Scarlet, die nur erschöpft nickte.

"Okay, also Leute, jemand sollte vor zur Straße gehen und Ruby bescheid sagen, dass wir gleich bei ihr sind. Am besten macht das Scarlet." er wandte sich ihr zu "Du suchst dir bitte noch jemanden, der mit dir vorgeht." dabei schnellte sein Blick zu Seth.
"Die Anderen positionieren sich bitte an dieser Tür," Len wies auf die Hintertür "am Anfang der Gasse und am Pubeingang. Ich möchte kein Risiko eingehen und irgendwo eine offene Lücke lassen. Ist das soweit klar?"
Wir nickten zustimmend.
"Gut. Cody, David, Tai, Sarina und ich werden uns jetzt auf den Weg machen. Wenn wir in einer halben Stunde nicht zurückgekommen sind, geht ihr bitte Hilfe holen. Fahrt zur Akademie und weckt ein paar Lehrer. Ich möchte auf keinen Fall," er sah uns alle der Reihe nach scharf an "dass ihr uns nachlauft."

Ich war ein wenig beeindruckt, woran Len alles gedacht hatte. Hätte ich diese Mission angeführt, wäre das in einer völligen Katastrophe geendet.

Alle nickten verständnisvoll und kaum, dass Len uns Vier zum Aufbruch ermahnt hatte, begannen sie auch schon mit der Gruppenverteilung.

Als ich den Hof mit Eisauge verlassen hatte, stand die Tür sperrangelweit offen. Jetzt war sie zu.

Ich wusste nicht, ob es der Zugwind war, der sie geschlossen hatte, oder ob jemand sie absichtlich hinter sich zugezogen hatte.
Ich hoffte einfach, dass es der Wind gewesen war.

Len hatte sich den Ärmel seines Pullovers über die Finger gestülpt und drehte nun an dem eisernen Metallschlüssel. Ich fragte, warum er das tat und die Antwort lautete, dass er so wenig Spuren wie möglich hinterlassen wollte. Außerdem, fügte der Alpha hinzu und schnitt dabei eine Grimasse, wollte er nicht noch mehr Keime an seinem Körper kleben haben.
Da konnte ich ihm nur allzu gut beipflichten.

Das Erste, was wir erblickten, als die Tür aufschwang, war tiefe Dunkelheit.
Geradezu unmöglich, da es draußen fast genauso düster war, aber meine Augen mussten sich tatsächlich erst an die Schwärze gewöhnen, bis ich wieder meine eigene Hand ausmachen konnte, die ich probehalber vor mein Gesicht gehalten hatte.
Ich kniff die Augen zusammen.
Ein schmaler, langer Gang führte ins Innere des Hauses. Der Boden war mit Holzplanken versehen, die bei jedem Schritt, den wir uns vorwagten, ein stöhnendes Geräusch von sich gaben.

"Au, das war mein Knöchel!" zischte ich Tai zu, als ich einen Schuh an meinem Fuß spürte.
"T'schuldige." entgegnete er zerknirscht.

Wir liefen hintereinander den Flur entlang.
Die Wände standen so dicht beieinander, dass wir, selbst wenn wir zu zweit gelaufen wären, stecken bleiben würden
Ich merkte, dass Cody mit seinen breiten Schultern nur mühsam voran kam, da er immer wieder den Bauch einziehen, und sich seitlich durch den Gang quetschen musste.

"Wir sind gleich da." ertönte die ermutigende Stimme von Len und augenblicklich liefen wir schneller.
Kurz darauf hörte ich, wie ein weiterer Schlüssel gedreht wurde und wir traten nacheinander aufatmend in die Küche des Pubs.
Es war finster.
David schlug vor, lieber die Beleuchtung aus zu lassen und wir stimmten ihm in diesem Punkt einstimmig zu.
"Und wo ist jetzt der Eingang zum Weinkeller?" fragte ich ungeduldig und sah mich um.
"Wahrscheinlich hier in der Küche, oder in einem Nebenzimmer. Man läuft nicht durch den ganzen Essenbereich, um Weinflaschen zu holen." brummte Cody und setzte sich in Bewegung.
Len seufzte.
"Okay Leute, dann suchen wir." sagte er und fügte noch leise hinzu, nur so, dass ich es hören konnte. "Mal wieder."
Ich zuckte nur die Schultern.

