Ein bisschen mehr Arschloch

Av LydiaKirch

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Willi ist ein grundlegend netter junger Mann und genau das ist sein Problem. Lena ist eine ehrgeizige junge F... Mer

Vorwort
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
Schluss

11. Kapitel

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Av LydiaKirch

Lena

Es war also passiert und ich wusste gar nicht, was ich denken sollte. Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an und es war genau das, was ich gewollt und gebraucht hatte, doch als er mich küsste und dann neben mir liegen blieb, ohne mich sofort in den Arm zu nehmen, kam mir die Gewissheit, dass es nicht nur fantastisch, sondern ein großer Fehler gewesen ist. Ein Fehler, der sich unbeschreiblich gut anfühlte und den ich unter keinen Umständen rückgängig gemacht hätte, nicht in diesem Moment. Nicht, als er neben mir einschlief und doch ganz zögerlich mit seiner Hand meinen Kopf streichelte. Es war nur dieser Moment und danach würde alles wieder vorbei sein und der Gedanke daran schmerzte in meinem Bauch, wie ein großer Klumpen Lehm, den er einfach nicht verdauen konnte. Doch ich vertrieb diesen Gedanken, denn gerade, weil es nur diesen Moment gab, musste ich ihn aufsaugen und genießen und dürfte ihn nie wieder vergessen, wobei mir das sicher nicht passieren würde.

Willi hatte sich so männlich und doch so zart und liebevoll angefühlt, er gab mir nicht einmal das Gefühl, ich könne etwas falsch machen und ich spürte, wie auch er unsere Intimität genoss. Ich fühlte mich nicht billig, wie ich es befürchtet hatte, es war okay. Es war alles perfekt im Hier und Jetzt und was gibt es schon außer Hier und Jetzt? Vergangenheit ist nicht mehr da und Zukunft gibt es erst, wenn sie zum Hier und Jetzt geworden ist.

Eigentlich wollte ich gar nicht einschlafen. Ich hätte den Moment lieber jede einzelne Minute genießen wollen, doch irgendwann sind mir einfach die Augen zugefallen, als ich Willis beruhigendem Atmen zuhörte. Es war zwar ein breites Sofa, aber dennoch ziemlich wenig Platz, um zu zweit nebeneinander darauf zu schlafen, was dazu führte, dass wir geradezu gezwungen waren, zu kuscheln. Er hielt mich nicht so fest in seinen Armen, wie ich es mir gewünscht hätte, aber er war nah bei mir und das genügte mir schon.

Es war noch sehr früh am Morgen, als ich aufwachte und plötzlich überkam mich ein Gefühl, dass gar nicht mehr zum Genießen war. Ich bemerkte, dass auch Willi nicht mehr schlief und sich gerade seine Unterhose anzog. Das Sich-Anziehen besiegelte damit das Ende unserer Nacht und ich wusste, worauf ich mich eingelassen hatte. Wie würde das nun ablaufen? Würde ich meine Sachen nehmen, ihm die Hand geben und gehen? Würde ich noch ein Kaffee trinken und dann mit einem kleinen Kuss verschwinden, würden wir ein weiteres Treffen vereinbaren oder würde er mir einfach seine plötzlich entfachten Gefühle gestehen und ich auf Wolke sieben heraus schweben. Oh Gott, ein böser Schmerz in meinem Bauch machte sich bemerkbar. Willi wirkte so normal und ruhig, man könnte sagen, routiniert, dass es mich noch wahnsinniger machte. Verdammt, was hatte ich denn erwartet, wie es sein würde? Genau so. Und genau jetzt fühlte ich mich so billig und falsch, wie ich es befürchtet hatte. Ich wollte so schnell es ging hier weg, sonst hätte ich mir kaum mehr die Tränen verdrücken können und auf der anderen Seite, hätte ich mich am liebsten an ihn gehangen und nie wieder los gelassen.

Ich musste jetzt unbedingt cool wirken und machte den ein oder anderen blöden Witz, damit ihm nicht auffiel, wie sehr es mich getroffen hatte und dass meine Gefühle am überkochen waren. Er hatte es sicher genauso erwartet, ich war das kleine naive süße Mädchen, dass natürlich bis über beide Ohren in ihn verliebt war, dass sich wie ein Lemming in eine zum Scheitern verurteilte Romanze gestürzt hatte.



