Der Bus nach Irgendwann

By brunoheter

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Der gelangweilte Geschichtsprofessor Peter Bauer kündigt. Er will mit seinem 57er Chevrolet nach Westen fahre... More

Vorwort
1 - Kandinsky
2 - On the Road
3 - Thunderstorm
4 - Awake
5 - Fifty One
6 - Up North
7 - Don't disturb the Driver
8 - Detroit
9 - Fine Dining
10 - Yellow Bus
11 - Route 66
12 - Hurricane
13 - San Francisco
14 - The Gate
15 - Error
16 - Parallelism A
18 - Parallelism N
19 - Back Home
20 - Alcatraz
21 - Deal
22 - General Motors
23 - Hope
24 - Modern Times
25 - Rainbow Bridge
26 - Time to say Goodbye
27 - Charly
28 - Peggy-Sue
29 - New York
30 - Truth or Consequences
31 - Beginning
Epilog
Die Personen - Ein Überblick
Nachwort und Dank

17 - Parallelism H

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By brunoheter

Wieder treffe ich hart auf dem Boden auf. Das wird der Preis dafür sein, dass wir ein Low-Budget-Gerät gekauft haben. Wir hätten besser die Premium-Variante gewählt, meinem Rücken zuliebe.

Grün. Hier ist alles grün. Bob, ich verfluche dich! Kate liegt neben mir im Gras. Ich denke einen Moment lang an meinen fürchterlichen Unfall zurück, doch Kate geht es gut.

"Daran werde ich mich nie gewöhnen", reklamiert sie, "Diese Stürze sind eine reine Folter."

"Wem sagst du das. Wann und wo sind wir?"

Kate überprüft den Time-Traveller. "Immer noch 2951, in einer Welt, die mit dem Buchstaben H abgekürzt wird."

"Wie viele parallele Welten gibt es?"

"Theoretisch unendlich viele, Peter. Das haben wir doch schon einmal diskutiert. Wie viele davon bekannt und katalogisiert sind, weiss ich nicht. Beruhend auf der Existenz der KI dort, wo wir hergekommen sind, vermute ich, sie wird alle kennen. Sie wird uns auch überall finden, Peter. Unsere einzige Chance ist, wie uns Charly gesagt hat, unberechenbar zu sein. Vorerst sind wir jedoch für zwanzig Stunden hier. Ich hoffe, das reicht."

"Sieht nach einer Menge Biologie aus hier." Ich drehe den Kopf, blicke nach oben. "Sieh an, dieses Mal habe ich wohl einen harten Schlag eingefangen. Ich sehe zwei Monde." Als ob ich meine Aussage beweisen müsste, zeige ich mit ausgestrecktem Arm auf die beiden leuchtenden, runden Punkte am Himmel.

Kate folgt meiner Hand mit ihrem Blick. "Sieh an, zwei Monde. Keine Illusion, Peter. Einer von ihnen leuchtet seltsam blau. Ob das der Eisberg ist, welcher die Erde getroffen hat?"

"Hier hat er sie nicht getroffen, wie es scheint. Eigenartig."

Kate lächelt. "Du weisst, Peter, parallele Welten entstehen, wenn Entscheidungen getroffen werden oder weltbewegende Ereignisse mehrere Varianten eines Ausgangs haben können. Der Meteor könnte auch an der Erde vorbeifliegen. Das wäre dann wieder eine andere parallele Welt. Hier haben wir zwei Monde. Welche Auswirkungen das auf die Menschen hatte, werden wir erfahren."

"Woran hast du eigentlich gedacht, als wir gesprungen sind?" Ich versuche zu verstehen, weshalb wir genau hier gelandet sind.

"An letzte Nacht." Kate gibt mir einen langen Kuss.

"Dann ist das wohl das Paradies."

"Oder das Nirwana oder Dschanna oder der Garten Eden, wie auch immer - es ist das Gleichgewicht, welches ich letzte Nacht gefühlt habe, Peter."

Ich fühle, wie die Wärme sich in meinem Körper ausbreitet. "Ich bin das Yang zu deinem Yin."

"War das eben ein Rassistenwitz, Peter?"

