Die Verlierer - Herz aus Beton

By traumjaegerin

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[TEIL 3] Jay gehört die Unterwelt. Von der Siedlung über die Bahntrassen bis zum Görli, dort, wo sich die Dea... More

2 | Saufen in Theorie und Praxis
3 | Farbe auf das Elend
4 | Todesmut oder Idealismus
5 | Unser süßes Geheimnis
6 | Die Welt ist käuflich
7 | Tote Augen, tote Seelen
8 | Spielplatzabende
9 | Flaschenpost ohne Message
10 | Scherben und Alkohol
11 | Kontrollverlust
12 | Eklige Idylle
13 | Sicherheit
14 | Du lügst mich nicht an
15 | Kein Grund nüchtern zu bleiben
16 | Welt in Scherben
17 | Viel zu viel Blut
Triggerwarnung

1 | Meine Welt, meine Regeln

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By traumjaegerin

Dezember 2015

Diese Stadt lag Gewinnern wie mir zu Füßen. Sie ging vor uns auf die Knie wie die Schlampe mit den dunkelblonden Haaren und dem Goldkettchen vor mir. Was fast noch geiler war als sie, war die Tatsache, dass ich meinen Blick nur heben musste und auf die funkelnde Skyline von scheiß Berlin sehen konnte. Der Fernsehturm war greifbar nah, lag hinter blankgeputztem Glas.

Es war einer dieser Clubs im zwanzigsten Stock, Rooftop Bar in Mitte, und sogar die Klos waren verglast, damit einem selbst beim Scheißen nichts von der Aussicht entging. Oder wie jetzt, beim Ficken. Die Klobrille war so sauber, dass ich ohne zu Zögern eine Line darauf gezogen hätte.

Orte wie diese sahen Typen wie uns nur ungern, doch wenn wir ihnen die Hunderter aufs Tresen knallten, war das scheißegal. Dann strengten sie sich an, uns tiefer in den Arsch zu kriechen als korrupte Politiker den Wirtschaftsbossen.

Das Mädel, das vor mir kniete, gab sich Mühe. Leckte über meine Schwanzspitze und nahm ihn dann tief in den Mund, während sie mich von unten aus blauen Augen heraus anschaute. Unschuld in ihrem Blick.

In meinem Schuld, wäre ich jemand gewesen, der so etwas empfunden hätte.

Grob packte ich in ihre Haare, sodass sie das Gesicht verzog. Fickte sie mit groben Stößen in den Mund, sah ihr Würgen. Genoss es zwar, aber das änderte nichts daran, dass ich mies drauf war. Scheiß Tag, scheiß Silvester, scheiß Partys.

Nicht mal das Kokain hatte daran etwas besser gemacht, obwohl ich es mit jeder Line gehofft hatte.

»Was kannst du eigentlich, he?«, fuhr ich sie an, unterbrochen von meinem Stöhnen. »Nich mal Schwänze lutschen kriegse hin.«

Ich wollte sie heulen sehen. Wollte, dass die Tränen aus ihren scheiß unschuldigen Augen liefen, weil sie mich so scheiße fand. Wollte, dass sie sich morgen früh bei ihren Bonzenfreundinnen über den dummen Assi aus dem Club ausheulte, der einen Fick auf ihre Gefühle gegeben hatte.

»Kann ich doch nichts für, wenn du keinen hochkriegs«, fuhr sie mich an und ich stieß ihr meinen Penis grob zwischen die Lippen.

An Tagen wie diesen wollte ich nichts, als dass Menschen mich hassten.

Vielleicht weil ich den Wunsch nach Liebe aufgegeben hatte, vielleicht weil das schon immer eine Illusion gewesen war. Lieben. Ich hatte es versucht, da gabs diesen einen Kerl, den ich mehr als nur mochte, aber das wurde ja eh nichts.

Und dann lieber irgendwelche anderen Gefühle bei den Leuten hervorrufen, wenn ich schon nicht das bekam, was ich wollte.

Okay, stopp mit der tiefsinnigen Scheiße. Definitiv Zeit für eine weitere Line, bevor ich noch runterkommen würde. Bevor da Raum war für die Gefühle, die ich den ganzen Tag schon verdrängen wollte.

Ich drückte weiter meinen Schwanz in ihren Hals, vielleicht würde er doch noch hart werden. Sah die Wut in ihren Augen, den Hass. Das war genug, mehr brauchte ich nicht. Mehr hatte diese gottverdammte Welt nicht übrig.

Da gab ich schließlich auf, zog mich zurück. Würde doch nichts mehr werden heute.

»Okay, mitkommen«, sagte ich und zog sie an meiner Hand aus der Toilette. Der Vorraum war riesig. Nichts im Vergleich zu den versifften Orten, an denen ich mich früher herumgetrieben hatte. Hier standen Pflanzen herum und gemütliche Sessel und alles war dunkel und futuristisch gehalten.

