TURKISH REVENGE

By bombayim

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[TURKISH MAFIA muss davor gelesen werden, um diesen Band zu verstehen.] ๐™€๐™›๐™จ๐™–๐™ฃ๐™š. Blind vor Rache. Blind... More

๐Ÿ–ค
1. Kapitel
2.Kapitel
3.Kapitel
4. Kapitel
5.Kapitel
6.Kapitel
7.Kapitel
8.Kapitel
9.Kapitel
10.Kapitel
11.Kapitel
12.Kapitel
13.Kapitel
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15.Kapitel
16.Kapitel
17.Kapitel
18.Kapitel
19.Kapitel
20. Kapitel
21.Kapitel
23.Kapitel
24.Kapitel
25.Kapitel
26.Kapitel
27.Kapitel
28.Kapitel
29.Kapitel
30.Kapitel
31.Kapitel
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33.Kapitel
34.Kapitel
35.Kapitel
36.Kapitel
37.Kapitel
38.Kapitel

22.Kapitel

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By bombayim


Eigentlich würde ich Ekin jetzt noch einen Schlag ins Gesicht verpassen, aber er verpisst sich mit seinem kleinen Grinsen und ich bleibe alleine in dem Gang. Rasend vor Wut gehe ich mir mehrmals durch die Haare und balle meine Hände zu Fäusten. Verdammte Scheiße! Das kann nicht wahr sein. Seine Worte entsprechen nicht der vergangenen Realität. Ich soll ihm wirklich glauben, dass er und sein verdammter, älterer Bruder meinen Bolat gerettet haben? Der Mörder von meinem jüngsten Bruder soll meinen anderen Bruder gerettet haben? Bittere, lachhafte Lüge! Ich bin nicht dumm. Ich bin nicht naiv. Niemals kann das der Wahrheit entsprechen. Wieso sollte Aslanoğlu meinen Bruder retten? Er ist ein Kindesmörder! Unglaublich, dass sich Ekin traut sowas zu erzählen. Drehe mich um, um zu schauen, ob er noch da ist, weil er eine Faust doch verdient hat. Er ist aber nicht da. Er ist gegangen. Was ... was wenn Aslanoğlu draußen auf ihn wartet? Vielleicht hat er Ekin angestiftet reinzugehen und nach Bolats Zustand zu fragen, weil er zu feige ist. Schnappe nach Luft und laufe mit schnellen Schritten den Gang durch, nehme wieder die Treppen und renne zum Eingang. Wenn ich ihn gleich erwische! Er wird sehen!

Die kalte Luft trifft meine Haut, als ich nach draußen gelange und hin und herschaue. Es interessiert mich nicht, dass mich die ganzen Menschen komisch oder verwirrt anschauen. Ich muss ihn finden, wenn er wirklich hier ist. Nach minutenlangen Umschauen finde ich aber weder Aslanoğlu noch Ekin. So schnell kann er doch gar nicht geflüchtet sein! Schaue mich genauer um, aber werde trotzdem nicht fündig. Zische leise aus. Bastarde. Wenn ich euch in meine Finger kriege. Ich bleibe stehen und atme leise aus. Menschen laufen hin und her, der Wind wird stärker und meine Haare wehen hinter meinen Ohren. Ein Ziehen entsteht in dem Inneren meines Oberkörpers. Nicht im Herzbereich, eher ... eher genau in der Mitte. Genau zwischen meinen Rippen. Presse meine Hand dagegen und atme zittrig aus. Ich weiß nicht was genau los ist. Es fühlt sich an wie ein schwaches Ziehen ... oder doch wie ein Schrei? Meine Kehle schnürt sich immer fester zusammen. Das Bild vor meinen Augen, wie Er meinen Bruder voller Eile und Sorgen hochhebt und mit schnellen Schritten in seinen Wagen ablegt. Wie er sich auch nach hinten setzt und etwas Stoff gegen seine Schnittwunden presst, um die Blutungen zu stoppen. Presse meine Augen und Lippen zusammen, schüttele mit dem Kopf vor mich hin. Mörder deines Bruders. Mörder deines Bruders. Mörder deines Bruders, Efsane. Der Mann, der dich betrogen hat. Mörder und Betrüger. Mörder und Betrüger. Mörder und Betrüger.