*



Willi

Es war ein seltsamer Morgen. Ich hatte in den ersten Sekunden, nachdem ich aufgewacht war, den ganzen Abend in meinem Kopf durchgespielt. Dabei kamen auch alle Gefühle und Empfindungen zurück in mein Gedächtnis, was mich auf der einen Seite freute und stolz machte und auf der anderen zurückschrecken ließ. Ich hatte das Bedürfnis sie in die Arme zu nehmen, sie zu küssen und sie nicht einfach los zu werden, wie es üblicherweise der Fall war, doch wie könnte ich? Ich fühlte mich so elend, sie auf meinem Sofa zu sehen, dieses bildschöne, süße Mädchen, das ich letzte Nacht einfach nur benutzt hatte, weil ich scharf auf sie war. Bisher habe ich mir wenigstens Frauen ausgesucht, die mit einer solchen Situation umgehen konnten, klar habe ich auch da, der einen oder anderen das Herz gebrochen, aber dann wusste ich es wenigstens nicht im Voraus. Ich konnte mich hinter meiner Unwissenheit und ihrer Ausstrahlung verstecken, aber diesmal war ich schuldig an jedem einzelnen miesen Gefühl, das Lena bevorstand und ich sah ihren Augen an, dass dem so war.

Ich war ein Arschloch, das war mir seit Langem bewusst, aber diesmal machte mich das nicht stolz oder ging mir am Arsch vorbei, diesmal war ich das letzte Stück Scheiße auf dieser Welt, was mein Gewissen sofort bestätigte.

Ich hatte mich sofort angezogen, um es zu beenden. Ich konnte den Sex nicht wirklich bereuen, weil er so unheimlich gut war, doch ich musste es einfach, weil Lena das nicht verdient hatte. Sie war für etwas Besseres bestimmt als das hier, das würde sie in ein paar Monaten auch verstehen, vielleicht ja schon in ein paar Wochen.

Möglichst distanziert und dennoch freundlich, aber sehr unangenehm verlief dieser Morgen. Lena versuchte sichtlich die Stimmung aufzulockern, mit ihrem süßen Charme, was mir noch noch mehr das Herz zerbrach. Ich bemerkte, dass sie etwas in mir sah, was ich nicht bin, jedenfalls nicht mehr. Früher hätte ich sie sofort mit allen Mitteln bei mir gehalten, sie umgarnt, um sie gekämpft, aber dieser Teil von mir war nicht mehr und das mussten wir beide akzeptieren.

Weil ich es doch nicht übers Herz brachte, sie einfach rauszuwerfen, bot ich ihr noch einen Kaffee an, auch wenn es die Zeit zäh in die Länge zog, in der wir ihn tranken. Man konnte die unangenehme Stille einfach nicht durchbrechen, auch wenn Lena die Einzige war, die es versuchte, ja ich war sogar der Einzige, an dem es lag, dass diese prekäre Luft im Zimmer lag, doch alles andere, hätte sie nur verwirrt oder in eine falsche Richtung lenken können. Natürlich war das unheimlich hart und vielleicht auch kalt, aber es war unmissverständlich, klar und ehrlich. Das ist das einzige an Respekt, das ich ihr noch entgegenbringen konnte, dass ich ihr jetzt nichts vorlog, was nicht da war, nicht da sein konnte.

„Ich schätze, ich fahr dann mal", sagte sie und ich spürte ihre Hoffnung, dass ich sie aufhalten würde. Das hätte aber nichts besser gemacht, darum nickte ich nur zur Bejahung. Ich spürte wieder die Enttäuschung in ihren Augen.

Ich brachte sie bis zur Tür, wir umarmten uns, doch sie hielt mich länger, als ich es geplant hatte. Es tat weh und am liebsten hätte ich ihre lange Umarmung mit einer längeren erwidert, aber es ging einfach nicht. Sie würde es einmal verstehen, dass es so das Beste und Einfachste war. Das bekannte Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende.

Sie ließ mich los und sah mich noch einmal intensiv an. „Willi, habe ich was falsch gemacht?"

