Seeking Your Love (Kiss'n'Kic...

By darkbutterflyflower

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Wie immer ist Ben Blake, ehemaliger Karate-Kämpfer und Womanizer mit großem Ego, der Mittelpunkt der Aufmerks... More

1. Kapitel
3. Kapitel
Verlagsveröffentlichung 2022
Taschenbuch Sonderausgaben

2. Kapitel

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By darkbutterflyflower

Ben

»Okay, Leute, wir sind fertig für heute. Ihr habt gut gespielt«, ruft Coach Miller und klatscht in die Hände.

Erleichtert lasse ich meinen Lacrosse-Schläger ins Gras fallen und reibe mir mit dem Ärmel meines Sportshirts über die verschwitzte Stirn. Endlich ist die Trainingsstunde vorbei.

Leider bietet unsere Schule keinen Kampfsportkurs an. Deshalb habe ich mich für Lacrosse entschieden, um wenigstens einem Team beizutreten. Die meiste Zeit über sitze ich bei den Spielen als Ersatzspieler auf der Bank, was mir ganz recht ist. Auch wenn ich im Team keine hohe Position habe wie beispielsweise Kyle in seinem. Aber Football liegt mir nicht. Lacrosse ist allerdings auch nicht unbedingt meine Lieblingssportart.

Ich folge den Jungs vom Feld in die Umkleiden. Nachdem ich mich geduscht, umgezogen und von meinen Teamkollegen verabschiedet habe, treffe ich mich auf dem Parkplatz mit meinen Freunden, die ihre letzten Unterrichtsstunden für heute hinter sich haben.

Mittlerweile hat es sich so eingebürgert, dass wir uns immer vor und nach der Schule noch mal auf dem Parkplatz treffen, um uns noch kurz miteinander zu unterhalten. Manchmal unternehmen wir auch spontan etwas zusammen.

Meine Freunde warten bei meinem Auto auf mich, neben dem sie mit den ihren geparkt haben. Kyle ist in sein Handy vertieft. Er hat ebenfalls noch nasse Haare und gerötete Wangen. Wie ich hatte er zur gleichen Zeit Footballtraining. Neben ihm steht Dean, der sich lachend mit Shane unterhält.

Deans Zwillingsschwester Railey und ihr Freund Austin wiederum lehnen lässig an Raileys Auto. Eigentlich gehört es ihren Eltern. Da sie aber zwei haben und Austin und Raileys Väter Kollegen sind und eine Fahrgemeinschaft gebildet haben, dürfen sie es für die Wege zur Schule und zurück ausleihen. Heute gehen sie anscheinend im Partnerlook, weil sie beide Sneakers, dunkle Jeans, helle T-Shirts und gefütterte Lederjacken tragen. Während Austin eine New-York-Yankees-Cap trägt, hat Railey eine schwarze Stoffmütze mit der Aufschrift Cute but Psycho auf. Sie passen perfekt zusammen.

Austin hat den Arm um die Schultern seiner Freundin gelegt und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Dabei muss er ein wenig in die Knie gehen, um auf gleicher Höhe mit ihr zu sein. Es ist unverkennbar, was sie für den jeweils anderen empfinden. Sie sehen sich in die Augen, strahlen einander überglücklich an, als wäre die ganze Welt voller Regenbögen und Sonnenschein.

Die beiden sind mittlerweile seit einigen Monaten zusammen und verhalten sich noch immer wie ein frisch verliebtes Pärchen. Wären sie nicht meine besten Freunde, fände ich ihr Verhalten total übertrieben und kitschig.

»Hey, Ben!«, ruft Railey erfreut, als sie mich bemerkt, und umarmt mich stürmisch. Sie schnüffelt skeptisch an mir. »Oh gut, du hast geduscht und bist nicht verschwitzt.« Sie löst sich von mir und strahlt mich fröhlich an.