,,Efsane?" höre ich plötzlich eine Stimme, weshalb ich mich nicht mehr bewege. Öffne langsam meine Augen, aber lasse meinen Blick auf den Boden gerichtet. Ich hasse mich dafür, dass meine Wimpern feucht sind. Ich werde hier nicht weinen. Ich bin vielleicht voller Wut und voller Verzweiflung, aber Tränen werde ich hier nicht vergießen. ,,Hey ..." ertönt wieder die gleiche Stimme und ich spüre eine Hand, die sich langsam auf meine rechte Schulter ablegt. Das ist doch ... ,,Nicht weinen, Küçüğüm. Komm her ..." sagt Yasin mitfühlend und ich spüre, wie ich an seine Brust gedrückt werde. Seine Arme umarmen mich, aber meine hängen schlaf neben meinem Körper. Yasin umarmt mich wirklich hier und jetzt. Zeige keine Reaktion, auch als ich den Stoff von seinem Pullover an meiner Schläfe und seine Hände auf meinem Rücken spüre, die auf und ab fahren. Gerade ... gerade spüre ich nichts. Kein Unwohlsein, aber auch kein Wohlsein. Das Ziehen ist immer noch präsent, aber nicht so stark. Oder ... es wird gerade stärker. ,,Yasin." presse ich nur heraus und will mich von ihm lösen, aber er lässt mich nicht los. Seine Arme halten mich nur noch fester. ,,Du musst gerade jetzt nicht stark sein, okay? Ich bin da. Ich bin hier für dich." sagt er, aber ich verziehe mir nur das Gesicht. Es tut weh ... das Ziehen wird schmerzhafter und meine Wut nimmt mich wieder ein. ,,Lass jetzt endlich los!" schreie ich schon fast und löse mich gewaltsam aus seinen Armen. Atme laut aus und meine Beine führen mich in das Innere vom Krankenhaus. Presse erneut meine Hand gegen die schmerzende Stelle, um es irgendwie zu dämmen, aber es klappt nicht. Es tut weh.

,,Efsane, bin ich dir zu nahe getreten? Entschuldigung. Ich habe nur versucht, dich zu besänftigen." ,,Brauche ich nicht." schnauze ich ihn an und ignoriere seine Schritte, die mir folgen. Ich muss jetzt ... ich muss jetzt als erstes Lale finden und mich über ihren Zustand informieren. Wahrscheinlich werde ich auch auf Osman treffen, der mit ihr noch vor paar Minuten ein Gespräch geführt hatte, soweit ich weiß. Was ist passiert, dass Lale stärkere Schmerzen bekommen hat? Haben sie sich schon wieder gestritten? Ich muss auch mit Bolat reden. Frag Bolat. Er war, glaube ich, noch nicht ganz weg, als wir ihn gefunden haben. Das hat mir Ekin gesagt gehabt. Bolat muss mir darauf eine Antwort geben, ob wirklich Ekin und sein beschissener Bruder ihn gerettet haben. ,,Efsane, bleib doch stehen. Ich will doch nur mit dir reden." höre ich Yasins bittende Stimme, während ich wieder in das Treppenhaus laufe und beginne die Stufen hochzusteigen. Lale ist oben, hat Hakan gemeint. Hoffentlich geht es ihr gut.

