Tollpatschige Liebe

By Quzelkurt

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Shirin ist auf dem Weg einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Weg aus der Kleinstadt, welche man s... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48

Kapitel 13

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By Quzelkurt

Ich beuge mich zu meinen High Heels hinunter, vergesse dabei meine offene Tasche, die meinen Arm runterrutscht und meinen Inhalt auf dem Boden verschüttet. Für diese Tollpatschigkeit habe ich gerade überhaupt keine Kapazität. Ich seufze deshalb frustriert, ohne die Sachen aufzuheben. Ich muss erst aus den Schuhen raus. Miran schafft es viel leichter aus seinen Lackschuhen. "Ich helfe Ihnen mit Ihrer Tasche, wenn es Ihnen recht ist." "Hätte wahrscheinlich deshalb schon geweint, wenn Sie nicht hier wären", gestehe ich. Mich stresst gerade alles. Selbst der Henkel meiner Tasche, den er mir abnimmt. Erst jetzt schaffe ich es auf meinem ersten Schuh. Das ist verdammt anstrengend, wenn der Bauch im Weg ist. Daher lasse ich mich auf den Boden plumpsen und kann schon viel schneller die Schnalle des rechten Schuhs öffnen - ohne Luftprobleme! Und oh ... Miran hält mir seine Hand hin, um mir hochzuhelfen. Sie ist so warm und weich. Sie könnte bestimmt perfekte Kopfhautmassagen geben und die Haare wunderbar einölen. Ich stöhne erleichtert auf, als ich wieder festen, kalten Grund unter meinen Füßen spüre. Das tut verdammt gut. Jetzt muss ich nur noch aus meinem Kleid raus und in mein Hauskleid schlüpfen. "Machen Sie es sich gemütlich. Wollen Sie Wechselkleidung?" Wollen Sie vielleicht hier übernachten? "Nein, danke. Ich setze mich ins Wohnzimmer." Gut.

Ich nicke, schaue ihn dabei immer noch an. Was wollen wir machen? Einen Bollywood-Film schauen? Das wäre schön. Vielleicht hat er Hunger. Ich habe eine große Tüte Edamame gekauft und Süßkartoffelpommes da. Wir können auch Ramen kochen und essen. Oder wir bestellen etwas. Sein Hemd ist blickdicht. Schade. Ich hätte sonst vielleicht ein wenig mehr seiner schönen Haut erhaschen dürfen, aber vielleicht ist der Tag auch nicht weit. "Shirin?" Huch! Ich schaue von seiner Brust sofort in seine Augen. Ich hoffe, er hat nicht bemerkt, dass ich auf seine Brüste gestarrt habe. "Ja?" Ich schniefe immer noch ein wenig. "Möchten Sie sich nicht umziehen?" Oh Gott, stimmt! Ich nicke. "Ja, das wollte ich. Das mache ich jetzt auch!" Und damit reiße ich ihm die Tasche aus der Hand und renne in mein Schlafzimmer. Was mache ich jetzt? Umziehen! Genau! Ich will mir das Kleid schon hochziehen, als ich realisiere, dass ich erst die Übergangsjacke und den Gürtel ablegen muss. Und ich muss alles wieder zurückpacken und ich muss mich noch abschminken! Wo ist mein Kokosnussöl? Ich hatte es doch gerade noch gesehen! Ich will meinen Chef nicht zu lange warten lassen. Da ist es ja! So! Jetzt bin ich fertig. Jetzt kann ich-, nein! Ich bin in Unterwäsche! Meine Hand presst sich auf meinen Mund. Fast hätte mein Chef mich nur in Unterwäsche gesehen! Das darf erst nach der Hochzeit passieren!

