Das Licht in unseren Schatten

By Kuralie

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Dina hat alles, was man sich wünschen kann. Sie ist eine Musterschülerin und mit dem reichen Simon zusammen... More

Vorwort
Kapitel 1 - Ein heimliches Gespräch
Kapitel 2 - Die Sache mit der Spinne
Kapitel 3 - Gefangen mit dem Feind
Kapitel 4 - Gemeinsam allein
Kapitel 5 - Niemand
Kapitel 7 - Es war einmal
Kapitel 8 - Die Saat des Zweifels
Kapitel 9 - Allein zu viert
Kapitel 10 - Ein kolossaler Irrtum
Kapitel 11 - Ein verdächtiger Wandel
Kapitel 12 - Schmutzige Spielchen
Kapitel 13 - Geister der Vergangenheit
Kapitel 14 - Bittersüße Übelkeiten
Kapitel 15 - Wer nicht mehr irrt
Kapitel 16 - Eine klatschnasse Rettungsaktion
Kapitel 17 - Wer im Glashaus sitzt
Kapitel 18 - Böse Blicke
Kapitel 19 - Das letzte Teil des Puzzles
Kapitel 20 - Es war einmal die Wahrheit
Kapitel 21 - Hinter der Fassade
Kapitel 22 - Steine und Wege
Kapitel 23 - Auf dünnem Eis
Kapitel 24 - Eiskalt erwischt
Kapitel 25 - Auf den zweiten Blick
Kapitel 26 - Der Deal
Kapitel 27 - Schritt für Schritt
Kapitel 28 - Simons Plan
Kapitel 29 - Ein Flüstern um Mitternacht
Kapitel 30 - Sonnenschein um Mitternacht
Kapitel 31 - Die Herausforderung
Kapitel 32 - Genug ist genug
Kapitel 33 - Glück im Spiel
Kapitel 34 - Was lange währt
Epilog
Extrakapitel 1
Extrakapitel 2
Nachwort
Kapitel 1 - Ein heimliches Gespräch
Kapitel 2 - Die Sache mit der Spinne
Kapitel 3 - Gefangen mit dem Feind
Kapitel 4 - Gemeinsam allein
Kapitel 5 - Niemand
Kapitel 6 - Simons Panik
Kapitel 7 - Es war einmal
Kapitel 8 - Die Saat des Zweifels
Kapitel 9 - Allein zu viert
Kapitel 10 - Ein kolossaler Irrtum
Kapitel 11 - Ein verdächtiger Wandel
Kapitel 12 - Schmutzige Spielchen
Kapitel 13 - Geister der Vergangenheit
Kapitel 14 - Bittersüsse Übelkeiten
Kapitel 15 - Wer nicht mehr irrt
Kapitel 16 - Eine klatschnasse Rettungsaktion
Kapitel 17 - Wer im Glashaus sitzt
Kapitel 18 - Böse Blicke
Kapitel 19 - Das letzte Teil des Puzzles
Kapitel 20 - Es war einmal die Wahrheit
Kapitel 21 - Hinter der Fassade
Kapitel 22 - Steine und Wege
Kapitel 23 - Auf dünnem Eis
Kapitel 24 - Eiskalt erwischt
Kapitel 25 - Auf den zweiten Blick
Kapitel 26 - Der Deal
Kapitel 27 - Schritt für Schritt
Kapitel 28 - Simons Plan
Kapitel 29 - Ein Flüstern um Mitternacht
Kapitel 30 - Sonnenschein um Mitternacht
Kapitel 31 - Die Herausforderung
Kapitel 32 - Genug ist genug
Kapitel 33 - Glück im Spiel
Kapitel 34 - Was lange währt
Epilog
Geliebter Feind: Extrakapitel 1
Geliebter Feind: Extrakapitel 2

Kapitel 6 - Simons Panik

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By Kuralie

Manche Leute können ihren Kopf nur freibekommen, wenn sie joggen gehen.