Ich laufe die Treppen hoch, während Yasin hinter mir herläuft. Ich ignoriere ihn weiter. Erst muss ich wissen, wie es Lale geht und dann werde ich mit ihm reden. ,,Yasin, nicht jetzt." sage ich nur und laufe zur Empfangsdame, die mich schon bemerkt. ,,Wie kann ich Ihnen helfen?" ,,Ich suche Lale Kaynak. Sie muss hier sein." antworte ich gefasster und nehme meine Hand von der schmerzenden Stelle, trotz dass sie immer noch weh tut. Die Frau tippt am Computer rum und nickt dann langsam. ,,Sie meinen die schwangere Frau, die vor paar Minuten hierher gebracht wurde?" ,,Ja." sage ich nickend und sie deutet auf den linken Gang. ,,Sie ist im Raum 106, aber sie schläft noch. Nehmen Sie doch schonmal Platz, bis sie aufwacht." Atme leise aus und begebe mich langsam in den Gang. Hier sind Sitzplätze, aber ich will mich nicht setzen. ,,Willst du dich nicht setzen?" fragt mich Yasin. ,,Nein." antworte ich nur leise und lehne mich mit geschlossenen Augen gegen die Wand.

,,Was ist denn mit Lale passiert?" stellt Yasin weitere Fragen, die mich gerade einfach nur nerven. Ist es so schwer seine Fresse zu halten? ,,Nerve ich dich gerade mit meinen Fragen?" Am liebsten will  ich Ja brüllen und ihn von hier wegschicken, aber ich darf mich nicht respektlos gegenüber ihm verhalten. ,,Yasin, ich habe wirklich keine Nerven mehr. Kannst du bitte ..." ich höre auf zu reden, als ich seine Präsenz vor mir spüre. Öffne die Augen und blicke geradewegs in das Blaue von Yasin, der sich zu dicht vor mich gestellt hat. Wieso ... wieso ist er so nah? Ich habe ihm doch ziemlich deutlich ausgedrückt, dass ich gerade keinen Körperkontakt will. Ich blicke in seine Augen, die mich immer noch anschauen. ,,Ich versuche mich wirklich zurückzuhalten, aber wenn ich dich so sehe, will ich dir einfach nur helfen, Efsane. Ich will, dass du willst, dass ich dir helfe." Zurückhaltung? Er hat sich gerade eben zurückgehalten? Ich ziehe minimal meine Augenbrauen zusammen und bemerke, dass er mit seinem Gesicht näher kommt. Seine Augen huschen über mein ganzes Gesicht und wollen sich jedes Detail merken. Was ... was ist nur los mit ihm? Er lässt seine verliebte Seite zu sehr raus. ,,Mir geht es gerade wirklich nicht gut, Yasin." ,,Ich weiß, Küçüğüm und deswegen will ich dir helfen. Du musst es aber auch zulassen." entgegnet er bittend und ich presse mich unbewusst mehr an die Wand, weil diese Distanz zwischen ihm und mir nur kleiner wird. Er hält sich nicht zurück. Ich will ihm einfach nur ins Gesicht schreien, dass er mich in Ruhe lassen soll, aber die rationale Denkweise in meinem Gehirn, befehlt mir sowas nicht zu machen und ihn einfach machen lassen soll. ,,Ich sehe, dass du Unterstützung brauchst. Lass mich deine Unterstützung sein, Efsane."

So sehr ich dagegen bin, lasse ich es zu, dass er mich wieder umarmt. Ich lasse es zu, dass er seine kalten Hände auf meinen Rücken legt und auf und ab fährt. Ich lasse es zu, dass er seine Gesichtshälfte in meine Haare vergrabt und meinen Duft tief in sich einatmet. Blicke währenddessen nur starr die Wand an. Meine Hände wandern von selbst zu seinem Bauch, zögerlich und langsam. Nicht sicher. Ich lasse meine Hände auf seinem Bauch und höre, wie er tief ein- und ausatmet. ,,Es bedeutet mir so viel, dass du dich einlässt." flüstert er leise in mein Ohr und seine Lippen streifen meine Ohrmuschel, weshalb mein Gesicht sich automatisch schon von ihm wegdrehen will. -Lasse es nicht zu. Und das macht ihn glücklich. Ich spüre, wie ich fester umarmt werde. Ich will es nicht sagen, ich will es nicht aussprechen. Ich will nicht, dass dieses Wort meinen Mund verlässt, um von seinem Gehör aufgenommen zu werden. Trotzdem muss ich. Es würde viel bewirken. Ich schlucke leise, bevor er meine Hände langsam seinen Oberkörper auch umarmen. Es fühlt sich so ungewohnt und komisch. ,,Danke, Yasin." Somit gebe ich ihm die falsche Bestätigung, dass sein Dasein mir guttut. ,,Nicht der Rede Wert,  Küçüğüm. Für dich tue ich alles." murmelt er mit seinem glücklichen Unterton. Vermutlich haben sich seine Augen geschlossen, während meine nur die Wand angeschaut haben. Für die Rache.