Ich habe drei Minuten gebraucht, um mich zu beruhigen und in mein grünes Hauskleid zu schlüpfen. Das orange Hauskleid ist eigentlich mein Liebling, aber ich möchte ihm meine ganze Kollektion zeigen. Beim dritten Treffen in meiner Wohnung ziehe ich das rote Hauskleid an. Ich kämme mir noch einmal die Haare, richte alles an mir und schon kann ich zu ihm. Hach, sieht er hübsch auf meinem Sofa aus. Ich drehe die Heizung auf, in der Hoffnung, dass er sich bald das Jackett auszieht - und weil es kalt ist. Das ist aber nur nebensächlich. "Ich bin gleich zurück. Ich muss mein Gesicht waschen." "Keine Hektik", erwidert er gelassen und so ruhig und so ... hübsch. Ich lasse mir im Bad wenig Zeit, putze mir so leise wie möglich die Zähne und bin dann auch startbereit für mehr. Was darunter zu verstehen ist, weiß ich nicht, aber ich bereite einige Schalen mit Knabberzeug vor. "Was möchten Sie trinken?" "Machen Sie sich keine Umstände, Shirin." "Sie machen mir Umstände, weil ich mich wiederholen muss. Also! Was möchten Sie trinken? Wollen Sie Saft? Mein Orangen-Zitronen-Saft?" Der ist lecker. Der ist gesund, hält jung und ist so lecker wie mein Chef aussieht. Ich warte ungeduldig auf seine Antwort, die in Form eines tiefen Einatmens und einem eleganten Wimpernschlags kommt. "Wenn es keine Umstände macht." Für Sie mache ich alle Umstände, Sie hübscher Hübschling.

Also hole ich meine Zitronenpresse hervor und genügend Orangen und Zitronen, um zwei Karaffen zu füllen. "Und? Wie geht es Ihnen?" "Gut. Ich hoffe, es geht Ihnen wieder besser." Das geht gar nicht anders, wenn Sie bei mir sind. "Ach", setze ich an. "Mir geht es gut." "Sicher? Haben Sie öfter solche Attacken?" Ich weiß es gar nicht. Dafür war ich zu selten in Gesellschaft. "Ich hoffe nicht." "Sie hoffen nicht?", höre ich ihn hinter mir verwundert fragen. Die Erkenntnis macht mich ein wenig traurig. "Ich weiß es nicht", setze ich gedämpfter an. "Ich bin nicht oft unter Leuten. Mit der Familie bei irgendwem zu Besuch vielleicht oder mal mit meinen Brüdern im Kino, aber ich hatte nie wirklich Freunde." Und das tut mir doch mehr weh, als ich mir ansehen lasse. "Keine Ahnung, wieso. In der Schule war das schon so. Ich war wohl zu nervig und hibbelig. Meine Lehrerin hat mir sogar einen Brief gegeben, den ich meinem Kinderarzt geben sollte. Er sollte mich auf ADHS testen." "Und hat er es gemacht?" "Er hat den Brief zerrissen und mir einen Brief gegeben, den ich meiner Lehrerin geben sollte. Es war eine Einweisung für Sie in die Psychiatrie." Danach habe ich Muffins für ihn und sein Team gebacken. "Ich habe Narin als meine erste, richtige Freundin. Davor war ich nie wirklich draußen, um das beurteilen zu können. Mit meinen Brüdern habe ich mich immer beschützt gefühlt."

Es wird still. Ob er noch etwas dazu sagen wird, weiß ich nicht. Vielleicht ist es ihm unangenehm, weiterzusprechen. Vielleicht weiß er auch gar nicht, was er dazu sagen soll. Immerhin ist er kein Betroffener. Das ist okay so. Ich presse einfach weiter die Zitronen aus und komme jetzt zu den nervigen Orangen, die viel sensibler und weicher sind. "Mann!", murre ich. "Ärgert die Orange Sie?" "Ja!" Wahrscheinlich hat dieser bittere Kaffeetrinker Angestellte, die das für ihn übernehmen. "Wissen Sie, wie anstrengend es ist, den Sanft von Orangen zu pressen? Diese Dinger verfließen in der Hand!" "Soll ich übernehmen?" Wenn Sie Ihre Hände um meine legen, ja. Allein die Vorstellung lässt mich grinsen. "Nein", antworte ich. Ich bin ja eh gleich fertig. So! Jetzt nur noch Hände waschen, Eiswürfel, etwas Salz und Wasser hinzugeben und ich habe zwei Karaffen mit leckerem Saft. Einer kommt in den Kühlschrank, der andere auf meinen Couchtisch vor meinen schnuckeligen Chef sowie die Schalen mit den Knabbereien. So! Und jetzt? Ich setze mich zu ihm aufs Sofa, schaue ihn stumm an, ohne zu wissen, was ich jetzt tun soll. Für mich ist es kein Problem, ihn stundenlang anzusehen, aber ich glaube nicht, dass er es verstehen würde. Noch nie in meinem Leben habe ich so wunderschöne Lippen gesehen. Der Drang, ihn zu füttern, steigt wieder.