Im Endeffekt war ich es, die die unscheinbare Tür im Mauerwerk entdeckt hatte.
Sie lag in der hintersten Ecke der Küche und hätte ich nicht aus Versehen den Kartoffelsack ungestoßen, der offen an einer der Arbeitsplatten stand, und die Kartoffeln wären nicht über die Fliesen gekullert, sodass sie in dem gesamten Raum verteilt waren und wir ihnen auf Knien hinterher robben mussten, hätten wir uns schwarzgesucht.
Nun umringten wir ungeduldig die unnachgiebige Holztür und warteten angespannt darauf, dass Len den richtigen Schlüssel hervorzog.
"So ein Mist." schimpfte mein Artgenosse, nachdem auch der zehnte Schlüssel nicht passte.
Der Schlüsselbund war aber auch groß. Mindestens dreißig verschiedene Eisenschlüssel waren an dem dünnen Ring befestigt, der jeden Moment nachzugeben drohte.
"Ach gib schon her. In solchen Sachen sind Mädchen immer besser." fuhr ich Len gereizt an. Dieser sah mich zwar skeptisch an, übergab mir den Bund aber widerspruchslos.
Ich spürte die Blicke der Jungs auf mir und ich wusste, wenn ich jetzt genauso viele Anläufe brauchte, wie der Alpha, wäre ich eine Lachnummer mehr.

Klimpernd drehte ich das silberne Knäul vor meinen Augen hin und her, betrachtete das Türschloss näher und lenkte meinen Blick wieder auf den Ring.
Mit spitzen Fingern zog ich einen Schlüssel hervor. Als ich ihn behutsam ins Türschloss schob, schien es, als hielten alle um mich herum den Atem an.
Ein Klicken ertönte, während ich ihn mit leichten Druck um sich selbst drehte. Mein Herz machte einen Hüpfer.
Cody sah mich fragend an und ich nickte. Energisch stemmte er sich gegen die hölzerne Barriere.
Die Tür schwang auf.
Ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.

"Immer hereinspaziert die Herren." sagte ich triumphierend und breitete die Arme zu einer einladenen Geste aus.
David jubelte unterdrückt und Tai gab mir einen dicken Kuss auf die erhitzte Wange. Automatisch sah ich Len an.
Ein mörderischer Ausdruck lag in seinen Augen und ich zog den Kopf ein.
Tai schien das nicht zu bemerken und stürmte an uns vorbei, den Anderen hinterher, die Kellertreppe hinunter.
Len wandte sich ab, ohne den entschuldigenden Blick meinerseits zu erwidern.
"Los, kommt endlich!" hallte uns Davids Stimme von unten entgegen und schnell beeilte ich mich, die breite Steintreppe hinunterzusteigen.

An den Seiten, in die steinerne Wand eingelassen, hingen erloschene Fackeln in ihren Halterung. Cody, der voranging, hatte seine Taschenlampe am Handy angeschaltet und beleuchtete uns so den Weg. Die feuchte Kälte des Kellers, die hier herrschte, drang uns bis in alle Knochen, und obwohl es nicht weit nach unten ging, frohr ich entsetzlich.
Ungeduldig zählte ich die Treppenstufen und nur nach überraschenden zwanzig, konnte man(n) auch wieder aufrecht stehen (also die Jungs konnten es. Ich war dazu die ganze Zeit schon in der Lage, da ich klein war und mein Kopf nicht einmal ansatzweise die Möglichkeit hatte, die Decke zu streifen).
Nun standen wir in einer Art unterirdischem Gewölbe. Es erinnerte mich ein wenig an das Archiv, in das ich durch die Bibliothek gelangt war.
Die hohen Steinbögen, die in die Wand eingearbeitet worden waren, die alten Holzregale, in denen hier, statt Büchern,  verstaubte Weinflaschen lagerten und die, komischerweise jetzt brennenden, Fackeln an den Wänden.
Die flackernden Schatten der Flammen tauchten den kompletten Raum in gespenstiges Licht und ich rutschte unbewusst weiter zu Len hinüber.
Er warf mir einen Seitenblick zu, aber ich ignorierte ihn.
Soll er sich bloß nichts drauf einbilden.