Sie sagen, dass beim Laufen all ihre Probleme in den Hintergrund rücken und am Ende nur noch der Weg vor ihnen zählt. Es ist ihre Art, sich eine Auszeit zu gönnen und wieder zurück auf den richtigen Kurs zu finden.

Andere wiederum müssen ihre Hände beschäftigen, um eine Ablenkung zu finden oder in Ruhe nachdenken zu können. Sie stricken Socken, backen Muffins, oder falten Origamikraniche.

Ich hingegen war weder besonders geschickt noch sonderlich begeistert von sportlichen Aktivitäten.

Meine Art, die Seele baumeln zu lassen, hatte mit heißem Wasser zu tun und jeder Menge flaumigem, knisterndem Schaum. Im Normalfall war ein langes Bad genau das, was ich brauchte, damit ich anschließend erfrischt und mit neuer Energie aus der Wanne steigen konnte.

Als ich nun jedoch mitten in der Nacht im heißen Wasser saß, dessen Dampf das ganze Bad erfüllte und dem Plätschern lauschte, das mich normalerweise beruhigte, stellte ich schlecht gelaunt fest, dass meine Laune noch immer im Keller war.

Ich versuchte mir einzureden, dass mein Gemütszustand der Nacht auf dem harten Betonboden in einem staubigen Keller zuzuschreiben sei, aber wem wollte ich was vormachen?

Klar, ich war mit dem berüchtigten Alexej in einem Raum eingesperrt gewesen, aber er hatte mir nichts getan. Er hatte mich zwar beleidigt und bedroht, aber damit konnte ich umgehen. Er hätte mich in die Ecke drängen oder schlecht über meinen Freund reden können, aber das hatte er nicht.

Um genau zu sein hatte er nicht die kleinste Andeutung gemacht, und das verwirrte mich.

Ich war mir ziemlich sicher, dass Alexej keine leeren Drohungen aussprach. Ich wusste nicht, was ich darüber denken sollte, aber all dies musste warten, bis das Wochenende vorüber war.

Im Moment beschäftigten mich andere Probleme und eines davon hatte damit zu tun, dass ich gerade selbst am liebsten schlecht über meinen Freund geredet hätte.

Als ich vor einer halben Stunde nämlich die Auffahrt zu unserem Haus hinauf gelaufen war, galt meine Besorgnis niemand geringerem als Simon. Er hatte mir mehrere Nachrichten hinterlassen und mehrfach versucht mich zu erreichen.

»Schätzchen«, hatte meine Mutter jedoch gesagt, als ich seine Nummer bereits gewählt hatte »wenn du Simon anrufen willst, würde ich das lieber auf morgen verschieben.«

»Wieso?«, hatte ich gefragt in der Annahme, mein Freund müsste auf Nadeln sitzen.

Doch was meine Mutter dann gesagt hatte, ließ mich nun grimmig nach der Shampooflasche greifen und das Doppelte der Menge herausquetschen, die ich sonst eigentlich verwendete.

»Dein Freund schläft bereits, Dina.«

Die Worte hallten in meinem Kopf wider und ich schäumte mir grob die Haare ein. Der leckere Erdbeerduft, der mich sonst immer fröhlich stimmte, trug nichts zu meiner Stimmung bei.

Viel zu verblüfft war ich gewesen, als mir klar geworden war, dass Simon ganz einfach zu Bett gegangen sein musste, nachdem ich nicht bei der Party aufgetaucht war. Ich war so empört gewesen, dass ich das Handy unsanft zurück in die Tasche gestopft hatte, ohne eine einzige Nachricht zu lesen.

»Dina«, hatte meine Mutter mir hinterher gerufen, als ich verstimmt davongestapft war. »Sei ihm nicht böse, ja? Er wusste doch gar nicht, dass du vermisst wirst.«

Und das entsprach zumindest der Wahrheit.

Nachdem ich gestern Abend nicht nach Hause gekommen war, hatten meine Eltern Sara kontaktiert und dabei von der Party bei den Darcys erfahren.