Ich zog sie mit mir zu den Jungs, die in einem der abgetrennten Bereiche chillten. Das Mädel stolperte hinter mir her, stand irgendwie neben sich. Tja, ihr Pech, hätte sie sich halt nie auf einen Kerl wie mich eingelassen.

Wir hatten eine riesige Lounge nur für uns. Keine Ahnung, wie wir daran gekommen waren, denn eine Nacht hier kostete locker so viel, wie andere Leute für Autos ausgaben. War Tareks Verdienst, denn ihn kannte man. Überall, egal, wie bonzig das Etablissement.

»Bruder, da bis du ja wieder«, lachte der und legte den Arm um mich, als ich mich neben ihm auf der Couch niederließ. Das Mädel zog ich bestimmt auf meinen Schoß. Keine Ahnung mehr, wie die hieß, sie hatte es vorhin mal gesagt, aber ich hatte genug Alk und Kokain intus, dass ich es gleich wieder vergessen hatte.

War auch nicht wichtig.

Solange sie meinen Namen nicht vergessen würde.

Als Tarek zu der Frau auf meinem Schoß sah, wurde sein Blick ein wenig skeptisch. »Alles gut bei dir?«, sprach er sie an.

Flüchtig sah sie zu ihm und nickte dann. Ihre Haare waren zerzaust, die Augen ein wenig scheu. Ich wusste schon, warum ich ausgerechnet sie mir ausgesucht hatte. Kein Selbstbewusstsein, keine Widerworte. Keine Grenzen.

»Nur bisschen zu viel getrunkn, was?« Ich grinste, legte ihre Hand um ihren nackten, flachen Bauch und zog sie bestimmt enger an mich.

Als Tarek mich wieder ansah, las ich in seinen Augen ganz genau: Nicht cool, Jay. Wir reden nachher noch. Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich kannte Tarek und seine Ansagen und es war fast schon putzig, dass er noch immer glaubte, mich ändern zu können.

Der Zug war abgefahren. Vor neunzehn Jahren.

»Ich glaube, du bist der einzige hier, der zu viel intus hat.« Tarek lachte und schenkte uns im gleichen Moment Whiskey nach. Es war gutes Zeug, so teures, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe. Sie hatten es in einer gläsernen Schale mit Eiswürfeln und einem Tischfeuerwerk gebracht.

»Jay säuft immer noch wie so'n Dreikäsehoch«, lachte Nassim, zwischen dessen Fingern eine Kippe brannte, obwohl hier eigentlich Rauchverbot herrschte.

Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, öffnete den Chat mit Fede. Dort war noch immer keine neue Nachricht hinzugekommen, nur vor ein paar Stunden: Sorry wird später. Melde mich nachher

Was so wichtig, ist meine Antwort gewesen.

Alter kommt noch was oder wars das

Drauf geschissen. Sollte er machen, aber dann brauchte er sich nicht wundern, wenn ich beim nächsten Mal genauso keinen Fick gab. Ich lehnte mich zurück und ließ meinen Blick über die funkelnde Skyline wandern. Berlin zu unseren Füßen, nicht nur unser Viertel. Über den gläsernen Hochhäusern explodierten die ersten Raketen und ich musste daran denken, was Fede jetzt wohl machte. Was wichtiger war als ich. Ob er sich lieber mit anderen traf oder den Abend dafür nutzte, um für seine Uni-Kurse zu pauken. Was maximal opferhaft wäre.

Ich verkniff mir mein Seufzen und ließ meinen Blick durch das Etablissement gleiten. Nicht weit von uns entfernt räkelten sich Tänzerinnen an der Stange, die Einrichtung war edel. An einer Wand befand sich ein riesiges Aquarium mit hässlichen Fischen drin, die garantiert kein Bock auf die lila LEDs hatten. Die waren schwammig wie Wellen und gaben einem das Gefühl, selbst in nem Goldfischglas zu hocken.

War ja schon eine Metapher hier für die meisten Leute. Hässliche Fische, die für ihren Fame alles machen würden.

In diesem Moment vibrierte mein Handy. Als ich das Mädel grob nach vorne schob und das Gerät aus meiner Hosentasche hervorzog, leuchtete dort der Name auf, nach dem ich mich am meisten gesehnt hatte.

Nicht irgendein nerviger Kunde, keiner meiner Freunde.

Fede.

»Was geht?«, lachte ich und riss Tarek sein Whiskyglas aus der Hand, weil mein eigenes leer war. Meine Stimme betont ausgelassen, die Musik im Hintergrund tat ihr Übriges. Sollte der Bastard ruhig checken, dass ich ohne ihn viel mehr Spaß hatte. Wie viel er verpasste, wenn er auf Zeit mit mir verzichtete.

»Gib her.« Tarek versetzte mir eine Nackenschelle, die ordentlich zog.

»Tut mir leid. Dass ich dich einfach sitzen gelassen hab. Ich erklär das nachher.« Fede klang erschöpft, schien mit den Gedanken nicht bei der Sache zu sein.

