𝐈𝐍 πŒπ„πˆππ„π 𝐕𝐄𝐍𝐄𝐍...

By worterwachen

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π„πˆππ„ π‹πˆπ„ππ„, πƒπˆπ„ 𝐖𝐄𝐃𝐄𝐑 π†πˆπ…π“ ππŽπ‚π‡ π‡π„πˆπ‹π”ππ† πˆπ’π“. 𝐖𝐄𝐃𝐄𝐑 𝐅𝐋𝐔𝐂𝐇 ππŽπ‚οΏ½... More

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π–πˆπ‹π‹πŠπŽπŒπŒπ„π 𝐔𝐍𝐃 π€ππ’π‚π‡πˆπ„πƒ
𝐄𝐋 & 𝐍𝐀𝐓𝐄
π–πˆπƒπŒπ”ππ†
πŠπ€ππˆπ“π„π‹ β•‘ 2
πŠπ€ππˆπ“π„π‹ β•‘ 3
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πŠπ€ππˆπ“π„π‹ β•‘ 19 * 𝐍𝐀𝐓𝐄
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By worterwachen




»...deswegen bedeutet es mir unglaublich viel heute hier sein zu können und die Werke meines Vaters-«, ich mache eine bedeutungsvolle Pause und wische mir eine Träne, die ich nie geweint habe aus dem Augenwinkel.
»-in Ehren halten zu können. Vielen Dank«
Mich empfängt überschwänglicher Applaus für Worte, die nicht meine gewesen sind.
Für Trauer, die ich nie in dem Maße verspürt habe, wie ich sie hier darstelle.
Ich hasse es, hier stehen zu müssen und eine Rede über einen Mann zu halten, der mir nicht viel mehr gebracht hat als Alpträume und Schmerz, die mich für den Rest meines Lebens begleiten werden.

Das Kleid, das ich trage, ist wie für meinen Körper
gemacht. Wie eine zweite Haut aus Chiffon und Samt.
Aber für mich fühlt es sich eher wie ein Gefängnis an und der Kragen wie eine Fessel, die mir die Luft abschnüren will.
Wie oft ich es in den vergangenen zehn Minuten hinuntergezogen haben, damit es nicht mehr entblößt als erwünscht, weiß ich nicht.
Wäre es nach mir gegangen, hätte eine schlichte Bluse und eine Stoffhose gereicht.
Aber man hat ein bestimmtes Bild von der Tochter eines sagenumwobenen Künstlers.
Wenn sie schon nicht in seine Fußstapfen tritt, kann sie ja wenigstens gut aussehen. Präsentation in einer Welt wie dieser ist das A und O.
Und das ist eine der vielen Dinge, die mir daran nicht gefallen.

Ich kann nicht einmal in Worte fassen, wie sehr es mir widerstrebt, heute hier sein zu müssen.
Eigentlich ist es absurd, wenn nicht sogar lächerlich. Erbärmlich trifft es auch ziemlich gut.
Ich halte einen Vortrag über einen Menschen, dem der Geschmack von Whiskey auf seiner Zunge wichtiger war als die Gesundheit seines eigenen Sohnes.
Ein Mann, der alt genug war, um zu wissen, dass es gefährlich ist mit Alkohol im Blut Auto zu fahren, Erstrecht, wenn es sich – wie in seinem Fall - um eine halbe Flasche Whiskey handelte und der trotzdem die halbstündige Strecke bis nach Hause fuhr.
Im Beisein meines Bruders.
Mein Vater hatte Glück. Er starb beim Aufprall.
Jonah hingegen verletzte sich so erheblich, dass sein Überleben nur sichergestellt werden konnte, indem man ihn in ein künstliches Koma versetzte. Als die Ärzte ihn wieder wecken wollten, gelang es ihnen nicht. Aus seinem herbeigeführten Koma, wurde ein Wachkoma.

Das Ganze ist jetzt drei Jahre her.
36 Monate, in denen meine Zeitrechnung eine andere geworden ist.
Während der Großteil der Menschheit mit Zuversicht und dem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft durchs Leben geht, existiere ich nur.
Durchstehe Tag für Tag, ohne die geringste Ahnung zu haben, wie lange ich das noch tun muss.
Wird er wieder aufwachen?
Wird er Folgeschäden davontragen? Wenn ja, wie schlimm werden sie sein?
Werde ich in ihm meinen Bruder wiedererkennen oder wird der Mann, von dem ich hoffe, dass er einmal erwacht, vollkommen anders sein?

