Die Verlierer - Herz aus Beton

By traumjaegerin

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[TEIL 3] Jay gehört die Unterwelt. Von der Siedlung über die Bahntrassen bis zum Görli, dort, wo sich die Dea... More

1 | Meine Welt, meine Regeln
2 | Saufen in Theorie und Praxis
3 | Farbe auf das Elend
4 | Todesmut oder Idealismus
5 | Unser süßes Geheimnis
6 | Die Welt ist käuflich
7 | Tote Augen, tote Seelen
8 | Spielplatzabende
9 | Flaschenpost ohne Message
10 | Scherben und Alkohol
12 | Eklige Idylle
13 | Sicherheit
14 | Du lügst mich nicht an
15 | Kein Grund nüchtern zu bleiben
16 | Welt in Scherben
17 | Viel zu viel Blut
Triggerwarnung

11 | Kontrollverlust

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By traumjaegerin


Angespannt lehnte ich mich gegen den rostigen Twingo, den Tarek mir ausgeliehen hatte, um ein paar Sachen in unser Lager am Stadtrand zu bringen. Zwischen meinen Fingern brannte eine Kippe, mit meinem Blick suchte ich den vierten Stock. Zählte die Fenster bis zu dem von Fede. Er war nirgends zu sehen.

Ich sah wieder auf mein Handydisplay. Kommse runter?, hatte ich vor einer Viertelstunde geschrieben. Wir hatten uns seit dem Morgen vor ein paar Tagen nicht mehr gesehen.

Okay, noch diese Kippe, dann würde ich mich wieder verpissen. Sein Problem, wenn er nicht rauskam. Er verpasste was, nicht ich.

Langsam ließ ich den Rauch entweichen. Es wurde Abend und der Himmel hinter den Plattenbauten dunkler. Hier und da leuchtete ein Licht auf, bläuliches Fernsehflimmern. Ein paar Mädels posierten in bauchfreien Tops und Jogginghose vor einer Handykamera, die sie auf dem Boden gegen eine Bierdose gelehnt hatten. Gelächter.

Der letzte Zug.

»Hey, Jay!«, vernahm ich auf einmal Fedes Stimme. Er kam aus Richtung der Bahnstation und steuerte mich an. In seinen Händen hielt er zwei volle Einkaufstaschen, aus denen ein Lauch und anderer Gemüsekram guckte. Als er bei mir ankam, zog er seine Kopfhörer aus den Ohren.

»Glück gehabt, ich wär gerade wieder gegangen.« Ich schmiss meine Kippe auf den Boden und sendete eine Ladung Rotz hinterher.

Er lachte. »Ich wusste ja nicht mal, dass du auf mich wartest.«

»Zu vielbeschäftigt, um dein Handy zu checken?«, grinste ich und griff an sein Handgelenk, um ihn an mich heranzuziehen. Natürlich nicht, ohne davor abgecheckt zu haben, dass uns keiner sah.

»Ich und vielbeschäftigt? Ich heiß doch nicht Jay.« Fede lehnte sich gegen mich. Doch mir entging nicht, dass auch er angespannt war. Da passte jemand definitiv auf, wer von uns wissen durfte und wer nicht.

»Bock auf ne Spritztour gleich?« Ich strich über seinen Rücken, ließ meine Hand zu seinem Hintern wandern.

»Ist das aus deinem erträumten Audi geworden? Schon traurig.« Fede grinste, schien meinem Vorschlag aber nicht abgeneigt gegenüber zu stehen. »Ich bring nur schnell den Einkauf auch und dann freu ich mich drauf, von dir durch die Gegend kutschiert zu werden.«


Es reichte für eine weitere Kippe und ein bisschen sinnloses Herumstehen, ehe Fede wieder herunterkam. Mein Herz schlug augenblicklich schneller, als ich ihn sah. Er hatte sich umgezogen. Für mich. Statt des gemütlichen Hoodies von vorhin und der Jogginghose trug er jetzt ein dunkelrot-schwarz gestreiftes Hemd und die enge Jeans mit dem Loch am Knie.

»Richtig schick gemacht, he?«, grinste ich, als ich mich auf der Fahrerseite niederließ und er auf dem anderen Platz. Ich ging in meine Musikbibliothek und wählte ein Album von Limp Bizkit aus.

»Ist doch quasi ein Date. Bisher wurde ich noch nicht so oft von Prinzen in so edlen Karossen ausgeführt.«

Ich lachte und gab Gas. »Lass die Karre in Ruhe, die stand uns immer zu Diensten.«

Wir fuhren durch die Siedlung, drehten die Musik auf. Frühlingsgeruch in der Luft, die Fenster einen Spalt geöffnet. Fede wippte mit dem Knie im Takt zur Musik und legte bald seine Hand auf meinen Oberschenkel. Über mein Gesicht huschte ein Grinsen, das ich nicht verbergen konnte. Und trotz meines nervös klopfenden Herzens war dieser Moment irgendwie gut. Ein paar Regentropfen fielen vom Himmel, die Scheibenwischer liefen, doch Orange und Rot verdrängten die dunklen Wolken am Himmel.


Schließlich fuhr ich an einem Parkplatz von der Straße ab. Dahinter lag ein kleines Wäldchen, daneben der Friedhof unseres Stadtteils. Im Sommer verkauften sie hier manchmal Erdbeeren und jetzt lag der Stand verlassen da.

