The one who splits my soul

By Fairygodmother1994

3.3K 331 367

Leseempfehlung ab 18 Jahren: * Achtung: Dies ist Teil 2. Er kann nicht unabhängig von Teil 1 gelesen werden... More

Vorwort
Triggerwarnung
Widmung
1
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25

2

162 19 24
By Fairygodmother1994


Los Angeles

Ariel

Zeit war ein seltsames Konzept. Manchmal war sie flüchtig und andere Male schien sie schmerzhaft langsam zu vergehen. Und dann, in seltenen Momenten, schien sie ganz stillzustehen und zwang dich, den Atem anzuhalten und alles um dich herum aufzunehmen. All die Schönheit um dich herum, aber auch manchmal den unerträglichen Schmerz, der sich wie eine scharfe Klinge durch deine Brust bohrte und dich für furchtbar langsam laufende Sekunden den Atem anhalten ließ.

Sie ließ dich den Atem anhalten für Sonnenaufgänge, die den Himmel in leuchtende Orange- und Rottöne tauchten, salzige Meerluft, die sanft durch dein Haar strich, der Takt eines guten Liedes, der sich durch deinen Körper bewegte wie die sanfte Liebkosung eines Liebhabers, der dich daran erinnerte, dass es gut war, am Leben zu sein. Zu atmen. Im Hier und Jetzt zu sein. Aber sie schien auch in Momenten still zu stehen und deinen Atem anzuhalten. Für eisblaue Augen und für seinen Geruch, der immer noch in der Luft lag. Das Phantom seiner Berührung auf deiner Haut. Seine Wärme, dessen Verlust du glaubtest niemals spüren zu müssen. Deine Liebe zu ihm, die immer noch in deinem Herzen verweilte, als ob dein Herz der rechtmäßige Besitzer von ihm wäre.

Seit einigen Wochen scheint die Zeit nun schon stehen geblieben zu sein. Der brennende Schmerz in meinem Herzen ist fast das Einzige, dem ich meine Aufmerksamkeit schenken kann. Das Einzige was mich noch daran erinnert, dass mein Herz noch da ist.

Mein Blick schweift, wie schon in den Stunden zuvor, gedankenlos aus dem Fenster. Schweift über endlose Flecken von trockener Landschaft, während der Bus sich über die gefühlt endlich andauernde Schnellstraße, der Route 66 fortbewegt. Zum millionsten Mal frage ich mich, ob es richtig war. Ob es richtig war, Albuquerque zu verlassen. Mein sehnsüchtiges Herz schrie, ich solle auf ihn warten. Es flehte mich an, noch zu hoffen, dass sich unsere Wege wieder treffen würde. Dass auch sein Herz nicht in der Lage wäre, den Schmerz zu ertragen, den unsere Trennung verursacht hatte. Doch einmal in meinem Leben verlor mein Herz den Kampf gegen meinen Verstand.

Obwohl es mich alles kostete, nicht in diesem Motelzimmer zu bleiben, wo die Laken immer noch nach ihm rochen. Wo er mich immer noch in seinen Träumen berührte und jeder Winkel mich an meinen süßen, starken, blauäugigen Löwen erinnerte. Mein Verstand, der mit meinem Herzen kämpfte und mir immer wieder sagte, dass ich nicht ewig auf ihn warten könnte. Dass das Warten auf ihn schmerzhafter sein würde, als ein sauberer Schnitt. Dass vielleicht, aber nur vielleicht, die Liebe am Ende nicht genug war. Dass die Liebe manchmal vielleicht nicht für die Ewigkeit bestimmt war. Dass eine gewisse Liebe vielleicht nur dafür da ist, uns mit ungefilterten, leidenschaftlichen Momenten im Leben zu beschenken, die uns daran erinnern, dass wir das Leben wirklich in seiner ganzen Intensität gelebt hatten.

Eine Hitze, wie sie nur in den Wüstengebieten vor dem Sunshine State auftreten kann, lässt die Luft draußen flimmern. Ich rolle mich weiter auf meinem Sitz zusammen. Mein Shirt, das jetzt eine Nummer zu groß ist, rutscht von meiner Schulter. Seit er weg war, hatte ich abgenommen. Mein Herz war zu sehr damit beschäftigt ihn zu vermissen. Das war es immer noch. Alles war schwieriger, seit er weg war.

Sogar das Tanzen.

Meine Gedanken schweifen zum letzten Mal, als meine Füße freiwillig der Leidenschaft meines Herzens nachgegeben hatten. Ich wurde von ihm gehalten, während Elvis sanfte Worte der Liebe sang. Kurz bevor er mich betäubte. Und kurz bevor unser Leben auseinanderfiel.