Beschämt senke ich den Blick. Schwarz und weiss - ich bin ein Idiot. "Nein, ein Kompliment, Kate", stammle ich kleinlaut.

"Weiss ich doch", haucht sie und drückt mir einen Kuss auf.

"Wir sollten nach einem Versteck suchen. Ich traue der Sache nicht."

Kate streichelt meinen Arm. "Du mürrischer Zweifler. Ausnahmsweise gebe ich dir recht, wir sollten uns ausruhen und unseren Sprung nachhause planen. Ich weiss noch nicht genau, wie das Gerät gesteuert wird, was ich eingeben oder denken muss."

"Meinst du, die Travellers folgen uns?" Obwohl die attraktive Wissenschaftlerin unmittelbar vor mir steht, schweifen meine Gedanken für einen kurzen Moment zu dem rätselhaften Engelsgesicht, welches ich gesehen zu haben glaube.

"Darauf wette ich meinen schwarzen Hintern!" Kate lacht und steckt mich damit an. Wir helfen uns gegenseitig auf die Beine und wanken über die grüne Fläche.

Nirgends hat es Strassen. Wir begegnen einzelnen Herden von Tieren. Einige fliehen vor uns, andere scheinen keine Angst zu haben. In der Ferne sehen wir Hütten, es könnte eine Siedlung sein. Wir halten darauf zu.

***

SS409 streckt den Arm aus, will den Mann noch zu fassen kriegen, der fliehen will. Sie greift ins Leere. "Nein! Schon wieder weg! Entschuldige, B22, ich war zu langsam."

Die Vorgesetzte fasst sie am Arm. "Das waren wir alle. Daran ist bloss dieser Idiot von Pilot schuld. Männer! Man sollte ihnen keine verantwortungsvolle Aufgabe geben."

B22 stellt sich vor den muskelbepackten Wächter. "Verstehst du meine Sprache?"

Er nickt, blickt aber immer wieder zu SS409, welche in respektvollem Abstand an der Seite steht.

B22 folgt seinem Blick. "Sie gefällt dir wohl. Vergiss es! Du bist ihrer nicht würdig. Wohin sind die zwei Menschen verschwunden? Wenn du uns das sagst, darfst du meine Kollegin noch etwas ansehen." B22 wirft einen scheuen, entschuldigenden Blick zu SS409, welche den Hinweis sofort versteht und sich in eine andere Pose stellt.

Der Muskelmann ist noch immer traumatisiert vom Hinscheiden seines Anführers. Er blickt zwischen den Frauen hin und her, fixiert dann aber B22. "Ich weiss es nicht. Das weiss nur einer."

"Wer?"

"Er!" Der Muskelmann zeigt auf den zerfetzten Leichnam am Fussboden, ohne den Blick von der Soldatin abzuwenden.

B22 zischt einen Fluch und wirft ihren Kopf zur Seite. Sie funkelt den Mann an. "Du bist clever, Muskelmann. In meiner Welt zählt das viel. Dein Chef hier war weniger clever. Begreifst du, worauf ich hinaus will, Mann?"

"Ja, das tue ich. Trotzdem habe ich keine Ahnung, was da eben passiert ist. Mein Chef explodiert, zwei Menschen verschwinden ebenso schnell wie sie aufgetaucht sind und fünf Schönheiten verbreiten Stress. Was ist hier los?"

B22 wendet sich an ihre Soldatinnen. "Sucht nach Spuren. Digital. Sie können nicht einfach so verschwinden. Irgendwo gibt es immer eine Spur."

"In B und C sind sie nicht. Sie sind unberechenbar, B22."

"Reine Biomasse ist nicht berechenbar. Ihr Gehirn funktioniert noch nicht richtig, ihr Wirkungsgrad liegt unter zwanzig Prozent. Denkt unlogisch und ihr werdet sie finden."

"Ich glaube, ich weiss, wo sie sind, B22." SS409 strahlt über ihr ganzes Gesicht. Sie sind eine Frau und ein Mann, korrekt? Dann könnten sie in die Vollkommenheit geschlüpft sein. Zumindest würde ich das tun, wenn ich..."