»Ja, was juckts.« Ich lachte wieder. Rempelte Tarek an. »Ey, mach ma noch ne Line.«

Der zog nur die Augenbrauen zusammen und sagte auf Arabisch was zu Nassim, wohlwissend, wie sehr er mich damit provozierte. Die beiden lachten. Aber na ja, vielleicht sollte ich mal einen Gang zurückschalten.

»Hast du denn Lust, noch was zu machen?«, fragte Fede blechern an meinem Ohr.

Ich wollte sagen, dass ich beschäftigt war. Dass ich keine Zeit für so ne Scheiße hatte. Typen wie ich hatten wichtigeres zu tun.

»Lass bei Lidl treffen«, hörte ich mich schon sagen. »Der in unserer Siedlung. Dann holen wir uns da was.«

»Es ist Silvester, schon vergessen?«

»Dann halt Späti. Der neben der U-Bahn, weiße welchen?«

»Klar. Bis gleich.«

Ich legte auf und schob das Mädel grob von meinem Schoß. »Verpiss dich mal«, maulte ich sie an. Perplex stolperte sie zurück und ich sah die Wut in ihren Augen aufflackern. Sie presste die Zähne aufeinander, richtete ihre Haare und stapfte auf ihren sauberen Sneakern dem Ausgang aus der Lounge entgegen.

»Jay, habibi. Aufstehen, mitkommen.« Im nächsten Moment zog Tarek mich grob auf die Beine. Verdammt, ich war zu besoffen für den Scheiß, schwankte neben ihm her. Viel zu schnell fanden wir uns in dem dunklen Gang wieder, der nur am Boden von lila Licht beleuchtet war. Was auch immer die mit ihrem hässlichen Lila hatten.

Tarek schubste mich gegen die Wand. »Hat dir keiner gesagt, dass man Frauen schätzen soll? Sie sind unsere Schwestern, sie stehen nicht unter uns. Allah hat uns alle gleichwertig erschaffen.«

Hatte er irgendwie noch nicht gecheckt, dass er mit seinem Religionsquatsch bei mir nicht weit kam. Warum an Götter glauben, wenn ich selbst eh geiler war.

»Erstens.« Ich spuckte auf den Boden. »Hast du das schon mal gesagt, Alter, wird lame. Zweitens. Ich schätz niemanden außer mich selbst.«

»Mach so weiter, aber das geht noch hart schief, das schwör ich dir.« Tarek legte eine Hand auf meine Schulter und suchte meinen Blick. Er war definitiv sauer, das konnte ich nicht übersehen.

»Ja, bla bla, ich hau jetzt ab.« Kräftig stieß ich ihn zurück und fuhr mir durchs Gesicht. Ich ließ Tarek stehen, sollte der mal labern. Ich würde mich für nichts und niemanden ändern.

Meine Welt, meine Regeln.

Ich fuhr im gläsernen Aufzug nach unten. Man sollte auch ja nichts von der Skyline verpassen, aber es war so aufdringlich, dass ich gar keinen Bock mehr auf die ganzen Lichter hatte. Unten in der Lobby steuerte ich auf den Ausgang zu, verließ den Club durch Schiebetüren, die geräuschlos aufglitten.

»Das ist er«, vernahm ich in meinem Rücken und da ging es ganz schnell. Ein Blick über meine Schulter und ich sah ein paar Männer in meinem Alter. Klamotten so ordentlich, als hätte Mami sie gebügelt. Teuer, aber nicht prollig wie die vieler meiner Freunde. Keine fetten Armbanduhren, dafür schlichte Markenlogos.

Was für Pisser.

Einer von ihnen holte aus und seine Faust landete in meiner Fresse. Fuck. Definitiv stärker als ich ihm zugetraut hatte. Ich taumelte zurück. Noch eine Sache, die unerwartet kam: Mein Pegel. Fuck, wie besoffen war ich bitte?

Ich wollte ausholen, aber traf den Wichser nicht. Kassierte nochmal, dabei hätte ich die nüchtern alle direkt ins Krankenhaus befördert.

»Das ist für Valentina«, presste der Kerl hervor, ehe ich wieder seine Faust in der Fresse spürte. Konnte der was anders, als diesen einen Schlag?

Dreckiges Opfer.

Ich schwankte zurück. Schmerz war eh egal, ein Hoch auf Kokain. Einen Sekundenbruchteil später zog ich schon mein Messer, nachtschwarz, die Klinge glänzend silbern. Ich ließ es aufspringen, holte aus. Erwischte ihn am Hals, ehe er einen panischen Satz zurück machte.

»Scheiße, Jungs, lasst verpissen!«, brüllte einer und da rannten sie schon wie aufgescheuchte Hühner los. Über den Platz mit den Bars und den vielen Feiernden, die meisten von ihnen Bonzen oder Touris.

Süß.

In meinem Viertel hätten die mindestens alle n Messer dabei gehabt und keiner wär davon gerannt. 

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