𝐋𝐞𝐢𝐝𝐞𝐧𝐝𝐞 𝐥ü𝐠𝐞𝐧 𝐧...

By AllanRexword

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[Mystery-Grusel] In einer verfallenen Villa in Ostdeutschland, Schauplatz einer tödlichen Tragödie zur Weihna... More

Vorwort & Leseratten-Special 🐁
Prolog
I - Karin
III - Karin
IV - Lutz
V - Karin
VI - Lutz / Karin
VII - Lutz / Karin
VIII - Karin
IX - Karin
X - Karin
XI - Karin
XII - Karin
Epilog

II - Lutz

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By AllanRexword

„Oh, Mann", beschwerte sich Rüdiger hustend, „in diesem alten Schuppen ist doch nichts zu holen, lass uns verschwinden."

Lutz untersuchte die gegenüberliegende Kellerwand mit seinem Metalldetektor. Das handliche Gerät in der Form einer übergroßen Lupe schlug quäkend aus, was jedoch maximal auf Metallstreben im Beton hinwies. Leider auf keinen massiven Metallblock, wie sie ihn suchten.

Genervt drehte er sich zu seinem Freund um und leuchtete quer durch den ausladenden Raum. Eine verstaubte und von Spinnenweben überwucherte Kellerbar aus den Neunzigern, zerplatzte Flaschen und verrottete Sessel, deren Farbe unter der zentimeterdicken Staubschicht nicht mehr zu erkennen war, huschten durch den Lichtkegel. Auf seinem Begleiter blieb das helle Rund kleben. Der dickliche Mittvierziger trug, genau wie er selbst, funktionale schwarze Kleidung mit Cargohosen, Stiefeln und Multifunktionsgürtel. Mit den Händen schüttelte er sich den Dreck aus den Haaren. Im wahrsten Sinne des Wortes Staub aufzuwirbeln, war bei ihrer Suche unvermeidbar.

„Rüdi. Wir sind erst seit zwei Stunden hier. Hast du erwartet, direkt den Jackpot zu knacken, sobald du das olle Gemäuer betrittst?", antwortete Lutz mit verständnislosem Kopfschütteln über die Ungeduld seines Begleiters. Schließlich waren sie schon öfters gemeinsam auf Schatzsuche gewesen. Davon konnten sie leben, aber der große Coup war ihnen bisher nicht gelungen. „Falls wir in zwei Tagen noch nichts gefunden haben, können wir gerne nochmals reden. Dieser Schuppen ist gigantisch."

„Ja, ja ...", kam die beleidigte Antwort, während Rüdiger weiter mit einem Hammer die Wände nach Hohlräumen abklopfte.

Regelmäßiges Knarzen über seinem Kopf ließ Lutz innehalten. „Pssst. Rüdi, hörst du das?"

Beide leuchteten sie mit ihren Taschenlampen an die Decke. Die Dunkelheit unter ihren Lichtkegeln schluckte die feinen Staubkörner, die zwischen den dicken Bohlen herunterrieselten. In Kombination mit dem Quietschen war das eindeutig.

„In dem Raum über uns ...", begann Rüdiger flüsternd.

„... ist der Eingangsbereich und in der Bibliothek daneben liegt die Ausrüstung. So ein verdammter Mist!", schloss Lutz dessen Gedanken ab. „Los! Schnell hoch! Ehe sich jemand an unseren Sachen vergreift."

Zügig rannten sie zum Kelleraufgang, die steinernen Stufen hinauf und durch einen kurzen Gang in die Empfangshalle. Niemand war zu sehen.

„In die Bibliothek!", rief Rüdiger. „Zu den Rucksäcken!"

Ohne innezuhalten, hetzte er zu der geschlossenen Tür, hämmerte auf die Klinke und stürzte in das chaotische Zimmer, in dem sie die alten Bücher durchsucht und auf Haufen gelegt hatten. Auch hier war niemand zu sehen. Also doch nur Einbildung? Oder war der Eindringling durch eine der anderen Türen geflohen?

„Lutz!", rief Rüdiger, der bereits bei ihrer Ausrüstung stand. „Da hat jemand rumgeschnüffelt. Ich bin sicher, dass ich alle Rucksäcke zugemacht hatte."