"Wie alt sind Sie?" "Sie schätzen mich doch sicherlich als 60." Dann wäre er der hübscheste 60-Jährige dieser Welt. "Nein, ein wenig jünger auf jeden Fall." "Tatsächlich. Das haben Sie sehr gut erkannt." Ich grinse stolz. Wenn er so weiter macht, heirate ich ihn hier im Wohnzimmer. "Ich bin dieses Jahr 32 geworden." "Dieses Jahr? Herzlichen Glückwunsch nachträglich." Er ist 32. Wir haben einen Altersunterschied von sieben Jahren. Obwohl? Dieses Jahr werde ich 26. Dann sind es nur noch sechs. "Ich werde dieses Jahr 26", lächele ich. "Das weiß ich." Und schon fällt mein Lächeln. Ich will ihn mit einem Vorwurf konfrontieren, da schaut er mich schon warnend an ... stimmt. Da war ja was mit den personenbezogenen Daten. Ich bin ja schon still. "Essen Sie doch." Ich zeige auf die ganzen Sonnenblumenkerne, den gerösteten Mais und die Kichererbsen. Sogar Gundeliasamen habe ich! "Schämen Sie sich nicht." "Tue ich nicht. Vielen Dank." Daraufhin beugt er sich zu den Schalen vor. Er nimmt sich einige Sonnenblumenkerne. Gute Wahl. Ich mache ihm nach. "Erzählen Sie doch ein wenig von sich. Wie Sie heißen und wie alt Sie sind, weiß ich ja jetzt." "Ein wenig zu spät, finden Sie nicht?" Na ja ... darüber möchte ich nicht sprechen. "Manche lernen schneller, manche langsamer. Wussten Sie, dass das Erlernen neuer Dinge wie Sprache oder Instrumente gut vor Alzheimer vorbeugt? Sie sollten das in Erwägung ziehen."

Miran knackt ganz langsam den Kern auf, hält dann doch in seiner Bewegung inne, um einmal tief durchzuatmen und die Augen zu schließen. Habe ich etwas Falsches gesagt? "Alles in Ordnung?" Vielleicht geht es ihm nicht gut. Seine Hand sinkt. "Alles Bestens, Shirin. Danke für die Empfehlung." Oh! Ich lächele. "Sehr gern. Wenn Sie weitere Tipps wollen, scheuen Sie sich nicht, mich zu fragen." Er nickt nur müde. Der Drang, mit ihm zu interagieren, steigt. Ich könnte ihm tausend Fragen stellen und doch könnte ich ihn tausend Stunden lang betrachten. Sein tolles Haar, seine schönen Augen, diese voluminösen Lippen. "Sie erinnern mich an die Monstera deliciosa." Die hübsche Augenbraue meines hübschen Chefs hebt sich. "Die Pflanze neben meinem Fernseher." Die jetzt übrigens Miran heißt. Sie ist neu und hatte noch keinen Namen - und jetzt hat sie sogar ein Geschlecht. Und sie wird in mein Schlafzimmer ziehen. Da passt Miran - beide - sowieso besser. "Ist das ein Kompliment?" Jetzt bin ich aber empört. "Natürlich! Die Monstera ist wunderschön und trotzdem so simpel. Und pflegeleicht! Welche Pflanze würden Sie mir zuordnen?" "Ich kenne mich nicht sonderlich gut in der Botanik aus." "Dann eine Blume. Das ist einfacher, oder?" Miran schaut nachdenklich zu mir und sofort beginne ich zu glühen. Es ist nicht zu beschreiben, wie unterschiedlich sich sein Betrachten von anderen Männern unterscheidet. Ich spüre weder Furcht noch Paranoia. Nein, ich möchte es sogar, so verlegen ich auch werde.