»Hallo, Kickboxqueen.« So nenne ich sie, seit ich einmal gesehen habe, wie sie leidenschaftlich und präzise auf einen Boxsack eingeschlagen hat, was mich sehr beeindruckt hat. »Was wäre so schlimm daran, wäre ich verschwitzt?«, kontere ich herausfordernd. »Schweiß ist überlebenswichtig. In Bio haben wir doch letztens gelernt, dass Schweiß Pheromone enthält und dass die Steinzeitmenschen, die früher am meisten nach Schweiß gestunken haben, die meisten Partner angelockt haben. Außerdem schwitzen du und Austin beim Sport bestimmt ebenfalls.« Ich schiebe ein Augenbrauenwackeln hinterher.

Railey und Austin denken vermutlich dasselbe wie ich, denn sie laufen beide knallrot an. Ich muss grinsen. Es ist niedlich, wenn sie so verlegen sind.

»Ihr habt euch doch beim Kickboxen das erste Mal gesehen und bei euren Sportdates kommt ihr bestimmt auch viel ins Schwitzen«, fahre ich munter fort. »Biologisch gesehen war Austins Schweiß womöglich der Grund, weshalb du ihn anziehend fandest und umgekehrt.«

»Das wird es gewesen sein. Vielleicht ist dein Schweiß ja der Grund für deine vielen Verehrerinnen und nicht dein teures Auto«, kontert Railey scherzhaft.

Unbewusst versetzt sie mir damit einen Stich. Ich will keine Verehrerinnen. Erst recht keine, die nur wegen des Geldes meiner Eltern hinter mir her sind. Ein Grund, weshalb ich mit Hailee zusammen bin. Leider hatte unsere öffentliche Beziehung nicht die gewünschte Wirkung.

Railey veräppelt mich oft damit, dass ich mit so teuren Autos zur Schule fahre und ein Angeber bin. Aber was soll ich machen, wenn mein Dad mit solchen Fahrzeugen handelt, und wir kein anderes normales Auto besitzen? Wobei ich nicht leugnen kann, dass ich diese Fahrzeuge gerne benutze. Vielleicht genieße ich auch die neidischen Blicke der anderen.

»Apropos Training«, fährt Railey fort. »Wie war dein Lacrosse-Training?«

Ich zucke mit den Achseln. »War ganz okay.«

»Du wirkst nicht hundertprozentig begeistert«, merkt Austin an.

»Lacrosse ist okay«, erwidere ich und meine es auch ernst. »Es ist ein netter Zeitvertreib und macht sich gut in den Collegebewerbungen.«

»Du hast mir einmal erzählt, dass du früher in Karate gegangen bist und in der Middle School aufgehört hast, weil es dir keinen Spaß mehr gemacht hat, aber dass du wieder Lust darauf bekommen hättest«, wirft Railey stirnrunzelnd ein. »Was ist daraus geworden?«

Tatsächlich habe ich ihr das einmal gesagt. Weil ich mitbekommen habe, wie sehr sie für das Kickboxen brennt und mich ihre Leidenschaft für den Kampfsport an meine frühere Freude erinnert hat.

Austin stupst mich mit der Schulter an. »Wir können dich aber noch immer nicht vom Kickboxen begeistern? Hat dir die Probestunde denn nicht gefallen?«

Railey, Austin und Dean berichten immer wieder begeistert über ihre Kickboxstunden. Ich war bei einigen ihrer Wettkämpfe dabei und finde die Sportart ganz interessant. Deshalb habe ich letztes ein Probetraining in ihrem Kurs absolviert. Obwohl diesen mein alter Karate-Sensei Steven unterrichtet, der verschiedene Kampfsportstunden gibt, konnte mich die Sportart nicht überzeugen.

Deshalb schüttle ich den Kopf. »Kickboxen überlasse ich euch Profis. Ich mag es nicht so, mit Boxhandschuhen zu trainieren. Aber vielleicht versuche ich es nochmal mit Karate.«

Ich habe Steven gestern Abend eine Mail geschrieben, dass mir Kickboxen leider nicht so zugesagt hat, aber dass ich gerne mal für ein unverbindliches Probetraining bei seinem anderen Kurs vorbeikommen wollen würde.

