Der Engländer, der niemals st...

By JanineZachariae

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Jane lernt auf ihrer Reise nach London jemanden kennen und wird von dessen Auftreten angezogen. Doch wer ist... More

Der Engländer, der niemals starb

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By JanineZachariae

Schon immer wollte ich nach England, nun saß ich im Zug. Auf dem Weg ins Königreich.
Ich stieg ein und las meine »Gesammelte Werke von William Shakespeare«.

Zwar kannte ich die meisten, aber nicht alle. Ich nutzte diese lange Fahrt, um meine Lücken zu schließen.

Schon immer war ich großer Fan des Barden. Ich verehrte ihn seit ich als Kind die Kinoversion von ›Romeo und Julia‹ mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes sah.

Ich war so fasziniert von dieser Liebesgeschichte, die ja eigentlich keine ist, dass ich sie unbedingt lesen musste. Also ging ich in die Bibliothek und lieh sie mir aus. Nach wenigen Tagen war sie gelesen und ich infiziert vom Engländer. Er hat mich sofort für sich eingenommen.

Niemand verstand meine Liebe für diese Bücher. Allgemein galt meine Liebe zur Literatur als seltsam und ich wurde oft verspottet. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mich über ein gelesenes Buch unterhalten zu wollen und verbarg dadurch ein Großteil meiner Natur.

Selbst über die Jahre konnte ich mich nicht entfalten und schloss es in mich ein und zog mich zurück.

Internetforen waren da noch nicht so verbreitet und Blogs schon gar nicht. Also verstellte ich mich solange, bis es endlich modern wurde zu lesen.

Viel ist nicht passiert, in meinem Leben meine ich.

Schule, Ausbildung, später ging ich irgendwelchen Jobs nach.

Aber ich war nicht zufrieden.

War nie irgendwo angekommen.

Als ich meinen Freund dabei erwischte, wie er mit meiner besten Freundin schlief, packte ich kurz entschlossen eine Tasche, nahm das Buch, meinen Reisepass und eilte zur Bahn.

Es war Nachmittag und ich musste über drei Stunden totschlagen, bevor der Zug eintraf, aber das war okay.

Die Alternative war schlimmer.

Denn die Alternative wäre ein Ausraster der Superlative gewesen und mir war, ehrlich gesagt, meine Einrichtung zu schade. Das waren die beiden nicht wert.

Ich ließ sie also im Bett, während ich wortlos packte, und sagte zum Abschied nur: »Wenn ich wieder da bin, will ich nichts mehr mit euch zu tun haben.«

Als ich im Bahnhof wartete, schlenderte ich durch die Geschäfte und kaufte im Drogeriemarkt Kosmetik, Zahnbürste und -pasta und setzte mich auf eine Bank an meinem Gleis und begann zu lesen.

Ach ja, natürlich holte ich noch Geld ab.

Schließlich ist England nicht billig. Aber da ich eigentlich für die Hochzeit und Flitterwochen sparte, war mein Trip gesichert.

Es war Donnerstagabend und ich hatte den Freitag sowieso frei, da ich Überstunden abbauen musste. Ich würde die ganze Nacht durchfahren. Kurz nach 19 Uhr fuhr er los, hielt in Paris est an, danach führte mich ein Weg zum nächsten Gleis, Paris Nord zum Eurostar und mit dem ging es nach London St. Pancras International, anschließend von St Pancras Low Level bis zu meinem Ziel London City Cannon Street. Klingt genauso kompliziert, wie es ist. Aber auch sehr aufregend.

Ich war nun schon über 13 Stunden unterwegs, zwischenzeitlich konnte ich sogar die Augen schließen.

Draußen war die Sonne gerade dabei aufzuwachen. Langsam ließ sie mit ihren Strahlen auch alle anderen wissen, dass ein neuer Morgen anbrach.

Die Bahn hielt und Personen stiegen aus und ein. Wir waren, laut Durchsage, an London St. Pancras International.

Neben mir nahm jemand platz, der wahnsinnig gut roch. Ich blickte auf und sah in zwei wundervoll blaue Augen, die zu einem rotblonden jungen Mann gehörten.

Er lächelte mich sehr charmant an und entdeckte das Buch in meinem Schoß.