Ich legte meine Hand auf Fedes, die noch immer auf meinem Oberschenkel ruhte. Okay, raus damit. Ich hatte mich lange genug davor gedrückt.

»Du, Fede. Ich will es, okay?«, sagte ich flüchtig. Gleichmäßig prasselten die Regentropfen auf das Dach.

»Was?« Über sein Gesicht huschte ein skeptisches Grinsen. Als hätte er nicht gecheckt, worum es mir ging. Auf der Straße fuhren die Autos gleichmäßig vorbei, während wir die einzigen auf dem Parkplatz waren.

»Du weißt schon.«

»Nee. Keine Ahnung. Meinst du, dass du nachher Pizza bestellen willst?«

Ich boxte ihn grob gegen seinen Oberarm. »Du weißt, dass ich vom Ficken rede. Dass ich will, dass du mich fickst.«

»Wer sagt denn, dass ich noch will?« Um Fedes Lippen spielte ein fieses Grinsen. »Mit nem Typen, der das Wort Schwuchtel unironisch benutzt?«

»Ach, komm schon. Dir entgeht was.«

Sein Grinsen wurde breiter. »Ist das dieses Betteln drum gefickt zu werden, das angeblich alle Frauen bei dir machen?«

Ich griff grob in seine Locken und zog daran. Kam ihm langsam näher und vernahm, wie Fedes Atem erregter wurde. »Du weißt, dass ich mir nehme, was ich will. Also spar die die Witze.«

»Lass uns zu dir«, keuchte er.

Die Autofahrt zu mir nach Hause verlief wie in einem Fiebertraum. Ich war da, ich fuhr, Gas geben, schalten, bremsen, Ampeln, wieder grün, losfahren, bloß die Karre nicht abwürgen, Fuck, jetzt war es doch passiert. In Gedanken war ich schon dabei, wie wir bei mir waren, wie wir einander auszogen.

Viel weiter gingen als die letzten Male.


»Das ist safe dein erstes Mal«, grinste ich, als wir uns unseren Klamotten entledigt hatten, ich seinen nackten glühenden Körper an meinem fühlte. Schweiß, Herzrasen, Aufregung, Angst. Sein Schwanz an meinem Arsch.

»Laber mal nicht.« Fedes Stimme klang ernst.

»Okay, mit wem?« Ich hasste es, dass meine Stimme klang, als müsste er es erzählt haben.

Er atmete tief durch, in seinen Augen lag ein belustigtes Funkeln, dann sagte er: »Mit meiner Hand.«

Ich verdrehte die Augen. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du echt unlustig bist?«

»Und ist dir klar, dass du genau darauf stehst?«

»Hältst du jetzt endlich mal die Fresse? Fick mich einfach.«

Fede grinste und ließ sich das nicht zweimal sagen. Wieder spürte ich seine Hand an meinem Arsch, wie er über meine Rosette strich. Ich tastete nach seiner anderen Hand, umschloss ein wenig hektisch seine Finger. Drückte ihn. Er musste mich festhalten, so kurz vor dem Fallen.

»Alles gut?«, flüsterte er und küsste mich auf die Schulter. Ich nickte eilig. Ich wollte es. Loszulassen. Zu fühlen, wie er mit der Zunge meinen Hintern bearbeitete und dann mit den Fingern.

Ihn zu spüren.


Irgendwann lagen wir verschwitzt nebeneinander im Bett. Sein Körper hob und senkte sich schnell, genau wie meiner. Ich roch seinen Schweiß, meinen, das benutzte Kondom lag im Müll.

»Komm her«, flüsterte ich und zog ihn an ein wenig grob meine Brust. Schloss fest meine Arme um ihn, während mein Herz noch immer rasend ging. Das blöde Ding hörte einfach nicht auf, komplett zu eskalieren. Mein ganzer Körper stand unter Strom.

Fede erwiderte meine Umarmung, verharrte so. Seine Fingerkuppen wanderten in sanften Kreisen über meinen Arm.

Für einen Augenblick fühlte sich alles so leicht an. Nicht so angespannt, nicht so verkrampft. Nur ich, diese weiche Matratze, sein Atmen. Langsam schloss ich seine Augen, umarmte ihn noch enger. Wollte die Zeit stoppen, denn gerade war einfach perfekt. Der Fernseher aus der Küche klang so weit entfernt, genauso wie die Sirenen von der Straße. Hier waren nur wir beide. Nur der Schweiß, die nackten Körper, Haut an Haut, unsere Beine miteinander verschlungen.

»Jay?«, vernahm ich da seine Stimme

»Nichts«, presste ich eilig hervor. Er sollte nichts davon merken, was in mir abging. Dieser Moment gehörte mir, nur mir.

»Kannst du ein bisschen locker lassen?«, fragte er dann. Die Worte klangen ein wenig angestrengt.

»Oh«, machte ich und lockerte schnell meinen Griff. »Ich wollt dir nicht wehtun. Sorry.«

»Schon gut.« Über Fedes Gesicht huschte ein Grinsen, die Haare klebten verschwitzt an seiner Stirn, das sah ich jetzt, weil er sich mir zuwandte. Sanft strich er über meine Wange, sah mir in die Augen. Wärme in ihnen. Zuneigung, die sich so verdammt gut anfühlte. 

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