Railey lächelt mich erfreut an. »Wie cool. Berichte gerne, wie es dir gefallen hat. Dann können wir dir auch mal dabei zuschauen und dich anfeuern«

»Mache ich«, erwidere ich. »Aber Karate ist nicht Kickboxen. Wir treten nicht gegeneinander an.«

Railey zuckt die Achseln. »Ist doch egal. Seinen Freund kann man doch immer unterstützen. Außerdem kann man dich sehr wohl anfeuern, wenn du eine Kata vorführst. Und im Karate macht ihr doch auch Partnertraining.«

»Schon«, stimme ich ihr zu. »Aber bei Steven ist Karate nicht auf Turniere ausgelegt.«

»Kyle, du bist heute so schweigsam«, wechselt Dean, der sich bisher nicht in unsere Unterhaltung eingemischt hat, plötzlich das Thema.

Kyle hebt den Kopf von seinem Handy. »Wie bitte?«

Shane tritt an ihn heran und linst auf sein Display. Sofort steckt dieser es in seine Hosentasche und fängt sich von Shane einen vorwurfsvollen Blick ein. »Du hast nicht ernsthaft schon wieder ihr Insta-Profil gestalkt. Hast du noch immer Liebeskummer wegen ihr? Ich weiß, sie war deine erste große Liebe und ihr wart ein bezauberndes Paar. Aber du musst dir vor Augen halten, dass sieden Kontakt abgebrochen hat und du das akzeptieren musst. Sie ist es nicht wert, dass du ihr hinterhertrauerst und deshalb dein Leben vernachlässigst. Du brauchst Ablenkung, Kumpel. Es gibt so viele Mädels, die Interesse an dir hätten.«

»Weder trauere ich ihr hinterher noch vernachlässige ich mein Leben. Und es ist mir egal, wie viele Mädels Interesse an mir haben«, erwidert Kyle finster. »Du warst noch nie in einer festen Beziehung. Du weißt nicht, wie das ist. Außerdem hast du doch keine Ahnung, was passiert ist.«

»Ja, ich hatte noch keine feste Beziehung, weil ich mich eben noch nicht binden oder auf eine einzige Person festlegen will«, erwidert Shane unbeeindruckt. »Außerdem sprichst du ja nicht über euren Trennungsgrund. Ihr hättet ja eine Fernbeziehung ausprobieren können, wo auch immer sie jetzt ist. Oder wollte Isabella das nicht? Wenn du uns aufklären würdest, könnten wir dich vielleicht besser verstehen.«

Doch Kyle schweigt verbissen. Er ist dem Club der beziehungslosen Freunde beigetreten, nachdem seine (jetzt Ex-)Freundin Isabella plötzlich mit ihrer Familie weggezogen ist. Sie war früher auch Teil unserer Clique. Isabella und Kyle waren unzertrennlich. Sie waren eines dieser Paare, von denen man erwartet, dass sie nach dem College heiraten und Kinder bekommen.

Deshalb war es für uns alle ein großer Schock, als sie ohne jegliche Vorwarnung über Nacht mit ihrer Familie wegzog. Wir haben keine Ahnung, warum sie fortgegangen ist, und Kyle spricht auch nicht darüber. Allerdings gingen Gerüchte herum, es hätte einen unüberwindbaren Nachbarschaftsstreit mit Kyles Familie gegeben. Doch wäre so etwas wirklich ein Grund, gleich alle Sachen zu packen und umzuziehen?

Man merkt Kyle jedenfalls an, dass er unter der Trennung leidet. Immerhin ist er seit ihrem plötzlichen Umzug ganz fixiert auf Football und weigert sich stur, über sie zu reden.

Statt über die Trennung hinwegzukommen, meidet er Mädchen, die an ihm interessiert wären, was aufgrund seines Beliebtheitsstatus an der Schule nicht gerade wenige wären.

Da Kyle und Shane nun beginnen zu diskutieren, lege ich gähnend meine Tasche in mein Auto. Ich bin müde. Nicht nur wegen des anstrengenden Trainings – Coach Miller weiß, wie er uns am besten drillt. Ich bin müde, weil ich heute Nacht kaum geschlafen habe.