Ich glaube jeder, der Geschwister hat, weiß wie verloren man sich fühlt, wenn dem Bruder oder der Schwester etwas zustößt.
Diese Hilflosigkeit wird bei mir um ein Vielfaches multipliziert.
Denn Jonah ist mein Zwillingsbruder.
Ich möchte mich nicht über das Leidempfinden anderer stellen und anfangen, Schmerz zu bewerten. Dafür gibt es keine Maßeinheit.
Was für den einen lapidar ist, bricht dem anderen das Herz.
Aber es ist nicht von er Hand zu weisen, dass Zwillinge eine besondere Bindung haben.
Bei Jonah und mir ist das nicht anders.
Wir haben schon früh bemerkt, dass wir immer genau wussten, wenn es dem anderen nicht gut ging.
Wir teilten uns Glück und Freude wie den Leib Christie.

Und genau diese Verbindung macht aus mir einen in sich gekehrten Menschen, der für kaum etwas anderes lebt, als dafür, für Jonah dazu sein und mein Studium zu absolvieren.
Es mag überzogen wirken, wie sehr das Schicksal von Jonah gleichzeitig auch meines besiegelt hat, aber so ist es nun einmal.
Jonah war alles für mich. Ist es noch.
Doch zu wissen, dass er in einem Wachkoma liegt und mir nicht antworten kann, zerreißt mich jeden Tag aufs Neue.
Ich schäme mich nach wie vor dafür, aber als er ins Koma versetzt wurde, weigerte ich mich drei Tage lang, ihn zu besuchen.
Die schiere Vorstellung, ihn dort liegen zu sehen, vollkommen auf sich allein gestellt, sein einst agiler Körper, der völlig unbeweglich geworden war, war unerträglich für mich.
Ihn drei Tage später dann genauso vorzufinden, stellte etwas mit mir an.
Es brachte mich nicht vollends um, war aber überaus nah dran.
Ein Teil meiner Seele stieß sich von mir ab, wanderte zu ihm und lebt dort in der gleichen Trance, in der er sich seitdem befindet.

Drei Jahre.
So lange werde ich schon dazu missbraucht, die trauernde Tochter zu mimen.
Ich trete auf Spendengalas auf, eröffne Galerien und verteufle mich ein jedes Mal aufs Neue, damit gestraft worden zu sein.
Dabei bin ich froh, dass mein Vater tot ist.
Ich bin erleichtert. Denn ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre, hätte er überlebt.
Wie ich ihm gegenüber getreten wäre und was ich ihm an den Kopf geworfen hätte.
Weil mir meine Gedanken tatsächlich selbst Angst einflößen, denke ich lieber nicht weiter darüber nach.
Stattdessen versuche ich, den Missmut in mir zum Ersterben zu bringen. Immer und immer wieder und vor allem jetzt.

Zumindest für die nächsten Minuten.
Immerhin befinde ich mich noch immer auf der Bühne, sehe zwischen seinen Gemälden und dem Publikum hin und her, indessen ich dafür bete, dass man mich endlich erlöst.
Mein Blick ist müde.
Ich lasse ihn nur oberflächlich über die vielen Menschen wandern, die applaudieren, tuscheln und an ihrem Champagner nippen.
Ich verstehe schon, dass man solche Abende leichter durchsteht, wenn man einen losgelösten Zustand der Vernebelung durch Alkohol hervorrufen kann.
Ein kleiner Schwips würde mich höchstwahrscheinlich ebenfalls aus der starren Haltung befreien, in der ich auf dem Podium stehe.
Es ist nicht so, als hätte ich nicht schon einmal darüber nachgedacht; mir sogar gewünscht, ich könnte über meinen Schatten springen und meine Anspannung wegtrinken.
Doch ich kann es nicht.
Nicht, wenn Alkohol dazu führte, dass ich meine bessere Hälfte verliere.