Mit dem plötzlichen Öffnen der Tür rechts von uns, blicke ich direkt dorthin und schaue geradewegs in die Augen von Osman, dessen Augenpaar sich schockiert weiten. ,,Senin ne işin var burada?" (Was hast du hier zu suchen?) ruft Osman sauer, als er Yasin erblickt. Ich will mich von Yasins Armen losreißen, aber wir haben vermutlich den gleichen Gedanken: Aslanoğlu. Osman wird ihm sicherlich davon berichten, weshalb Yasin und ich uns nur langsam voneinander lösen. Erzähle es ihm, Osman. Erzähl ihm, wie du uns gesehen hast. ,,Ich bin für meine Freundin da. Und du so?" Freundin ... wie bitte?  Osmans Pupillen weiten sich noch mehr. Er kneift die Augen zusammen so als ob er nicht richtig gehört hat. ,,Willst du mich verarschen, du Bastard?!" Ehe ich mich versehen kann, packt Osman Yasins Kragen und presst ihn gegen die nächstliegende Wand. ,,Osman!" höre ich die Stimme von Lale aus dem Zimmer aus dem Osman gerade rauskam. Sehe aus dem Augenwinkel, wie sie mit langsamen Schritten rauskommt und sich an ihrem Bauch festhält. Genau wie Osmans Augen, weiten sich auch ihre, als sie Yasin erblickt. ,,Was macht er denn hier?" fragt sie mich, aber ich kann ihr gerade keine Antwort geben. ,,Lass ihn los, Osman." befehle ich ihm mit fester Stimme, aber sein abgeneigtes Gesicht bleibt vor Yasins. ,,Du Bastard darfst hier nicht sein. Verpiss dich sofort von hier!" spuckt er in sein Gesicht, aber ich erkenne nur Gelassenheit an Yasins Gesichtsausdruck. ,,Befehlt wer? Dein Chef Atakan?" entgegnet er mit einem kleinen, spöttischem Grinsen und packt Osmans Hände. ,,Ich, du Hurensohn, ich! Ich werde dich nie wieder neben ihr sehen. Hast du das verstanden?!"

Woher nimmt Osman sich das Recht darüber zu bestimmen, wer neben mir sein darf und wer nicht? ,,Lass ihn jetzt endlich los!" befehle ich lauter und will eingreifen. ,,Osman, bitte." höre ich auch die erschöpfte Stimme von Lale, weshalb ich zu ihr schaue. Sie haltet sich am Türrahmen und bemerke ihre Erschöpfung. Ich bin wohl nicht die Einzige, die es bemerkt. Osman bemerkt es auch an ihrer Stimme und dreht seinen Kopf zu ihr, seine Hände lassen aber Yasin nicht los. ,,Ich bin sehr müde, Osman. Komm bitte mit ins Zimmer und bleib bei mir." Lale verdient Ruhe. Sie muss sich ausruhen. Wenn Osman jetzt weiter hier Stress macht und nicht zu seiner Frau geht, dann werde ich ihm noch mehr Stress machen. Aber er handelt schlau.