»Kyle ist nicht der Einzige, der heute viel grübelt«, ertönt Shanes Stimme hinter mir. »Nicht wahr, Ben?«

Ich schlage die Autotür zu und drehe mich zu ihm. All meine Freunde sehen mich fragend an. Mein Herz schlägt schneller. Fällt es denn so sehr auf?

»Wie kommst du darauf?«, frage ich betont gelassen und verschränke die Arme vor der Brust.

»Du wirkst seit der Mittagspause etwas unentspannt. Besser gesagt seit deinem Gespräch mit einer gewissen Ally Summers? Du wolltest uns nicht sagen, über was ihr euch unterhalten habt. Muss ja ein sehr spannendes Gespräch gewesen sein, wenn es dich noch immer beschäftigt«, bemerkt Shane spitz.

»Ich bin total entspannt. Ich mache mir keine Gedanken«, gebe ich zurück. »Und schon gar nicht wegen einem Mädchen.«

»Das war nicht irgendein Mädchen.« Austin lehnt sich neugierig zur Seite. »Du hast mit Ally gesprochen. Der Ally.« Er wackelt vielsagend mit den Brauen.

Ich verdrehe genervt die Augen. Ich wusste, es war ein Fehler, ihnen von ihr zu erzählen. Dabei wissen sie nur, dass wir früher beste Freunde waren und sich die Freundschaft im Sand verlaufen hat, als wir an die Middle School wechselten. Dass wir uns einfach auseinandergelebt haben.

Ahnen sie, dass da mehr war und ich ihnen etwas verschwiegen habe? Ich bin ein Feigling. In zweierlei Hinsicht. Aber Ally hasst mich. Zurecht. Und ich kann es nicht mehr ändern.

»Jap. Na und? Ich habe nur ein paar Worte mit ihr gewechselt.«

Bei der Erinnerung an unsere kurze Unterhaltung nur wenige Stunden zuvor sinkt meine Laune. Sie hält mich für einen verzogenen, arroganten, selbstverliebten, aufmerksamkeitsbedürftigen Bad Boy, wie sie es wortwörtlich gesagt hat. Bestimmt ist sie nicht die Einzige, die das von mir denkt. Wahrscheinlich reden viele hinter vorgehaltener Hand über mich, sind aber vorneherum nett zu mir. Meine Freunde ausgenommen.

Von mir aus sollen die Leute denken, was sie wollen. In ein paar Monaten haben wir unseren Schulabschluss in der Tasche und dann werde ich meine Mitschüler sowieso nicht mehr sehen. Hauptsache, ich habe meine Freunde um mich, auf die ich bauen kann.

Doch dann muss ich grinsen. Immerhin hat Ally meine Augen mit Zartbitterschokolade verglichen, was wohlgemerkt früher ihre Lieblingsschokolade war. Und sie hat gesagt, dass ich ein blödes umwerfendes Grinsen habe und ganz ansehnlich bin, was ich – wenngleich sie sich eher über mich lustig gemacht hat – einfach mal als Kompliment auffasse.

»Um was ging es denn? Hast du Hailee davon erzählt?«, will Shane wissen. »Immerhin hat sie es mitbekommen.«

Ich zucke mit den Achseln. »Das ist Hailee total egal.«

»Also wenn Austin mit einem anderen Mädchen reden würde, mit dem er jahrelang befreundet gewesen ist, wäre ich schon ein wenig eifersüchtig«, meint Railey und wirft mir einen merkwürdigen Blick zu.

Ich muss schlucken. Sie weiß etwas, hat Hailee mit jemand anderem gesehen. Das hat sie einmal in ihrem Vollrauschunfall erwähnt und versprochen, nichts zu verraten. Seitdem haben wir allerdings nie wieder darüber gesprochen.

»Du wärst nicht nur eifersüchtig, du warst es sogar schon.« Austin drückt ihr liebevoll einen Kuss auf die Stirn. »Wenngleich kein Grund zur Sorge bestand.«

»Man kann ja nie wissen.« Railey verschränkt die Arme vor der Brust und blitzt ihn an. »Außerdem warst du mit Grace kurzzeitig zusammen.«

»Ich gebe Railey recht. Du und Hailee habt schon eine merkwürdige Beziehung«, mischt sich Dean ein. »Manchmal wirkt ihr nicht richtig verliebt ineinander. Oder habt ihr so ein offenes Ding am Laufen?«

»Nicht jeder gibt seine gegenseitige Zuneigung gerne öffentlich preis«, bemerke ich. Was würden sie sagen, wüssten sie die Wahrheit? Aber ich habe Hailee ein Versprechen gegeben und ich halte meine Versprechen.