Ihre Frage raubte mir das letzte bisschen Fassung, was von außen Gott sei Dank kaum zu sehen war, dafür hatte ich meine Mauern lang genug gebaut und gefestigt. „Nein aber ich glaub, es war ein Fehler." Sie nickte fast bewegungslos, ich konnte kaum erkennen, welche Gefühlslage mit diesem Nicken einherging, doch ich konnte mir denken, dass es kaum positiv war, dennoch hielt sie sich tapfer und gefasst. Sie verlor trotz ihrer traurigen Augen und mit deutlicher Anstrengung trotzdem nicht ihre kühle Fassade, worin sie mir an diesem Morgen als Einziges glich.

*

Lena

Es war ein Fehler. Ich glaube, es war ein Fehler. Ein Fehler. Ein verdammter Fehler.

Ich bin kaum einen Kilometer gefahren, da kamen mir die Tränen in die Augen geschossen und liefen warm an meinen Wangen herunter. Irgendwie erleichterte mich, dass ich ihnen endlich freien Lauf lassen konnte, auch wenn ich mich wie das letzte Häufchen Elend fühlte. Klein, verlassen, allein, unverstanden, gedemütigt, dumm, naiv, und so unendlich traurig fühlte ich mich, aber besonders schlimm war es, dass ich mich selbst dafür verantwortlich gemacht habe. Hat er unseren Sex so schlecht gefunden? Hatte er mich wirklich nur ins Bett kriegen wollen und wie konnte er dabei nichts gefühlt haben? Warum, warum, warum, warum musste das passieren? Warum hatte ich keine Autopanne? Warum habe ich keinen Rückzieher gemacht, wie ich erst wollte? Warum muss das überhaupt passieren? Warum? Es war ein Fehler, ja das war es, aber für ihn nicht. Er hatte doch sogar bekommen, was er wollte, warum war es denn für ihn ein Fehler? Hätte ich nicht gehen müssen und sagen sollen, es war ein Fehler, melde dich nicht wieder? Warum habe ich ihm nicht zugestimmt, dass es ein Fehler war oder noch besser, warum habe ich ihm keine Ohrfeige gegeben und bin erhobenen Hauptes in mein Auto. Auf nimmer Wiedersehen.

Warum bin ich die dumme Nuss mit dem gebrochenem Herzen?

Es wurde auch zunächst nicht besser. Als der erste Schwung an Tränen vertrocknet war und ich nach Hause fuhr, fühlte ich mich wie versteinert und ich fror und zitterte. Als ich zu Hause ankam, wartete Greta schon auf mich, Flo war in der Uni. Auch wenn Greta zu diesen Personen gehörte, die ihrem Gegenüber sofort anmerkte, wenn etwas nicht stimmte, brauchte sie keine magischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass ich nicht gerade glücklich unsere WG betrat.

„Scheiße, ich hab es doch gewusst, was ist passiert? Was hat er gemacht?" Als müsse sie ihre Erste-Hilfe-Routine bei Liebeskummer durchziehen, zog mich Greta auf unser Sofa und brachte mir eine Tasse Tee, legte ihr Ich-nehm-mir-alle-Zeit-der-Welt-Gesicht auf und mir blieb nichts anderes übrig, als alles Herauszusprudeln, was in mir vorging. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir saßen und ich nur redete, während meine Freundin mir lediglich passende Gesichtsausdrücke schenkte, die mir versicherten, dass sie noch immer zuhörte. Und irgendwann war alles erzählt, jede Frage mehrfach gestellt und meine Verzweiflung auf den Punkt gebracht, man sollte meinen, es ginge mir besser, aber so war es nicht. Ich heulte auch nicht, ich war einfach total versteinert.

Greta dachte nach und sagte zunächst gar nichts.

„Ich weiß, dass du es von Anfang an gesagt hast." Ich drehte beschämt mein Handy in meinen Fingern hin und her. Ich überlegte, ob ich Willi eine Nachricht schreiben sollte.

„Das ist jetzt wirklich nicht wichtig. Er ist ein Volltrottel, der dich gar nicht verdient hat." Wahrscheinlich hatte sie recht, aber so fühlte es sich gerade nicht an.