Er lässt Yasin los, werft ihm vernichtende Blicke zu, doch bevor er zu Lale geht, zischt er ihm leise was zu. ,,Für Drohungen ist es vieeel zu spät, Osman. Atakan hat seine Chance verpasst und will sie wohl auch nicht zurückgewinnen." sagt Yasin ihm provozierend hinterher, weshalb ich meine Augen seufzend schließe, da die schnellen Schritte von Osman ertönen und sein Ausholungsschlag. Er hat Yasin eine verpasst. Schlussendlich sehe ich, wie er nach Lales Armen greift, um sie weniger zu belasten. Bevor sie wieder ins Zimmer gehen, sage ich noch was an Lale gewandt. ,,Ich schaue später vorbei. Ruh dich aus, Lale." Sie nickt müde und kuschelt sich an Osman, ehe die beiden ins Zimmer wieder gehen und die Tür hinter sich schließen.

,,Spast." höre ich Yasin vor sich hin murmeln, während er sein Kragen richtet. ,,Alles gut?" fragt er mich und tretet zu mir vor. Nicke nur knapp. ,,Bei dir?" ,,Auch. Osman kann mir nichts tun. Nur ein Versager, der nichts kann, außer das Hündchen von Atakan zu spielen." Ich atme leise aus und sammele meine Gedanken. Lale ist beim Osman und wird sich ausruhen. Ich konnte noch nicht fragen, was der Arzt gesagt hat, aber das mache ich später. Osman und sie waren zu lange getrennt. Ich kenne Lale. Sie will sich jetzt nur mit ihrem Mann ausruhen und die Zeit mit ihm genießen. Ich lasse den beiden ihre Zweisamkeit, vor allem jetzt. Dann sollte ich jetzt wieder zu Bolat. Er ist immer noch in seinem Krankenzimmer. Erst muss ich Yasin von hier wegbringen. ,,Ich werde wieder hoch zu Bolat gehen. Gehst-" ,,Soll ich nicht mitkommen? Ich wollte ihm gute Besserungen wünschen." Erst jetzt realisiere ich etwas: Woher weiß Yasin, dass wir hier sind? Woher weiß Yasin, dass Bolat Selbstmord begangen hat?

Ich gucke ihn verwirrt und vorwurfsvoll an. ,,Yasin." ,,Efsane." ,,Woher weißt du davon?" frage ich ihn und verschränke meine Arme vor meiner Brust. Sehe ihn seufzend und er fährt sich mit einer Hand über sein Nacken. ,,Also ..." ,,Was also? Sag mir die Wahrheit, Yasin." Yasin setzt immer wieder zum Reden an, aber stoppt sich auch immer wieder. Im nächsten Moment höre ich ein Klingelton und es ist wohl Yasin, der es aus seiner Hosentasche rausholt und die Gelegenheit natürlich nutzt, um der Situation aus dem Weg zu gehen. Er geht ran und ich schaue keine Sekunde von ihm weg, als er paar Minuten telefoniert. ,,Das  war ein wichtiger Anruf, Küçüğüm. Ich muss leider gehen. Ich rufe dich später an, ja?" Yasin schaut mich entschuldigend an und bevor er verschwindet, greift er nach meinem Hinterkopf und drückt einen Kuss drauf.

Wieso ... wieso hat er mich auf den Kopf geküsst?

Meine Hand wandert zögerlich zu der Stelle und streicht drüber. Irgendwie taucht eine Erinnerung gegen meinen Willen auf. Eine Erinnerung, an die sich mein Gehirn nicht erinnern sollte. Wie eine Sünde, die sich vor meinen Augen wieder abspielt.

Vor paar Monaten

Zögernd öffne ich meine Augen und blicke auf seine Lippen, die noch vor paar Sekunden meine berührt haben. Seine Lippen sind, wie meine, etwas gespaltet. Entferne einen Arm von seinem Nacken und mit meinem Zeigefinger nähere ich mich seinem Mund. Fahre mit dem Finger seine Unterlippe nach und meine Augen wandern in seine, die mich beobachten. Er hat damit nicht gerechnet, aber dagegen hat er natürlich nichts zu sagen. ,,Du kannst echt gut küssen..." murmele ich und lächele leicht, als ich die Wärme, die er immer für mich ausstrahlt, in seinen dunkeln Augen erkenne. Er setzt sich aufs Bett und ich mach es ihm nach. Ich sitze im Schneidersitz neben ihm, während er am Bettrand sitzt und durch seine Haare streicht. ,,Gleichfalls." sagt er und guckt mich nachdenklich an. Ich nuschele ein Danke, doch werde fragend. Wieso guckt er mich denn so an?