Unsere Gruppe näherte sich einer rechtsabbiegenden Kurve. Mein Herz raste vor Aufregung und Hoffnung.
Ich merkte, dass sich meine Schritte beschleunigten.
Bitte, lass ab jetzt alles gut gehen.

Wir bogen ab.
Eine, mit Messing beschlagene, Tür erschien in unser Sichtfeld, in der ein kleines, vergittertes Fenster oberhalb der Klinke eingelassen war. Ein dickes Schloss prangte vor dem Riegel, der uns den Zugang zum dahinterliegenden Raum versperrte.

Ich stürzte zum Fenster.
“Ruby?“ rief ich panisch und versuchte in dem wenigen Dämmerlicht, das die Laterne auf der Straße verstrahlte, den Körper meiner Freundin auszumachen.
“Sarina, ich bin hier.“ kam es aus der hintersten Ecke und ich kniff angestrengt die Augen zusammen.
Tatsächlich, dort kauerte das zarte,  schwarzhaarige Mädchen und reckte angestrengt den Kopf, um einen Blick auf mich zu erhaschen.
“Weißt du, wo die Schlüssel für das Schloss sind?“ warf Len nun fragend ein und ich rückte ein Stück zur Seite “An dem Schlüsselbund, den wir haben, ist keiner groß genug um zu passen.“

“Ja.“ ertönte es dumpf und ich wippte ungeduldig mit meinen Ballen auf und ab. “Links neben der Tür müsste ein Brett sein. Dort hängt er.“

Ich sah mich um.
Im Schatten eines hervorstehenden Steines war ein verwittertes Holzstück angebracht und dort, an einem einzigen Haken, haftete er.
Na ja, Brett ist übertrieben.

Doch ich konnte Ruby keine Vorwürfe machen. Wäre ich gefangen gewesen, hätte ich nicht im Leben darauf geachtet, wo meine Kidnapper den Schlüssel zur Tür lagerten, die mir möglicherweise den Weg zu Freiheit offenbarte.

Hastig griff ich nach dem Schatz und überreichte ihn an David.
Meine Finger zitterten zu sehr, um es selbst zu versuchen.

Kaum hatte er die Tür geöffnet, drängte ich mich an ihm vorbei und stürmte ins Innere.
Es sah aus, wie in meinem Traum.
Die großen Weinfässer an den Seiten, der Schein der Laterne am Fenster, die Wasserschüssel, vor der Ruby hockte und das Stück Brot, das jedoch unberührt neben ihr lag.

“Oh mein Gott!“ Ein trockener Schluchzer entfuhr meiner Kehle und ich warf mich vor meiner Freundin auf die Knie.
Dicke Seilschlaufen wanden sich um Rubys Fußgelenke. Zu fest, um sie mit den Händen auseinanderreißen zu können.

“Sarina?“ hörte ich Scarlets Stimme von oben und ich hob den Kopf.

“Ja?“
Ich sah sie nicht, hörte aber das erleichterte Aufatmen.
“Gut, ihr seid unten. Bitte beeilt euch!“
“Keine Sorge, in ein paar Minuten sind wir wieder oben.“ rief Tai zurück, der plötzlich hinter mich getreten war.