*



Willi

Nicht, dass dieser berüchtigte Morgen Danach, etwas Neues für mich darstellte, aber heute hatte auch mich das Gefühlschaos eingeholt. Ich konnte kaum erklären, was in mir vorging. Wenn ich zurück an die vergangene Nacht dachte, dann fühlte es sich sogar warm und gut an und sie kam mir immer wieder in Erinnerung. Eigentlich hätte ich den Sex liebend gern wiederholt, heute Morgen, heute Abend, die kommenden Tage und Wochen, doch ich konnte ihr unmöglich antun, ihr noch mehr sinnlos Hoffnung zu machen. Denn hier zeigte sich die andere Seite der Medaille, mein Gewissen. Ich bin in den letzten Jahren ganz sicher kein lieber Typ mit den besten Absichten gewesen und das konnte ich immer gut mit meinem Gewissen vereinbaren, da ich mich mir der Ehrlichkeit tarnte, dass die Frauen wussten, auf was sie sich einließen und eigentlich wusste Lena es auch. Ich hatte also gar nichts falsch gemacht. Warum fühlte ich mich für dieses Mädchen so verantwortlich? Sie ist ein erwachsener freier Mensch und ich habe sie ganz sicher nicht dazu gezwungen, also wo lag mein Problem?

Mein Kopf qualmte wie schon lange nicht, zumindest nicht außerhalb meines Büros und nicht wegen irgendwelcher Verträge, Fakten oder Zahlen, womit ich deutlich besser umgehen konnte. Gefühle gehören nicht zu meinem Spezialgebiet. Hatten sie noch nie. Früher ließ ich mich zwar auf sie ein, aber damit umgehen konnte ich auch nie. Sie machten mir Angst, weil sie aus dem Nichts kamen und meinen ganzen Körper wie ein Virus lahmlegten. Plötzlich kann man nichts essen, kann sich nicht konzentrieren, kann nicht schlafen, kann an nichts anderes denken, obwohl sie nichts weiter sind, als Hirngespinste. Verlieben zum Beispiel, das spielt sich doch nur im Kopf ab, die Person muss dafür überhaupt nichts machen und nichts macht sie zu etwas Besonderem, etwas Ausgewähltem, etwas, dass man nicht jeder Zeit austauschen könnte, doch dieses Gefühl lässt einem den Eindruck erscheinen, man könne von heute auf morgen, nicht mehr ohne diesen Menschen leben. Man macht sich absolut abhängig und ist bereit, sie bescheuertsten Dinge zu tun und da soll mir noch einer sagen, das wäre nicht unheimlich. Das allerschlimmste ist aber diese ständige Angst, weil man genau weiß, wie es weh tut, wenn es vorbei ist und wie kurzweilig dieses vermeintliche Glück sein kann.

Meine Zeigefinger rieben vergeblich meine Schläfen, in solchen Fällen konnte mir nur eine Person auf der Welt helfen. Marla.

Sie war noch immer die am häufigsten kontaktierte Nummer in meinem Telefon und somit ganz oben in der Liste. Nach einer kurzen Schilderung meines Problems, wenn ich auch wirklich jedes Detail übersprang, nahm sie sich Zeit und kam zu mir, wofür ich ihr wirklich dankbar war. Immer wieder erwies sich ihre Freundschaft als absolutes Glückslos.

Ein bisschen durcheinander kam sie mir vor, was bei Marla absolut nicht gewöhnlich war. Ich erinnerte mich an unsere Studententage, als die ruhige erwachsene Marla noch lange nicht das Licht der Welt erblickt hatte. Sie war ein kleiner Wirbelwind damals, oft übermütig und zu einer Menge Risiko bereit, weshalb man viel Spaß mit ihr haben konnte, sie aber auch oft am Boden zerstört, meine Hilfe brauchte. Sie lebte wie auf einer Achterbahn, immer am Arbeiten, wieder ganz rauf zu kommen und dann auch oft am Fallen, bis sie es irgendwann schaffte, Struktur in ihr Leben zu bekommen und ich glaube, dass sie das der Beziehung mit Viktor zu verdanken hatte. Sie meinte einmal zu mir, sie fühle sich das erste Mal angekommen und innerlich ruhig, weil sie die Liebe zu Viktor nicht hinterfragen müsste, weil sie einfach echt sei und ihr das unheimlich Sicherheit gäbe. Aus der quirligen kleinen Marla, die früher bei keiner Party fehlen durfte und keine Tanzfläche unbetreten ließ, war eine reife wunderschöne und sehr anmutige Frau geworden, die von den Männern geradezu angehimmelt wurde und auch ich konnte mich davon nicht ausschließen, obwohl sie meine beste Freundin war und dies immer blieben sollte. Gerade in diesen Momenten half es mir sehr, das stürmische junge Mädchen in ihr zu sehen, das auch immer noch in ihr steckte.

