Mein neues Ich

By Cherrydream_2201

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"Was ist hier los?" rief ich und ignorierte die ängstlichen Stimmen der Anderen. Lens Kehle verließ nur ein... More

Eine Katze bricht bei mir ein
Die spinnen doch alle
Die Entscheidung fällt
Aufbruch
Ich frage Tyler Löcher in den Bauch
Mr. Schlafmütze und seine Kumpanen
Meine Rettung
Ich werde zur Nervensäge
Notiz an mich: Feststellen ob ich träume
Essen, schlafen und schon wieder essen
Ich, der Stalker
Alle haben's drauf, nur ich nicht
Im Kampf des Löwen
Der Befehl des Alphas
Himmel oder...
Hölle
Ich mu(T)ier(e)
Vertrauen
Zu viel Adrenalin
Lektion eins
Luxus
Das Geheimnis
Ich attackiere meine Direktorin
Zwischen Staub und toten Fliegen
Eine interessante Entdeckung, wenn du verstehst, was ich meine
Ich werde zur Spionin
Emotionale Ausbrüche
Ich falle durch ein Bücherregal
Len durchbricht eine Wand
Endgültige Erkenntnis
Blondi und ich bilden ein Team
Man rettet mir den Allerwertesten
Immer eine Frage der Perspektive
Ich, die (mal mehr oder weniger) kreative Person
Die Künste eines Mädchens
Überraschende Wendungen
Wenn die eigene Lebensdauer gefährdet ist
Eine Zeitreise ist lustig, eine Zeitreise ist schön
Wenn man einfach mal eine Zuflucht braucht
("Mädchen-")Gespräche
Wenn die eigene Mutter zum Fangirl mutiert
Frohe Weihnachten, Sarina
Wieder "richtig" zu Hause?
Die Geschichte der magischen Welt für Ahnungslose, bitte.
Waschechte Männergespräche!
Von Glitzervampiren und rücksichtslosen Chefs
Zweisamkeit
Kuchen und Küsse
Neunzehn
Vergangenheit um Vergangenheit
Überraschungen soweit das Auge reicht
Fragen über Fragen
Lasst das Spiel beginnen
Wahrheiten
Päckchen und Kindergartenkinder
Wenn man vor Emotionen fast verrückt wird
Erinnere dich!
Klarheit
Des Mondes Kind
Wie in Trance
Ein sehr . . . außergewöhnlicher Morgen
Geständnisse
Und die Vorbereitungen beginnen
Mein erster Ball . . .
. . . endet in einem Desaster
Der Beginn
Tag eins -Verborgen in der Dunkelheit
Tag eins -Die Suche ins Nichts?
Tag eins -Der gesuchte Fund
Tag zwei -Erwachen
Tag zwei -Macht
Tag zwei -Der nächste Schritt
Tag drei -Ein kleiner Funke Hoffnung
Tag drei -Maulwurf
Tag drei - Finale Planungen
Die Sonnenquelle
Es ist Krieg
So nah und doch so fern
Trancengleichheit
Wiedersehensfurcht
Wie man richtig wütend wird:
Das letzte Gefecht
Unerwartete Hilfe
Unerwartetere Hilfe
In Finsternis
Von Krankenstationen und Liebesbekundungen
Hoffnungsvolle Versprechen
Epilog -Mein neues Ich
Charakterverzeichnis
Q&A

Ritter des Lichts (Ruby x Cody)

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By Cherrydream_2201

Rubys POV

(Ungefähr zeitgleich zum Kapitel: „Wenn man vor Emotionen fast verrückt wird")

November: Säugetierhaus

Ich erinnerte mich an die Kälte.

An die eisige, hartnäckige Nässe, die sich in meine Knochen setzte, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.

An die Dunkelheit, deren bodenlose Tiefe nach mir griff und mich umhüllte wie eine aus Schatten gewebte Decke. Sie erdrückte mich, schnürte mir die Luft zum Atmen, sodass ich immer mehr das Gefühl bekam, an der Schwärze um mich herum zu ersticken.

Doch letztendlich war es nur das: ein Gefühl.

Denn ich lebte ich weiter.

Immer weiter.

Und weiter.

Egal, wie sehr sich die dicken, rauen Seile um meine Hand- und Fußgelenke noch in mein Fleisch schnitten.

Egal, wie oft meine Finger und Zehen taub wurden oder meine Kehle heiser von dem vielen, erfolglosen Schreien, das ja doch kein Mensch hören würde.

Egal, wie sehr ich betete und hoffte, dass mich jemand rettete oder sich wenigstens dazu erbarmte, mich mit einem einzigen kräftigen Stoß ins Herz zu töten, sodass ich nicht Stunde um Stunde, Tag um Tag, Nacht um Nacht am eigenen Leib erleben musste, wie es war, langsam dem Tod zu erliegen.

Denn zu dem Zeitpunkt, wo sie mich fanden, war ich mir sicher gewesen, dass er es war.

Der Tod.

Der Tod in der Gestalt meiner Freunde, um mich zu holen. Mich aus meiner Zelle zu befreien, deren Schattendecke sich mittlerweile so eng um mich gelegt hatte, dass ich kurz vor dem Ersticken war.
Und ich erinnerte mich daran, dass ich nur einen einzigen Gedanken hatte, als ich die Silhouetten im Türrahmen erblickte:
Der Tod war überraschend gnädig.

Keuchend schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Mein Gesicht war nass, überzogen mit kaltem Schweiß und doch glühte meine Stirn. Irritiert schoss mein Blick umher.
Die seidenen Vorhänge vor den halb hochgeschobenen Fenstern bewegten sich beinahe wabernd in der leichten Brise, die durch die Öffnungen in unser Gemeinschaftszimmer hineingetragen wurde. Fahles Mondlicht ließen sie dabei wie verirrte Gespenster wirken, die sich mit ihren lakenartigen Körpern in seinem silbrigen Glühen badeten. Schaudernd wandte ich mich von dem Anblick ab und sah mich zu den anderen Seiten um. Doch der Rest des Zimmers war nur in friedliche Dunkelheit getaucht.