  »Das kenne ich doch«, sprach er. »Lesen Sie gerade ›Heinrich der 8.‹ von William Shakeaspeare?«

  »Sie kennen es?«

Wir unterhielten uns in Englisch, da auch das Buch in eben dieser Sprache war.

  »Selbstverständlich. Ich bin Engländer«, lachte er. Unglaublich sympathisch! »Sie kommen aus Deutschland?«

  »Was hat mich verraten?«, fragte ich lächelnd. »Mein Akzent?«

  »Unter anderem. Aber vor allem Ihre Cola.« Ich sah sie an und musste lachen. Stimmt. Da steht etwas in Deutsch drauf. Sehr aufmerksam.

  »Hallo, ich bin Jane«, stellte ich mich schließlich vor.

  »Sehr schöner Name. Hallo, ich heiße Will.«

  »Welch ein Zufall«, grinste ich.

Sein Lachen klang so aufrichtig, dass ich ihn direkt ins Herz schloss.

  »Also«, sprach er, nachdem er wieder Luft bekam, »was finden Sie an Shakespeare so toll?«

  »William Shakespeare ist einer der großartigsten Schriftsteller.«

  »Ist?«

  »Nun ja, ja. Er ist unsterblich.«

Entgeistert sah er mich an.

Meine Antwort schien ihn zu irritieren.

  »Seine Werke sind unsterblich. Somit ist er es auch. Er bleibt in unseren Herzen, wenn wir es wollen und ihn lassen. William Shakespeare bleibt wie ein unsichtbarer Geist. Schließlich tauchen doch in seinen Geschichten jede Menge von ihnen auf.
Wissen Sie Will, wenn wir eine Person nicht vergessen, bleibt sie bei uns. Für immer. Egal wer, solange jemand im Herzen einen Platz gefunden hat, bleibt er in uns. Auf ewig.
Nicht viele schaffen es. Die meisten werden vergessen. Nach so vielen hundert Jahren noch immer so präsent zu sein, ist wie Magie. Shakespeare hat es nach über 450 Jahren geschafft. Er lebt ewig. Denn Shakespeare ist das, was man den größten Lyriker aller Zeiten nennt«, endete ich meine Liebeserklärung.

Noch immer starrte er mich nur an und schwieg. Sein Blick irritierte mich ein wenig.

Endlich schien er zu wissen, was er darauf antworten sollte:

  »Ich habe schon mit vielen Menschen zu tun gehabt, die Shakespeare mochten, ja, sie haben ihn sogar studiert. Aber noch nie hab ich eine solche Antwort erhalten. Fast scheint es als würden Sie mehr für ihn empfinden.«

  »Natürlich empfinde ich mehr für ihn. Er ist Inspiration, Geist und Liebe. Er hat mir geholfen, als ich nicht weiter wusste. Er war immer für mich da. Ja, ich weiß, wie das klingen mag. Aber ich brauche nur seine Sonetten öffnen und schon weiß ich, was ich machen soll.

Nehmen wir die 117.

›Verklage mich, daß ich so karg gemessen,

Was dein Verdienst um mich erheischen mag;

Daß ich um deine Huld zu flehn vergessen,

An die mich fester kettet Tag für Tag;

Daß ich zu fremden Herzen mich gewandt,

Ward untreu deinen teu'r erkauften Rechten,

Und allen Winden Segel aufgespannt,

Die dir mich aus dem Aug‹ am weitesten brächten.

Führ‹ an mein Irren, mein Eigensinn,

Führ‹ den Beweis, ja, häufe noch Verdacht,

Stell mich zum Ziele deines Hasses hin,

Doch schieße nicht, sowie dein Zorn erwacht;

Ich schütze vor, ich habe deine Liebe

Geprüft nur, ob sie fest und treu auch bliebe. (-Richter)‹

Nein, ich hab niemanden betrogen. Aber ich bin durch diese Prüfung gefallen.«

Er schaute mich bestürzt an, falls dies der richtige Begriff für seine Mimik ist.

  »Sie wurden betrogen?«

  »Ja, von meinem Verlobten. Aber ich hab ihn nicht erschossen, sondern bin direkt geflüchtet.«

  »Wann war das?«

  »Gestern Abend. Ich plünderte mein Konto, mit meinen Ersparnissen für die Hochzeit, und setzte mich in den Zug.«

Erstaund zog er eine Augenbraue hoch. »Sie sind sehr mutig.«

  »Ah, nein, da Irren Sie sich. Ich bin nur verletzt.«

Er nickte und berührte kurz meinen Arm. Es war warm im Zug, somit trug ich nur ein T-Shirt. Draußen wird es relativ frisch sein. Meine Jacke lag auf meinem Schoß.