„Dass du mich und nicht Viktor um Rat bei Frauenproblemen bittest, lässt mich an alte Zeiten denken." Sie lächelte süß, doch ich wusste genau, dass sie mich damit anstacheln wollte.

„Hör bloß auf, nicht dass du auf die Gedanken kommst, ich könne meine Lebensphilosophie über den Haufen werfen, ich bin glücklich."

Marla schaute auf mein zerknittertes Shirt mit dem Kaffeefleck und dann in meine Augen unter denen dunkle Schatten lagen. „Sieht man."

„Ich habe die ganze Nacht, auf dem Sofa geschlafen und heute frei, da kann ich ja wohl mal leger herumlaufen."

„Natürlich, ich habe auch gar nichts gesagt." Ich spürte, wie es ihr gefiel, dass ich durcheinander war und es ärgerte mich, dass ich es nicht besser verbergen konnte. Ich hatte völlig vergessen, mir ein anderes Shirt anzuziehen.

„Weißt du, wenn ich Viktor gefragt hätte, wäre das seltsam gewesen. Ich finde es komisch, von einem verheirateten Mann, derartige Tipps zu bekommen."

„Aber bei einer verheirateten Frau ist das was anderes?" Ihr selbstgefälliges Grinsen hätte mich wütend gemacht, wenn sie nicht sie wäre.

„Es ist nur, ich habe gegen meine eigenen Regeln verstoßen, ich fange normalerweise nichts mit Frauen wie ihr an." Sie unterbrach mich. „Da regt mich ja schon wieder der Ausdruck auf, was sind denn Frauen wie sie?" Dass diese Klassifizierung frauenfeindlich sein könnte, hatte ich zuvor nie in Erwägung gezogen, aber eigentlich war es mir auch egal, denn den Damen erzählte ich ja nichts von ihrer Schublade, in die ich sie steckte. „Ich meine halt, dass es Frauen gibt, die können sich auf etwas Lockeres einlassen und dann gibt es Mädchen wie Lena, also das Mädchen von letzter Nacht. Sie ist einfach lieb und süß und anständig."

„Aha und das hast du daran erkannt, dass sie blond ist oder wie macht ihr so was fest?" Ich überlegte einen Augenblick, wer alles in dieses ihr gehörte und wenn ich daran dachte, dass ich in den meisten Fällen über Frauen nur mit Viktor gesprochen hatte und er als erster mit mir in diesem Ihr-Topf landen müsste, dann sollte ich meinem Freund zu Liebe besser darüber nachdenken, was ich Marla erzählte, sonst träfe mich die Schuld, des ersten Ehestreits.

„Natürlich nicht, im Gegenteil gerade Blondinen...." Ihr strenger Blick verbot mir weiter zu sprechen. „Mein Gott, man merkt doch, wenn man einen Menschen kennenlernt, ob der sehr sensibel und lieblich rüber kommt oder eher taff und beherrscht. Mag sein, dass ich mich da schon geirrt habe, aber normalerweise halte ich mich an die zweite Gruppe, weil man mit denen keinen Ärger hat und deren Herzen nicht so schnell bricht, was ich ja wirklich nicht vor habe."

„Nein, man kann dir wirklich nicht vorwerfen, dass du einer Frau das Herz brechen willst, daran sind sie dann selbst schuld oder?" Marla wurde immer strenger.

„Na ja, aber es ist doch auch so. Ich spiele von Anfang an mit offenen Karten und sage, dass ich keine Beziehung möchte, sondern mir nur nach Spaß ist, wenn sie sich dann darauf einlassen, dann ist es doch nicht meine Schuld."

„Und diese Lena hat sich darauf eingelassen und es ist schief gegangen und nun willst du, dass ich dir dein schlechtes Gewissen ausrede?" Dieses Gespräch verlief wirklich nicht so, wie ich es mir erhofft hatte.