Ein wenig erleichterter, jedoch immer noch mit zitternden Fingern, wischte ich mir einige feuchte Strähnen aus der Stirn und setzte mich vorsichtig auf. Von den Betten meiner Freundinnen ertönte nur das leise Geräusch tiefer Atemzüge. Alle schliefen.
Nur um sicherzugehen, dass niemand von mir geweckt worden war, blieb ich noch einen Moment sitzen.

Doch alles blieb ruhig.

Nach einem Blick auf die roten Ziffern der digitalen Uhr auf meinem Nachttisch war mir klar, dass es eigentlich noch viel zu früh war, um überhaupt ans Aufstehen zu denken. Ich hatte gerade einmal zweieinhalb Stunden geschlafen. Doch mein unregelmäßiger Herzschlag und meine nervösen Hände, die haltsuchend die Bettdecke umklammerten, belehrten mich eines Besseren.

An Schlaf war jetzt nicht zu denken.

Mein Herz pumpte wie wild das Blut durch meine Adern, sodass ich weiterhin das Bedürfnis hatte, einfach aufzustehen und wegzurennen. Einfach weg, irgendwohin, das nicht hier war. Irgendwohin, wo meine Gedanken und Träume mich nicht heimsuchten.

Ich überlegte kurz und fasste dann einen Entschluss.

Leise und ganz darauf bedacht, nicht den kleinsten Laut zu verursachen, griff ich nach meinem Morgenmantel, der ordentlich zusammengefaltet am Fuße meines Bettes auf einem Stuhl lag. Dann schwang ich die Beine über die Bettkante, griff nach meinen gefütterten Hausschuhen und tappte noch immer barfuß durch das Zimmer Richtung Tür.

Als ich sie lautlos öffnete, erstreckte sich der lange Flur unserer Etage vor mir. Ich trat hinaus in das silberne Schimmern, das durch die Fensterfront auf der rechten Seite des Korridors auch hier die Umgebung erhellte, und schloss die Tür hinter mir. Sie fiel mit einem leisen Klacken ins Schloss.

Das Geräusch löste die Anspannung in meinem Körper und meine Schultern sackten augenblicklich nach unten.

Kühle Nachtluft füllte meine Lungen. Beinahe gierig sog ich sie ein und nach ein paar tiefen Atemzügen spürte ich, wie sich mein Puls allmählich beruhigte. Stattdessen erfasste nun ein nervöses Zittern meinen Körper, sodass ich kurzerhand in die Schuhe schlüpfte und ich mich in meinen Morgenmantel wickelte, damit mir nicht noch kälter wurde.

Dann begann ich meinen nächtlichen Spaziergang.

Langsam schlenderte ich den Flur entlang, den Blick nach rechts zu den hohen Fenstern, die das silberne Mondlicht zu mir hineinließen.

Fasziniert von dem silbernen Schein streckte ich meinen Arm aus. Das Licht ließ meine ohnehin schon helle Haut so weiß erscheinen, dass ich beinahe genauso wie die Gespenstervorhänge in unserem Zimmer zu glühen schien.

Bei diesem Gedanken stellten sie die feinen Härchen an meinem Unterarm auf und ich fröstelte.

Einatmen, ausatmen.

Tief einatmen, langsam ausatmen.

Tief einatmen und langsam wieder ausatmen.

Vielleicht sollte ich mir einen Tee machen.

Ich war am Ende des Flurs angelangt. Vor mir lag nun der erste Absatz des Treppenhauses, das alle drei Stockwerke miteinander verband. Nicht zum ersten Mal ärgerte ich mich darüber, dass Zehntklässler im obersten Stock einquartiert wurden. Der Weg hinunter in die Gemeinschaftsräume und die Küche war dadurch am längsten, was mir vor allem jetzt zum Verhängnis wurde. Der Anblick der in den Tiefen lauernden Schatten schickte eine weitere Gänsehaut über meinen Körper, die jedoch nichts mit der kühlen Temperatur auf dem Flur zu tun hatte.

Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen.

Mein Kopf drehte sich unwillkürlich zur Seite und ich warf verstohlen einen Blick über meine Schulter. Doch alles, was ich sah, war der silberblau schimmernde Korridor und die geschlossenen Türen der Zimmer meiner Klassenkameraden, hinter denen kein einziger Laut zu vernehmen war.

Wieso pocht dann mein Herz immer noch so schnell?

Um mich auf andere Gedanken zu bringen, lief ich ein paar Schritte zurück zu dem Fenster, das den Abschluss der langen, in die Hausfassade eingelassenen Fensterreihe bildete und den Blick auf den tiefen Wald an der Ostseite ermöglichte. Normalerweise mochte ich es, die im leichten Wind wiegenden Bäume zu betrachten, dem Rascheln der Blätter zu lauschen, ihren erdigen Geruch einzuatmen. Doch nicht in der Nacht.

Denn in der Nacht, wenn es dunkel war, konnte ich nicht mehr unterscheiden, ob es sich bei dieser schemenhaften Silhouette vor mir wirklich nur um einen einfachen Baum handelte oder um eine riesige wabernde Schattensäule aus Finsternis.

Ob die glühenden Augen, die mir manchmal entgegenstarrten, nur einer wilden Eule oder doch einem wilden Biest gehörten, welches mich heimlich beobachtete und nur darauf wartete, dass ich hilflos und ungeschützt war, um mich zurück in seine Höhle zu schleifen.

Ob es sich beim Rascheln der Blätter auch nur um dieses handelte oder das Flüstern des Todes, der sich entschieden hatte, mich doch noch zu holen.