»Du tust das aber nicht, um Ally eifersüchtig zu machen?«, mutmaßt Shane plötzlich.

»Nein!«, sage ich sofort. »Ally ist Geschichte. Sie ist mir egal.«

»Ihr wart sehr lange miteinander befreundet«, gibt Austin zweifelnd zu bedenken. »Und so, wie ihr euch nach eurem Gespräch noch mal nacheinander umgesehen habt, wirkte das nicht so ...«

Ich verfluche mein verräterisch schneller pochendes Herz.

»Lasst mich doch einfach in Ruhe«, knurre ich und wende mich meinem Wagen zu. Sollen sie doch denken, was sie wollen.

»Ben, kann ich kurz mit dir sprechen?« Austin nimmt mich beiseite. Seine haselnussbraunen Augen mustern mich unschlüssig, als wüsste er nicht, was er sagen soll. »Alles in Ordnung? Du siehst mit den dunklen Ringen unter den Augen und deinem blassen Gesicht wie ein Geist aus einem schlechten Horrorfilm aus und wirkst heute allgemein ziemlich abgeschlagen.«

»Wie ein Geist aus einem schlechten Horrorfilm?«, wiederhole ich kopfschüttelnd. »Vielen Dank für das nette Kompliment.«

Austin schmunzelt. »Na ja, das darf ich mir von Railey auch regelmäßig anhören.«

Wenn er von ihr spricht, leuchten seine Augen auf. Es ist unverkennbar, wie sehr er sie liebt. Habe ich früher auch so ausgesehen, wenn ich an das Mädchen gedacht habe, in das ich verknallt war?

»Ich habe heute nur nicht so gut geschlafen«, erkläre ich schließlich, weil Austin trotz seiner Schwärmerei für Railey ernsthaft besorgt aussieht, und zwinge mich zu einem halbwegs ehrlichen Lächeln. »Außerdem hat mich das Training echt fertig gemacht. Coach Miller nimmt uns hart ran.«

»Okay.« Austin wirkt nicht ganz überzeugt. »Du verhältst dich manchmal komisch und abweisend, als würde dich was beschäftigen, über das du mit uns aber nicht sprechen willst.«

»Ach ja?« Mir wird heiß. Verdammt. Anscheinend kann ich meine Gefühle und Gedanken doch nicht so gut verstecken oder meine Freunde kennen mich besser, als ich dachte. »Dann solltest du dich lieber um unseren Isabella hinterhertrauernden Kyle kümmern. Es hat ihn ziemlich hart getroffen, wenn er sie nach den vielen Monaten noch immer auf Social Media stalkt, aber trotzdem nicht über sie sprechen will.«

»So wie du nicht über das sprichst, was dich beschäftigt. Man merkt dir nämlich an, dass du manchmal in Gedanken bist.« Austin legt mir seine Hand auf die Schulter und sieht mir eindringlich in die Augen. »Du weißt, wenn irgendwas ist, kannst du dich immer an mich wenden? An uns alle. Wir sind gute Zuhörer.«

Ich nicke und zwinge mich zu einem überzeugenden Lächeln. »Ich weiß. Danke. Aber ich bin einfach nur müde. Das ist alles. Es ist alles in Ordnung.«

Dabei ist gar nichts in Ordnung. Es gibt Dinge, über die ich mit meinen Freunden nicht sprechen kann. Dinge, die mir peinlich sind. Dinge, die mich fertig machen. Dinge, die ich ihnen verheimlichen muss, auch wenn ich weiß, dass sie mich niemals verurteilen würden.

***

Nachdem wir uns noch kurz unterhalten haben, steigen wir alle in unsere Autos. Da Hailee neben Railey und Dean wohnt, nehmen die Geschwister und Austin meine ›Freundin‹ mit. Ansonsten hätte ich sie nach Hause gefahren.