Während Will zu erstaunt war, um etwas zu erwidern, blickte ich weiter hinaus. So langsam überkam mich ein Gefühl der Vorfreude. Bis vor wenigen Augenblicken war es zu dunkel, um etwas zu erkennen, doch nun freute ich mich. England! Endlich! Mein Ziel war tatsächlich London.

  »Was führt Sie, um diese Zeit, eigentlich nach London?«, wollte ich gedankenverloren erfahren.

  »Ich wohne in London, habe einen Bekannten getroffen und nicht auf die Uhrzeit geachtet. Also musste ich diesen Zug nehmen, damit ich meinen Termin - den ich bereits um halb zehn habe - wahrnehmen kann. Ansonsten hätte ich ihn verpasst, da ich noch nach Hause muss.«

  »Was arbeiten Sie, wenn ich fragen darf?«

  »Ich arbeite an der University of London und unterrichte eine kleine Gruppe von Schülern.«

Nun musste ich ihn anstarren.

  »Wow, nicht schlecht. Das ist doch die älteste Uni Englands, oder?«

  »Eine der ältesten, ja«, sprach er bescheiden.

  „Und was unterrichten Sie?«

  „Raten Sie doch mal.«

  »Shakespeare?«, mutmaßte ich und Will lachte auf und bejahte dies. Welch ein Zufall. Was für ein Mann!

  »Sie sind wirklich gut, Jane.«

Ich lächelte. Es war schön, wie er meinen Namen sprach. Ich bekam sogar eine Gänsehaut.

Will war so vollkommen anders als andere Männer. Irgendwie interessanter. Ich wollte mehr von ihm erfahren, länger mit ihm sprechen. Doch schon erklang eine Durchsage, dass wir in Kürze am Bahnhof Londons anhielten und in Fahrtrichtung Links aussteigen sollten.

  »Wie lange werden Sie in London bleiben?«

  »Wahrscheinlich nur dieses Wochenende. Ich bin recht spontan hier.«

 »Das ist sehr schade, aber vielleicht sehe ich Sie ja trotzdem noch einmal.«

  »Das wäre schön.«

  »Wo werden Sie denn residieren?«

Ich musste über das Wort schmunzeln, aber vielleicht war mein Englisch doch nicht so gut.

  »Das weiß ich nicht. Das erstbeste Hotel, welches ein freies Zimmer, um diese Uhrzeit, anzubieten hat.«

Er nickte. Die Eisenbahn kam quietschend zum Stehen und langsam standen wir auf. Will war groß, sehr groß und schlank. Er reichte mir zum Abschied die Hand - wie es ein richtiger Gentleman eben machte - und küsste sie, bevor er mich losließ. Er hatte bezaubernde Lippen und sie fühlten sich, auch wenn es nur auf meiner Hand war, zart und geschmeidig an.

Er half mir noch hinaus und verbeugte sich leicht, bevor er in die entgegengesetzte Richtung lief. Vorher zeigte er mir noch, welchen Weg ich von London Bridge zur Cannon Street nehmen musste, aber leider hatte er es sehr eilig und konnte mich nicht begleiten. Ich blickte ihm so lange nach, bis er im Nirgendwo verschwand.

Ich hatte noch nicht einmal englischen Boden berührt und schon lernte ich einen waschechten Briten kennen, der auch noch Shakespeare mochte.

Tief atmete ich durch und folgte dem Weg, den Will mir erklärte, und entkam dem Trubel des Bahnhofes recht schnell. Ich zog mein Handy aus der Tasche und knipste erst einmal ein Foto.
Bevor ich in den Zug stieg, rief ich bei meinem Provider an und dieser schickte mir einen Code, damit ich auch im Ausland - speziell England - im Internet sein und Telefonieren konnte. Was natürlich praktisch war.

Mein Foto schickte ich über Facebook in die Welt, mit dem Untertitel: »mit freundlichen Grüßen aus London«.