B22 unterbricht sie. "Du bist genial, SS409! Das ist es! Parallelität H, das Gleichgewicht." Die beiden Frauen fassen sich an den Händen und triumphieren.

An ihrer beider Arm erscheint ein rotes Licht. "Zuneigungsmodul defekt. Nicht autorisierte Zuneigung registriert", steht auf beiden Bildschirmen, doch niemand nimmt davon Notiz.

Die Anführerin wendet sich an alle Soldatinnen. "Zurück zu unserem Schiff. Wir müssen einen weiteren Sprung machen."

"Aber B22, unsere Energie?" Eine Soldatin schaut ängstlich zur Vorgesetzten.

"Du bist noch nicht lange in unserer Truppe. Die Energie für unsere Sprünge wird vom Zentralrat bezahlt, KI stellt sie uns zur Verfügung. Du wirst keine Lebensenergie geben müssen und auch nicht müde sein. Und jetzt befolge meine Befehle."

SS409 bleibt etwas zurück, wartet auf ihre Chefin. "Das war hart. Ich war früher auch wie sie, erinnerst du dich?"

"Ja. Ich was selbst auch so. Aber durch harte Führung wird sie überleben können, das weisst du. Übrigens weiss ich, dass du einen Traveller gekauft hast. Ich hoffe, du setzt ihn bewusst und intelligent ein, was immer du auch beabsichtigst."

SS409 senkt betroffen ihren Kopf. "Das werde ich, versprochen."

"Wir zwei sind schon zu lange dabei. Wir bewegen uns am Rande der Toleranz der KI, das weisst du bestimmt auch. Sei vorsichtig. Ich möchte dich nicht verlieren, nicht als Soldatin und nicht als Mensch."

"Apropos Mensch verlieren: Wollen wir diesen Leckerbissen von Mann wirklich zurücklassen?" SS409 zeigt auf den Muskelmann, der ihnen etwas traurig nachblickt.

B22 lacht laut. "Komm schon, wir haben einen Auftrag."

Die beiden Frauen eilen ihren Kolleginnen hinterher.

***

Die Siedlung ist nicht besonders gross. Eine oder zwei Sippen vielleicht, nicht viel mehr. Im nahen Umfeld der Siedlung liegen Anbauflächen von Gemüse, einige Haustiere tummeln sich zwischen Feldern und Häusern. Kinder rennen ihnen nach, Frauen und Männer verrichten Feldarbeit oder beaufsichtigen Tiere und Kinder. Die Szene wirkt friedlich, vollkommen.

Als wir den Dorfrand betreten, legen die Menschen ihre Arbeit nieder. Sie betrachten uns durchdringend, als wären wir eine Gefahr. Es dauert einen Moment, bis Kate den Ernst der Lage versteht. Sie greift nach meinem Arm und zieht mich rennend aus dem Dorf.

"Hey, die haben doch nett ausgesehen." Ich spiele den Beleidigten.

"Diese netten Menschen hätten uns umgebracht, Peter."

"Was sagst du da? Nie im Leben."

"Begreifst du es nicht? Wir sind in einer vollkommenen Welt die einzigen nicht perfekten Eindringlinge. Parasiten. Bakterien. Viren. Nenne uns, wie du willst, aber wir sind hier sicher nicht willkommen und werden bei der ersten Gelegenheit eliminiert."

Ihr Aussagen schmerzen. Ich soll ein Virus sein? So ein hässliches grünes Ding mit Pusteln am ganzen Körper, eines von Bobs Lieblingen? Mir wird übel.

"Wir müssen überlegen, wie wir an Information kommen und wo wir sicher übernachten können."

Ein alter Mann kommt auf uns zu. Er trägt ein Buch unter dem Arm.

"Damit wird er uns doch nicht erschlagen wollen, oder?"

Kate wirft mir einen tödlichen Blick zu und ich wünsche mir letzte Nacht herbei. "Ich meine ja bloss."

"Wer seid ihr?" Der Mann spricht glücklicherweise Englisch.

"Reisende. Wir suchen eine Möglichkeit zu übernachten."

"Von wann seid ihr?"

Diese Frage schockiert Kate gleichermassen wie mich. Der Kerl weiss es.

