11. Kapitel

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Lena

Es war also passiert und ich wusste gar nicht, was ich denken sollte. Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an und es war genau das, was ich gewollt und gebraucht hatte, doch als er mich küsste und dann neben mir liegen blieb, ohne mich sofort in den Arm zu nehmen, kam mir die Gewissheit, dass es nicht nur fantastisch, sondern ein großer Fehler gewesen ist. Ein Fehler, der sich unbeschreiblich gut anfühlte und den ich unter keinen Umständen rückgängig gemacht hätte, nicht in diesem Moment. Nicht, als er neben mir einschlief und doch ganz zögerlich mit seiner Hand meinen Kopf streichelte. Es war nur dieser Moment und danach würde alles wieder vorbei sein und der Gedanke daran schmerzte in meinem Bauch, wie ein großer Klumpen Lehm, den er einfach nicht verdauen konnte. Doch ich vertrieb diesen Gedanken, denn gerade, weil es nur diesen Moment gab, musste ich ihn aufsaugen und genießen und dürfte ihn nie wieder vergessen, wobei mir das sicher nicht passieren würde.

Willi hatte sich so männlich und doch so zart und liebevoll angefühlt, er gab mir nicht einmal das Gefühl, ich könne etwas falsch machen und ich spürte, wie auch er unsere Intimität genoss. Ich fühlte mich nicht billig, wie ich es befürchtet hatte, es war okay. Es war alles perfekt im Hier und Jetzt und was gibt es schon außer Hier und Jetzt? Vergangenheit ist nicht mehr da und Zukunft gibt es erst, wenn sie zum Hier und Jetzt geworden ist.

Eigentlich wollte ich gar nicht einschlafen. Ich hätte den Moment lieber jede einzelne Minute genießen wollen, doch irgendwann sind mir einfach die Augen zugefallen, als ich Willis beruhigendem Atmen zuhörte. Es war zwar ein breites Sofa, aber dennoch ziemlich wenig Platz, um zu zweit nebeneinander darauf zu schlafen, was dazu führte, dass wir geradezu gezwungen waren, zu kuscheln. Er hielt mich nicht so fest in seinen Armen, wie ich es mir gewünscht hätte, aber er war nah bei mir und das genügte mir schon.

Es war noch sehr früh am Morgen, als ich aufwachte und plötzlich überkam mich ein Gefühl, dass gar nicht mehr zum Genießen war. Ich bemerkte, dass auch Willi nicht mehr schlief und sich gerade seine Unterhose anzog. Das Sich-Anziehen besiegelte damit das Ende unserer Nacht und ich wusste, worauf ich mich eingelassen hatte. Wie würde das nun ablaufen? Würde ich meine Sachen nehmen, ihm die Hand geben und gehen? Würde ich noch ein Kaffee trinken und dann mit einem kleinen Kuss verschwinden, würden wir ein weiteres Treffen vereinbaren oder würde er mir einfach seine plötzlich entfachten Gefühle gestehen und ich auf Wolke sieben heraus schweben. Oh Gott, ein böser Schmerz in meinem Bauch machte sich bemerkbar. Willi wirkte so normal und ruhig, man könnte sagen, routiniert, dass es mich noch wahnsinniger machte. Verdammt, was hatte ich denn erwartet, wie es sein würde? Genau so. Und genau jetzt fühlte ich mich so billig und falsch, wie ich es befürchtet hatte. Ich wollte so schnell es ging hier weg, sonst hätte ich mir kaum mehr die Tränen verdrücken können und auf der anderen Seite, hätte ich mich am liebsten an ihn gehangen und nie wieder los gelassen.

Ich musste jetzt unbedingt cool wirken und machte den ein oder anderen blöden Witz, damit ihm nicht auffiel, wie sehr es mich getroffen hatte und dass meine Gefühle am überkochen waren. Er hatte es sicher genauso erwartet, ich war das kleine naive süße Mädchen, dass natürlich bis über beide Ohren in ihn verliebt war, dass sich wie ein Lemming in eine zum Scheitern verurteilte Romanze gestürzt hatte.



*



Willi

Es war ein seltsamer Morgen. Ich hatte in den ersten Sekunden, nachdem ich aufgewacht war, den ganzen Abend in meinem Kopf durchgespielt. Dabei kamen auch alle Gefühle und Empfindungen zurück in mein Gedächtnis, was mich auf der einen Seite freute und stolz machte und auf der anderen zurückschrecken ließ. Ich hatte das Bedürfnis sie in die Arme zu nehmen, sie zu küssen und sie nicht einfach los zu werden, wie es üblicherweise der Fall war, doch wie könnte ich? Ich fühlte mich so elend, sie auf meinem Sofa zu sehen, dieses bildschöne, süße Mädchen, das ich letzte Nacht einfach nur benutzt hatte, weil ich scharf auf sie war. Bisher habe ich mir wenigstens Frauen ausgesucht, die mit einer solchen Situation umgehen konnten, klar habe ich auch da, der einen oder anderen das Herz gebrochen, aber dann wusste ich es wenigstens nicht im Voraus. Ich konnte mich hinter meiner Unwissenheit und ihrer Ausstrahlung verstecken, aber diesmal war ich schuldig an jedem einzelnen miesen Gefühl, das Lena bevorstand und ich sah ihren Augen an, dass dem so war.

Ein bisschen mehr ArschlochWhere stories live. Discover now