I never thought

By Gullilulli123

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Nach einer gescheiterten Ehe, welches Ende Lexi Wilson bis heute noch nicht begreifen kann, ist es Zeit für e... More

Prolog
Datenight
Typisch
Die Dachterrasse
Liebesgeflüster
Flashback
Nachts im Museum
Elternabend
Weil ich dich liebe
Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker
Verrat
Konfrontation
Verdrehte Wahrheit
Verschwiegene Wahrheit
Schmerzende Wahrheit
Schockierende Wahrheit
Die ganze Wahrheit
Epilog

Die Wahrheit

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By Gullilulli123

Verunsichert schaute ich immer wieder zu Ryan auf den Fahrersitz. Er starrte mit angespanntem Kiefermuskeln auf die Straße und reagierte auf keinen meiner Entschuldigungsversuche, denn natürlich holte mich schon schnell das schlechte Gewissen ein.

Er musste das nicht tun, dachte ich immer wieder, während wir auf dem dunklen Highway stadtauswärts unterwegs waren.
Als wir dann auch noch die Stadt weitestgehend hinter uns gelassen hatten und immer weniger Autos zusehen waren, übermannte mich doch ein wenig die Angst.
Nervös und immer wieder mit der Frage, wo ich hätte hin flüchten können, wenn irgendwas gewesen wäre, im Kopf, umklammerte ich den Griff der Seitentür.

Auf einmal verlangsamte Ryan das Auto und fuhr rechts ran. Vielleicht wollte er ja reden, dachte ich. Aber nein, er stieg wortlos aus und ging auf meine Seite, um die Tür zu öffnen.
Eingeschüchtert und mit der Frage, was mitten im Nichts passieren sollte, zögerte ich beim aussteigen. Ich hätte ihm gerade alles zugetraut.

Nachdem ich sitzen blieb, entfernte er sich schnaubend vom Fahrzeug und blieb ein paar Meter weiter stehen.
»Hätte er mich umbringen wollen, hätte er das schon längst getan«, sprach ich mir Mut zu und überredete mich zu ihm zu gehen.

»Das ist April...«, sagte er mit gesenktem Blick, als er meine Schritte auf dem trockenen Boden wahrnahm.
Ich machte neben ihm halt und schaute dorthin, wo er hinschaute. Einen kleinen Moment brauchte ich bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und ich erkennen konnten, was wir anstarrten.

Oh fuck... Ich war wirklich eine nichtswissende, naive Göre!
Auf der Stelle wurde mir speiübel und ich ekelte mich vor mir selber. Ich hätte mit ihm reden sollen, bevor ich ihm sowas an den Kopf warf.

Auch wenn es schwer fiel, zwang ich mich alles genau anzuschauen - soviel Respekt musste ich aufbringen.
»April Eastwood«, stand auf einem hölzernen Kreuz, wo ein Bild von einer jungen Frau drauf war. Ein paar Blumen waren niedergelegt und auch eine Grabkerze stand vor dem Kreuz.

»Es tut mir so leid...«, versuchte ich mich verzweifelt bei ihm zu entschuldigen und dabei das elende Gefühl in mir los zu werden, aber er winkte ab.
»Nicht hier«, sagte er kopfschüttelnd ohne den gesenkten Blick von der errichteten Gedenkstätte abzuwenden. Also blieb ich still.

Auch wenn sich meine Kehle zuschnürte, meine Augen tränten und ich am liebsten laut weinend weggelaufen wäre, zwang ich mich an dieser Stelle still strammzustehen und diese arme Frau, welche ich vorhin noch Flittchen nannte, mit jedem Fünkchen Respekt, den ich in mir hatte, zu würdigen. Kein Schluchzen. Keine Träne. Kein Wort.
Von Ryan war noch weniger wahrzunehmen. Er ruhte in sich und bis auf seine Hülle, schien er gerade nicht anwesend zu sein.

Das einzig aufmunternde, was ich von ihm erhielt, war, dass er sanft meine Hand ergriff, da er merkte, wie schwer es mir fiel, dort zu sein.

Wir standen noch bis zur Dämmerung stumm an dieser Stelle und auch wenn ich vor schmerzen kaum noch stehen konnte, wagte ich es nicht, zu gehen bevor er ging.

Auf der gesamten Rückfahrt wechselten wir kein Wort miteinander. Ich konnte diese schmerzende Stille nicht durchbrechen - zu schuldig fühlte ich mich.
Ich starrte nur ihn an. Ryan, mein Freund, den ich vorhin noch einer Affäre bezichtigt habe, tat mir nun unglaublich leid.

All seine Wut, seine Verlustängste und der Wunsch immer alles im Griff zuhaben, hat den Ursprung an dieser Stelle irgendwo im nirgendwo - an der Stelle, wo diese ihm nahestehende Frau, April Eastwood, tödlich verunglückte.
Und ich naive Pute habe am Abend noch mit Holly und ihren Arbeitskollegen darüber gelacht, wie wichtig es ihm war, dass mein Handy an blieb. Ich war so dumm!