Mist. Mit zwei Schritten war er heran und untersuchte den Inhalt. Es fehlte nichts.

„Alles in Ordnung, Rüdi. Aber ich gehe lieber auf Nummer sicher."

Grimmig zog Lutz seine mattgraue Luger heraus, prüfte das Magazin und lud die Pistole mit dem schlanken Lauf durch. Das Teil hatte er in den wenigen noch zugänglichen Räumen einer vergessenen Bergfestung aus dem Zweiten Weltkrieg in den Südtiroler Alpen gefunden. Die Munition hat ihm einer seiner Kontakte in Berlin besorgt, bei dem er ihre Fundstücke, ohne Fragen beantworten zu müssen, zu Geld machte.

Laut sagte er: „Falls das kein Geist ist, werde ich ihn freundlich daran erinnern, dass das hier unser Claim ist."

„Und falls doch?"

„Witzbold. Dann kann der uns vielleicht verraten, wo sich dieser verfluchte Tresor befindet." Er winkte mit der Pistole. „Los. Wir nehmen die linke Tür."

Die Waffe in der Hand betrat er das ausladende Esszimmer mit dem löwenköpfigen Kamin, in dem sich damals das Unglück zugetragen hatte. Auch hier gab es zwei Türen.

„Lutz!", sein Kumpel stieß ihn in die Seite. „Welche Tür jetzt?"

„Rechts. Links gehts nach draußen, dann müssten wir uns keine Gedanken mehr machen. Aber falls unser Besucher noch im Haus unterwegs ist, wüsste ich das gerne."

Mit grimmiger Miene lief er zum runden Turmanbau und folgte der steinernen Treppe in den ersten Stock. Den Bereich hatten sie bisher nicht weiter erkundet, da sie den Tresor nicht im weitläufigen Gästeflügel vermuteten. Er ließ seine Taschenlampe den Korridor entlangwandern, doch selbst ihr kräftiger Strahl konnte das Ende des Flures mit seinen uniformen Türen nicht erfassen. Dieser Flügel war offenbar verflucht lang. Ob diese Villa früher als Hotel genutzt wurde? Angeblich war es zu DDR-Zeiten im Besitz der SED gewesen und wurde von hohen Parteimitgliedern für größere Treffen und Seminare in Beschlag genommen. Oder von der Stasi als abgelegenes Gefängnis für unliebsame DDR-Bürger. Da waren sich die Quellen nicht einig. Aber bereits davor, Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte man das Gebäude als Kurhaus errichtet. Daher war der Vergleich vermutlich gar nicht so abwegig. Über die Zeit dazwischen, während des Nationalsozialismus, fehlten jegliche Aufzeichnungen. Ob der reiche Herr Doktor wirklich all diese Zimmer hatte renovieren lassen? Das sah nicht danach aus.

Mit Rüdiger im Schlepptau schlich er zügig über den verschimmelten Teppich, immer auf Geräusche achtend.

„Hey, Lutz. Warte mal", flüsterte sein Begleiter in seinem Rücken. „Ich glaube, ich habe eben etwas hinter der Tür gehört. Eine Frauenstimme."

„Eine Frau?" Das erstaunte ihn. Die meisten ihrer Konkurrenten, aber auch Obdachlose und sonstiges Gesocks, das sich in diesen Ruinen herumtrieb, war männlich. „Okay. Vielleicht sind es nur ein paar Jugendliche, die hier eine Mutprobe machen oder so. Dann wollen wir denen mal einen ordentlichen Schrecken einjagen."

Fest entschlossen dafür zu sorgen, dass die Bälger schnellstmöglich seine Villa verließen, drückte er mit der Pistole in der Hand die Türklinke. Die untere Kante schrammte deutlich über die verzogenen Bohlen. Wer auch immer dort drin wartete, würde ihn kommen hören. Vor ihm öffnete sich ein pechschwarzer Spalt und er hielt inne, als dieser fußbreit geöffnet war. Was, falls es keine Jugendlichen waren?

Ein Blick zu Rüdiger zeigte, dass diesem die Sache ebenfalls nicht geheuer war. Mit weiten Augen hielt sein Kumpel mit links die Taschenlampe und rechts ein kurzes Stemmeisen.