"Dahlien", setzt er dann nachdenklich an. Sein Blick senkt sich auf mein Hauskleid. "Und orange Rosen." Oh mein Gott! "Ich liebe orange Rosen! Das sind meine Lieblingsblumen! Darauf folgen gelbe Rosen, aber orange Rosen sind wunderschön!" Ich liebe Orang. Das ist meine Lieblingsfarbe. "Und welche Sorte? Es gibt sehr viele Varianten der Dahlie." "Deshalb finde ich auch, dass Sie so gut zu Ihnen passt. Sie überraschen mich jedes Mal mit einer neuen Seite." So etwas habe ich noch nie gehört. Das ist so tiefgründig. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Mir kommt kein einziges Wort über die Lippen, so überwältigt bin ich. Die Ruhe in seinen blauen Augen überfordert mich nur noch mehr. "Danke", murmele ich. "Das hätte ich nicht erwartet." "Was genau?" "Dass Sie so einen Gedankengang zu mir haben. Das ..." Ich kann kaum Worte dafür finden. Dahlien. Ihre Vielfältige Schönheit. Ich bin gerührt. Das ist für mich ein halber Heiratsantrag. Oh Mann, ich kann meine Mundwinkel nicht mehr kontrollieren. Ich muss lächeln. Mir entweicht sogar ein kleines Kichern. Ich komme mir wie ein verliebter Teenager vor. Mein Herz rast, als er mich sanft anlächelt. Gott! Ich verdecke mir schon verlegen das Gesicht. Mir ist so heiß. Mir ist schwindelig!

"Entschuldigung", setze ich außer Atem an und schaue rot angelaufen zu meinem Chef, der mich sanft anschmunzelt. "Das war gerade nur ... echt schön. Ein kleiner Anfall." Groupie-Anfall würde es am ehesten beschreiben. Jetzt kann ich nicht einmal mehr meinen Blick von ihm abwenden. Meine Hände stützen meine Schläfe. Sowohl er als auch ich haben eine begeugte Haltung, nur wirkt es bei ihm so unfassbar attraktiv und locker und bei mir wie eine verkrampfer, verlegener Fan. "Wollen wir einen Film ansehen? Ihr Leben muss mit Bollywood bereichert werden." "Und was empfehlen Sie da?" "Wie wäre es mit Main Hoon Na?" Das ist einer meiner Lieblingsfilme. Ein wahrer Klassiker. Miran nickt. "Ich bin gespannt." "Sie werden es nicht bereuen! Ein sehr schöner, lustiger und spannender Film." Ich habe ihn sogar auf DVD. "Wie ist der Status zu Narin eigentlich?" Huch! Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet. "Wir sind Freunde. Sie war sogar bei mir." "Haben Sie ihr auch Ihre gesamte Wohnung gezeigt?" "Nicht gleich eifersüchtig werden. Sie waren der Erste." Ich schaue mich grinsend zu ihm um und hach! Fast falle ich in meiner gehockten Position hin, als ich sein bildschönes Lächeln sehe. Ich darf nicht starren. Vielleicht merkt er schon, dass ich in ihn verknallt bin.

Der Film startet, das Licht ist aus und die Kerzen angezündet. Ich habe uns sogar Decken geholt, war sogar kurz versucht, uns unter eine Decke zu schmuggeln, aber das wäre zu viel, wenn wir nicht verheiratet sind. Aber das ist nicht schlimm. Der nächste Schritt ist hoffentlich nicht weit. Schon als Rams Vater angeschossen wird, schießen mir bei der emotionalen Melodie die Tränen in die Augen. Mein Chef hingegen bleibt konzentriert. Seine Oberarme wirken durch die verschränkte Haltung vor seiner Brust selbst bei den mageren Lichtverhältnissen breit. Ich will meinen Kopf am liebsten dort ablegen, aber es reicht mir schon, dass ich neben ihm sitzen kann. Oh Gott, als die Szene mit Chandini kommt, versteife ich mich. Bitte nicht daran erinnern. Bitte nicht an den Moment im Aufzug erinnern. Rams Arme heben sich und genau jetzt darf mein Chef an dem Moment teilhaben, den ich immer erlebe, sobald ich ihn erblicke. Mir juckt es in den Fingern, es ihm zu sagen, aber das wäre zu viel. Ich schiele wieder zu ihm ... seine Augenbrauen sind zusammengezogen. "Was ist los?", murmele ich. "Irgendetwas kommt mir bekannt vor." Oh nein! Nein! NEIN! Ich schaue wieder auf den Bildschirm. Was soll ich jetzt machen? Essen! "Ach, bestimmt haben Sie den Film in Ihrer Kindheit geguckt und es vergessen." Diese Ausrede muss klappen!