»Ich hätte es dir früher sagen sollen«, durchbrach Ryan die Stille, als wir gerade wieder zuhause ankamen und die Schuhe auszogen. Seine tiefe Stimme endlich wieder zuhören, ließ mich, mich wenigstens ein bisschen wohler fühlen.

»Nein, Ryan, das war nicht deine Pflicht...«, verteidigte ich nun nicht mehr mein, sondern sein Verhalten.
»Aber du hast mir auch alles erzählt - dein Unfall, Mason, deine Kindheit«, widersprach er mir und schaute mich mit hängenden Schultern schuldig an.

»Nein, Ryan, so funktioniert eine Beziehung nicht... Du solltest dich nicht dazu verpflichtet fühlen, mir etwas zu erzählen, nur weil ich dir etwas erzählt habe. Natürlich wäre es schön gewesen, aber...« Ich verstummte. Hätte ich weiter geredet, hätte ich angefangen zu weinen.
Natürlich war es seine Schuld, dass es so eskaliert ist. Er hätte es mir früher sagen sollen und ich hätte verstanden - ich hätte soviel besser machen können...

Trotzdem war es nun mal so, wie es war und was geschehen war, würden wir niemals wieder vergessen.
Um den Schmerz aber zumindest für den Moment ein bisschen zu lindern, reichte Ryan mir seine Hand, welche ich sanft ergriff, und zog mich in eine enge Umarmung. Mein Kopf ruhte wie sooft an seiner Brust und er küsste sanft meinen Scheitel. Seinen vertrauten Geruch einzuatmen tat gut und machte die folgenden Worte irgendwie erträglicher.

»Sie war meine Schwester...«, begann er mit brüchiger Stimme zu erklären, während er sein Kinn auf meinem Kopf ablegte.
»Du musst wirklich nicht«, versicherte ich erneut.
»Ich muss, Lexi, das bin ich dir jetzt schuldig.« Er schluckte schwer und ich, ich hatte gehofft, dass er aufhörte zu reden, denn ich wusste, dass das eine schmerzhafte Angelegenheit werden würde und dafür war ich einfach nicht bereit, aber er fing von vorne an.

»Sie, April, war meine jüngere Schwestern. Wir standen uns sehr nahe und...«
Er schluckte erneut und an seiner Atmung merkte ich, dass er zu weinen begann. Er schluchzte in die Schulter meines Mantels hinein und wischte sich mit einer Hand übers Gesicht.
Ich zwang mich ihn anzusehen.
»...und gestritten haben wir eigentlich nie. Außer an diesem Abend...«

Hör einfach auf, dachte ich, denn ich ahnte schon, wie die Geschichte ausgehen würde.

»Sie ist wütend von hier los gefahren und aus der Stadt raus, sie wollte zu ihrer besten Freundin... Ich habe sooft versucht sie zu erreichen!« Jetzt brachen bei ihm alle Dämme und außer Schluchzen war erst einmal nichts von ihm zu vernehmen. Er brauchte eine Weile, eine Weile in der ich mich nichts zusagen traute, um wieder ein Wort sagen zu können. Seine sonst so strahlenden Augen waren matt und sein Gesicht erschien mir älter als sonst.

»Als sie nicht an ihr Handy ging, eilte ich ihr nach und... Ich hörte die heulenden Sirenen der Rettungskräfte schon von weitem und wusste sofort, dass da etwas passiert war. Das Auto brannte lichterloh und trotzdem erkannte ich, dass es ihres war. Die Polizisten mussten mich zurück halten, denn nachdem ich aus mein Auto gesprungen war, rannte ich einfach nur auf das Auto zu - das hab ich schon sooft in meinem Leben gemacht - aber diesmal war ich nicht da, um Leben zu retten und durfte mich dem Auto nicht nähern.«

Noch einmal stockte er und holte tief Luft, um genügend Kraft zu sammeln, die letzten Worte auszusprechen.

»Ich habe meine Schwester verbrennen sehen...«

War es nicht schon Genugtuung, dass er solch einen Verlust erleiden musste, musste sie auch noch auf die selbe Weise sterben, wie ich damals beinahe umgekommen wäre?! Verbrannt in einem Auto! Gott, verbrannt in einem Auto!

Jetzt fühlte ich mich auch noch schuldig dafür überlebt zu haben. Ich hatte ihn sooft von meinem Unfall erzählt, sooft davon erzählt, welch ein Trauma ich erlitten habe, sooft geweint. Und er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt! Wie konnte er nur so lange stark sein, wenn ich es nicht mal zwei Stunden konnte?!

Gemeinsam sanken wir zu Boden, wo nun auch ich anfing zu weinen.
»Verstehst du jetzt, wieso ich so bin?«
Energisch nickte ich mit dem Kopf, denn alles machte auf einmal einen Sinn.

Es machte Sinn, wieso er nie lange fackelte und aus der Laune heraus entschied, es machte Sinn, wieso ich niemals mein Handy ausmachen sollte, es machte einfach alles Sinn...

»April hat dich geschickt, um mich zu retten...« Liebevoll gab er mir noch einen Kuss auf den Scheitel.