Da Handy ließ ich in der Hand, während ich meine Handtasche wieder schloss. Direkt neben dem Bahnhof konnte ich tatsächlich ein Hotel ausmachen. Ich ging dorthin und fragte direkt nach einem Zimmer. Der freundliche Mann an der Rezeption hatte sogar ein recht preiswertes parat.

Er überreichte mir den Schlüssel und erklärte mir, wie ich hinauf käme.

Der Fahrstuhl glitt geräuschlos auf und ich konnte sehr leise Klänge einer instrumental Musik erkennen.

Ich erreichte meinen Flur, ging nach rechts und erspähte meine Zimmernummer. Ich schloss auf und fühlte mich sofort wohl. Es roch angenehm nach Blumen und alles schien wirklich sauber und ordentlich zu sein. Bevor ich eintrat, sah ich sogar den Wagen einer Reinigungskraft.

Die Tür zog ich hinter mir zu, ließ meine Tasche auf den Boden sinken und trat zum Fenster. Ich konnte es noch immer nicht fassen. London. Ich war tatsächlich in London. Ohne es vorher geplant zu haben.

Doch bevor ich irgendwas machen konnte, musste ich erst einmal ein anderes Örtchen aufsuchen ...

Das Bad war schlicht, aber ausreichend, mit Waschbecken, Dusche und Toilette. Auch hier hing der Duft von Blumen in der Luft, erzeugt von einem Raumduft, welches ich in einer Ecke erkennen konnte.

Nachdem ich mir die Hände gewaschen hatte, ging ich zurück ins Zimmer.

Langsam setzte ich mich auf das ultraweiche Bett, mit einer Blumenbettwäsche - scheinbar war dies das Motto des Raumes. Ich ließ mich nach hinten fallen und starrte zur Decke. Plötzlich überkam mich eine Müdigkeit, die schwer auf mir lastete. Da ich aber nicht den ganzen Tag verschlafen wollte, stellte ich den Wecker in meinem Handy auf elf Uhr. So konnte ich vor dem Lunch noch duschen.

Zwar hatte ich Hunger, aber der Schlaf zog mich stärker an ...

Nachdem der Wecker geschrillt hatte, fühlte ich mich schon um einiges ausgeruhter. Es waren nur ein paar Stunden, aber die haben fürs Erste gereicht.

Ich ging ins Badezimmer, zog mich aus und stellte die Dusche an. Das Wasser spülte die Zugfahrt auf wundersame Weise von mir ab und erfrischte mich. Ich rasierte meine Beine, schäumte meine Haare mit dem Shampoo des Hotels ein und beobachtete wie alles durch den Abfluss weggespült wurde.

Anschließend trocknete ich mich ab und föhnte mein Haar, benutzte eine Körperlotion, die ebenfalls vorhanden war, und zog mir neue Klamotten an. Eine Jeans und ein Shirt. Es war mild für die Jahreszeit. Frühling. April, um genau zu sein. Es überraschte mich, dass es nicht kälter war. Trotzdem hatte ich eine Jacke mit Kapuze dabei.

Ich kramte in dem Beutel, den ich aus dem Drogeriemarkt hatte, und schminkte mich etwas. Putzte meine Zähne, und war nun fertig für den Tag.

Alles Überflüssige packe ich aus meiner Handtasche, bis auf das Buch, mein Handy, meine Geldbörse, Pass, meine kleine Cola und den Zimmerschlüssel.

Mit dem Fahrstuhl erreichte ich das Erdgeschoss, ging an der Rezeption vorbei und befand mich auch schon im Speisesaal, der aber noch nicht wirklich voll war. Es gab Buffet und somit schnappte ich mir einen Teller und packte alles darauf, worauf ich Lust hatte. All-you-can-Eat. Aber ich versuchte, mich zu mäßigen, denn manchmal waren die Augen eben größer als der Hunger selbst. Allerdings musste ich eingestehen, dass ich wirklich hungrig war und noch einmal hinmusste.

Meine Liste mit Dingen, die ich besuchen wollte, war sehr lang. Nicht nur das Globe, sondern auch ›the britisch Museum‹ und ich wollte die Baker Street entlang schlendern, und ins Sherlock Holmes Museum. Natürlich auch die anderen Sehenswürdigkeiten bestaunen, aber erst einmal von vorne beginnen.