Aufgrund all dieser Ängste lenkte ich meinen Blick krampfhaft vom Waldrand weg und richtet ihn stattdessen hinauf zum Mond. Immer noch damit beschäftigt, meine Atmung und meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, musterte ich die strahlende Scheibe inmitten der tiefschwarzen Dunkelheit.

Er war fast voll.

Wie lange es wohl noch dauern würde, bis er sein komplettes Antlitz erreicht hatte?

Allzu lang bestimmt nicht mehr.

Und so stand ich einfach da.

Für eine ganze Weile.

Ich stand da und atmete und betrachtete den fast Vollmond.

Solange, bis ich schließlich erneut anfing zu zittern.

Dieses Mal jedoch nicht vor Panik oder Furcht, sondern wegen der Kälte.

Und es war das erste Mal seit jenen höllischen Tagen, dass ich froh darüber war.

Denn es zeigte mir, dass ich immer noch am Leben war.

Dass ich lebte.

Dass ich lebte und immer noch fühlte, obwohl ich für eine Weile gedacht hatte, nie mehr fühlen zu können.

Als das Zittern schließlich auch meinen Kiefer erreicht hatte und meine Zähne gegen meinen Willen immer kräftiger aufeinanderschlugen, wandte ich mich schließlich vom Fenster ab.

Vielleicht konnte ich mir jetzt einen Tee machen.

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

Der Abstieg der Treppen war schwer, jedoch machbar.

Ich war noch einmal in unser Zimmer zurückgekehrt und hatte mir, ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen, mein Handy geholt. Mit dessen eingebauter Taschenlampe wagte ich mich ins finstere Treppenhaus, stieg alle drei Etagen hinunter, ohne in Panik zu verfallen, und endete schließlich im Eingangsbereich des Säugetierhauses.

Dort wagte ich mich dann durch das Untergeschoss vor in Richtung Küche, wo ich, sobald mein Fuß den gefliesten Boden berührte, den Lichtschalter betätigte.

Ein erleichterter Seufzer entwich mir und ich schaltete die Taschenlampe meines Handys aus. Der Geruch von Großküche stieg mir in die Nase: eine absurde Mischung aus Gemüseauflauf und Würstchen, süßem Pudding, Spülmittel und muffigen Geschirrtüchern, die zum Trocknen an Haken und über Stuhllehnen hingen. Missbilligend ließ ich meinen Blick über die chaotische Küchensituation schweifen, die sich durch das plötzliche Licht nun vor mir auftat.

Jede mögliche glatte Fläche war mit irgendetwas vollgestellt. Hier ein paar schmutzige Teller und Gläser, die Nachzügler noch heimlich nach dem Abwasch des Küchendienstes in die Küche gestellt hatten, ohne es für nötig zu halten, sich selbst die Mühe zu machen, ihr Geschirr abzuwaschen. Dort benutzte Pfannen und Töpfe mit bis zum Rand reichenden schaumigen Wasser, die zum „Einweichen" zur Seite gestellt und dann vergessen worden waren. Außerdem entdeckte ich verlorene Eier- und Gemüseschalen, Käse- und Brotkrümel, Gewürze, die jemand vergessen hatte, zurück ins Gewürzregal zu räumen, zerknüllte, feuchte Lappen und zwei offene Tüten Chips, die umgefallen und ihren Inhalt über den gesamten Tresen in der Mitte der Küche verstreut hatten.

Fröstelnd zog ich meinen Morgenmantel fester um die Schultern, schüttelte verärgert den Kopf und schlug mich dann durch das Chaos vor zum Wasserkocher, der ebenfalls unter einem Küchentuch hervorlugte. Während ich ihn mit Leitungswasser befüllte, ermahnte ich mich immer wieder, dass die Unordnung um mich herum nicht mein Problem war. Denn laut Plan am schwarzen Brett des Hauses, war ich erst nächste Woche wieder für den Küchendienst eingeteilt. Doch das Jucken in den Fingern, das immer stärker wurde, je länger ich auf das Kochen des Wassers wartete, machte es mir schwer, von der Unordnung abzusehen. Ich hatte bereits die Chips wieder zurück in ihre jeweiligen Tüten gefüllt und wollte mich gerade daran machen, die Gewürzbehälter zurück ins Regal zu stellen, als der Wasserkocher piepte und mich in meinem Ordnungswahn unterbrach.

„Okay", sagte ich zu mir selbst und hob langsam die Hände, als würde mich jemand mit einer Waffe bedrohen. „das ist nicht mein Problem. Nicht. mein. Problem!"

Der Nachdruck in meiner Stimme überzeugte nicht einmal mich selbst, aber ich ließ von den Gewürzen ab und goss stattdessen meinen Tee auf.

Während ich wartete, scrollte ich durch meine Nachrichten. Der Chat mit Sarina zeigte mir mehrere Benachrichtigungen an. Mit einem Blick auf die Zeit sah ich, dass sie mir geschrieben hatte, sobald sie zu Hause angekommen war. Neugierig klickte ich ihn an und las grinsend die Nachrichten, die vor Flüchtigkeitsfehlern und Großbuchstaben nur so strotzten:

Sarina:

DW WIRST eS NICGT GLAUBEN!!! (01:34)

DEWR ARSch HAt in MIENEM ZIMmeR AUF MICh GEWARtet UND SICH ENTSCHUKDIGT! (01:34)

Wahrscheinlich ist es ihm doch lieber, sich mit seiner Freundin zu vertragen, anstatt wegen Nevis' komishcen Spitznamen für mich usnere Beziehung aufs Spiel zu setzn (01:35)

. . . (01:35)

Er hats auf seine HoRMONe geschoben . . . alles klar, Mr. Dawson . . . Sag ich das nächste Mal aucg und akzeptiere dann kein Augenrollen hinter meinem Rücken mehr (01:35)