Tränen schießen mir in die Augen. In der letzten Zeit schien alles was ich tat nur noch weinen zu sein. Ich hasste es, denn das war nicht das, was ich war. Ich war es gewohnt, unabhängig zu sein. Niemanden zu brauchen, um glücklich zu sein. Doch jetzt war in mir nicht nur die Leere, die meine Mutter hinterlassen hatte, sondern auch die Leere die er hinterlassen hatte. Dieser verdammt loyale, sture, großherzige Mann, der in mein Leben getreten war und jetzt derjenige war, an den ich mich wenden wollte, wenn meine Welt zusammenbrach.

Ein Schluchzen entweicht meinen Lippen, das ich sofort zu unterdrücken versuche. Irgendwann musste es aufhören. Irgendwann musste der Schmerz in meinem Herzen doch aufhören.

Eines Tages musste ich aufhören ihn zu vermissen. Eines Tages, aber nicht heute, weil ich Jay immer noch vermisse. Mit jedem einzelnen gebrochenen Schlag meines Herzens. Vor allem nachts, wenn alles ruhig war und die Stille mich daran erinnerte, dass ich nicht neben ihm schlief.

Ich schließe meine Augen und drifte in Gedanken an ihn ab. Zu seinem dunklen, zerzausten Haar, seinen fast messerscharfen Wangenknochen und seinen vollen Lippen, die einen Geschmack hinterließen, den mein Herz nicht vergessen konnte. Den mein Herz immer noch nicht vergessen kann.

Er war der Traum, den ich nicht loslassen konnte, so sehr ich auch wollte. Er verfolgte mich am Tag und fast jede Nacht in meinen Träumen, ließ mich weinend aufwachen und mich selbst berühren, weil mein Körper sich nach seiner Wärme und der Berührung seiner starken Hände auf meiner Haut sehnte. Fast so, als würde ein Heroinsüchtiger nach dem nächsten Schuss lechzen.

Eine tiefe Sehnsucht schlingt ihre Faust um mein Herz und drückt es zusammen. Schmerzhaft langsam, bis ich sicher bin, dass mein Herz hier und jetzt in Fetzen zerspringen würde. Mir war nicht klar, wie einsam ich die ganze Zeit ohne ihn gelebt hatte.

Eine einzelne Träne läuft über mein Gesicht. Ich wische sie mit dem Handrücken weg, im selben Moment klingelt mein Handy. Ein zittriger Atem entweicht meinen Lippen, als ich einen Blick auf das Display werfe. Ich habe seine Anrufe in den letzten zwei Wochen gemieden, weil es einfach zu viel war. Er erinnerte mich zu sehr an ihn. Ich atme tief durch bis ich endlich den Anruf mit zittriger Hand entgegennehme.

„Rocket?", seine Stimme klingt unheimlich sanft am anderen Ende des Hörers. Augenblicklich entweicht ein Schluchzen meinen Lippen, als ich seine vertraute, warme Stimme höre.

„Was ist los?", fragt er sofort alarmiert, als er nun mein Schluchzen registriert. „Ist mein Bruder...?", seine Stimme bricht am anderen Ende des Telefons und ich höre, wie sich sein Atem leicht beschleunigt.

Ich beiße mir auf die Lippe und versuche, mein Schluchzen zu unterdrücken. „Oh mein Gott, Blakey, nein!", keuche ich aus und schüttele dabei mit meinem Kopf, obwohl er mich am anderen Ende nicht sehen kann.

„J...deinem Bruder geht es gut.", ich schlucke, bevor ich weiterspreche. „ Es wird ihm gutgehen.", füge ich schließlich besänftigend zu meiner Antwort hinzu. Besänftigung für ihn und für mich. Besänftigung, dass es seinem Bruder gut gehen würde, obwohl er nicht mehr an meiner Seite war. Es musste ihm gutgehen.

„Was meinst du mit, es wird ihm gutgehen, Rocket? Was ist passiert?", Blakes ängstlich klingende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich muss hart schlucken, als ich die Angst in Blakes Stimme höre. Bilder der Schießerei blitzen vor meinen inneren Augen auf. Sie zucken durch meinen gefühllosen Verstand wie Blitze, die durch die dunkle Nacht schießen und durchschütteln jeden Knochen meines Körpers.

„Dein Bruder wurde angeschossen.", bringe ich schließlich mit rauer, kratziger Stimme hervor, in der Hoffnung, dass meine Worte niemand im Bus hören würde.