Ich erkundigte mich, mit was ich bis wohin fahren konnte und erreichte recht schnell - nach etwa 17 Minuten - das Britische Museum. Die Eintrittspreise waren verhältnismäßig in Ordnung.

Es war so unglaublich aufregend und meine Handykamera versuchte alles, was ich sah, gut einzufangen, und ich verlor mich in der Geschichte und den verschiedenen Themen. Aber natürlich zog es mich förmlich zur Shakespeare Abteilung. Ich konnte ein Portrait und eine Skulptur ausmachen. Mein Herz schlug höher, je näher ich kam. Da ich allerdings relativ wenig Zeit und viel zu viele Ziele hatte, konnte ich dann doch nicht allzu lange hier verweilen. Schnell schaute ich im Souvenirshop nach und kaufte mir ein paar Postkarten, Hefte und ein Notizblock im Vintage Style.

Ich wollte schließlich noch zum ›Shakespeare's Globe‹ und hoffte dort noch etwas mehr zu finden.

Zu meinem Glück brauchte ich nicht lange warten und konnte direkt die Bahn zu meinem nächsten Ziel nehmen: die Baker's Street und dem Sherlock Holmes Museum.

Ich liebte die Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle. Sie waren so lebendig und irre witzig, aber natürlich auch sehr clever. Sherlock Holmes war eine der interessantesten Figuren. Neben Henry 8th, war er der seltsamste und wunderbarste Charakter überhaupt. Wenngleich der König natürlich sehr gefährlich war, weil er seine Frauen abschlachten ließ, wenn sie ihm im Weg waren (okay, das war übertrieben, aber er hatte immerhin sechs Frauen und davon hatte ihn nur eine überlebt).

Ich betrat das Museum und konnte noch immer nicht glauben, dass ich tatsächlich in London war. Noch mehr Fotos landeten auf meinem Facebook.

Allerdings muss ich gestehen, dass ich die neue Serie ›Sherlock‹ mit Benedict Cumberbatch bewundere.

Während ich also staunend von Zimmer zu Zimmer schlenderte, entdeckte ich plötzlich eine mir bekannte Gestalt.

  »Hello, Will«, begrüßte ich ihn.

  »Oh, hey, Jane.« Es ist immer schön, wenn sich die Leute an einen Namen nach so kurzer Zeit erinnern. Er reichte mir wieder die Hand und ich fühlte eine Gänsehaut, die sehr eigenartig war.

Er lächelte mich an und ging stumm neben mit her, während ich mir weiterhin alles anschaute.

Er sah ja noch besser aus, als am Morgen.

   »Sie mögen Sherlock Holmes?«, fragte er mich auf Englisch.

**
Diese Geschichte, die ich schreibe, ist so seltsam, dass ich angst habe mein Englisch würde versagen, deshalb schreibe ich sie auf Deutsch nieder.
**
 

  »Ich ... ja, ich mag Sherlock sehr. Was machen Sie hier? Wollten Sie nicht zur Uni?«

  »War ich bereits. Eigentlich hatte ich keine Vorlesung, aber der Termin war trotzdem wichtig«, sagte er schulterzuckend. »Was haben Sie hiernach vor?«

  »Ich wollte nebenan, ins Beatles Museum.«

  »Darf ich Sie begleiten? Ich kenne den Inhaber«, zwinkerte er mir zu.

Dieser Mann war perfekt!

  »Sehr gerne«, stammelte ich.

  »Möchten Sie vorher noch in den Geschenkeshop?«

Er konnte scheinbar Gedanken lesen, denn genau da wollte ich hin.

Für eine Freundin kaufte ich als erstes einige Andenken mit Benedict Cumberbatch und natürlich für mich auch gleich. Anschließend gingen wir zusammen ins Museum der vier Liverpooler.

  »Mögen Sie die Musik?«, wollte ich erfahren. Eigentlich ja blöde Frage, denn er kannte den Inhaber und auf seinem T-Shirt hatte er ein cooles John Lennon Bild.

Er grinste und hielt mir die Tür auf. Ich wollte gerade die Kasse anpeilen, als er meine Hand nahm und mich in eine andere Richtung zog. Er klopfte an eine Tür und ein Mann trat hinaus.

Er stellte uns einander vor und wir durften direkt hinein. Hier war es sogar noch interessanter und ich fühlte mich wie zu Hause. Natürlich lief die Musik der Pilzköpfe.