Es verstand sich von selbst, dass meine Eltern mich am liebsten gemeuchelt hätten, weil ich ihnen nicht Bescheid gesagt hatte, und sie beschlossen gemeinsam auf mich zu warten, damit sie mir eine Standpauke zum Thema elterlicher Fürsorgepflicht halten konnten, sobald ich nach Hause kam. Ich war froh, dass ich um dieses Gespräch herumgekommen war.

Die beiden hatten bestimmt in der Küche gestanden, beide eine Tasse Kaffee in der Hand und darüber diskutiert, ob ich nun doch in die rebellische Phase der Pubertät gekommen sei. Bestimmt hatten sie sich dabei ausgemalt, wie ich in Zukunft nachts aus dem Fenster klettern würde, um in einer verkifften Absteige literweise Wodka zu trinken.

Ich konnte mir vorstellen, wie meine Mutter löffelweise Zucker in ihren Espresso kippte, bis mein Vater ihr schließlich die Tasse weggenommen hatte, um ihre Hände festzuhalten. Trotz dieser Angewohnheit mochte meine Mutter Zucker nämlich gar nicht. Weder im Kaffee noch sonst irgendwo.

Als die Uhr dann irgendwann zwölf geschlagen hatte, ohne dass ich mich blicken ließ, hatten sie das Warten nicht mehr ausgehalten.

Man muss nicht erwähnen, dass meine Mutter aus allen Wolken gefallen war, als Frau Darcy dann – ziemlich unwirsch, weil man sie aus dem Bett geholt hatte – beteuerte, dass die Freundin ihres Sohnes es mitnichten für wert befunden hatte, ihrer Party beizuwohnen. Und zwar genau in diesen Worten.

Ich machte mir eine geistige Notiz, dieser Frau besser nicht so bald unter die Augen zu treten. Es schien nicht so, als hätte ich nach dieser Aktion einen Stein bei ihr im Brett. Ich warf den Waschlappen gegen die geflieste Wand. Er kam mit einem lauten Klatschen auf und plumpste zurück ins Wasser. Grummelnd schnappte ich ihn mir und wrang ihn aus.

Im Grunde war mir ja klar, dass ich mich wieder mit Simon versöhnen würde. Obwohl Versöhnung wohl nicht das richtige Wort war, wenn man bedachte, dass er von meiner Wut noch gar nichts wusste.

Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ihm so lange keine Antwort zu geben, bis er sich so richtig Sorgen machte.

Als meine Finger jedoch schrumpelig geworden waren und das Wasser langsam kalt wurde, traf ich den Entschluss, ihm eine kurze Nachricht zu hinterlassen.

Ich sollte ihm sagen, dass es mir gut ging und wir später reden würden. In den letzten Stunden hatte ich genug Ärger gehabt, da brauchte ich nicht auch noch Beziehungsstress.

Ich wickelte mich in ein Handtuch und trat in den Flur hinaus. Aus dem Wohnzimmer drangen die gedämpften Stimmen meiner Eltern zu mir hoch und ich blieb oben an der Treppe stehen, um zu lauschen. Sie sprachen jedoch viel zu leise und so verzog ich mich in mein Zimmer.

Wahrscheinlich ging es darum, wie sie den Schulleiter am besten verklagen konnten. Ein schmales Lächeln schlich sich auf meine Lippen, denn ich fand es durchaus amüsant, dass die Fürsorglichkeit meiner Eltern nicht nur mir Schwierigkeiten bereiten konnte.

Ich ging nicht davon aus, dass sie tatsächlich einen Anwalt anrufen würden, aber für den Bruchteil einer Sekunde ging mir der Blick durch den Kopf, den der Direktor in Alexejs Richtung geworfen hatte und ich verspürte so etwas wie Genugtuung bei der Vorstellung, wie meine Mutter einen Brief an die Schulkommission schriebe, in dem sie den Direktor zur Schnecke machte.

Ich ging im Halbdunkeln zu meinem Nachttisch hinüber und knipste das Lämpchen an.