Bei mir daheim angekommen, parke ich meinen Audi R8 in der Einfahrt. Dad ist nicht da. Er arbeitet zum Glück noch, also bin ich alleine. Doch selbst wenn er da wäre, würde ich mich einsam fühlen. Denn wenn er nicht gerade müde von der Arbeit kommt und sich kommentarlos in sein Heimbüro verzieht, trifft er sich mit seinen Freunden zum Trinken und Spielen in einer nahegelegenen gehobenen Bar.

Alle denken, unsere Familie wäre perfekt. Wir haben ein großes Haus. Eine Villa, ähnlich der von Kyles Familie. Eine Villa, die sich meine Eltern kurz vor meiner Geburt gekauft haben. Dad ist ein erfolgreicher Autohändler. Er verkauft die teuersten Autos an die reichsten Leute und besitzt selbst solche Fahrzeuge. In der Öffentlichkeit sieht man ihn immer gepflegt mit Anzug, Krawatte und einem einnehmenden Lächeln. Alle Menschen, die mit ihm zu tun haben, mögen ihn.

Dabei haben sie keine Ahnung, wie er in Wirklichkeit drauf ist, wenn er seinen Anzug, seine Krawatte und sein falsches Lächeln abgelegt hat.

Sie haben keine Ahnung, dass meine Mom, die erfolgreichste Maklerin in River Hill, gerade keine Fortbildung macht, sondern sich wegen Burnout in einer Reha befindet.

Seufzend steige ich aus, hänge mir meine Tasche über die Schulter und betrete mein Zuhause, das sich für mich nicht wirklich wie ein Zuhause anfühlt.

Wie es charakteristisch für die meisten Villen in diesem Viertel ist, hat auch unser Haus einen quadratischen Grundriss und ist von einem Garten umgeben, der uns vor den neugierigen Blicken unserer Nachbarn abschirmt. Eine weitläufige Terrasse lädt an lauen Sommerabenden zum Entspannen und Grillen ein.

Doch auch innen bietet das Haus viel Platz. Durch die großen bodentiefen Fenster fallen die Sonnenstrahlen herein und tauchen die Zimmer in ein helles Licht. Aufgrund der hohen Wände wirken diese noch größer. Zudem meine Eltern beim Bau darauf geachtet haben, die oberen Etagen ohne Dachschrägen zu bauen, damit die Zimmer mehr Volumen haben.

Obwohl ich mich glücklich schätzen kann, dass meine Eltern gut verdienen und wir in einer Stadtvilla wohnen, auf die meine Mitschüler bestimmt neidisch sind, fühle ich mich in diesem riesigen Haus ganz klein und allein.

Bis ich die Katzenklappe höre. Na gut, ich bin nicht ganz allein. Cookie kommt laut miauend angelaufen. Den Namen hat unsere schwarze Katze ihrem einzigen weißen runden Fleck unter der Nase zu verdanken.

Ich gehe in die Vorratskammer, wo ihr Futternapf steht. Cookie folgt mir laut schnurrend. Dort knie ich mich auf den Boden und halte meine Hand zu einer Faust geballt vor mich. »High Five, Stinkepupsbärin.«

Ich öffne meine Faust, sodass meine Handfläche vor ihrem Gesicht ist. Cookie hebt die Pfote und berührt mit ihren Ballen meine Handfläche.

»Super gemacht.« Zur Belohnung fülle ich ihren Futternapf auf, woraufhin sie schnurrend ihr Fressen mampft.

Wir haben sie vor drei Jahren als kleines Baby von einer von Moms Freundinnen übernommen, deren Katze mehrere Junge bekommen hat. Mithilfe von Clickertraining hat Mom schon früh angefangen, sie zu konditionieren, damit sie High Five gibt.

Während Cookie frisst, räume ich den schon wieder vollen Geschirrspüler aus. Nachdem ich eine Kleinigkeit gegessen und die Hausaufgaben für morgen am Küchentisch erledigt habe, lasse ich mich erschöpft auf die Couch im Wohnzimmer fallen.

