Dancing back to Life

By SteffiDa

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Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Diese Erfahrung muss auch Josephina Albert machen. Als alleinerziehend... More

Vorwort
Übersicht verwendete Prompts
Prolog
1 | Alltagschaos
3 | Barbecue
4 | Große Überraschungen
5 | Der große Tag

2 | Einladung

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By SteffiDa

Auf Zehenspitzen schlich ich mich aus dem Kinderzimmer heraus und schloss so geräuschlos wie möglich die Tür hinter mir. Erst dann wagte ich es, aufzuatmen.

Auch heute hatte der Einschlafprozess mal wieder ewig gedauert. Noah kam abends einfach nicht zur Ruhe. Zu aufgewühlt war er von dem Tag im Kindergarten. Eigentlich müsste ich ihn bereits um 17 Uhr hinlegen, weil er dann seinen Durchhänger hatte, was aber einfach nicht möglich war. Bis er dann tatsächlich ins Bett gehen konnte, war er meist schon wieder fit. Sein Tagesrhythmus passte absolut gar nicht zum normalen Tagesablauf, und ich wusste einfach nicht, wie ich dieses Problem lösen konnte. Mit meinem Latein war ich schon sehr lange am Ende.

Ich gönnte mir einen kurzen Moment, lehnte mich an die Tür und atmete einige Male tief ein und aus. Wie gern würde ich mich jetzt einfach aufs Sofa legen, die Füße unter die Wolldecke stecken und eine Serie gucken. Oder ein Buch lesen. Gott, ich hatte seit Ewigkeiten nichts mehr gelesen! Ich vermisste es so sehr!

Aber statt eines Buches wartete das Chaos in der Küche auf mich. Und der Berg Wäsche, der sich neben dem Sofa stapelte. Wenigstens konnte ich beim Wäsche zusammenlegen eine Serie nebenbei gucken.

Mit einem tiefen Seufzer gab ich mir einen Ruck und wandte mich der Küche zu, in der es aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Bevor ich startete, steckte ich mir meine Bluetooth-Kopfhörer ins Ohr und rief meinen Bruder zurück, dessen Anruf ich vor einer Stunde auf dem Handy gesehen hatte.

»Hey, Brüderchen.«

»Guten Abend, liebste Schwester«, begrüßte er mich mit überschwänglich guter Laune. »Wie geht es dir und meinem Lieblingsneffen? Ich hatte schon nicht mehr mit dir gerechnet. Hat er sich sehr gewehrt oder bist du eingeschlafen?«

»Uns geht es gut«, antwortete ich mit der üblichen Lüge, während ich die Spülmaschine öffnete, um sie ein- und auszuräumen. »Noah braucht im Moment sehr lange, bis er wirklich eingeschlafen ist. Das ist gerade etwas anstrengend.«

Ich musste selbst beinahe lachen, ob dieser Untertreibung. Es war nicht nur gerade anstrengend. Es war schon immer anstrengend gewesen. Jede Phase der Entwicklung, die Kinder durchmachten, barg ihre Herausforderungen. Manche Kinder und ihre Eltern machten das alles mit, ohne große Einschränkungen oder Konflikte. Aber bei uns hatte ich immer schon das Gefühl gehabt, dass wir alles mitnahmen. Die Drei-Monats-Koliken, die Stillverweigerung, das Fremdeln, die Autonomiephase in ihrer schlimmsten Ausprägung – einfach alles.

Vielleicht kam es mir nur so vor, weil ich allein da durchmusste. Aber das war eine Tatsache, die ich nicht ändern konnte und die ich meistens ganz weit in die hinterste Ecke meines Bewusstseins schob, um nur nicht darüber nachdenken zu müssen. Mein Gejammer half niemandem und interessierte in vielen Fällen auch niemanden. Ich hatte schon früh gelernt, dass auf die obligatorische Frage »Wie geht es dir« in den meisten Fällen keine ehrliche Antwort gewollt war. Und es war okay! Wir kamen schon klar! Wir hatten bisher jede Phase gemeistert, allein, Noah und ich! Ich war eine starke Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand. Außerdem hatte ich im Gegensatz zu vielen anderen Eltern durch mein Pädagogikstudium ein Grundwissen, das mir bei der Entwicklung meines eigenen Kindes sehr hilfreich war. Eine Ressource, die es mir einfacher machte ... oder machen sollte.

Ich schob die wirren Gedanken schnell beiseite, während mein Bruder die Zeit genutzt hatte und weitererzählte.

»Und? Wirst du kommen?«, fragte er mich plötzlich und ich erstarrte mit dem dreckigen Teller in der Hand, da ich keinerlei Ahnung hatte, wovon er sprach.