Gemächlich zog ich mir ein paar bequeme Klamotten an und band meine Haare zu einem unordentlichen Knoten hoch. Als ich mich schließlich auf mein Bett warf, fühlte ich mich schon sehr viel besser. Behaglich streckte ich mich aus und zog die dünne Decke über meine Beine.

Dann angelte ich nach meiner Tasche und kramte nach meinem Handy. Als ich es gefunden hatte, drehte ich mich auf den Rücken und öffnete Simons Nachrichten, um die ersten Zeilen davon zu überfliegen.

(17:47): Ich hol dich nachher ab, klappt alles wie geplant?

(17:56): Hallo?

(18:09): Dina, du weißt, wie sehr ich es hasse, wenn du keine Antwort gibst!

(18:23): Dina?

(18:29): Wir kommen jetzt bei dir vorbei. Meine Mutter hat extra einen Fahrer organisiert und ich hoffe, du bist fertig, wenn wir ankommen!

Ich verdrehte die Augen. Genau wie ich es mir gedacht hatte! Er konnte nicht mal zehn Minuten warten, bevor er nachhaken musste. Ich spürte den eben erst abgeflauten Ärger erneut in mir aufsteigen.

Wenn ich unzuverlässig gewesen wäre, dann hätte ich vielleicht verstehen können, warum er zu Bett gegangen war, ohne sich Sorgen zu machen. Aber eben wegen dieser Ungeduld, die vermutlich die einzige Charakterschwäche war, die man an meinem Freund finden konnte, musste er doch mittlerweile wissen, dass ich mich gemeldet hätte.

Ich fragte mich, ob Simon das wohl verstehen würde, wenn ich es ihm erklärte. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust auf ein solches Gespräch und vielleicht wäre es sogar besser, gar nichts zu sagen. Aber im Moment wollte ich diese Entscheidung nicht treffen.

Ich rollte mich auf die Seite und las den Rest.

Als Nächstes hatte er mir eine Sprachnachricht hinterlassen. Zwei verpasste Anrufe waren dieser voraus gegangen und ich nahm an, dass er nicht gerade erbaut darüber gewesen war, auf der Mailbox zu landen. Wie erwartet, klang Simons Stimme sauer, als sie etwas verzerrt an mein Ohr drang.

(18:34): Herrgott, Dina! Jetzt heb endlich ab!

(18:49): Wo bist du? Hier öffnet niemand die Tür! Wir stehen hier wie bestellt und nicht abgeholt. Sag bitte, dass du's nicht vergessen hast!

(19:05): Dina, ich hoffe, du hast eine gute Erklärung.

(19:08): Verdammt! Wir gehen jetzt. Gib Bescheid, wenn du doch noch auftauchen willst.

(19:27): Sind jetzt hier, meine Eltern sind ganz schön enttäuscht von deinem Verhalten.

Empört rollte ich mich auf den Bauch und starrte auf das Display hinunter. Ich war mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob ich tatsächlich die Klappe halten sollte.

Hatte ich mir nicht erst gerade vorgenommen, dass ich mich in dieser Hinsicht bessern wollte?

Hastig scrollte ich nach unten und als mein Blick auf die nächste Zeile fiel, klappte mir der Mund auf.

(19:37): Wo treibst du dich rum? Du triffst dich doch nicht etwa mit einem anderen!

»Super«, knurrte ich. »Ganz toll.«

Jetzt war ich froh darüber, diese Nachrichten nicht schon in der Auffahrt gelesen zu haben, denn sonst hätte vermutlich nicht ich ein heißes Bad genommen, sondern mein Telefon. Wie konnte er mir so etwas vorwerfen? Immerhin könnte ich gerade in einem Straßengraben liegen oder im Krankenhaus sein.

Am liebsten hätte ich die nachfolgende Sprachnachricht ignoriert, aber dann drückte ich grimmig doch noch auf den Knopf und Simons reuevolle Stimme erklang.

(19:57): Sorry, Dina, das Letzte habe ich nicht sagen wollen. Ruf mich bitte an!

Sein schuldbewusster Tonfall hätte mich beinahe besänftigt, aber die letzte Nachricht klang überhaupt nicht mehr reumütig.