Wie auch immer (01:35)

Wenigstens hat ers eingesehen und sich entschuldigt . . . Und dann haben wir rumgemacht . . . Also Ende gut, alles gut haha xD (01:36)

Ach ja, bin übrigens zu Hause . . . ^^' Gute Nacht <3 (01:36)

Oh Mann, ich sag nur: Kerle (03:54)

Egal. Hauptsache, ihr habt euch wieder vertragen (03:54)

Lass ihm nichts durchgehen!!! (03:54)

Und das mit Nevis wird sich auch noch geben. Du kannst ja nochmal mit ihm reden und ihm klarmachen, dass diese Spitznamen nicht so cool sind. (03:55)

Ich erwischte meine Finger dabei, wie sie sich bei Nevis' Namen nur mühevoll über die Tastatur bewegten, doch als mir das bewusst wurde, runzelte ich nur verärgert die Stirn.

Reiß dich zusammen!

Dir wird nichts passieren. Er lebt mit zwei Alphas zusammen, also wird er schon nicht wagen, dir etwas anzutun. Außerdem kannst du dich nicht einmal wirklich an ihn erinnern. Wer weiß, ob er damals überhaupt eine Rolle gespielt hat?

Ich schickte meiner besten Freundin noch ein Gute Nacht, obwohl in wenigen Stunden die Sonne aufgehen würde, und wandte mich dann meinem Tee zu, der mittlerweile fertig war. Ich schmiss den Teebeutel in einen überfüllten, beinahe überquellenden Mülleimer und setzte mich dann auf einen Barhocker am Tresen, auf dessen Platte nur noch vereinzelt einige Chipskrümel herumlagen.

Mit einem Mal senkte sich das Schweigen der Nacht über die Küche und das einzige Geräusch war mein Schlürfen, das ab und zu die Stille durchbrach.

Und während ich dort saß, inmitten des Küchenchaos', den Geruch von Gemüseauflauf und Würstchen, müffelden Lappen und Kompostmüll in der Nase, tauten meine kalten Hände an der heißen Tasse allmählich wieder auf.

Meine nervösen Gedanken wurden immer leiser und langsamer und meine angespannten Muskeln weicher durch die Wärme, die endlich meinen Körper einlullte. Nur noch ein paar Minuten . . . Vielleicht war es mir dann sogar möglich, noch ein wenig Schlaf zu kriegen, bevor Arias nerviger Wecker uns alle wieder hochschreckte.

Ich war gerade dabei, in ein leichtes Dösen abzugleiten, als ich sie sah.

Eine Silhouette.

Schwarz, riesig, groß und breit.

Blitzartig war ich wieder wach.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich durch die offene Küchentür in den dunklen Flur, wo die Schattenfigur urplötzlich aufgetaucht war. Mein Herz hämmerte hart in meiner Brust, während es Panik und Adrenalin durch meine Adern pumpte. Augenblicklich waren meine Hände wieder kalt und ich konnte nicht genau sagen, ob der plötzliche Schweißausbruch oder mein vor Furcht zitternder Körper die beinahe schmerzhafte Gänsehaut verursachte, die gleichzeitig auf meiner Haut ausgebrochen waren.

In meinem Inneren schrie ich laut und schrill. Es zog und zerrte in mir, mein Körper wollte, verlangte, befahl mir, mich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Weg von der Tür, weg vom Licht, aus dem Sichtfeld der schwarzen Figur, die plötzlich den Kopf drehte.

Unsere Augen begegneten sich.

Leuchtendes, sattes Bernstein auf quecksilberner Panik.

Mir wich alle Luft aus der Lunge und meinem Mund entfloh ein wimmernder, unbestimmter Laut.

Die Augen reflektierten das Licht, das in der Küche schien, sodass ich sah, wie sie sich kurz zu leuchtenden schmalen Spalten verzogen, als die Gestalt die Augen zusammenkniff. Als sie sich wieder öffneten, lag eine Emotion in ihnen.

Mein Kopf war jedoch so auf Flucht, Umdrehen, Wegrennen und nie wieder Zurückschauen fixiert, dass ich nicht vermochte, das Gefühl zu entschlüsseln.

Ich zuckte zurück, als die Silhouette einen Schritt auf mich zu machte. Dann noch einen, noch einen und noch einen.

Ich schloss bereits die Augen, bereit für den finalen Schlag, da mein Körper immer noch nicht in der Lage war, sich zu rühren, da erklang eine vertraute Stimme:

„Ruby?"

Der spanische Akzent war unverwechselbar und so wagte ich es, nach einem tiefen Atemzug meine Augenlieder einen kleinen Spalt breit zu öffnen.

Cody starrte mich so entgeistert an, als wäre ich diejenige, die ihm den Schreck seines Lebens bereitet hatte. Und nicht umgekehrt.

„Was tust du hier?", fragte er und der weiche Ton seiner tiefen Stimme bereitete mir eine Gänsehaut. Jedoch auf eine ganz andere Weise, wie es die Angst vorher mit mir vermocht hatte.

In meiner Kehle rasselte es, als ich Luft holte.

„I-ich-", begann ich stotternd, bevor ich spürte, wie sich meine Augen mit schmerzhaften Tränen der Erleichterung füllten. Unkontrolliert zitternd glitt ich vom Barhocker und sank zu Boden, wo ich schließlich schluchzend mein Gesicht hinter den Händen verbarg.

„R-Ruby, ist alles in Ordnung?", fragte Cody sichtlich überfordert und hockte sich neben mich auf den kalten Fliesenboden. „Hab ich dich erschreckt? Entschuldige."

Eine große, unbeholfene Hand begann leicht meine Schulter zu tätscheln und ich musste unwillkürlich ein Lächeln unterdrücken.