Ich schaute meine Freundin besorgt an.
“Geht es dir gut?“
Sie nickte beruhigend und legte mir eine kalte Hand auf die Schulter.
“Mach dir keine Sorgen. Wenn irgendetwas sein sollte, wird Mr. Mason das schon wieder hinbekommen.“
“Na dann hoffen wir mal, dass es gar nicht erst dazu kommt.“ murmelte ich leise, gab Cody ein Zeichen, sich neben mich zu hocken und wies auf die Fesseln.
“Kriegst du die auf?“

Er legte abschätzend den Kopf schief, betrachtete die Struktur der Seile, die Knöchel Rubys und nickte dann schließlich.
“Geh lieber zur Seite.“ riet er mir und ich erhob mich wackelig auf die Beine.
Unsicher trat ich zwei Schritte zurück, bis ich Lens Arm um meine Taille spürte. Dankbar lehnte ich mich gegen ihn.

“Sag' mir, wenn es weh tut.“ sagte Cody an Ruby gewandt, die nur schluckend nickte.
Dann holte er tief Luft, legte die Hände an das Seil und zog.
Ich studierte aufmerksam das Gesicht meiner besten Freundin und suchte nach Anzeichen von Schmerzen, fand aber dafür etwas anderes.
Ein bewundernder Ausdruck lag in ihren Augen, als sie auf Codys große Hände starrte. Ihr Blick wanderte zu seinen angespannten Armmuskeln und weiter hinauf zu seinem, vor Anstrengung verzerrtem, Gesicht.
Ich wusste ganz genau, was dieser Blick bedeutete und ich versuchte mir angestrengt ein Lächeln zu verkneifen.

Dann rissen die Stränge.
Cody entwich ein erschöpftes Schnaufen “Danke.“ flüsterte Ruby und rieb sich die wunde Haut.
Ich wollte schon an die Seite meiner Freundin springen, da hielt Len mich zurück.
“Warte.“ flüsterte er gebannt, während sein Blick weiterhin auf den Beiden ruhte.
“Kannst du laufen?“ fragte Cody gerade und streckte ihr seine Hand entgegen. Beherzt ergriff Ruby sie, doch ihre Beine klappten unter ihr zusammen.
Augenblicklich schnellte der riesige Muskelprotz vor und umschlang ihre Hüfte.
“Ich glaube, jemand sollte sie tragen.“ meinte Tai besorgt.
Cody überlegte nur einen kurzen Augenblick, bevor er den zarten Körper auf seine Arme lud.
David räusperte sich.
“Dann wäre das ja auch geklärt.“ sagte er und trat den Rückzug an. Tai folgte ihm.

“Schließt du ab?“ fragte ich meinen Artgenossen, als Cody an uns vorbeigelaufen, und durch die Tür verschwunden war.
Er nickte und ich wartete, bis er die Tür abgeschlossen hatte. Den Schlüssel hängte er wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück.

Der Rest von uns war schon außer Sicht, als wir unter den Bögen hindurch, wieder zurück zur Treppe liefen.

“Du, Sarina?“ fing er an.
“Hmm?“

Er fuhr sich nervös durch die Haare.
“Wegen vorhin.“

Mir wurde heiß und kalt.
“Ja?“ fragte ich zögernd.

“Äh, du weißt schon.. wegen dem Kuss.“
Ich schwieg abwartend, doch brannte innerlich darauf, was er mir zu sagen hatte.

“Ach vergiss es!“ sagte er verärgert und seine Stimme hallte klar von den steinernen Wänden wider.

“Wir reden später darüber, okay?“ bot ich an und Len stimmte mir durch ein Nicken zu.

Inzwischen waren wir in der Küche angekommen und ich verschloss die Tür zum Weinkeller sorgsam wieder hinter mir. Dann war es nur noch eine Sache von fünf Minuten, in denen wir uns durch den Gang zwängten und wenig später wieder von der Finsternis freigegeben wurden.
Erleichtert atmete ich aus und sog gierig die nächtliche Luft ein. Meinen Kopf legte ich in den Nacken.
Man sah keine Sterne.