(20:23): Dann lass es eben!

Meine Hand schloss sich wie von selbst um das Gerät, bis meine Knöchel weiß hervorstachen.

Dann lass es eben! War Simon sich überhaupt bewusst, was er da schrieb?

Da antwortete ich ein einziges Mal in unserer Beziehung nicht unmittelbar und er machte ein solches Theater? Wo war sein friedliches Wesen abgeblieben? Konnte er etwa nur höflich sein, wenn es nach seinem Kopf ging? Und war nicht er es, der Geheimnisse vor mir hatte?

In einer Kurzschlussreaktion setzte ich mich auf und begann zu tippen. Es war mein Ärger, der mich antrieb. Ärger, weil mein Freund mir nicht vertraute. Weder, um mir von dem Gespräch mit Alexej zu erzählen, noch um sich sicher zu sein, dass ich ihn nicht betrügen würde.

Als ich fertig war drückte ich auf Senden und warf das Gerät auf die andere Seite meines breiten Bettes. Dann zog ich die Decke über den Kopf und vergrub meine Nase in meinem Kissen.

(03:12): Ich war mit Alexej zusammen, wenn du es genau wissen willst!

***

Ein Klingeln riss mich aus meinem Schlaf und ich war einen Moment lang völlig desorientiert. Ich strampelte die Decke nach unten und angelte nach dem Handy, das auf der Bettkante lag.

Jetzt, da ich ausgeruht war, kam mir meine Racheaktion ganz schön kindisch vor. Was hatte ich mir dabei gedacht so etwas zu schreiben? Simon hatte es bestimmt nicht böse gemeint. Doch jetzt konnte ich wohl nur noch Schadensbegrenzung betreiben.

Ein Blick auf das Display zeigte mir drei Nachrichten von ihm.

(09:17): Mit Alexej? Sag mir bitte, dass du ihm nicht glaubst! Nichts davon stimmt!

(10:51): Knuffelchen, du musst mir glauben!

(12:42): Egal, was er gesagt hat, es stimmt nicht. Ich schwöre dir, dieser Mensch lügt, wenn er den Mund aufmacht!

Irritiert blinzelte ich.

Diese Nachrichten waren nicht unbedingt das, was ich erwartet hatte. Aus den Texten sprach eine solche Panik, dass mir mulmig wurde. Wovon redete er? Hatte er vielleicht Angst, dass Alexej bereits versucht haben könnte, ihn mir madig zu machen?

Bevor ich mir einen Reim darauf machen konnte, klingelte es jedoch erneut und ich realisierte, dass jemand vor der Haustür stand und läutete.

Ein Blick auf den Wecker zeigte mir, dass es bereits früher Nachmittag war, und meine Augen weiteten sich ungläubig. Eilig stand ich auf, stolperte zum Fenster hinüber und lehnte mich hinaus. Zuerst konnte ich nichts weiter erkennen als einen riesigen Strauß gelber Rosen, doch dann drückte die Person erneut auf die Klingel, diesmal deutlich länger, und ich erkannte, dass es Simon war.

Ich schaute an mir hinunter und verzog das Gesicht. Ich sah aus, als wäre ich direkt aus irgendeiner Höhle gekrochen.

Schnell ging ich zu meinem Schrank und zerrte ein paar Jeans heraus. In Jogginghosen und Schlabbershirt konnte ich mich auf keinen Fall zeigen.

Ich wusste noch genau, was für ein Gesicht Simon gezogen hatte, als er mich das erste Mal ungeschminkt und in einem ähnlichen Aufzug gesehen hatte.

In seiner Familie gab es so etwas nicht, aber bei uns war es völlig normal, morgens im Pyjama in der Küche zu erscheinen und in Schlabberklamotten vor dem Fernseher zu sitzen. Normalerweise schminkte ich mich nicht, wenn es keinen Anlass dazu gab.

