Luna
Ich öffne meinen Kleiderschrank und öffne die Türen so weit es geht, damit auch Drew vom Bett aus eine Sicht auf meine Klamotten hat. Er ist mir nicht von der Seite gewichen, als er meinen Zusammenbruch miterlebt hat. Seine Worte und seine kleinen Berührungen gaben mir die Kraft, die ich gebraucht habe, um mich aufzurappeln. Nur dank ihm schaffte ich es die wenigen Schritte bis zu meinem Kleiderschrank zu gehen, um mir ein passendes Outfit für die bereits laufende Grillparty zu suchen.
Nachdem mir Isabell vorhin eine Nachricht schrieb, dass sie mehr Zeit brauchten, holten wir Bonny ab und fuhren zu ihrem Lieblingsspielplatz. Die Zeit war schön, Bonny freute sich riesig auf Dad und gewöhnte sich ziemlich schnell an seine Anwesenheit. Sie zog ihn nach den ersten drei Minuten direkt mit sich auf die Rutsche und ihnen dabei zuzusehen, erinnerte mich an früher, als Dad mit mir so unbeschwert die Zeit verbracht hat. Das alles von früher ist mit dem jetzt gar nicht zu vergleichen und manchmal erwischte ich mich selbst dabei, wie meine Gedanken immerzu an früher abwichen. Ich konnte mich nicht darauf freuen, dass ich meinen Dad wieder habe und als ich endlich allein war und unter die Dusche stieg konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. Ich dachte niemand würde mitbekommen, wie sehr mich das alles bedrückt, doch Drew merkte es natürlich. Und ich war unendlich erleichtert, dass er bei mir war, auch wenn ich es anfangs nicht wollte. Er sollte nichts von meinen starken Schwächen wissen, aber er vermittelte mir das Gefühl verstanden zu werden und mehr brauchte ich in diesem Moment nicht.
»Was soll ich anziehen?« Ich kralle meine Hand in den Griff des Kleiderschrankes und drehe mich dann Drew zu, der auf meinem Bett liegt und mich von dort aus angrinst. »Wie wäre es mit nichts?« Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu, woraufhin er lachend die Hände ergebend in die Höhe wirft.
»Schon gut, schon gut. Wie wäre es mit etwas kurzem und engen?«
»Kurz und eng?«, wiederhole ich spöttisch seine Worte und ziehe die Augenbrauen hoch. »Ich glaube ich muss mir einen anderen Modeberater suchen.« Ohne mich von ihm abzuwenden, streife ich mir meine kurze Shorts von den Beinen und kicke es in eine Ecke. Dann ziehe ich mir den Pullover vom Kopf und behalte dabei Drew in den Augen. Er starrt mich eindringlich an, seine Augen weiten sich und ich sehe, wie sein Adamsapfel hüpft. Drew beäugt mich von unten bis oben, diesen Vorgang wiederholt er einige Male und damit ist meine ganze Frustration von vorhin wie verpufft. Hitze steigt in meinem Körper auf, mein Herz donnert und schlägt wild herum und das Atmen fällt mir schwerer.
Drew räuspert sich, erhebt sich von meinem Bett und kommt mit schweren Schritten auf mich zu. Er umfasst mit seinen kalten Fingern meinen Rücken und zieht mich an sich heran. Ich bin umgeben von seinem Duft, ich versuche die Fassung zu bewahren.
»Wie wäre es, wenn wir die Grillparty ausfallen lassen und stattdessen die Zeit in deinem Zimmer totschlagen?« Seine raue Stimme geht mir bis tief unter die Haut und als er sich vorbeugt, meinen Kopf etwas nach hinten drückt und beginnt meinen Hals zu küssen, stellen sich alle Härchen auf meinen Armen auf.
»Und was machen wir?«, frage ich schweratmend.