»Sorry, kannst du das nochmal wiederholen? Wohin?«

René stöhnte. »Du bist mit den Gedanken wieder ganz woanders, stimmt's? Ich rede von der Grillparty, die Kristin, Jörg und ich am Wochenende veranstalten wollen. Jörg hat Geburtstag und hat die Familie eingeladen. Also ein kleiner Kreis. Er will kein großes Aufhebens, aber gar nicht feiern lassen weder Kristin noch ich zu.«

Ich hörte sein glückliches Grinsen aus den Worten heraus und musste unwillkürlich auch lächeln. Ich liebte es, meinen kleinen Bruder so glücklich zu sehen. Er hatte eine schwere Zeit hinter sich, nachdem er bemerkt hatte, dass er sich gleich in zwei Menschen verliebt hatte. Erst in Jörg, dann in Kristin, die zu dem Zeitpunkt bereits eine lockere Affäre mit Jörg gehabt hatte. Es dauerte, bis die drei sich endlich zusammengerauft hatten, und noch viel länger, bis sie ihre Liebe zueinander öffentlich gemacht hatten. Allem negativen Gegenwind aus ihrem Umfeld zum Trotz waren sie seitdem unzertrennlich und schrecklich verliebt ineinander.

»Ja, klar kommen wir. Noah wird sich freuen, euch zu sehen.« Nicht nur ich mochte die Lebensgefährten meines Bruders. Noah hatte einen Narren besonders an Jörg gefressen und beschlagnahmte ihn jedes Mal komplett für sich, wenn wir uns sahen. Und Jörg liebte es und ließ sich zu gerne darauf ein. Die beiden waren ein tolles Team zusammen und hatten nur Blödsinn im Kopf.

»Wie geht es dir wirklich, Finchen?«

Der plötzliche Stimmungsumschwung traf mich völlig überraschend, genauso wie der Spitzname. Finchen nannten mich nur mein Vater und mein Bruder, und immer nur dann, wenn es ernst wurde.

Ich schwieg, während ich das letzte Glas in den Geschirrspüler räumte und die Klappe schloss.

»Bitte keine Ausflüchte. Ich will die Wahrheit!«

Ich seufzte. Wenn er den Ton anschlug, wusste ich, dass ich verloren hatte. Er hatte einen unfassbaren Dickkopf und würde nicht lockerlassen. Dann war immer die beste Strategie, ihn mit einem kleinen Teil der Wahrheit abzuspeisen.

»Es geht schon. Wir schlagen uns schon irgendwie durch. Im Moment ist Noah in einer anstrengenden Phase, aber das geht auch wieder vorbei. Du weißt ja: 'Nur die Harten kommen in den Garten'.«

Statt auf diesen dämlichen Spruch aus unserer Kindheit einzugehen, schwieg René eine Weile. »Wenn du Hilfe brauchst, musst du nur was sagen, das weißt du, oder?«

»Ja«, antwortete ich. Natürlich wusste ich das. Sie hatten es ja oft genug angeboten. Sie hatten aber auch ihre eigenen Leben und Termine, und ich konnte nicht verlangen, dass sie plötzlich auch noch meine Probleme mitlösen mussten. »Ich will euch aber auch nicht auf der Tasche liegen. Ich habe hier alles unter Kontrolle und streng organisiert.«

Er seufzte. »Trotzdem habe ich den Eindruck, dass du dich jedes Mal, wenn wir telefonieren, müder anhörst. Und als wir uns das letzte Mal gesehen haben, sind mir deine Augenringe aufgefallen, trotz der dicken Schicht Make-up. Papa hat den gleichen Eindruck. Finchen, wir machen uns einfach Sorgen um dich.«

Die Worte trieben mir Tränen in die Augen, die ich entschieden bekämpfte. »Das ist lieb von euch, aber das braucht ihr nicht. Ich melde mich, wenn ich Hilfe brauche, versprochen!«

»Du solltest dringend mal Urlaub machen.«

Die Worte ließen mich auflachen. Von welchem Geld sollte ich mir bitte schön Urlaub leisten können? »Ich habe bald ein paar Tage zu Ostern frei, wenn der Kindergarten geschlossen hat«, antwortete ich ausweichend.

»Fahrt ihr weg?«

»Wir wollten uns bei Papa für ein paar Tage einquartieren.«

Dem leisen Brummen nach war das nicht die Antwort, die René sich erhofft hatte. Aber ich konnte es nicht ändern. Für richtigen Urlaub war definitiv kein Budget übrig. Weder finanzielles noch zeitliches. Meine Urlaubstage gingen für reguläre Schließtage des Kindergartens, Notbetreuung und Krankheitsfälle drauf.