„I-ist schon gut.", presste ich hervor und lugte zwischen meinen Fingern hindurch hoch zu seinem Gesicht, das sorgenvoll auf mich hinabblickte. „Du kannst ja nichts dafür."

Er sah nicht besonders überzeugt aus.

Zur Untermalung meiner Worte richtete ich meinen Oberkörper wieder so gut wie möglich auf, nahm einen tiefen Atemzug und strich mir die Strähnen aus dem Gesicht, die feucht an Stirn und Schläfen klebten.

„Du zitterst.", stellte er fest, während seine Hand langsam meinen Rücken hinunterfuhr. Ich wand mich unter der ungewohnten Berührung und als er es merkte, ließ er mich los.

Verlegenes Schweigen schwebte nun in der Küche.

Nur das Geräusch meiner aufeinanderschlagenden Kiefer machten die Situation noch unangenehmer, als sie ohnehin schon war.

„Willst du meinen Pullover? Ich hab noch ein T-Shirt drunter.", fragte Cody schließlich und ich spürte seinen prüfenden Blick auf meinem Gesicht, als wolle er nicht die kleinste Gefühlsregung von mir verpassen.

Doch in meinem Kopf arbeitete es noch so stark, dass ich ihn gar nicht richtig verstand.

Es war kein Monster gewesen.

Es war nur Cody.

Die Dunkelheit wird dich nicht holen. Sie wird dir nichts tun. Sie kann dich nicht verletzen.

Es war kein Monster.

Es war nur Cody.

Es war Cody.

Kein Monster.

Er tut dir nichts.

Hab keine Angst. Hör auf, Angst zu haben. Du musste keine Angst haben.

Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen.

Tief einatmen, langsam ausatmen.

Tief einatmen und langsam wieder ausatmen.

Es war kein Monster.

Es war nur Cody.

Es ist Cody.

Warmer Stoff wickelte sich um meine schlotternden Schultern, starke Hände fassten mich sanft an den Oberarmen, stützten mich und hoben mich dann, als ich drohte, wieder vom Barhocker zu rutschen, auf die Platte des Küchentresens.

Genau in die Chipskrümel.

„Komm her." Die samtige Stimme drang leise zu mir durch. Befreite mich aus dem rasenden Strudel, der mich und meine Gedanken in seinem Bann hielt, mich schwindelig machte und verwirrte.

„Es wird kurz dunkel werden, wenn ich dir den Pulli über den Kopf ziehe, okay? Aber es wird nicht sehr lange dauern. Gleich kannst du wieder sehen." Ich fokussierte irritiert meinen Blick, es wurde kurz schwarz und ein unbekannter, herber, jedoch nicht unangenehmer Geruch, umhüllte mich. Dann war es wieder hell.

Warmes Bernstein auf quecksilberner Verwirrung.

„Komm her, erst der rechte Arm, dann der linke."

Irgendwie schaffte er es, mir den Pullover überzuziehen, und schließlich sahen wir uns an. Mir war, als würde ich erst durch die allmählich wiederkehrende Wärme in meinem Körper aus einer Art Trance erwachen.

Bedacht blinzelte ich.

Obwohl ich auf dem Tresen saß, war der muskelbepackte junge Mann immer noch wenige Zentimeter größer als ich. Das wurde mir jetzt erst bewusst. 

„Danke."

Meine Stimme war heiser und meine Kehle trocken und schmerzte.

Cody lächelte und entblößte eine Reihe weißer Zähne, von denen der obere linke Eckzahn die Spitze zu vermissen schien.

"Gern."

Ich streckte meine Hand aus und zeigte mit meinem Finger auf den Makel.

„Was hast du denn da gemacht?"

Sein Grinsen wurde noch breiter, wenn das überhaupt noch möglich war.

„Eine kleine Rauferei mit meinem kleinen Bruder Jorge. Sind einer Tischplatte zu nah gekommen."

„Ich wusste nicht, dass du einen Bruder hast."

Cody zuckte mit den Schultern, machte einen Schritt vom Tresen weg, nur um sich dann neben mich auf die Platte zu hieven.

„Hab auch eine kleine Schwester. Sie heißt Ama. Willst du ein Bild sehen?"

„Darf ich?" Ich konnte spüren, wie mein Gesicht aufleuchtete. Mir war bewusst, dass Cody gezielt nach einer Ablenkung suchte und dies auch ganz offensichtlich zu funktionieren schien. Und dafür war ich ihm unheimlich dankbar.

Er kramte in seiner ausgebeulten Jeans nach seinem Handy und scrollte dann in der Galerie herum, bis er ein Foto gefunden hatte. Auf ihm zu sehen war Cody, wie er den Arm um ein Mädchen mit braunen langen Haaren und olivfarbenen Augen gelegt hatte. Ihr Gesicht zierte ein ein hübsches Lächeln, doch ihr Blick wirkte ein wenig scheu. Der etwas kleinere Junge, der sich auf Codys anderer Seite an seinen Arm klammerte, war das komplette Gegenteil. Der wilde schwarze Lockenkopf und das breite, hinterlistige Grinsen sagten mir mit einem Blick, dass dieser Junge vor Energie nur so sprühte.

"Ama ist erst letzten Monat vierzehn geworden. Jorge ist zehn.", erklärte mir Cody leise und obwohl ich das Foto auf dem Display betrachtete, wusste ich, dass er lächelte.

"Sie sehen sich ähnlich.", erwiderte ich genauso leise und wandte dann meinen Kopf zu ihm. "Jetzt kann ich mir viel besser vorstellen, wie du wohl vor deiner Verwandlung ausgesehen haben musst."

Ein raues Lachen entfloh Codys Lippen und seine Finger schienen das Handy in seiner Hand ein wenig fester zu umklammern.

"Vertrau mir. Das willst du nicht sehen."

"Wieso nicht?", fragte ich erstaunt.

Er schüttelte nur den Kopf.