Er lächelt. "Kommt mit zu mir. Wir sollten uns beeilen."

Wir schleichen hinter ihm zu einer grösseren Hütte. Er hält die neugierigen Menschen fern, schickt sie zu ihrer Arbeit zurück.

In seinem Haus hat es kaum Mobiliar. Wir setzen uns wie die Japaner auf den Fussboden, auf eine Art Teppich. Eine junge Frau, fast noch ein Kind, bringt uns Tee.

"Das ist meine Enkelin. Sie ist sehr wissensdurstig und wird wohl eines Tages meine Aufgabe hier übernehmen. Ich bin der Seher hier."

"Seher? Wie bei den Germanen vor langer Zeit? Sehr langer Zeit."

Der Mann schaut mich an. "Du weisst etwas von Geschichte?"

"Ja. Ich interessiere mich für Geschichte, ich liebe Geschichte."

"Also, von wann seid ihr?" Der Mann trinkt Tee.

Kate schweigt, überlässt das Reden mir. "Das ist kompliziert."

"Nichts ist kompliziert, es sei denn, der Mensch macht es."

"Wieso vermutest du, dass wir aus einer anderen Zeit kommen?" Guter Konter, Punkt für mich. Kate trinkt Tee, wie der Mann auch. Meine Hände beginnen zu schwitzen.

"Ich vermute nicht. Ich sehe es. Es steht hier im Buch. Es ist sehr alt." Der Mann zeigt uns sein Buch.

Kate packt meinen Arm. "Peter. Das Notizbuch aus Roberts Büro!"

An den Mann gerichtet übernimmt sie nun trotzdem. "Wie lautet der letzte Eintrag in ihrem Buch?"

"1951, September, Heureka! Das Tor funktioniert. Die zwei sind tatsächlich vor meinen Augen verschwunden. Soldaten kommen." Dann schaut der Mann uns an. "Dieser Text berichtet von möglichen Reisen durch die Zeit und er ist eintausend Jahre alt. Wissen, welches die Menschen da draussen nicht haben."

"Woher wusstest du, dass wir es sind, die hier erwähnt werden?"

"Ich habe dich erkannt, Kate. Du hattest damals eine Auszeichnung gewonnen, das Foto aus der Zeitung klebt hier im Buch."

Das Universum mag als Ganzes unendlich sein, wenn es aber um einzelne Menschen geht, dann ist es unglaublich klein, dreht sich immer um die gleichen Begebenheiten und Mitmenschen. Mikrokosmos im grossen Makro. Die Matrjoschka des Lebens.

"Weisst du, was mit dem Autor dieses Buches geschehen ist?"

"Nein, das Buch hört hier auf. Dass aber ausgerechnet ankommende Soldaten die letzten Zeilen füllen, verheisst nichts Gutes. Damals war die Welt wohl noch kriegerisch."

"Wann hat das aufgehört? Wann habt ihr beschlossen, so zu leben, im Einklang mit der Natur?" Das interessiert mich wirklich. Ich lehne mich etwas vor.

"Nicht nur im Einklang mit der Natur, Peter, richtig? Wir leben im Einklang mit allem. Es ist ein Leben als Teil des Ganzen. Die naturgegebene Balance bestimmt, was wir tun, was wir essen und was wir lassen. Wenn es zu viele von uns gibt, so werden wir dezimiert. Das Gleichgewicht muss gewahrt werden."

"Das klingt wunderbar, bis auf den Punkt, wo ihr zu Lemmingen werdet. Wie ist die Menschheit zu dieser Einsicht gelangt?"

"Das ist damals, als der Meteor kam, passiert. Die Bücher sind sich nicht einig, aber die Mehrheit berichtet von einer weltumspannenden Energie der Liebe, welche den Meteor hat stoppen können. Die Menschen vereinten ihre Kräfte und hielten den Eisbrocken an. Seither haben wir zwei Monde und sämtliche Fehden der Völker sind nichtig."