»Ich hätte da ein paar Ideen.« Sein heißer Atem streift meine Haut, meine Beine fangen direkt an zu zittern. Ich möchte mich an ihn klammern, an seinen Haaren ziehen und ihn küssen, bis wir beide keine Luft mehr bekommen. Drew lässt seine Hand meinen Arm entlang wandern, dann driftet er ab bis zu meinem Bauch. Mein Unterleib zieht sich zusammen, ich beiße mir fest auf die Lippen und kann mich nicht mehr lange halten. Mit meiner letzten Kraft ziehe ich mich auf meine Zehenspitzen hoch und drücke ihm meine Lippen auf den Mund. Drew übernimmt die Kontrolle, küsst mich fordernd und eindringlich. Mir wird ganz schwindelig, ich kralle mich in seinen Haaren fest und genieße dieses Gefühl, welches er immer in mir auslöst. Seine Zunge dringt in meinen Mund, Minuten vergehen bis wir uns für einen kurzen Moment lösen, nur um nach ein paar Sekunden wieder übereinander herzufallen.
Ein sanftes Klopfen an der Tür reißt uns beide voneinander los. Mein Herz überschlägt sich, verwirrt starre ich Drew an.
»Luna? Bist du in deinem Zimmer?« Es ist Dad. Meine Wangen glühen vor Hitze, als ich hektische Bewegungen mache, mir an die eigenen Haare fasse und überlege was wir tun können. Ich bin in Unterwäsche und Drew steht in meinem Zimmer.
»Ja, ich bin hier«, rufe ich mit zusammengepressten Augen und funkle Drew dann hilfesuchend an. Er zieht amüsiert die Mundwinkel nach oben und sieht diese Situation, anders als ich, völlig entspannt an.
»Kann ich rein kommen? Du bist schon ziemlich lange hier oben. Ich wollte nach dir sehen.«
Mein Blick fällt auf meinen geöffneten Kleiderschrank. Hektisch deute ich darauf um Drew zu vermitteln, dass er sich reinquetschen soll. Er zieht nur die Augenbrauen in die Höhe, als würde er mich stumm fragen, ob das wirklich mein Ernst ist. Da er keine Anstalten macht sich zu bewegen, schiebe ich ihn in den Schrank, bis er sich geschlagen gibt und tut was ich möchte.
»Einen Moment.« Schnell suche ich nach etwas zum Überziehen und schnappe mir schließlich meinen weißen Bademantel, der noch an meinem Schreibtischstuhl hängt. Mit der Angst erwischt zu werden stampfe ich zur Tür und ziehe sie in einem hohen Schwung auf.
Dad steht mit einem frischen, dunkelgrünen Hemd vor meiner Tür. Er sieht andauernd auf den Boden, spielt verträumt mit seinen trockenen Händen rum und wirkt eingeschüchtert von mir. Was zur Hölle?
»Sorry, Dad. Ich brauchte etwas Zeit für mich, deswegen dauert es bei mir ein wenig«, sage ich tonlos und gebe innerlich zu, dass dies sogar der Wahrheit entspricht. Nur die Sache mit dem gutaussehenden Typen in meinem Schrank lasse ich aus.
»Das habe ich mir schon gedacht. Echt der Wahnsinn, was Isabell auf die Beine gestellt hat, was?« Er ringt sich zu einem Lächeln, welches nicht aufrichtig wirkt. Was ist denn los mit ihm?
»Ich denke wir sind es beide nicht gewohnt sich in so einer Menschenmenge aufzuhalten.« Dads Augen flitzen zu meinen hoch, er bändigt mich mit seinem Blick. Beinahe taumle ich einen Schritt in mein Zimmer zurück, da ich keinen Schimmer habe was bei ihm durch den Kopf geht.
»Wir haben nie darüber geredet wie für dich die letzte Zeit wirklich war. Also wie es dir ergangen ist.« Dad räuspert sich, drückt den Rücken durch und wartet nervös auf eine Antwort. Ich lege meine Stirn in Falten und kralle mich mit einer Hand am Türgriff fest.