"Ich sah fürchterlich aus. Kaum zu glauben, dass diese beiden da meine Geschwister sind. Ich war sozusagen das hässliche Entlein der Familie."

"Na ja . . ", begann ich und überlegte, ob ich das, was bei diesen Worten in meinem Kopf herumspukte, auch wirklich sagen sollte.

"Also jetzt . . ." Ich befeuchtete nervös meine Lippen. "jetzt siehst du ziemlich gut aus."

Das darauffolgende Schweigen war schlimmer als das erste.

Sprachlos starrte Cody mich an, während ich mein Bestes versuchte, nicht in eine Tomate zu mutieren.

Nach einigen endlosen Sekunden räusperte er sich schließlich.

"Danke."

Ich kicherte nervös und kratzte mich am Hals. Fieberhaft suchte ich nach einem unauffälligem Themawechsel.

"Ich sollte dir danken. Nicht nur wegen eben. Auch damals . . . Du weißt schon" Ich schluckte hart, als sich die aufkeimenden Erinnerung wieder in meine Gedanken drängten. "In dem Keller."

Seine gelben Augen suchten meine und obwohl ich manchmal unter diesem Blick erschauderte, war er jetzt weich und irgendwie . . . verständnisvoll.

"Dafür musst du dich nicht bedanken. Das war eine Selbstverständlichkeit." Er zögerte kurz, bevor er meine linke Hand ergriff, die immer noch eiskalt war. Die Wärme, die von seinen rauen, starken Fingern ausging, schien sich fast wie sein Blick auf mir, in meine Haut zu brennen. "Ich würde es wieder tun."

Er machte eine Pause und mir war, als würde er um Worte ringen. Worte, die den Gefühlen in seiner Brust genau die Aufrichtigkeit und Bedeutung verliehen, die sie verdienten. Doch die Stille zog sich länger als erwartet und letztendlich wirkte es so, als würde er aufgeben. Codys angespannte Schultern senkten sich, als er ausatmete.

"Ich würde es wieder tun." Nur das helle Flackern in seiner Iris verriet mir, dass da noch so viel mehr hinter diesem Versprechen steckte, als man erst vermuten würde. "Vertrau mir. Du kannst auf mich zählen."

Er drückte meine Hand und lächelte, sodass ich seinen abgebrochenen Eckzahn sehen konnte.

"Immer."

Ich hätte beinahe wieder angefangen zu weinen, doch er bemerkte meine zitternden Mundwinkel rechtzeitig und plötzlich war die Wärme an meiner Hand verschwunden. Wie zu Sicherheit, mir nicht noch einmal zu nah zu kommen, vergrub er seine Hände verstohlen in den Taschen seiner Jeans.

Schweigend saßen wir nebeneinander, während ich die letzten Schlucke meines Tees trank.

Und zum ersten Mal in dieser Nacht fühlte ich mich ruhig, entspannt, nicht in Alarmbereitschaft, um vor einer potenziellen Gefahr davonzulaufen.

Es war beinahe . . . schön.

Ich war froh, dass Cody hier war. Dabei war es mir normalerweise immer unangenehm, wenn jemand erlebte, wie sehr mich die Zeit in dem dunklen Keller des Pubs wirklich geprägt hatte.

Selbst Sarina war nicht klar, was für einen erheblichen Einfluss dieser Vorfall immer noch auf mich hat.

Nur Scarlet wusste davon. Aber sie war meine Schwester.

Und jetzt . . .

Ich sah hinüber zu Cody, dessen kantiges Seitenprofil im warmen Deckenlicht der Küche in ein goldenes Glühen getaucht wurde. Die Narben, die sein Gesicht eher zu schmücken, als zu verunstalten schienen, ließen ihn gefährlicher erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Erst jetzt erkannte ich das. Vielleicht stammten sie auch von einer Rauferei mit seinen Geschwistern?

"Was machst du eigentlich hier? Wohnst du nicht eigentlich im Reptilienhaus?", fragte ich ihn nach einer Weile stummer Bewunderung seiner Gestalt, ehe ich meine leere Tasse neben mich auf den Tresen stellte.

Als hätte ich mit dieser Frage einen wunden Punkt getroffen, verdrehte er die Augen.

"Gib Seth die Schuld. Er steht darauf, mich mit unnötigen Wahrheit-oder-Pflicht-Runden, Flaschendrehen oder sonstigen seltsamen Partyspielen in seinem Zimmer einzuschließen, bis wir einpennen und ich mitten in der Nacht zurück in mein eigenes Bett gehen muss. Denn auch wenn er davon überzeugt ist, dass genug Platz auf dem Boden für mich ist, gibt er mir nie eine Unterlage oder eine Decke, die einen weniger harten Schlaf garantieren würde."

Ich kicherte.

"Ich wusste nicht, dass ihr so eng befreundet seid, dass ihr Pyjama-Partys veranstaltet."

Cody bedachte mich mit einem amüsierten Seitenblick.

"Ich bin auch überrascht, dass ich diesen Spinner anscheinend doch ganz gut leiden kann. Len hat ihn irgendwann mal angeschleppt, weil seine Tante eng mit Seths Mutter befreundet ist. Wahrscheinlich wollte sie, dass er sich nicht allzu allein fühlt und da Len und Seth sich bereits kannten, bevor er auf die Akademie kam . . ." Er zuckte mit den Schultern und ließ den Satz unvollständig in der Luft hängen.

"Ach ja, ich vergesse immer, dass er ein Jahr jünger ist als ihr.", sagte ich und nickte verständnisvoll.

Erneutes Schweigen.

Mir kam plötzlich die Unterhaltung mit meinen Freundinnen in den Sinn, als wir uns gemeinerweise über Marias Zurückweisung lustig gemacht hatten. Cody schien anscheinend kein Interesse daran zu haben, sie auf den Schulball zu begleiten. Die Anderen waren stattdessen fest davon überzeugt gewesen, dass er darauf wartete, dass ich ihn fragte. 