„Nein." Vielleicht wollte ich das wirklich, weil es mich fertig machte. Da hatte man den besten Sex seit langem und man konnte ihn gar nicht genießen, weil die Schuldgefühle in einem kochten.

„Willi, es fällt mir wirklich schwer, dir das zu sagen, weil ich dich lieb habe. Ich würde alles für dich tun und ich habe dich unheimlich gern, aber du bist ein echtes Arschloch geworden." War das gerade ihr ernst?

„Ja und? Das weiß ich auch, aber als Arschloch lebt es sich nun mal so viel leichter."

Ihr Stimme wurde schlagartig ein wenig sanfter, was mich verwirrte. „Weißt du noch, als ich dir vor Jahren gebeichtet habe, dass ich mich in dich verliebt habe? Soll ich dir sagen, warum das passiert ist? Weil ich dich so liebenswert fand, weil du zu deinen Prinzipien und deiner Meinung gestanden hast und dich das für mich unheimlich männlich machte. Du hattest so einen festen Charakter, so viel Mut und so viel Wärme, mit welcher du einfach oft an die falschen Mädchen gekommen bist, was aber nicht an dir lag, sondern einfach ein wenig Pech war. Du ziehst doch keine schlechten Menschen an, weil du ein liebes Wesen bist. Klar ist man verletzlich, wenn man sich auf seine Gefühle einlässt, aber mit den Mauern, die du dir aufgebaut hast, schützt du dich nicht, du sperrst dich selbst darin ein."

„Ist das ein Liedtext?"

„Ja und der passt hier perfekt. Mach die Augen auf, du lügst dich doch nur selbst an. Was bringt dir denn dieser ganze Schrott, diese Verkleidung eines Womanizers. Am Anfang habe ich es ja verstanden, du warst verletzt und hast dir ein bisschen Spaß erlaubt, aber du wirst immer mehr zu dieser Rolle, in der du dich so wohl fühlst, weil sie komfortabel ist. Du hast lange keinen Herzschmerz mehr gefühlt, natürlich nicht, aber wann, hast du denn das letzte Mal überhaupt etwas gefühlt? Was nützt dir denn das alles? Was gibt dir denn eine Frau mehr oder weniger? Für was? Für wen? Wem willst du denn länger etwas beweisen, Willi?"

Es hätte eine Menge Menschen gegeben, den ich jetzt ins Gesicht gelacht oder einfach das Gespräch abgebrochen hätte, weil es mir zu blöd vorkäme. Dass meine Freundin Marla, die mich vermutlich besser kannte, als jeder andere Mensch auf der Welt und die mir so viel bedeutete, wie eine Schwester, diese harten Worte an mich richtete, löste etwas in mir aus, was ich aber gar nicht wahrhaben wollte. Ich wollte nicht, dass sie mich so traf und ich wollte nicht, dass sie es gerade tatsächlich schaffte ein Loch in meinen Mauern zu finden. Ich sagte nichts, aber wenigstens dachte ich gerade nicht an mein schlechtes Gewissen wegen Lena.

„Und was soll ich deiner Meinung jetzt machen? Mir ein Mädchen suchen, sie heiraten und Kinder zeugen oder wie hast du es dir gedacht?"

„Das ist jedenfalls der Plan vieler Menschen."

„Aber nicht meiner."

„Ich möchte dir nicht sagen, was du zu tun hast in deinem Leben, denn ich denke, dass hat ein anderer Mensch, schon lange genug getan hat und du leidest noch immer darunter. Willi, dein Papa hat vieles falsch gemacht, aber du bist nicht er. Du bist ein erwachsener Mann, der selbst entscheiden kann. Ich weiß nicht, was es ist, was du tun solltest, außer, dass du versuchen musst, glücklich zu werden und macht dich das denn glücklich?"

Ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Guter Sex und schöne Frauen machten mich auf jeden Fall nicht unglücklicher. Ich antwortete nicht.

„Falls doch, dann musst du eben so weiter machen, aber du solltest Rücksicht auf deine Auserwählten nehmen und sie ein bisschen respektvoller behandeln. Du bist doch eigentlich wirklich kein sexistischer Macho. Wenn eine Frau dir ihre Gefühle schenkt, dann ist das eigentlich das Großartigste, dass du bekommen kannst und kein lästiges Problem, dass du aus der Welt schaffen musst."