»Wie kommst du genau jetzt darauf?«, frage ich langsam. Dad zuckt bloß mit den Schultern, sein Blick schweift zum Boden.
»Keine Ahnung. Ich möchte nicht, dass du dich im Stich gelassen fühlst, oder so. Ich wollte immer nur dein Bestes.« Wegen der Angst, dass Dad gleich auch einen Zusammenbruch erlebt wie ich eben, ziehe ich ihn in eine Umarmung und drücke ihn so fest ich kann. Dad und ich haben eine Menge zu bereden und er hat recht mit dem was er gesagt hat. Ich habe mich von der ganzen Welt im Stich gelassen gefühlt.
»Mir geht es gut Dad«, flüstere ich und versuche ernst zu klingen. Wenigstens für diesen Abend soll er die Freude empfinden, die er verdient hat. Alles drumherum können wir noch in den nächsten Tagen klären.
»Ich ziehe mich jetzt um und komme dann direkt zu euch in den Garten. Okay?« Dad löst sich von mir und nickt mir zustimmend zu.
»Ich lege dir ein Steak zur Seite.« Und mit diesen Worten verschwindet er. Ich halte mich zurück und suche am besten einen besseren Zeitpunkt um ihn zu sagen, dass ich nur noch Hühnchen esse.
Mit einem erleichterten Seufzen drücke ich meine Tür zu und lehne mich gegen das Holz. Als wenig später die Tür meines Kleiderschrankes aufgeht, schreie ich beinahe los, da ich schon verdrängt habe, dass Drew sich darin befindet.
»Ich hoffe du hast mir in der Zwischenzeit ein Outfit zusammengekramt. Du warst lange genug im Schrank.« Drew kommt auf mich zu und hakt seine Finger um den Bademantelgürtel. Seine Anwesenheit lässt mich entspannen und den ganzen Mist vergessen.
»Das nicht, aber ich wäre drinnen fast erstickt. Andererseits fand ich den Gedanken zusammen mit deiner Unterwäsche eingeschlossen zu sein gar nicht so schlecht.« Grinsend lecke ich mir über die Lippe und schüttle fassungslos den Kopf.
»Dann such mir wenigstens passende Unterwäsche raus und ich kümmere mich um den Rest.« Als ich kehrt machen will um an meinen Schrank zu gelangen, zieht er mich an meinem Gürtel zurück, sodass ich gegen seine harte Brust pralle.
»Erst noch ein Kuss.«
Ich kann euch sagen, dass es nicht nur bei einem Kuss geblieben ist.
Da ich noch nicht bereit bin den anderen von Drew und mir zu erzählen und da ich selbst noch nicht weiß, was das zwischen uns beiden ist, gehen wir getrennt nach unten. Er geht voraus und nach dreißig Sekunden steuere ich den Weg nach unten an. Das untere Stockwerk steht ganz leer, alle Gäste halten sich im Garten auf. In der Küche herrscht ein großes Chaos, überall fliegen Sachen herum, Essen und Müllverpackungen. Ich nehme mir vor nachher oder spätestens morgen früh alles wegzuräumen, um mich so an den Vorbereitungen der Grillparty zu beteiligen. Vorhin war es nur meine Aufgabe gewesen Dad von Zuhause fernzuhalten und das war nun echt keine große Qual. Für einen kurzen Moment bleibe ich noch in der Küche stehen und schaue aus dem Fenster, direkt in den Garten. Die ganzen Unterhaltungen und die Musik hört man bis ins Haus, alle scheinen Spaß zu haben. Ich lasse meine Augen über den Trubel der Leute schweifen. Bonny spielt freudig mit ihren Freundinnen, die sie aus dem Kindergarten kennt und auch einige, die hier in der Nachbarschaft hausen, am Klettergerüst. Dad steht mit ein paar anderen Männern, die ich bloß vom Sehen kenne, am Grill und brutzelt das Fleisch, während die meisten Frauen, also Freundinnen und bekannte von Isabell an den Tischbänken sitzen und Salate mit Weißwein verputzen.