"Probiere es doch einfach. Manchmal muss eine Frau eben die Initiative ergreifen.", hatte Grace' Ratschlag gelautet. Aber nach einem Seitenblick zu dem verschlossenen Jungen neben mir, rutschte mir das Herz beinahe bis in die Kniekehlen.

Retter hin oder her.

Ich wusste nicht, ob ich den Mut hatte, ihn zu fragen.

Unbewusst hatte ich begonnen, an meiner Unterlippe zu kauen, was Cody bemerkte, aber jedoch vollkommen falsch interpretierte.

"Soll ich noch ein wenig länger hierbleiben? Wir könnten uns in den Gemeinschaftsraum setzen und einen Film schauen.", schlug er vorsichtig vor. Mein Blick huschte hinüber zu ihm und begegnete unerwarteter Unsicherheit, die nicht ganz zu seiner sonst so gefassten, undurchdringlichen Miene passte. Doch es war genau das, was ich gebraucht hatte.

Und plötzlich war es ganz leicht.

"Hättest du Lust, mit mir zum Ball zu gehen?", platzte es aus mir heraus und überging dabei vollkommen seinen Vorschlag.

Sprachlos sahen wir uns an. Er überrumpelt, ich abwartend und mit pochendem Herzen.

"Du meinst-", begann er langsam und legte den Kopf schief. "als Begleitung?"

Ich nickte zögernd.

"Als . . ." Er schien die Worte vorher abzuwägen, bevor er sie aussprach. "als Date?"

"Wenn du es so nennen willst.", erwiderte ich locker, während ich mir heimlich ins Bein kniff, um nicht etwas Dummes oder Unüberlegtes zu sagen oder zu tun.

Seine Mundwinkel zuckten und ein amüsierter Glanz trat in seine Augen, doch er hielt sich unter Kontrolle und nickte dann.

"Ja, wieso nicht?"

"Cool." Ich klang atemloser als beabsichtigt.

"Cool.", bestätigte er nickend.

"Dann . . . gehe ich ins Bett.", sagte ich bestimmend und glitt vom Küchentresen, wobei einige Chipskrümel auf dem Boden landeten.

Jetzt war das Limit erreicht. Länger konnte ich hier nicht mehr sitzen. Ansonsten würde noch etwas geschehen, das ich nicht mehr kontrollieren konnte.

Cody sprang ebenfalls auf den Boden und ich spürte seinen neugierigen Blick auf mir, als ich meine Tasse abspülte und schließlich mit einem immer noch leicht feuchten Handtuch abtrockente, bevor ich sie wieder zurück in den Schrank stellte. Letztendlich drehte ich mich zu dem Riesen um, der immer noch abwartend an der Küchentür stand und mich aufmerksam beobachtete.

Ein wenig unschlüssig stand ich im Raum und überlegte, ob es zu unverschämt wäre, ihn zu bitten, mich noch durch das dunkle Treppenhaus zu begleiten. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mir seine Hand hinhielt und mich auffordernd anlächelte.

"Ich bringe dich noch hoch.", war alles, was er sagte.

Zögernd lief ich auf ihn zu und legte meine Finger in seine breite Handfläche. Sie verschwanden beinahe, als er die Faust schloss.

Mir fiel auf, dass ich ihn noch nie so viel hatte lächeln sehen, wie heute Nacht.

Gemeinsam stiegen wir die drei Stockwerke wieder hinauf, während mir die nächtlichen Schatten plötzlich weniger dunkel und bedrohlich vorkamen.

Schließlich hatten wir den bläulich schimmernden Korridor erreicht, an dessen Ende ich bereits meine Zimmertür sehen konnte.

Zögernd blickte ich hinauf zu Cody. Das Licht des Mondes erhellte die linke Seite seines Gesichts und ließ die feine Narbe, die von seiner Schläfe hinunter zum stoppeligen Kinn verlief, silbern aufleuchten. Die andere Gesichtshälfte verbarg sich in den Schatten, die jedoch, sobald er auf meine Bewegung reagierte und den Kopf in meine Richtung wandte, verschwanden.

Er sah aus wie ein vom Kampf gezeichneter Ritter, dessen Rüstung allein das silbrige Licht des Mondes bildete. Ein Soldat des Lichts, der den Klauen der Finsternis trotzte und die Schatten zurück in ihre Ecken trieb.

Mein Mund wurde trocken und je länger wir uns ansahen, desto heißer wurde meine Hand, die er immer noch sanft umfasste. Ein unkontrolliertes Schaudern erfasste meinen Körper und ich entriss Cody meine Hand, da ich sonst fürchtete, er könne das Beben meiner Muskeln, das schnelle Pochen meines Pulses, die aufgestellten Haare auf meinen Unterarmen bemerken.

Er reagierte nicht auf meine Bewegung, sondern sah mich weiterhin nur an.

"Ich- . . .", stammelte ich. "Ich sollte gehen."

Als hätten ihn meine Worte aus einer Trance gerissen, blinzelte er einmal. Dann nickte er leicht mit dem Kopf.

"Danke für heute.", sagte ich leise und wich seinem brennenden Blick aus.

Er schluckte hart, bevor er sprach.

"Gern."

Seine Stimme war rau.

Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen, nicht bereit, ihn jetzt schon gehen zu lassen, obwohl die Vernunft in meinem Innern mir das Gegenteil entgegenschrie.

"Mmm, ich weiß nicht, ob du es schon weißt, aber Sarina will uns am späten Nachmittag zu sich einladen." Ich zögerte kurz, um abzuwägen, ob ihn die Nachricht über den Grund dieses Zusammentreffens nur zu sehr aufregen würde. Aber ich entschied, dass er es besser von mir hören sollte, bevor er auf den- oder diejenige losging, die ihm die Einladung überbringen würde.