Langsam steht er auf und meine Augen verlassen ihn nicht. Er guckt zu mir runter und ich zu ihm hoch. Lasse es zu, dass er eine Hand auf meinen Nacken legt und mich etwas zu ihm zieht. ,,Denk nicht, dass ich vergessen habe, was gestern und vor paar Stunden passiert ist." Drücke meine Lippen zusammen und senke den Blick. Ich wusste es, dass er nachfragen wird. Ist ja auch sein gutes Recht. ,,Ich muss jetzt gehen. Wir reden, wenn ich wieder da bin." Nicke nur und bin dankbar dafür, dass er nicht kalt redet, sondern sanft. Vielleicht ... könnte ich ihm ja ein kleines bisschen davon erzählen, was ich alles erlebt habe, wenn er weiterhin so bleibt. Wenn er mich weiterhin so behandelt.

,,Geh jetzt nach unten und iss was. Bis später, Güzelim." verabschiedet er sich von mir und zum ersten Mal spüre ich seine Lippen auf meiner Stirn. Zärtlich drückt er mir einen Kuss drauf, läuft zur Tür und geht hinaus. Atme tief ein und aus. Versuche so gut es geht, mich gegen das Grinsen, dass sich auf meinen Lippen bilden will, dagegenzustellen, aber komme nicht durch. Lasse mich rücklings auf das Bett fallen und lächele einfach so. Was passiert denn heute alles? Erst der Nagellack, dann unser erster Kuss und auch noch am gleichen Tag gibt mir Atakan ein Stirnkuss. Streiche vorsichtig erst über meine geküsste Stirn und dann meine Lippen. Spüre irgendwie noch die Lippen von Atakan. Seine geschmeidigen, vollen, gut küssende, pinke Lippen. Lächele größer. Ich werde mir das alles Notieren! Greife nach meinem Handy und lege mich wieder hin. Grinsend drücke ich auf Notizen.

Ein Déjà-vu, das sich vor meinen Augen abspielt. Mein Blick bleibt auf dem Boden. Waren das echte Moment? Waren das reine, liebevolle Momente, die nicht aus meinen Gedanken verschwinden wollen, obwohl ich die Bedeutung für diese eine Person tief unter der Erde vergraben habe. Ich verstehe es nicht. Ich empfinde keinerlei positive Gefühle und Emotionen für ihn, doch trotzdem tauchen diese Momente auf. Ich will sie nicht sehen. Ich habe nicht auf die Wiederholungs-Taste gedrückte. Efsane macht das nicht. Ich strebe nur nach meinem Rachefeuer, der ihn brennen lassen soll. Ich muss einfach so welche Momente ignorieren. Mein Verstand will mich nur testen und sehen, ob ich Sehnsucht nach diesen Momenten empfinge. Du kannst stolz auf mich sein, Verstand. Ich gehe nicht den Weg von meinem zerbrechlichen Herz. Dasselbe Ende, dasselbe Finale lasse ich nicht zu. Den Anfang von dem Weg, den ich davor gegangen bin, habe ich geändert und den Weg komplett auch. Ich gehe nicht den gleichen Weg. Dieser Weg wird mich befreien, dieser Weg ist meins.

Diesen Weg werde ich gehen und dieser Weg wird mein Ende, mein Schlussstrich sein.

...