Die Menschenmenge, die meinen Vater in den Himmel lobt, während ich ihn in die Hölle wünsche, besteht hauptsächlich aus Personen mittleren Alters.
Seine Kunst ist keinesfalls modern, eher auffallend klassisch, wenn nicht sogar veraltet und um ehrlich zu sein, kann ich damit nichts anfangen.
So geht es mir mit Kunst in jedweder Hinsicht.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass mein Vater mich ununterbrochen dazu ermutigen wollte, ihm nachzueifern oder daran, dass ich vieles davon nicht verstehe.
Doch Fakt ist, dieser Abend gehört für mich schlicht und ergreifend zu einer Pflicht, die ich als Erbin des großen Martin Walters zu erfüllen habe.
Süßholzgeraspel, das ist es.
Nicht mehr und nicht weniger. Ein liebevolles Wort hier, ein strahlendes Lächeln dort. Ich hasse es.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass der Moderator zurück auf die Bühne eilt.
Er stolpert in seinem überteuerten Frack die Treppe hinauf und überspielt seine – dem Alkohol geschuldete – Ungeschicklichkeit mit einem überdrehten Klatschen in meine Richtung.
Ich will meine Aufmerksamkeit auf ihn richten, aber in genau diesem Moment erblicke ich inmitten des Publikums einen Mann, der hier ebenso wenig hinpasst, wie ich.
Er trägt eine Lederjacke und schaut derart desinteressiert, dass es mich beinahe wütend macht.
Das ist, bedenkt man, dass ich ebenfalls nicht hier sein will, schon etwas paradox.
Wieso ist er hier? Niemand zwingt ihn dazu.
Es ist deutlich ins Auge fallend, dass ihn meine Rede langweilt. Er ist nicht ansatzweise berührt von den mitleiderregenden Worten, die ich gesprochen habe.
Durchschaut er mich?

Mit wachsender Neugierde blinzele ihm entgegen und kann selbst aus der Entfernung ausmachen, dass sein Kinn von einer beträchtlichen Menge kleiner Stoppeln umrahmt ist.
Wow. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich zu rasieren und den Dresscode zu respektieren.
Was will jemand wie er hier?
»Miss Walters?«
Die gestelzte Stimme des Moderators dringt in gedämpften Lauten an mein Ohr und reißt mich aus meiner zugegebenermaßen unseriösen Analyse.
Er ist nur ein Gast und ich habe ihn geradewegs niedergestarrt.
Das ist peinlich und doch das Aufregendste, das ich den ganzen Abend über erlebt habe.
Beschämt sehe ich weg und in das Gesicht des Mannes, der sich als auserkorener Moderator für die Grammys hält.
Seine Ausstrahlung ist so überheblich und von sich selbst überzeugt, dass ich mich schütteln will.

Herrgott, das hier ist eine Kunstausstellung, keine Hollywoodshow. Hiervon berichtet maximal das Sonntagsblatt.
Ich räuspere mich verlegen und hoffe darauf, dass er seine Frage wiederholt, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, was er mich gefragt hat.
Mein Blick huscht zwischenzeitlich wie von selbst zurück zu dem Mann in der Lederjacke.
Seine Lippen ziert ein amüsiertes, vielleicht sogar wissendes Lächeln.
Ist es Schadenfreude, die er empfindet?
Oder ist er stolz darauf, dass sein Anblick mich derart aus dem Konzept bringen konnte, dass ich nicht mehr auf das Wesentliche geachtet habe?
Idiot, denke ich. Trotzdem muss ich schmunzeln.
»Ich fragte, ob es ein Gemälde gibt, dass es Ihnen ganz besonders angetan hat?«
Ich werfe die Haare zurück und breite meine Arme aus, dabei schmückt meine Lippen ein strahlendes Lächeln.

»Alle!«, rufe ich und erfreue mich an dem Gelächter der Anwesenden.
Die Kunst meines Vaters?
Alles ist ganz wunderbar und perfekt dazu geeignet, um als Brennholz zu fungieren. Aber das sage ich ihm nicht.
Immerhin bin ich ja die Tochter, die um ihren geliebten Vater weint und der es so viel bedeutet, es ermöglicht zu bekommen, seine Kunst weiterhin in die Welt zu tragen.
»Wunderbar! Wunderbar! Herzlichsten Dank, Miss Walters. Ich freue mich darauf, Sie auf einen kleinen Aperitif im Laufe des Abends zu treffen«, gibt er lächelnd von sich.
Sein Vorschlag klingt eher wie eine Aufforderung, als wie ein nett gemeintes Angebot und das finde ich abscheulich.
Ich kämme mir eine Strähne hinter das Ohr und gebe ihm zu verstehen, dass ich nichts trinke und, dass selbst seine schmeichelhaften Worte nichts daran ändern werden.