Ich spürte Will's Blicke auf mir und kam mir irgendwie blöd vor, da ich bei jedem Bild staunend irgendwas sagte oder ausrief. Aber ich liebte einfach diese Band.

Ein Klingeln unterbrach die wundervolle Stille und Will ging leicht beschämt ans Handy.

  »I'm sorry, I have to go«, flüsterte er und wirkte dabei wirklich geknickt.

Ich lächelte ihm nur hinterher und begab mich weiter in die Welt der 60er.

Aber auch hier konnte ich natürlich nicht ewig bleiben. Also huschte ich noch in den Souvenirladen und kaufte mir sehr viel. Wenn schon, denn schon, oder? Ich erwähnte ja bereits, dass ich mein Konto geplündert hatte.

Als ich hinaus ging, begann es zu stürmen und regnen. Ich kramte in meiner Tasche und fischte mein Regencape raus. Ich war auf alles vorbereitet. Nein, nicht ganz. Es war schon spät und dämmerte leicht, also machte ich mich erst einmal auf in ein Restaurant. Was gleich um die Ecke war. Das ›Globe‹ musste bis morgen warten.

Die Museen waren auch gar nicht mehr offen. Also betrat ich das Restaurant und bekam einen Platz am Fenster. Es war klein und gemütlich.

Ich genoss ein leckeres Essen mit Bier und ließ es mir gut gehen. Der Regen prasselte gegen die Scheibe und immer mehr Leute strömten hinein.

Und auch wenn alles perfekt wirkte, so musste ich mir doch eingestehen, dass ich mich total ärgerte nicht nach Will's Nummer gefragt zu haben.

Aber ich war auch gar nicht nach England gekommen, um jemanden kennenzulernen. Sondern um abzuschalten.

Gegen 21 Uhr verließ ich das Restaurant und begab mich zur Bahnstation.

Es regnete immer noch und ich fror ein wenig. Also ging ich schnellen Schrittes, doch plötzlich rempelte mich jemand so stark an, dass ich zu Boden ging. Statt aber mir zu helfen, war er im Begriff mir meine Tasche zu klauen. Das konnte ich nicht zu lassen, also versuchte ich aufzustehen und lief, so schnell ich konnte hinter ihm her. Irgendwie konnte ich ihn auch erwischen, doch auf einmal zog er eine Pistole und schoss. Direkt in den Bauch. Total perplex und wie in Zeitlupe sah ich dem Mann hinterher und dann auf meine Hände, die blutig waren. Dann war alles ...

Das Licht brannte in meinen Augen und ich musste Hhsten. Wo war ich hier?

  »Oh, welcome back«, hauchte jemand zu meiner Linken.

Alles schmerzte. Ich drehte meinen Kopf in Richtung der Stimme. »You? Will! What ...?«

  »Pscht, everything is alright.«

Was machte Will hier?

Dann erzählte er, dass er gerade auf dem Weg war, als er etwas hörte und sofort lief er zu dieser Stelle und konnte gerade noch jemanden weglaufen sehen, bevor er mich entdeckte.

Sofort rief er einen Krankenwagen.

  »In meiner Tasche war meine Krankenkarte!«

  »Kein Problem, alles geregelt. Sie kommen aber erst einmal mit zu mir.«

  »Mit zu Ihnen?«

  »Ja, aber erst wenn es Ihnen wieder besser geht.«

Ich war so müde, dass ich nicht weiter darüber nachdachte, sondern direkt wieder einschlief. Als ich erneut wach wurde, saß Will noch immer im Stuhl. Er schien selbst eingenickt zu sein.

Perfekte Gelegenheit, um ihn mir genauer zu betrachten.

Und während ich ihn ansah, wusste ich es: Ich hatte mich in ihn verliebt. Ich wusste, dass es absurd war. Schließlich kannte ich ihn nicht. Aber irgendwie oder irgendwas löste er in mir aus. Es war dasselbe Gefühl, wie William Shakespeare bei mir auslöste, also was ich während des Lesens empfand oder wenn ich über ihn nachdachte. Total absurd!

  »Jane«, hauchte er und lächelte mich unglaublich lieb an.

Wenige Tage, unzählige Telefonate mit meinen Eltern und Hunderten Gespräche mit der Versicherung, der Polizei und Ärzten später, verfrachtete mich Will in sein Auto und fuhr langsam in seine Wohnung.