Es folgt Schweigen am anderen Ende des Hörers. Mein Handy zittert in meiner Hand, als ich nun meine Augen schließe. Alles, was ich sehe, ist Jays blutverschmierter Körper vor meinen Augen. Seinen gefallenen, blutüberströmten Körper, gefolgt von seinem zusammengeflickten Körper im Krankenhauszimmer.

Ich kann nicht mit dir zusammen sein, wenn ich nicht frei bin. Seine tiefe, erdige Stimme hallt in meinem Kopf wider, als wäre er hier. Hier neben mir, mich in seinen Armen haltend, während seine Lippen sanft über meine Haut strichen. Er würde mich einfach nur halten, ohne etwas zu sagen, denn wir brauchten nicht viele Worte. Unsere Liebe brauchte keine Worte, um sie auszudrücken, denn wir verstanden uns allein durch die Art, wie wir uns berührten. Die Art, wie er mein Gesicht mit seinen Händen umrahmte und ich mich an ihn lehnte. Wie seine Fingerknöchel meine Wange streiften und mein Atem stockte, als ich in seine eisblauen Augen sah. All die Momente, in denen er über mir schwebte. Schwitzende Körper, die sich verhedderten, Lippen, die aufeinanderprallten. Seelen die sich verbanden. Tiefe, zufriedene Stöhnen, die unseren Lippen entrangen und sich wie ein Wiegenlied der Lust und Leidenschaft in die Seelen des anderen einritzten. Immer und immer wieder.

„Was?!", stößt Blake geschockt hervor und durchbricht kurzzeitig den Schmerz, der sich nun in meiner Brust breitmacht. „Wie konnte das passieren?!", seine Stimme überschlägt sich, während die Worte nun nur so aus seinem Mund sprudeln.

„Moment, das ist eine dumme Frage.", fährt er fort und spricht dabei fast mit sich selbst. Er lässt jetzt einen schweren, zittrigen Atem von sich.

„Ich weiß, wie das passieren konnte, aber Rocket, du hast es versprochen. Du hast mir versprochen, dass du auf ihn aufpassen würdest!", seine Stimme bröckelt, und Schmerz durchdringt sie jetzt so deutlich, dass mir übel wird und sich ein eiskalter Stich in mein Herz bohrt.

„Blakey...", bringe ich mit rauer Stimme hervor, meine Brust zieht sich dabei eine Spur enger zusammen. „Ich habe es versucht. Ich habe es wirklich versucht, aber...", meine Stimme versagt in diesem Moment und alles was zurück bleibt ist mein zittriger Atem und die Hülle einer Frau mit gebrochenem Herzen.

„Wie konnte das dann passieren? Wie konnte auf ihn geschossen werden?", fragt er weiter, auf der Suche nach Antworten. Seine Stimme ist gequält dabei und führt dazu, dass sich bereits gebrochene Teile meines Herzens erneut spalten. „Scheiße! Das ist alles meine Schuld, Rocket. Es ist alles meine Schuld! Hätte ich mir damals nicht Drogen von den Calicos geholt, dann wäre er erst gar nicht in so einer Situation, dann...", seine Stimme bricht jetzt vollständig und ich höre, wie er am anderen Ende des Telefons bebend ausatmet.

„Cupcake...", sage ich streng mit meiner letzten übrig gebliebenen Kraft ins Telefon, damit er mir zuhört. „Es ist nicht deine Schuld. Dein Bruder ist einfach verdammt stur.", ich schaffe es dabei meine Stimme sanfter klingen zu lassen.

Sein Bruder und ich mochten uns getrennt haben, aber Blake war immer noch mein bester Freund. Mein kleiner Bruder, den ich nie hatte.

Ein schweres Ausatmen dringt durch den Hörer und ich kann mir fast vorstellen, wie er sich durch sein zerzaustes, hellbraunes Haar fährt. Seine jungenhaften Gesichtszüge, die sich nun zu einem schuldbewussten Ausdruck verziehen.

„Ich weiß, Ariel.", sagt er schließlich mit fast kaum hörbarer Stimme. „Es tut mir leid, ich wollte nicht gemein zu dir sein.", entschuldigt er sich nun.

„Ich weiß, Blakey. Ich weiß.", erwidere ich mit einer Stimme, die vor Emotionen fast erstickt.

„Kannst du ihn mir vielleicht geben?", fleht Blake mich plötzlich an. „Ich weiß, wir sollten nicht in Kontakt sein, aber ich muss seine Stimme hören. Ich muss wissen, dass es ihm wirklich gut geht.", bringt er nun noch eine Spur eindringlicher von sich, seine Stimme klingt dabei wie die eines kleinen Jungen.