Ich rolle mit den Augen. Fast dreitausend Jahre Geschichte und die Menschen glauben immer noch an Erzählungen, welche von anderen Menschen aufgeschrieben wurden. Nur hat es diesmal nicht zu Glaubenskriegen, sondern zu planetarem Wohlfühlverhalten geführt. Das geht für mich in Ordnung so. Endlich hat die Nächstenliebe, welche auch andere Religionen gepriesen hatten, einen zentralen Stellenwert erhalten.

"Der zweite Mond heisst 'Mond der Liebe' und beschützt uns vor allem Bösen, das da draussen war. Nun aber zu euch. Was wollt ihr hier?"

"Wollen ist ein harter Ausdruck für unsere Situation." Kate schaut den Mann direkt an. "Wir sind in einem anderen 2951 an einen Time-Traveller gelangt, den wir noch nicht zu bedienen wissen. Wir möchten gerne in unsere Zeit zurück."

Der Mann lächelt, überlegen wissend. "Darf ich das Gerät sehen?"

Kate hält ihm ihren Arm entgegen und er betrachtet den Traveller. "Da hat euch jemand richtig gut beraten. Ein hübsches, kleines ding, das weit mehr kann, als man ihm zutrauen würde. Bloss die Landungen sind etwas hart, sagt man."

Wem sagst du das! Die Landungen sind die reinste Folter. "Ja, etwas ruppig, in der Tat." Wir Männer müssen hart sein, dürfen keine Schwäche zeigen. Kate lächelt und streicht meine Hand. Mist, sie weiss es. Ertappt senke ich den Blick.

"Weisst du, wie wir nach 1951, in unsere Parallelität, zurückkommen können?" Kate stellt die richtige Frage.

Der Mann lächelt. "Ja, das weiss ich."

***

Die Kugel landet sanft auf der Wiese. Am Himmel prangen zwei Monde. "Parallelität H. Kitschiger Psychofriede und Wohlfühlquatsch. Wie das entstehen konnte, ist mir immer noch ein Rätsel." B22 Schaut sich um.

"Was meinst du wo wir sie finden werden?"

"Es gibt hier diesen Seher, den alten Kerl, erinnerst du dich? Wenn sie es zu ihm schaffen, haben wir schlechte Karten. Er weiss zu viel. Er ist wie dieser Charly, der überall auftaucht, bloss dass er hier bleibt, glücklicherweise."

SS409 hört aufmerksam zu und sagt nichts. Sie bewundert ihre Chefin, die so allwissend scheint.

"SS409, hat dich der Mann gesehen, als du nach ihm greifen wolltest?"

"Ich denke ja. Er hat mich direkt angeschaut, aber sein Blick war seltsam. Als sei er in einem Traum und glaube seinen Augen nicht."

B22 lacht. "Ja, Männer haben diesen Blick, wenn sie eine schöne Frau sehen." Damit lacht auch SS409. "Wir müssen herausfinden, wie wir diesen Seher finden können."

B22 erteilt einige Befehle. M-AN7 kontrolliert das Schiff. Er kümmert sich nicht um die Frauen, welche er durch die Zeit chauffiert.

Die junge Soldatin bringt ihre Suchergebnisse. B22 lobt sie. "Du hast ihn gefunden. Gut gemacht. Hoffen wir, dass sie dort sind oder noch zu ihm gelangen."

"B22, warum sind die beiden so wichtig für uns?"

"Ich weiss es nicht, SS409, aber die KI hat ihnen höchste Priorität zugeteilt. Sie müssen also entscheidend wichtig sein. Wahrscheinlich ist es die Zeit, aus der sie kommen. Stell dir vor: eintausend Jahre alt. Damals gab es noch keine vernünftige Technik, wenn man den Schulbüchern trauen kann."

"Sie kommen aus einer Zeit, wo es die Zeitreisen noch nicht gab? Wie soll das gehen?"

"Ich vermute, genau das will KI herausfinden. Das kann zu neuen Erkenntnissen über die Entwicklung der KI geben. Sie wird ihre eigene Geschichte erforschen wollen."

"Oder sie will genau das vertuschen."

"SS409, du lehnst dich weit aus dem Fenster. Sei vorsichtig mit solchen Aussagen. Du weisst, dass SIE alles sieht, was wir denken und reden."