„Die Frauen verlieben sich doch gar nicht in mich, sondern in diesen coolen Typ, den sie in mir sehen und den sie vor allem nicht haben können. Wer ich bin, weiß keine von ihnen und ich will auch gar nicht, dass sie das kennenlernen."

„Warum?" Was für eine blöde Frage. Ich hatte keine Ahnung, vielleicht weil sie dann bereits zu viel von mir wussten, vielleicht weil ich mich dann verletzbar machte. Verdammt, solche Gedanken hatte ich seit Jahren nicht mehr. Ich antwortete wieder nicht.

Marla nickte nur, aber sie strahlte eine gewisse Selbstzufriedenheit aus, die mir nicht gefiel und ich wusste woher sie kam. Ich knickte ein und ich hasste es. Ich fühlte mich wie ein kleiner Junge, wie Jahre vor diesem Tag heute.

„Was war denn nun eigentlich mit dieser Lena?" Stimmt, das Problem gab es auch noch.

„Du weißt es doch schon, sie ist ein süßes Mädchen und ich habe mit ihr geschlafen, ich habe ihr weh getan, das hat man ihr heute Morgen angemerkt und ich fühl mich darum beschissen."

„Warum tut es dir so leid?" So langsam fühlte ich mich wie bei einem Psychiater. Ich hoffte wirklich, dass Marla mir nicht am Ende der Sitzung eine saftige Rechnung in die Hände drückte.

„Keine Ahnung, weil sie das nicht verdient hat?"

„Im Gegensatz zu den anderen Frauen, mit denen du sonst schläfst?" Sie zog eine Augenbraue hoch.

„Nein, keine Frau hat eine schlechte Behandlung verdient, verdammt. Aber, ich habe bei Lena schon gewusst, dass sie Interesse hat und hab es ausgenutzt. Außerdem ist sie irgendwie so unschuldig, ich weiß doch auch nicht."

„Und darüber nachgedacht, dass du auch etwas für sie empfinden könntest, hast du nie?" Das war ja wieder klar, dass Marla das glaubte. Dass ich ein Mädchen für süß und unschuldig hielt, hatte gar nichts mit meinen Gefühlen zu tun, ganz im Gegenteil, ich musste meine potentielle Freundin doch heiß und sexy finden. Lena war heiß, auf jeden Fall, aber trotzdem unschuldig, irgendwie eine echt geile Kombination, aber es war egal, Gefühle gab es auf jeden Fall nicht.

„Du wehrst dich dagegen."

„Marla, es reicht. Ich möchte nicht weiter darüber sprechen, weil es nichts mehr zu sagen gibt."

„Du hast ja recht, Willi. Ehrlich gesagt, war es mehr, als ich erwartet habe, aber meiner Meinung nach, hast du dich lange nicht mehr auf so eine Frau eingelassen und vielleicht hatte das ja einen Grund. Ich will dich zu nichts drängen, aber vielleicht solltest du sie einfach auf ein Date einladen und dich öffnen und wenn du wirklich nichts fühlst, dann glaub ich dir."

„Und wenn ich wirklich nichts fühle, habe ich ihr noch einmal falsche Hoffnungen gemacht." Jetzt sagte sie endlich nichts. „Außerdem, ich gehe nie mit Frauen essen."

Sie schaute mich entgeistert an. „Wie, du gehst nie mit Frauen essen?"

„Es ist ewig her, dass ich so ein richtiges Date mit Restaurant und schicken Klamotten hatte. Es ist irgendwie etwas sehr Besonderes für mich, irgendwie zu intim, um es mit irgendeiner zu tun."

„Du kannst mit einer Frau schlafen, aber nicht mit ihr Essen gehen? Sex ist so etwas Unbedeutendes geworden." Damit hatte sie wahrscheinlich wirklich recht. Doch es gab einige romantische Dinge tief in meinem Inneren, die mir viel bedeuteten. Ich schaute einer Frau normalerweise nicht tief in die Augen und vermied es, sie zu oft zu küssen, wenn ich mit ihr schlief und sie mir nichts bedeutete. Nicht, weil ich das nicht mochte, sondern weil das etwas Besonderes für mich war. Ich massierte auch keine von ihnen, ich stellte sie nicht meinen Eltern und nur selten meinen Freunden vor, ich ging nie mit ihnen an Orte, die mir wichtig waren und ich erzählte ihnen nichts von mir und meiner Vergangenheit, genauso kuschelte ich nicht mit ihnen und ging eben auch nicht mit ihnen auf richtige romantische Dates. Ich hielt es distanziert und das mit Absicht, auch wenn ich erst jetzt konkret darüber nachdachte.