„Hey!", rief Lutz mit kräftiger Stimme durch den Spalt. „Wir wollen euch nichts tun, aber wir sind bewaffnet. Kommt langsam mit erhobenen Händen auf den Flur."

Damit traten sie gemeinsam fünf Schritte zurück, leuchteten mit ihren Lampen auf die Tür und harrten der Dinge.

Nichts geschah.

Auch waren keine Stimmen, Getrappel oder Geraschel zu hören. Kein Geist schwebte aus dem pechschwarzen Spalt und kein kettensägenschwingender Psychopath stürmte ihnen entgegen. Alles blieb still.

„Ähm ...", meldete sich Rüdiger nach einer Weile zu Wort. „Entweder da ist niemand drin oder sie wollen nicht rauskommen."

Blitzmerker. Aber leider hatte er recht. Ehrlicherweise hätte er sich selbst vermutlich auch einfach in dem Zimmer verbarrikadiert und ließe denjenigen vor der Tür den ersten Schritt machen. Das war definitiv nicht das Verhalten einer Gruppe Jugendlicher. Die wären niemals so lange so still gewesen. Falls sich überhaupt jemand in dem Raum befand und nicht Rüdigers Nerven ihm einen Streich gespielt hatten. Leider war es hier so ruhig, dass eine Person in dem Zimmer genauso jedes Wort und ihre Bewegungen wahrnehmen konnte wie umgekehrt. Zurückziehen, um einen Plan zu besprechen, war ebenfalls keine Option. In dieser Zeit könnte jemand problemlos entwischen. Es auf sich beruhen zu lassen, damit derjenige ihnen später in den Rücken fiel, kam nicht in Frage. Ein echtes Dilemma.

Um sich nicht in eine mögliche Schusslinie zu begeben, bedeutete er Rüdiger, ihm das Stemmeisen zu reichen. Mit dem kalten Metall in der Hand stellte er sich mit dem Körper nahe an die Wand. Der Mief des schimmeligen Tapetenmoders neben seinem Gesicht stieg ihm in die Nase. Dann drückte er mit der Spitze die Tür so weit auf, wie es möglich war, ohne seinen Körper als Trefferfeld zu offenbaren. Schabend schob er das Türblatt komplett auf, sodass es fast im rechten Winkel abstand und die Öffnung einen freien Blick in das Zimmer erlaubte. Ein Spiegel, um um die Ecke zu schauen, wäre jetzt nicht schlecht. Aber der lag unten in einem ihrer Ausrüstungsrucksäcke.

Da es alternativlos war, nahm er seine Lampe und zuckte blitzartig mit seinem Kopf vor, warf einen Blick in den Raum und schritt wieder zurück. Was er gesehen hatte, erinnerte an ein sehr staubiges, edles Hotelzimmer aus der Entstehungszeit dieses Gebäudes. Jedoch war dort keine Menschenseele zu sehen – auch kein körperlicher Mensch. Nochmals blickte er aufmerksamer durch das Zimmer.

„Da ist niemand zu sehen", informierte er seinen Begleiter und trat mit der Waffe im Anschlag komplett hinein.

Rüdigers Schritte und zittriger Atem folgten ihm. Noch immer waren seine eigenen Nerven zum Zerreißen gespannt. Jederzeit könnte jemand hinter Bett oder Kommode hervorspringen oder aus der Tür stürmen. Nichts dergleichen geschah. Der Raum wurde nur von diversen Spinnen bewohnt, deren mikroskopische Äuglein und Panzer seinen Lichtstrahl reflektierten.

„Hm ... da habe ich mich wohl geirrt", fasste sein Kumpel es treffend zusammen.

Lutz wollte sich gerade dem Ausgang zuwenden, da hielt er nochmals inne. War dort nicht ein Rascheln und gepresstes Atmen zu hören? Er legte seinen Finger auf die Lippen und deutete unter das ausladende Himmelbett mit den zerrissenen Vorhängen. Jede Wette, dass sich darunter Rüdigers ominöse Stimme versteckt hatte.

Mit einem Hechtsprung warf er sich vorwärts auf den Bauch und leuchtete mit erhobener Waffe unter das Bett.

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