Cookie, die die ganze Zeit über neben mir gelegen hat, hüpft zu mir und macht es sich mit einem zufriedenen Schnurren auf meinem Bauch bequem, wo sie anfängt, sich ausgiebig zu putzen.

Es ist Donnerstagnachmittag. Railey und Austin wollen heute Abend für sich sein und Dean hat ein Date mit seinem Freund. Hailee ist mit Kyra verabredet, Shane hat ein Fotoshooting und Kyle darf auf einer Familienfeier mit seiner Anwesenheit glänzen, weshalb heute niemand Zeit hat.

Aus Langeweile greife ich nach meinem iPad. Eigentlich will ich nach einer neuen Serie suchen, die ich anfangen könnte. Doch mein Blick fällt auf eine Mail, die ich heute Mittag erhalten habe. Sie ist von meinem ehemaligen Karatetrainer.

Lieber Ben,

wie schön, dass du dich wieder meldest.

Schade, dass dir Kickboxen nicht zugesagt hat. Aber ich dachte mir schon, dass du nicht der Typ dafür bist. Sehr gerne kannst du meinen anderen Kurs besuchen. Ich freue mich immer über neue, begeisterte Schüler. Deine Karateerfahrung wird dir sicher von Vorteil sein, auch wenn das mittlerweile schon ein paar Jahre her ist. Das macht gar nichts. Heute um 18:00 Uhr findet das nächste Training statt. Komm gerne ganz unverbindlich vorbei und trainiere mit uns. Dann kannst du dich davon überzeugen, ob es was für dich ist.

Bis hoffentlich heute Abend

Steven

Ich runzle die Stirn. Wenn man es genau nimmt, wäre ich kein neuer, sondern ein neuer alter Schüler. Andererseits ist mein letztes Karatetraining wirklich bereits ein paar Jahre her. Obwohl ich noch verschiedene Techniken kenne, bin ich ziemlich eingerostet.

Ich blicke auf die Uhr. Bis Trainingsbeginn hätte ich noch zwei Stunden. Wobei Karate früher immer montags und mittwochs stattgefunden hat. Oder hat Steven die Tage getauscht, da er ja nebenher noch Kickboxen und Judo unterrichtet? Soll ich Karate überhaupt noch mal probieren und riskieren, dort wieder auf Ally zu treffen?

Hin- und hergerissen starre ich die Mail an, wäge Argumente für und gegen das Probetraining ab, die ich in der Notiz-App meines iPads notiere.

Pro:

1. Ich habe eine Ausrede, weshalb ich nicht daheim sein kann, wenn Dad nach Hause kommt

2. Ich komme von daheim weg

3. Ich hätte etwas zu tun und mir wäre nicht langweilig

4. Ich könnte meine alte Karate-Leidenschaft wieder aufleben lassen


Kontra:

1. Karate hat mich irgendwann gelangweilt

2. Ich könnte Ally wieder treffen

Soll ich das riskieren? Wir waren beste Freunde, aber ich habe es vergeigt. Egal, wie sehr ich sie manchmal vermisse, sie ist schon in der Schule nicht so gut auf mich zu sprechen. Was, wenn wir im Partnertraining zusammenkommen? Wobei diese meistens eher zwischen Partnern mit ähnlichen Ausbildungsgraden stattfinden. Wenn Ally überhaupt noch Karate betreibt, müsste sie jetzt viel weiter sein als ich, da mir ja einige Jahre und somit die Prüfungen fehlen, mit denen ich die nächsten Gürtelgrade erreichen könnte. Außerdem: Warum sollte ich die Wahl meiner Sportart von einem Mädchen abhängig machen? Ich sollte es tun, weil ich Spaß daran habe.

Eine Weile sitze ich gedankenverloren da und streichle Cookie. Doch dann hüpft sie von mir herunter und verschwindet nach draußen. Vermutlich, um sich wieder mit dem benachbarten Kater zu treffen, mit dem sie häufig im Garten spielt. Ich seufze auf. Nicht einmal meine Katze hat Zeit für mich.

Ein weiteres Mal lese ich mir die Mail von Steven durch.

Vielleicht sollte ich es einfach mal ausprobieren.

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