"Haben Sie nicht einmal den Begriff verwendet?" Wieso funktioniert sein Gedächtnis ausgerechnet jetzt? "Nein, wie kommen Sie darauf? Was für einen Begriff?" Ich wage es nicht einmal, ihn anzusehen. Der geröstete Mais ist plötzlich viel interesannter. "Dieses Chandini." Ich bin aufgeflogen. Es ist vorbei. Was soll ich jetzt machen? Es weiterhin verneinen? Vielleicht bringt es was, wenn ich den Mais lauter zerkaue. Dann kann ich wenigstens so tun, als hätte ich ihn deshalb nicht gehört. "Schönes Wetter, oder?" "Wollen Sie mir das vielleicht erklären?" Nein! "Es ist mein Lieblingsfilm und Sie sind mein Lieblingschef." Ich werfe mir eine Ladung gerösteten Mais in den Mund, schaue zu ihm und wieder zurück zum Fernseher. "Sie stellen zu viele Fragen. Genießen Sie den Film." "Sie haben mich als Mondschein betitelt." Alte Männer sind so anstrengend. Ich murre. "Ruhe! Ich will den Film sehen." Ich kann von Glück reden, dass mich das Licht nicht verraten kann. So heiß, wie mir gerade ist, kann ich die Decke von mir werfen und meinen Chef gleich mit. Zum Glück sagt er aber nichts mehr. Die Minuten vergehen mit Dialogen, Liedern und Sequenzen, die meine Tränendrüsen aktivieren. Jedes Mal, wenn ich die Violinenversion des Hauptliedes höre, muss ich tief durchatmen.

"Ich hasse ihn!" Am liebsten würde ich Raghavan verprügeln, auch wenn ich mich niemals trauen würde, mit ihm zu reden. "Sie leben jeden Film mehr aus als die Schauspieler, Shirin", murmelt mein Chef. Oh ... ich schaue zu ihm. Sein Hinterkopf ist gegen die Wand gelehnt, seine Arme immer noch verschränkt vor der Brust. Er wirkt müde. Der arme Mann. Wie viel Uhr ist es? "Wenn Sie möchten, können Sie gehen. Sie müssen sich das nicht antun." "Ich komme klar. Der Film ist angenehm." Das erwärmt mein Herz. Es freut mich, dass ihn eines meiner Lieblingsfilme gefällt. "Nicht wahr?" Mein Blick gleitet einmal zum Fernseher und wieder zurück zu ihm. Er nickt müde. Müde und hübsch. Er sieht auch bei allem so wunderbar aus. "Möchten Sie einen Tee?" "Ich bin kein Teetrinker." Armer Mann. Er hat ja überhaupt keinen guten Geschmack. "Ich liebe Tee, aber keinen Früchtetee. Den trinke ich nur Eiskalt. Brennessel-, Fenchel-, oder Minztee sind toll." "Kaffee ist da besser." "Besser, um ein geschmacksloses Leben zu führen vielleicht. Ich bringe Sie noch auf den geraden Weg." Und tatsächlich schmunzelt er. Die Temperatur steigt in mir an. Ich würde bezahlen, um ihn noch einmal so zu sehen ... so hübsch.

Den ganzen Film über denke ich an sein attraktives Lächeln. Auch in mir kehrt die Müdigkeit ein, aber der Film geht gute drei Stunden. Ich mache es mir gemütlicher, ohne mich an ihn zu lehnen. Das ist schon das zweite Mal, dass wir gemeinsam einen Film schauen. Ich finde es schön. Es stillt meine Vorstellung nach einer Zukunft und gleichzeitig werde ich unersättlich danach. Ich weiß nicht, wie ich damit umzugehen habe. Würde er denn je Gefühle für mich entwickeln? Wenn nicht: Wie komme ich dann von ihm weg? Wie soll ich es schaffen, wenn er so wunderbar zu mir ist? Er sitzt übermüdet in meinem Wohnzimmer und schaut mit mir einen meiner liebsten Filme, weil ich einen Nervenzusammenbruch hatte, von dem ich nichts mehr seinetwegen spüre. Ist das pure Kulanz oder doch eher eigener Wille? Ist er nur freundlich und hilfsbereit oder möchte er meine Nähe? Hat er sich öfter Gedanken zu meiner Persönlichkeit gemacht oder kam der Vergleich mit der Dahlie aus purem Zufall? Gerade besitze ich einen der Momente, in denen ich alles dafür geben würde, um seine Gedanken zu wissen. Was er von mir hält. Von meinem Verhalten und meinen Vorlieben. Findet er mich insgeheim penetrant? Das würde mir das Herz brechen, weil ich ihn so gern kennenlernen möchte. Ich merke langsam, wie ich abdrifte.

Meine Augen schließen sich, doch selbst dann drehen sich meine Gedanken um nichts anderes als diese wunderschönen, blauen Augen.

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