Er half mir die Treppe hinauf und geleitete mich direkt zur Couch.

Will zeigte mir, in welche Richtungen, welche Räume lagen und ließ mich kurz alleine, um Tee für uns zu kochen. Ich blickte mich vorsichtig um. Ein gigantisches Bücherregal nahm eine komplette Wandseite ein. Das Sofa war so platziert, dass ich direkt drauf sehen konnte, ohne mich zu verrenken.

Was erblickten meine entzückten Augen?

Er besaß unzählige Werke von William Shakespeare. Noch nie habe ich jemanden getroffen, der tatsächlich eine größere Leidenschaft zu den Büchern hegte, als ich selbst.

Mein Herz schlug wie wild bei diesem Anblick.

Außerdem konnte ich Jane Austen Werke entdecken, ebenfalls alle sechs Bücher, aber darüber hinaus beinhaltete seine Sammlung sehr viele weitere Ausführungen, auch aus Deutschland.

Dieser Mann war ein Traum.

In diesem Moment trat Will, mit zwei Tassen Tee, zu mir und ich lächelte ihn beschämend an.

  »Möchtest du etwas Fernsehen?«, erkundigte er sich.

  »Gerne«, erwiderte ich.

  »BBC1?«

Ohne auf meine Reaktion zu warten, schaltete er das Gerät ein und sofort erschien ein lustiger Benedict Cumberbatch als Sherlock. Diese Folge fand ich wirklich witzig. Denn Holmes lernte »Die Frau« kennen und bat John Watson ihn ins Gesicht zu schlagen.

Dieser Schauspieler war ein unglaublich talentierter Mann.

Doch ich schaute nicht nur zum Bildschirm. Sondern beobachtete Will aufmerksam.

  »Ein überaus interessanter Mann«, sagte er, während einer Werbepause.

  »Überaus interessant«, sprach ich, aber blickte weiterhin auf Will.

Warum empfand ich nur so?

Das war mir noch nie passiert!

Nachdem die Folge vorbei war, lief eine Dokumentation über - welch ein Zufall - William Shakespeare. Dieses Mal starrte ich in die Röhre und konnte mich kaum rühren, so fasziniert war ich von diesem Bericht. In Deutschland bekommt man selten so etwas zu sehen und wenn, dann sicherlich auf Sendern, die ich nicht schaute.

Vielleicht war der Hype so stark, weil 2016 sein 400. Todestag sein wird. Die Engländer zelebrieren gerne Ikonen.

Mein Herz raste förmlich.

Nach dieser Sendung lief eine Shakespeare - Verfilmung, aber die kannte ich schon.

  »Du hast so unglaublich viele Bücher von Shakespeare!«, schwärmte ich.

  »Ja, eine Sammelleidenschaft von mir. Sobald ich ein Buch finde, wird es mitgenommen. Vielleicht ist es auch eine Obsession, aber ich mag es so.«

  »Beeindruckend. Noch nie habe ich jemanden wie dich kennengelernt«, platzte es aus mir heraus.

  »Das geht mir mit dir genauso, Jane.«

Wir blickten einander tief in die Augen und küssten uns einfach. Es war ein so unglaublich intensiver Kuss.

  »Ich glaube, ich hab mich in dich verliebt«, murmelte ich verlegen.

Plötzlich änderte sich etwas.

Die Luft wurde seltsam trüb und Will erstrahlte in einem wundervollen Licht.

Bevor ich registrieren konnte, was geschehen war, trat jemand zu mir und hielt meine Hand:

  »Liebe Jane, erschrecke nicht. Aber ich verzauberte William einst.«

  »Wie ...? Was ...?

  »William brach meiner wunderschönen Tochter das Herz. Sie war am Boden zerstört, also verfluchte ich ihn. Dieser Fluch konnte erst gebrochen werden, wenn jemand William Shakespeare liebt und die Person, Will, selbst. Du, mein Kind, erfüllst beides.«

Perplex, wie ich war, verpuffte diese ›Erscheinung‹ und ließ mich mit William Shakespeare - ? - zurück.

  »Will ... iam ... Shakes ... peare ...?

  »Endlich. Nach all den Jahren ...«

Und so lernte ich William Shakespeare kennen. Den größten Lyriker und Dramatiker aller Zeiten.

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