"Sarina möchte Nevis die Wahrheit über jene Nacht erzählen. Sie meinte, dass er vielleicht wertvolle Informationen hat, die uns weiterbringen könnten. Zum Beispiel, wer verantwortlich für meine . . . " Ich schluckte einmal schwer. "Entführung ist."

Ich hatte bemerkt, wie sich Codys Kiefer bei der Erwähnung von Nevis' Namen verhärtet hatten. Ein mörderischer Ausdruck hatte sich über seine Gesichtszüge gelegt und mir fiel es schwer, bei dem Anblick nicht zurückzuweichen.

"Es würde mich beruhigen, wenn du dabei wärst.", sagte ich stattdessen leise und die Eindringlichkeit meiner Worte veranlassten, dass die Anspannung langsam aus seinem Körper wich. "Es ist mir wichtig, dass du dabei bist. Bitte."

Wir sahen uns wieder an. Wortlos. Still. Stumm.

Aber dennoch sprachen meine Augen die Dinge aus, für die ich im Moment keine Worte hatte.

Und Cody verstand.

Sein Kopf senkte sich leicht, die Narbe an seiner Wange blitzte auf und dann beugte er sich vor und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn.

"Ich werde da sein.", versprach er und mein Puls setzte einen schmerzhaften Schlag aus, als das Versprechen mein Herz erreichte.

"Gut.", wisperte ich und schloss kurz die Augen, als seine Finger zärtlich über mein Haar strichen.

"Ich warte noch, bis du an deiner Zimmertür bist."

Der Moment war so schnell vorbei, wie er gekommen war und plötzlich war da wieder ein Meter Abstand zwischen unseren Körpern. Mein Herz hing jedoch irgendwo dazwischen.

Ich nickte leicht und drehte mich dann um, um den vom Mondlicht beschienenden Gang hinunterzulaufen. Meine Bewegungen waren dabei so fließend und leicht, wie das Wiegen der Vorhängegeister in unserem Zimmer.

Als meine Hand die Klinke berührte, drehte ich mich noch einmal um.

Er stand immer noch da.

Mein Ritter des Lichts.

Starr, Wache haltend in seiner glänzenden Rüstung aus silbernem Schimmer. Seine gewaltige Statur schirmte meinen Blick vor den lauernden Schattentiefen des Treppenhauses ab, das hinter seinem starken Rücken lag.

Ich lächelte und hob die Hand.

"Gute Nacht.", sagte ich und wusste dabei nicht, ob er es hörte. "Bis morgen."

Seine Lippen bewegten sich und das Blut raste in meine Wangen, als ich die Nachricht entschlüsselt hatte.

Mit einem letzten Winken öffnete ich die Tür, warf noch einen Blick zurück und schlüpfte dann in das Gemeinschaftszimmer.

Von den Betten meiner Freundinnen ertönte immer noch das leise Geräusch tiefer Atemzüge.

 Alle schliefen.

Nur um sicherzugehen, dass niemand von mir geweckt worden war, blieb ich noch einen Moment stehen, bevor ich zu den Fenstern lief, um sie zu schließen.

Das Wabern der Geister erstarb.

Müde schleppte ich mich zu meinem Bett, schälte mich aus Codys Pullover, den ich immer noch trug, legte den Morgenmantel ab, zog mir Codys Pulli wieder über und legte mich dann ins Bett.

Mit weit geöffneten Augen lag ich da und starrte ins Leere, während meine Hand ohne mein Zutun zur Stirn fuhr. Dahin, wo Codys Atem meine Haut gestreichelt hatte.

Sein Gesicht tauchte wieder vor mir auf.

Seine stummen Abschiedsworte, die einerseits eine Beruhigung und andererseits ein Versprechen darstellten: Ich werde da sein.

Lächelnd zog ich die Bettdecke bis ans Kinn, bevor mich der langersehnte tiefe, traumlose Schlaf endlich überwältigte.

Er würde da sein.

_____________________________

Heyho Leute,

ich melde mich mal wieder. Wie bereits angekündigt, ist hier eines der Zusatzkapitel, von denen schon ab und zu mal die Rede war und das sich einige von euch auch schon mal gewünscht hatten. Ruby und Cody. Die Beiden sind schon ziemlich wholesome. Ich hatte mir nie viele Gedanken über die Dynamik oder die Geschichte dieses Paars gemacht, da mich #Lerina immer auf Trapp gehalten haben. Aber ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem, was ich da in den letzten Tagen geschrieben habe.

Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass die beiden meiner Ansicht nach etwas zu kurz in der Main Story gekommen sind, deshalb dieses Kapitel aus Rubys Sicht.

Trauma, Angst, Panikattacken, Ordnungswahn, Geister, Chipskrümel und ein silberner Ritter. Was ist mir da bloß wieder eingefallen hahaha xD

Wer weiß, wieviele von euch überhaupt hier nach dem Ende des Buches noch weiterlesen, aber ich gebe den Zusatzkapiteln trotzdem mal ein Go. (Erwartet aber jetzt nicht regelmäßige Uploads ^^' Ich schreibe diese Kapitel, wenn ich Lust darauf habe)

Anyway. Ich bin sicher, ihr versteht das <3

Habt noch eine schöne Woche und hoffentlich bis bald!

LG <3

Eure Cherry

PS: Falls es irgendjemanden interessiert: 5500 Wörter (weiß nicht, ob alle Zusatzkapitel so eine Länge haben werden)

PPS: Wer es bis hier geschafft hat, kann ja einmal in die Kommentare schreiben, welche Figuren und kleine Plots sie gerne noch lesen würden. Bin für Vorschläge immer offen :)

PPPS: Hat irgendjemand einen guten Shipnamen für Ruby und Cody? #Cudy oder #Roby klingt ziemlich komisch hahaha xD

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