Unglücklicherweise denke ich dabei nicht an das Mikrofon, das an meinem Kopf befestigt ist, sein entsetzter Blick hingegen erinnert mich im Handumdrehen daran.
Er ist fassungslos über meine Ablehnung, was ich, ganz ehrlich, nicht nur ein bisschen überzogen finde.
Trotzdem behalte ich das professionelle Lächeln bei, reiße mir das Mikrofon vom Kopf und werfe es ihm in die Hand, ehe ich die Treppen hinunterstiefele.
Das war jetzt möglicherweise nicht mehr ganz so professionell, doch auch meine Geduld hat ein Ende.
Am liebsten würde ich direkt nach Hause fahren.
Aber leider gibt es hier zu viele wichtige Leute, die mich in ein bedeutungsloses Gespräch verwickeln wollen und denen ich mich nicht verweigern sollte.
Ich hoffe bloß, dass die meisten von ihnen zwischenzeitlich so betrunken sind, dass eine knappe Begrüßung und ein kurzes Geplänkel über das Wohlbefinden ausreichen, um mich danach zu entlassen.

Kaum bin ich die letzte Stufe heruntergeschlichen, in der stillen Erwartung jeden Augenblick umzuknicken oder das Gleichgewicht zu verlieren, da ertönt eine säuselnde hohe Stimme.
»Eliana, Liebes!«
Nein. Nein, verdammt noch einmal nein.
Lorena St. Claire. Diese Frau ist wie eine Elster.
Doch anstatt Schmuck und andere funkelnde Wertgegenstände aufzuspüren, findet sie mich. Immer. Überall.
Ich kann dieser Frau nicht entkommen.
Lorena ist über sechzig, sieht sich aber wie ein wahrgewordener Jungbrunnen und kleidet sich dementsprechend.
Ich ziehe den Hut vor ihrem Mut, doch ein Ausschnitt, der nicht bis zum Bauchnabel geht, wäre schon eine gelungene Abwechslung.
Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sie eine Affäre mit meinem Dad hatte.
Wegen meines Vaters bin ich da unbesorgt, meine Mutter habe ich nie kennengelernt und eine Partnerin hatte er auch nicht, Lorena hingegen ist unter der Haube. Zum siebten Mal.

Und der griechische Casanova, mit dem sie seit vier Jahren verheiratet ist, scheint mir einen ungesunden Hang zur Eifersucht zu haben.
Eine Schlagzeile in diesem Ausmaß kann ich echt nicht gebrauchen.
Der Name meines Vaters fällt bei jeder Galerie-Eröffnung, in der seine Bilder ausgestellt werden und damit ebenfalls meiner. Infolgedessen wird mir die Unsichtbarkeit, die ich mir herbeiwünsche, um ein Vielfaches erschwert.
Ich versuche, nicht allzu oft darüber nachzudenken, aber objektiv betrachtet, macht es für mich keinen Sinn, weshalb mein Vater so ungeschoren davongekommen ist und es nach wie vor tut.
Er ist unter Alkoholeinfluss gefahren und hat dabei mehrere Menschen verletzt.
Das lässt sich nicht so einfach ausradieren.
Dann wiederum, denke ich daran, dass er sich seit Jahrzehnten einen Namen als Künstler aufgebaut hat und die Anerkennung vieler genießt.
Scheinbar reicht das, damit keiner ein schlechtes Wort über ihn verliert.

»Hallo Lorena«, murmele ich und setze ein freundliches Lächeln auf.
Widerwillig ertrage ich die drei Küsschen auf meiner Wange, die überraschend feucht sind.
Ich will mir nicht vorstellen, wie viel von ihrem großzügig aufgetragenen grellroten Lippenstift sich jetzt auf meiner Wange befindet.
Lorena ist im Grunde genommen eine nette Frau, die in ihrem Leben ein paar falsche Entscheidungen getroffen hat. Beispielsweise sieben Mal zu heiraten.
Das ist – wenn ich so Recht überlege – gar nicht so verkehrt. Zumindest nicht für ihren Geldbeutel.
Die unüberblickbare Anzahl ihrer Schönheitsoperationen hingegen schon.
Dabei ist sie eine unfassbar schöne Frau gewesen.
Ich habe sie auf Fotos gesehen.