22:56 Uhr

Gegen Abend wurde Bolat erlassen. Wir sind wieder Zuhause. Mit Bolat zusammen wurde auch Lale erlassen, die mit ihrem Mann nach Hause gegangen ist. Ich habe mit ihr nochmal geredet, um sicher über ihren Zustand zu sein und zu erfahren, was der Arzt gesagt hat. Lale meinte, dass wohl die stärkeren Schmerzen vom ganzen Stress käme und dass sie mehr aufpassen muss, bis zur Geburt, die auch bald ist. Die letzten Wochen dann kommen zwei kleine Babys. Hoffentlich streiten sich Osman und Lale nicht mehr. Lale verdient diesen ganzen Stress nicht. Diese ganzen Belastungen müssen für sie aufhören. Bolat konnte ich noch nicht fragen, ob seine Retter Ekin und Aslanoğlu waren. Wir waren keinen einzigen Moment alleine. Emirhan, Hakan und Halil sind keine Sekunde von seiner Seite gewichen. Daran und Eda waren auch bis zum Abend da. Eda musste nach Hause, weshalb Daran sie gefahren hat und seitdem auch nicht mehr zurückgekommen ist. Wahrscheinlich ist er nach Hause oder zu irgendeiner Tussi gefahren. Emirhan hat vorhin für uns gekocht. Wir saßen alle Geschwister am Esstisch und haben ruhig gegessen. Ich musste mich zwingen, weil ich kein Hungergefühl gespürt hatte. Ich darf nicht anfangen nichts zu essen. Ich muss essen und Kraft sammeln. Ich habe das Vertragsangebot von diesem einen Typen nicht vergessen, was mir Daran und die anderen erzählt hatten. Samstag hat er uns in seinen Boxclub eingeladen. Noch paar Tage bis dorthin und ich kann nicht mit einem blassen, lustlosen Gesichtsausdruck dort auftauchen.

Ich befinde mich gerade in der Küche, während alle anderen in ihren Zimmern sind. Befülle zwei Gläser mit Wasser. Einmal für Bolat und einmal für mich. Hoffentlich ist er noch wach. Ich muss noch mit ihm über dieses wichtige Thema reden. Schalte das Licht in der Küche aus und gehe mit den Gläsern die Treppen hoch. Es ist so ruhig im Haus, was gerade so guttut. Die Regengeräusche bringen mich fast zum Einschlafen. Ich stelle mein Glas in meinem Zimmer ab und gehe auf Bolats Zimmer zu. Klopfe zweimal an der Tür, aber ich höre nichts von ihm seinerseits. Ist er etwa eingeschlafen? Oh man. Ich öffne leise die Tür und sehe noch nicht sein Bett. Schließe genauso leise die Tür hinter mir und tapse paar Schritte vor. Vor Schreck wäre das Glas aus meiner Hand gefallen, als ich ihn neben dem schlafenden Bolat sehe. Ist das sein verdammter Ernst?! Sitzt er wirklich einfach am Bettrand mit seinen Haaren, die vom Regen nass geworden sind und seiner Lederjacke, die auch feucht ist und Regentropfen auf den Bettlacken und auf die Bettdecke fallen lässt. Ich blinzele, um meine Sichtweise zu verbessern, aber sie verbessert sich nicht. Nein, ich sehe ihn immer noch.

,,Was tust du hier, verdammte Scheisse?!" zische ich Aslanoğlu an und sehe ihn tief ausatmen. Lege etwas zu laut den Becher ab, weshalb Bolat kurz zuckt, aber weiter schläft. Was fällt ihm ein?! Hier auftauchen, in Bolats Zimmer und dann noch durch seine Locken berühren?! Geht's noch?! Stumm erhebt er sich und nickt mit dem Kopf nach draußen. Er nickt in die Richtung meines Zimmers. Meines Zimmers. Lache lautlos gespielt auf und schüttele mit dem Kopf. Der ist doch komplett bescheuert! Ich will ihm sagen, dass er aus dem Fenster springen soll, aber er läuft ruhig aus dem Zimmer und öffnet ohne Scham die Tür meines Zimmers, ehe er eintritt. Das ... das ... ich werde noch verrückt. Ich laufe auch raus, schließe die Tür hinter mir und stampfe schon fast in mein Zimmer. ,,Du kannst hier nicht einfach auftauchen. Verdammt nochmal! Schämst du dich denn gar nicht? Du hast nichts in Bolats Zimmer zu suchen und genauso wenig in meinem! Du darfst nicht in diesem Haus sein, so als ob du hier wo-" ,,Shh, rumzicken kannst du später. Sag mir erst, wie es Bolat geht. Hat er sich gut erholt im Krankenhaus?" unterbricht er mich und ich knirsche meine Zähne zusammen.