April hat dich geschickt, um mich zu retten, Ryan, dachte ich, denn der Gedanke nach diesen ganzen Zufällen, gefiel mir als höheren Sinn im Leben.

***

Ryan und ich haben grundlegendes in unserer Beziehung geändert.
Seitdem ich von April wusste, war sie fester Bestandteil in unserem Leben geworden. Ryan erzählte viel von ihr, wobei seine Augen immer voller Liebe leuchteten.
Es war wirklich schön und zugleich grauenvoll zu wissen, dass sie so geliebt worden ist.

Die meisten Treffen mit Holly sagte ich ab, denn ich fühlte mich Ryan gegenüber verpflichtet, und wir sahen uns nur noch sporadisch.
Stattdessen habe ich angefangen den ehrenamtlichen Dienst in der Feuerwache zu machen.

Die Tage verbrachte ich also in der Wache bei Ryan, wo ich, wenn ich mir nicht gerade mit ihm die Zeit versüßte, Akten sortierte, kochte oder mit dem Hund der Wache ein Spaziergang machte.

Die Leute der Wache waren wirklich nett zu mir. Ich würde sogar sagen etwas zu nett, aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich Ryans Freundin war und dieser ein wirklich hohes Ansehen auf der Wache hatte.
Komischerweise sprach hier keiner über April, auch wenn sie ganz klar von ihr wussten, und wenn ich was fragte, weichte man mir aus.

Die Einzige, die nicht überfreundlich zu mir war, war die Empfangsdame Jane, mit der ich wirklich viel Zeit verbrachte, wenn die anderen bei einen ihrer Einsätze waren.

Die alte Frau mit den zerzausten grauen Haaren, der grünen Lesebrille auf dem Kopf, die immer schief war, und den nie zusammenpassenden Klamotten, wirkte äußerst zerbrechlich und unorganisiert, aber da unterschätzte man sie gewaltig. Jane hatte den Überblick über alles und ohne sie wäre die Wache wahrscheinlich im Chaos versunken. Sie war wie die Mutter, die jeder schätzte, welche jedem hinterher räumte und vor den Konsequenzen, die einen erwarteten, wenn man nicht das tat, was sie sagte, hatte jeder Angst - selbst der Chief der Wache traute sich nicht sich ihr zu widersetzen.
Allerdings war Jane die herzlichste Person, die ich kannte, und alles andere als streng. Sie war ein wunderbarer Mensch von dem ich viel lernen konnte.

Die Kehrseite der Medaille waren allerdings eigentlich schon lang verschwundene Alpträume, die mich wieder jede Nacht plagten.
Die Arbeit in der Feuerwache und das ständige Gerede über April ließen mich schon tagsüber andauernd an meinen Unfall denken, aber nachts war es noch viel schlimmer.

Auch in jener Nacht schreckte ich schweißgebadet hoch und wollte Schutz bei Ryan suchen, welcher aber, wie mir wieder einfiel, als ich die leere Bettseite sah, noch auf der Arbeit war.

»Ganz ruhig, Lexi«, beruhigte ich mich selber und versuchte meine schnelle Atmung zu regulieren. Am liebsten wäre ich die ganze Nacht aufgeblieben, denn ich hätte alles getan, um nicht wieder diesen Alpträumen ausgesetzt zu sein.

Vorsichtig hob er mich an seine Brust und entfernte sich im schnellen Schritt vom brennenden Auto.
»Alles wird gut - ich hab dich, April...«, wiederholte er dabei mit seiner angenehmen Stimme immer und immer wieder und nahm somit jegliche Angst von mir. Ich war gerettet.

Erneut in dieser Nacht schrak ich hoch.
»Du wirst verrückt!«, schimpfte ich mich laut selber und zwang mich aus dem Bett.
Ich konnte mich unter keinen Umständen noch einmal schlafen legen und so entschied ich die letzten drei Stunden der Nacht auf dem Sofa das Nachtprogramm im Fernsehen durchzustöbern.

Alles, nur keine Nachrichten, dachte ich und schaltete die Kanäle rauf und runter, bis ich einen guten Sender fand, der die ganze Nacht lustige Zeichentrickserien spielte.

Vom Licht des Fernsehers angestrahlt, lag ich also die nächsten Stunden zusammengekauert in der Dunkelheit auf dem Sofa und wartete bis New York aufwachte.

Meine Angst war nicht mal einen erneuten Alptraum zu haben, nein, der letzte Traum war noch so viel schlimmer!
Es war das erste Mal, dass ich in meinem Traum nicht im Wrack verbrannt bin. Allerdings irritierte mich, dass April in meinem Traum gerettet wurde, der Traum sich aber gleichzeitig so real anfühlte! Ich gruselte mich manchmal echt vor meiner blühenden Fantasie und vor meinem Unterbewusstsein, welches solch schwierige Themen auf diese Art verarbeitete.

Deshalb lag ich wach. Ich wollte nicht nochmal träumen - ich wollte nie wieder träumen, weshalb ich mir gleich am nächsten Tag ein Schlafmittel von meinem Arzt verschreiben ließ.

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