Jetzt hingegen hätte ich schon ein wenig Farbe auf den Wangen vertragen können, wie mir der mannshohe Spiegel in der Ecke verriet. Meine grünblauen Augen wirkten trotz meiner Eile verschlafen und meinen Teint konnte man wohl, ohne beleidigend zu werden, als käsig bezeichnen.

Im Schlaf hatte mein Haargummi sich gelöst und meine Haare standen wieder einmal in alle Richtungen ab. Ich schnappte mir einen Kamm, um die Sache in Ordnung zu bringen, und rannte dann ins Bad, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.

Es hatte nicht noch einmal geklingelt und ich hatte Angst, dass Simon gegangen sein könnte.

Meine Eltern mussten beide schon weg sein, denn meine Mutter hatte wieder Spätdienst und mein Vater traf sich samstagnachmittags gewöhnlich mit seinen Freunden. Wahrscheinlich hatte er mir eine Nachricht auf dem Esstisch hinterlassen, wie er das immer tat, wenn er wegging. Irgendwie hatte ich ihm das nie abgewöhnen können.

Als ich die Treppe hinunter kam, sah ich den Zettel schon dort liegen und ich musste schmunzeln. Dann jedoch beeilte ich mich zur Tür zu kommen.

Das Erste was ich wahrnahm, als ich diese aufriss, war der intensive Duft der Rosen, der mir entgegen schlug. Hinter dem großen Strauß stand mein Freund und blickte mich an, als befürchtete er, dass ich jeden Moment in die Luft gehen könnte.

»Dina!«, sagte er auch schon, bevor ich überhaupt zu Wort kommen konnte, und ich ging eilig zur Seite, als er eintrat. »Ich kann alles erklären. Gib mir einfach eine Chance dir zu sagen, warum er solche Dinge erzählt!«

»Ähm«, stotterte ich und schloss die Tür.

Seine Stirn hatte sich in tiefe Sorgenfalten gelegt. Ich hatte ihn noch nie so angespannt und ängstlich erlebt. Er wirkte, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn überhaupt reinlassen würde.

»Glaub mir bitte, dieser verdammte Russe ist ein elender Lügner«, fuhr er fort. »Er macht das nicht zum ersten Mal!«

»Simon!«, rief ich und hob die Hände. »Jetzt komm mal wieder runter! Ich verstehe kein Wort von dem, was du mir hier sagen willst, und um ehrlich zu sein habe ich auch keine Lust das hier im Flur zu besprechen.«

Er klappte den Mund zu und starrte mich an. Dann nickte er bedächtig und schaute hinunter auf das Bouquet.

»Ich hab dir deine Lieblingsblumen mitgebracht.«

Meine Lieblingsblumen waren weiße Tulpen.

Aber die Geste war aufmerksam und man beschwert sich schließlich nicht, wenn man etwas geschenkt bekommt.

Ich nickte langsam und deutete zum Wohnzimmer hinüber.

»Wir stellen sie ein, okay? Und dann reden wir.«

Ich ging voran und er folgte mir. Sein Verhalten brachte mich ganz durcheinander. Normalerweise war er derjenige, der sagte, was wir tun sollten und ich stimmte ihm einfach zu.

Jetzt hingegen hatten sich die Rollen vertauscht. Er trottete mir zögerlich hinterher und ich spürte mehr und mehr das Verlangen, endlich zu erfahren, was hier vor sich ging.

Doch ich fürchtete, dass es sich um ein längeres Gespräch handelte, und so suchte ich erst einmal eine Vase für die Blumen. Der Strauß musste ein Vermögen gekostet haben und ich fragte mich unwillkürlich, wie lange Simon dafür hatte arbeiten müssen. Es wäre eine Schande, wenn die Blumen nun anfangen würden, die Köpfe hängen zu lassen.

Ich kramte in dem großen Schrank herum, bis ich ein Gefäß gefunden hatte, das groß genug war. Schweigend füllte ich es mit Wasser und platzierte das Bouquet auf dem Wohnzimmertisch.

»Also«, sagte ich und drehte mich mit entschlossener Miene zu meinem Freund um.

»Ich will jetzt wissen, was hier läuft.«

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