„Vielleicht solltest du ja gerade mit ihr Essen gehen." Marla hatte längst bemerkt, dass sie meine Komfortzone überschritten hatte, aber sie dachte nicht daran, sich auf dem dünnen Eis vorsichtiger zu bewegen und eigentlich liebte ich sie dafür, auch wenn es mir jetzt nicht gefiel.

„Von mir aus, Marla, ich gebe zu, ich bin eine emotionale Baustelle, aber ich sollte das arme Mädchen nicht damit quälen und sie als mein Versuchskaninchen benutzen, mal was anderes auszuprobieren."

Meine beste Freundin verdrehte die Augen. „Wie kann man nur so viel herumjammern. Was hätte Viktor tun sollen, als er merkte, dass er Gefühle für mich hat?"

„Hör auf, ständig von Gefühlen zu sprechen, ich hab keine Gefühle für Lena. Und Viktor hat lange genug versucht, dich aus dem Kopf zu bekommen und es ist nur noch schlimmer geworden."

„Ja, bis er eingesehen hat, dass es keinen Sinn hat, er zu seinen Gefühlen stand und um mich gekämpft hat, bis auch ich gemerkt habe, dass ich diesen Vollidioten gern mag." Sie lachte süß. Ich spürte wie ihr das Herz aufging, wenn sie über ihre Geschichte sprach.

Ich gebe zu, dass es bei den beiden bestens gelaufen ist und ich mir nur wünschen könnte, so ein Glück zu haben, aber das hier war etwas ganz anderes und ich war nicht Viktor und Lena war nicht Marla.

„Ich muss jetzt los, Willi. Ich will dir nur noch einen letzten Rat geben und dann sage ich nichts mehr dazu, da du es selbst wissen musst. Du bist nicht glücklich mit deinem bisherigen Leben, auch wenn du es versuchst zu sein und der Einzige, der dir im Weg steht, bist du selbst. Ich habe immer an dir geliebt, dass du so prinzipientreu bist, aber manchmal legen nur diese, dir Steine in den Weg. Du neigst immer zu Extremen, du willst entweder alles oder nichts, für immer lieben oder nie wieder, aber das Leben ist nicht nur schwarz und weiß."

„Nein es ist grau, hellgrau, dunkelgrau..."

„Nein Willi, das Leben ist bunt, weiß und schwarz sind jeweils die extreme Helle oder Dunkelheit von jeder Farbe."

„Und ich soll mein dunkelstes braun jetzt zu rosarot färben?" Sie lächelte nur über mich, wie eine Mutter über ihren kleinen naiven Sohn, streichelte mir zusätzlich über den Kopf und stand auf, um zu gehen. Ich wollte eigentlich nicht, dass sie geht und mich mit meinen Gedanken allein lässt. Früher hatten wir Stunden miteinander verbracht, wenn einer Liebeskummer hatte. Dann haben wir Filme gesehen und Eis gegessen oder Chips, Hauptsache ungesund. Damals ging es mir immer so unheimlich beschissen und heute ist es sogar eine schöne Erinnerung. Dennoch erleichterte es mich, dass das Verhör und die Konfrontation mit einer Menge vergrabener Eigenschaften meinerseits erst einmal vorbei waren.

Ich setzte mich allein auf das Sofa und bemerkte ein blondes Haar von Lena auf meiner Decke. Ich spürte ein ungewolltes Lächeln in meinem Gesicht, als ich es wegzupfte. Sollte ich wirklich mit ihr ausgehen? Würde sie das denn überhaupt noch wollen? Eigentlich hatte ich keine Chance mehr verdient und sie hatte mir bereits mehrere gegeben. Ich wollte ein paar Tage Zeit verweilen lassen, um darüber nachzudenken und ihr ein wenig Ruhe zu gönnen.

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