Ein Stich bohrt sich in meinen Magen auf seine Bitte hin.

„Ich kann nicht, Cupcake.", bringe ich schließlich hervor, meine Worte sind nur noch ein kaum hörbares Flüstern. „Dein Bruder ist nicht hier."

„Wie? Was meinst du mit.....?", Blake hält sofort mitten im Satz auf. „Rocket?", seine Stimme wird jetzt auf einmal leiser.

Tränen steigen mir in die Augen und ich schließe sie sofort. Ich konnte mit Blakes Wut umgehen. Ich konnte seine Traurigkeit ertragen, aber nicht sein Mitleid.

„Ja?", antworte ich ihm schließlich mit heiser Stimme, gefolgt von meinen Zähnen die sich nun in meine Unterlippe bohren, um meinen aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken.

„Es tut mir leid.", sagt er nur mit noch sanfterer Stimme.

„Ja, mir auch.", erwidere ich ihm mit kratziger Stimme, an der Grenze zum Weinen.

„Weißt du, Rocket, mein Bruder lässt Leute nicht so einfach in sein Leben, aber wenn er es tut, versucht er sie mit allem, was er hat zu beschützen. Er ist schon immer so gewesen. Er ist stur, er beschützt jene, die er liebt und hat das größte Herz, das ich kenne. Außer vielleicht noch eine andere Person...", Blake lacht leicht am anderen Ende und ich weiß sofort, dass er mich meint.

„Er wird zurückkommen, Ariel. Sobald er nicht mehr bei den Calicos ist, wird er zu dir zurückkommen, denn er liebt dich. Ein blinder Mensch kann sehen, dass er dich liebt.", sagt Blake jetzt unheimlich sanft und das ist der Moment, in dem ich endlich zusammenbreche.

Ein furchtbar, ersticktes Schluchzen klingt durch den Hörer, während all meine aufgestauten Emotionen, der letzten Tage aus mir hervorzuquellen scheinen. Blake sagt nichts, sondern lässt mich einfach in mein Handy weinen. Fast genauso wie sein Bruder.

Nach ein paar Minuten schniefe ich schließlich in das Handy. „Bleibst du bei mir am Telefon, bis ich in L.A bin?" frage ich Blake nun etwas leiser, während ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe sinken lasse.

„Klar, Rocket. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst.", antwortet Jays kleiner Bruder und zum ersten Mal seit Wochen fühle ich mich nicht mehr so allein. 


________________________________

Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich ich bin, endlich wieder zu schreiben! Und endlich wieder ein Kapitel zu posten. Sorry an alle, die so lange gewartet haben... Ich stecke mitten in der Prüfungsvorbereitung, also habe ich nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte zum Schreiben :(

Was mir aber  wieder klar geworden ist, ist, wie sehr ich das Schreiben für meine Seele brauche und wie sehr ich es liebe <3 

Und wie sehr ich diese Geschichte verdammt noch mal liebe!

Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mein Herz beim Schreiben geschmerzt hat und wie viele Tränen ich vergossen habe.

Aber das alles ist es wert, denn ich weiß, dass ich dadurch etwas Echtes und Rohes erschaffe, wenn das Sinn macht... irgendwie.

Ich hoffe, ihr habt beim Lesen des Kapitels etwas gefühlt.

Wenn es euch gefallen hat, könnt ihr gerne abstimmen :)

Vielen Dank dafür! <3


Continue Reading

You'll Also Like

528K 14.3K 38
Rose Daniels scheint perfekt zu sein. Sie ist hübsch, lustig und immer für einen da. Was aber keinem auffällt sind ihre Narben - körperlich sowie se...
891 69 11
... ℙ𝕒𝕦𝕤𝕚𝕖𝕣𝕥 ... Sieben Jahre sind vergangen, seitdem Emilia und Mauro getrennte Wege gehen. Während Emilia in ihrer glücklichen Familienblase...
9.7K 532 48
»𝐒𝐭𝐚𝐝𝐭, 𝐋𝐚𝐧𝐝, 𝐋𝐢𝐞𝐛𝐞 ...« Wie hart das Leben sein kann, lernen wir Menschen auf unterschiedliche Weise. Die einen sehen Schicksalsschlä...
217K 14.1K 80
WIRD ÜBERARBEITET. Gewinner Golden Book Awards 2018 1. Platz beim "Gold Award 2019" in der Kategorie "Horror" 2. Platz beim "Toria Award 2019" in der...