Bedauerlicherweise hat ihr aktuelles Erscheinungsbild kaum Ähnlichkeit mit der blonden Schönheit, die sie einst gewesen ist.
»Verzeihung. Ich möchte nicht dazwischengretschen, aber Miss Walters war so freundlich mir einen Drink zu versprechen«, unterbricht uns eine Stimme, die mir alles andere als vertraut ist.
Ich will mich zu ihr umdrehen, um ihr zu widersprechen, allen voran, weil ich nicht trinke, doch ehe ich das tun kann, spüre ich heißen Atem gegen mein Ohrläppchen stoßen und eine augenblickliche Gänsehaut, die über meine nackten Arme kriecht.
»Orangensaft. Keine Sorge«, beruhigt er mich und hält mir ein Sektglas entgegen.
Endlich schaffe ich, es meinen perplexen Blick auf denjenigen zu lenken, der uns so charmant unterbrochen hat. Lederjacke.

Lorena scheint ebenfalls keineswegs erbost, vielmehr ist sie angetan von der Zurückhaltung und Höflichkeit, die er an den Tag gelegt hat.
Sein Blick ist um ein Vielfaches intensiver, als es von der Entfernung auf der Bühne den Anschein gemacht hat. Er besteht aus einem satten braunen Augenpaar, das mich an gebackene Maronen erinnert.
Sie sind warm und herzlich, obwohl die Art wie er mich ansieht, mir durch Mark und Bein geht.
Mir gefällt es überhaupt nicht, was sein Blick in mir anrichtet.
Mein Herz schlägt zu schnell. Ich bin ... aufgeregt? Weshalb?
Weil er jetzt mich nieder starrt, wie ich es ihm vorab gleichgetan habe?
»Eliana, Schätzchen. Nun erzähle mir doch mit wem ich die Freude habe«, bittet mich Lorena und begradigt sich, damit ihr faltiges Dekolletee besser zur Geltung kommt.

Ich räuspere mich und setze ein unbeholfenes Lächeln auf.
Er scheint zu bemerken, wie unangenehm es mir ist, dass ich nicht weiß, wer er ist.
Und das kann ich ja auch gar nicht. Ich habe ihn nie zuvor gesehen. Oder?
Ich bin so verflucht katastrophal darin, mir Gesichter und Namen zu merken, vor allem, weil es mich überhaupt nicht interessiert, wen ich an Abenden wie diesem kennenlerne.
»Nathanael Clark«, stellt er sich vor und wartet darauf, dass ich ihm das Glas, das er mir weiterhin entgegenhält, abnehme.
Als ich es tue, beugt er sich Lorena entgegen, nimmt ihre Hand und haucht ihr einen hauchzarten Kuss auf den Handrücken.
Mein oberflächlicher Verstand findet das höflich und zuvorkommend, ein anderer Teil ist neidisch darauf, dass er nicht meine Hand küsst.

Ich kann meine Gedankengänge selbst nicht einmal Ansatzweise verstehen, deshalb schüttele ich dezent den Kopf und nehme einen Schluck des Orangensafts.
Erleichtert atme ich auf, als ich bemerke, dass es sich wirklich nur um Fruchtsaft handelt.
Dem Gespräch zwischen Nathanael und Lorena folge ich nicht. Ich habe keinerlei Interesse daran ihren forschen, teils unangenehmen Flirtversuchen beizuwohnen.
Stattdessen fixiere ich eines der Gemälde meines Vaters und versuche, zu verstehen, was er da fabriziert hat.
Das Einzige, was mir daran gefällt ist die Wildheit, mit denen die Farbkleckse auf der Oberfläche festgehalten worden sind.
Sie liegen völlig unkontrolliert auf der ganzen Leinwand verteilt.
Es ist auf irgendeine Art schön, weil es genauso durcheinander ist, wie ich mich manchmal fühle.
Erst als ich eine warme Hand an meinen entblößten Oberarm wahrnehme, sehe ich auf.

Da ist es nun. Das erste Kapitel. Ich bin sehr gespannt wer sich hier her verirrt und mir vielleicht einen lieben Kommentar hinterlässt. Oder Verbesserungsvorschläge. Ich mag Eliana jetzt schon. Ich glaube sie wird ein sehr vielschichtiger Charakter. Bin gespannt wo mich meine Tastatur hinfährt <:

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