Cody ging gerade in die Knie und setzte Ruby vorsichtig auf den Boden ab.
Augenblicklich stürzte ich nach vorn und schloss meine beste Freundin endlich in die Arme.
“Sarina.“ erschöpft lachend tätschelte sie meine Schultern. “Du zerquetschst mich.“

“Mann Ruby! Was machst du denn für Sachen?“ zitierte ich sie schniefend von damals, als ich die erste Verwandlung zur Löwin erlebt, und sie halb Fünf Uhr morgens auf meiner Hausmatte gestanden hatte.

Meine Freundin seufzte. “Erzähl' ich später.“

“Ruby!“ Der Ausruf ließ uns auseinanderfahren.

“Ähm, ich denke, das dauert jetzt eine Weile.“ murmelte sie und schaute mich mit ihren quecksilberfarbenen Augen entschuldigend an.
“Kein Problem.“

Ich trat zur Seite und schon nahm Scarlet meinen Platz ein. Schluchzend klammerte sie sich an ihre kleine Schwester und fuhr ihr immer wieder zärtlich über das Haar.
Leicht lächelnd betrachtete ich die Geschwister und konnte nicht verhindern, dass sich wieder mal ein Kloß in meinem Hals bildete.

„Weißt du, dass du ziemlich unglaublich bist?" flüsterte eine leise Stimme und kurz darauf legte sich ein Arm um meine Schultern.

„Ich weiß nicht." murmelte ich. „Ich frage mich andauernd was passiert wäre, wenn wir nichts unternommen hätten, oder ich nie diesen Traum geträumt hätte."

Ich sah hoch. Lens grüne Augen musterten mich und mal wieder konnte ich nicht erraten, was er dachte.

„Aber das hast du" erwiderte er "und ich glaube, dass Ruby dir dafür unglaublich dankbar ist. Und Scarlet auch."

Er knuffte mich leicht in die Seite.

„Hey!" protestierte ich und versuchte seine Hand wegzuschlagen.

„Komm schon, die Mission ist noch nicht beendet. Erst wenn wir Ruby auf die Krankenstation gebracht und meine Tante informiert haben, können wir uns darüber in Ruhe unterhalten, okay?" sagte er ruhig und hielt meine Hände fest.

“Okay.“ seufzte ich zustimmend.

„Ich unterbreche ja nur ungern diesen rührenden Familienmoment und euch Beide," Emily zeigte auf das Knäul aus Lens und meinen Händen" was auch immer ihr da macht, aber wir sollten den Rest von uns einsammeln und so schnell wie möglich verschwinden." ertönte ihre unruhige Stimme plötzlich neben mir.
Schnell löste ich mich von Len und bedachte ihn mit einem bösen Blick, welchen der Vollidiot nur mit einem Zwinkern quittierte und dann zu Seth und David hinüberschlenderte.

„Sie hat Recht." stimmte Scarlet ihrer Freundin nun leise zu, trat zurück und straffte die Schultern. Ruby hielt sie an ihrer Seite.

In diesem Moment klappte Tai sein Handy zusammen.
“Diana hat mir geschrieben.“ verkündete er. “Sie sagt, sie ist zusammen mit Maria auf Grace und Sane gestoßen. Alle Vier warten jetzt bei den Wagen.“
Als ich Len mit hochgezogenen Augenbrauen ansah und die Namen seiner Gruppenmitglieder mit den Lippen formte, zeichnete sich ein Hauch schlechten Gewissens auf seinen Gesichtszügen ab.
Ich schüttelte nur den Kopf und begab mich dann zu Ruby, ihrer Schwester und Emily hinüber, die sich gerade in Bewegung setzten. Ruby stolperte mit halbgeschlossenen Augen neben den beiden Mädchen her und ich überlegte, ob ich Cody bitten sollte, sie wieder zu tragen.
Und wenn ich den Blick meiner Freundin vorhin richtig gedeutet hatte, wäre sie damit sogar mehr als einverstanden.
Doch ehe ich meine Gedanken aussprechen konnte, trat uns jemand in den Weg.

_____________________________
Na?
Vermutungen wer es sein könnte?

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