»Naja, immerhin. Was ist denn mit übermorgen? Habt ihr da schon was vor?«

Ich warf einen kurzen Blick auf den Wandkalender, ohne den ich völlig aufgeschmissen wäre. »Übermorgen hat Noah bis drei Uhr Kindergarten und danach Turnen.«

»Und du fährst ihn normalerweise hin? Lass mich das machen. Ich habe nachmittags frei.«

»Aber du hast doch bestimmt was anderes vorgehabt.«

»Ja, Zocken. Nichts, was ich nicht auch verschieben könnte. Ich hole ihn direkt vom Kindergarten ab. Dann hast du mal einen Nachmittag frei, okay?«

Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen. Das würde mir tatsächlich helfen. Ich könnte den Wocheneinkauf erledigen und vielleicht auch noch mal im Klamottenladen nebenan vorbeischauen. Noah brauchte unbedingt eine neue Matschhose, nachdem er aus der alten endgültig rausgewachsen war.

Also stimmte ich zu, und die ehrliche Freude meines Bruders ließ mir das Herz aufgehen. Wir tauschten noch ein paar Belanglosigkeiten miteinander aus, dann verabschiedeten wir uns voneinander.

Die Küche war in der Zwischenzeit fertig, jetzt war die Wäsche dran. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits zehn Uhr war. Unwillkürlich gähnte ich herzhaft. Eigentlich wäre es sinnvoller, wenn ich jetzt schlafen ginge. Die Nacht würde vermutlich wieder anstrengend werden. Aber die Wäsche faltete sich auch nicht von alleine. Noah hatte schon kaum mehr etwas in seinem Schrank und suchte sich seine Sachen aus dem Stapel heraus. Damit verschlimmerte er das Chaos natürlich nur noch. Also machte ich mir einen Tee und ging ins Wohnzimmer.

Auf dem Weg dorthin kam ich an der Kommode im Flur vorbei, auf der die Schale mit den Schlüsseln und meistens auch die aktuelle Post lag. Den kleinen Stapel, den ich vorhin mit hochgenommen hatte, hatte ich bisher völlig vergessen.

Ich nahm alles mit ins Wohnzimmer und machte es mir auf dem Sofa bequem. Ohne großes Interesse sah ich die Umschläge durch. Eine Rechnung, Informationen der Krankenkasse, Werbung und ein silbergrauer Umschlag, der mich stutzen ließ. Neugierig drehte ich ihn in der Hand, während ich alle anderen Briefe auf den Couchtisch warf.

Nachdenklich betrachtete ich ihn von allen Seiten. Er war schlicht, aus silbergrauem, schwerem Papier. Und das Ungewöhnlichste: Es war weder ein Absender noch ein Adressat darauf vermerkt. Das einzige war der Buchstabe »J«, in einer verschnörkelten, eleganten Schrift geschrieben.

Im Inneren befand sich eine Karte, bei der mir sofort die Textur des Papiers auffiel – dick und samtig, mit einer leichten Struktur, die unter meinen Fingerspitzen fast elektrisch zu knistern schien. Auf der Vorderseite prangte weder ein Siegel noch Schnörkel oder Ornamente, sondern auch hier nur ein einziger, großer Buchstabe – ein elegantes 'J', gedruckt in einem tiefen, glänzenden Schwarz, das aus dem ansonsten makellos weißen Hintergrund herausstach.

Auf der Rückseite stand ein Satz in einer klaren, geradlinigen Schriftart:

»Dresscode: Zeige dich in deinem besten Schwarz-Weiß.«

Darunter ein Datum und eine Uhrzeit. Kein Ort, keine weiteren Hinweise darauf, was das hier zu bedeuten hatte oder von wem ich die Nachricht, die definitiv eine Einladung war, erhalten hatte. Und damit warf sie mehr Fragen auf, als sie beantwortete.

Das Datum war ein Freitag in zwei Wochen. Es machte mich sehr neugierig, was mich da erwarten würde. Aber ich konnte Noah beim besten Willen nicht allein lassen. Sehr schade! Und noch ärgerlicher, dass ich keine Ahnung hatte, wer der Absender war und bei wem ich absagen konnte. Ich wusste ja noch nicht einmal, wo ich hinkommen sollte. Irgendwie schon seltsam. Aber gut, das hatte sich derjenige dann auch selbst zuzuschreiben, wenn man keine Kontaktdaten hinterließ.

Ich trank meinen Tee leer, ging in die Küche, um mir noch eine Tasse zu machen, und hängte die Einladung an die Pinnwand. Noch einmal strich ich darüber und spürte die Enttäuschung in mir aufkommen. Aber es half ja nichts.«

Als der Tee fertig war, machte ich mich endlich daran, die Wäscheberge zu erklimmen, und vergaß die mysteriöse Einladung darüber völlig.


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