Die Blondine senkt beschämt ihr Haupt. "Ja, Chefin. Ich entschuldige mich. Ich dachte bloss, ..."

B22 unterbricht sie, indem sie ihren Arm greift. "Nicht hier, SS409. Ich weiss, und ich bin mit dir eins. Aber wir müssen vorsichtig sein. Wir tragen noch immer die Armbänder. Obwohl wir sie modifiziert haben, übermitteln sie immer noch Daten. Allmählich beneide ich die beiden Menschen, welche wir verfolgen. Sie sind wohl frei. Ich möchte von ihnen lernen können."

"Dann lass uns sie holen."

Die Frauen klettern in ihre Kugel. M-AN7 drückt auf einige Knöpfe und das Schiff hebt lautlos vom Boden ab. Die Kugel zischt davon.

***

"Wie kommt es, dass wir überall auf Menschen treffen, welche über uns Bescheid wissen?" Kate schaut den Seher fordernd an.

"Das liegt an Charly, Kate. Er hat uns auf euch vorbereitet. Er hat uns erzählt, dass ihr allenfalls hier auftauchen könntet. Und nun seid ihr hier."

"Wer ist dieser Charly?"

Der Seher lächelt. "Darauf gibt es keine Antwort. Charly ist Charly. Er hat viele Namen."

Allmählich wird mir mein Busfahrer unheimlich. Er scheint weit mehr zu sein als ein Busfahrer. Ich bin nicht sicher, ob wir hier am richtigen Ort sind. Dieser Seher ist noch nicht vertrauenswürdig. Ich weiss nicht, ob wir nicht besser verschwinden sollten. Als habe Kate meine Bedenken gespürt, greift sie nach meiner Hand.

Der Seher beobachtet uns. "Du traust mir nicht, Peter. Ich kann es dir nicht verübeln, schliesslich kennst du mich nicht."

Kate entspannt die Situation. "Du sagst, du kannst uns heimbringen?"

"Euer Gerät ist einfach zu steuern. Denke an etwas Einzigartiges aus deiner Zeit und deiner Umgebung. Etwas, das es nur dort und nur dann gibt. So könnt ihr euch nachhause lenken. Das Gerät reagiert auf den Gedanken, den du im Moment des Übertrittes hast. Die meisten Menschen haben Mühe damit, auf einen bestimmten Moment etwas Konkretes zu denken. Sie haben schlichtweg noch nicht gelernt, ihre Gedanken zu kontrollieren." Der Seher schaut ins Leere.

"Wie ist es hier? Warum bist du hier?"

"Ich war wie Charly. Immer unterwegs. Dann habe ich diese Welt hier gefunden und sie hat mir auf Anhieb gefallen. Ich will nicht mehr weg. Unsere Lebenszeit ist begrenzt. Ich will den Rest meiner Zeit in diesem Frieden hier verbringen."

"Aber wieso hier?"

"Kate, glaube mir, ich habe so viele Zeiten und Welten besucht, dass ich weiss, wann und wo es wirklich friedlich ist. Diese Welt hier ist von Grund auf friedlich. Die Menschen haben gelernt, ihre innere Ruhe füreinander einzusetzen. Sie haben begriffen, dass es miteinander besser geht als gegeneinander. Die meisten Welten sind kriegerisch, diese nicht."

Das Mädchen stürmt mit weit geöffneten Augen ins Zimmer. "Travellers, Soldatinnen. Sie kommen."

Der Seher schreckt hoch. "Wo sind sie?"

"Noch zwei Minuten, Grossvater."

"Ihr müsst gehen. Denkt an meinen Rat. Kate, denke das Richtige."

"Wir sind noch keine zwanzig Stunden hier. Das reicht nicht!"

"Es muss. Ihr seid jung, ihr habt die Energie. Beeilt euch. Die Soldatinnen sind nicht friedlich, aber sie werden uns in Ruhe lassen, wenn ihr schon wieder weg seid. Bitte geht. Und grüsst Charly, den alten Schlingel."

Kate fasst meine Hand. Einmal mehr wird es weiss. Allmählich gefällt mir diese Art zu reisen. Ich werde wieder leicht, dann sind die Gedanken wieder beim Engelsgesicht.

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