Meine Augen huschen über seinen Körper, dessen Kleidung wohl auch nass geworden ist. Er ist ganz nass. Oh Nein, wie schade. ,,Du machst mein Boden dreckig." sage ich kalt, verschränke meine Arme fest gegen meine Brust und deute auf die Tropfen auf dem Boden. Er blickt kurz auf den Boden, bevor auch seine Blicke über mich huschen. Sehe ein Zucken am Kiefer und das Dunkelwerden seiner Augen. ,,Hier wird es gleich dreckiger, wenn du weiter deine Brüste in meine Augen presst." er tretet näher zu mir vor, weshalb ich einen Schritt zurückgehe, doch seinerseits wird wieder ein Schritt zu mir gemacht. Sofort löse ich meine Arme. ,,Hör auf damit!" befehle ich sauer, aber sein Mundwinkel zuckt nur hoch. ,,Wieso?" ,,Hör auf!" Wieder kommt er ein Schritt auf mich zu und wieder gehe ich ein Schritt zurück, doch spüre natürlich schon die Wand hinter mir.

,,Hat sich es gut angefühlt?" Verwirrt schaue ich in seine Augen. Wieso stellt er mir bitte so welche Fragen? ,,Ich meine es komplett ernst! Geh aus-" ,,Der Kuss auf den Kopf." Er kommt ein Stückchen näher. ,,Die Umarmung." Noch ein Stückchen. ,,Seine Hände auf deinem Rücken." Noch ein Stückchen. ,,Sein Mund an deinem Ohr." Rechts von mir stützt er seine Hand an die Wand, um sich mit dem Kopf runter zu beugen. Sein Gesicht ist meinem so nah, aber bewegen tue ich mich trotzdem nicht. Er guckt mich mit einer Intensität an, an die ich mich erinnere. ,,Hat es dir gefallen?" wiederholt er flüsternd seine Frage nochmal. ,,Und wie." flüstere ich genauso leise zurück.

,,Zum ersten Mal habe ich mich so wohl gefühlt in den Armen eines Mannes."

Keine Reaktion von ihm, weshalb ich weitermache. ,,Es hat sich so gut angefühlt seinen Duft tief in mich einzuatmen." In meinem Zimmer ist nur das Nachtlicht an und wir stehen auch weiter entfernt, deswegen sehe ich die Konturen seines Gesichtes. Erkenne die Spannungen an seinen Wangen. Ihm gefallen meine Worte nicht. ,,Yasin hat mir so gutgetan." Nähere mich weiter und er erkennt die Provokation aus meinen Augen. Wir sind uns so nah, dass ich schon einzelne Stoppeln seines Bartes zählen kann. ,,Er war für mich da ohne, dass ich ihm Bescheid gegeben habe. So zuverlässig ist Yasin." Die Wörter verlassen meinen Mund so lasziv, ohne darüber nachzudenken und nur mit einem Ziel: Er soll wütend werden, aber ich sehe nur einen kleinen Hauch von Wut in seinen Augen. Wo sind die brennenden, eifersüchtigen, dunklen Augen?

,,Mit dem Mund Lügen erzählen, während deine Augen nach mir schreien, güzelim."

,,Das sind keine Lügen. Das sind die Wahrheiten, die du nicht wahrhaben willst. Es gibt bessere Männer als du!"

,,Aber keinen besseren Mann für meine Efsane."

___

ich musste erstmal überlegen, ob es ,,es gibt bessere männer als du" oder ob es ,,es gibt bessere männer als dir" heißt ... chatgbt lässt grüßen ...

Diese Zeitabstände gefallen genauso wenig wie euch ... aber das überwinden wir schon

Wie fandet ihr das Kapitel?

Es können Rechtschreibfehler auftauchen, muss nochmal drüber lesen ...

-💣

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