Endless Summer

By dilaraaaa

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Alex, After Midnight's Drummer So kennen ihn die meisten und so wird er inzwischen auch immer angesprochen... More

Prolog
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By dilaraaaa

Unsere Musikvideos sind ein großer Teil unserer Arbeit und ein Teil auf den ich echt stolz bin. Ich hätte nie gedacht, dass mir dieser Teil der Arbeit so viel Spaß machen würde, aber wir haben uns das Recht erkämpft (dank Andre und seiner Unterstützung gegen die Ideen des Labels) an Ideen der Videos teilhaben zu können. Wir haben sehr früh gemerkt, dass wir fünf Musikvideos mögen, die eine Geschichte erzählen. Natürlich schaffen wir das nicht mit jedem Video, aber für dieses Lied waren wir erfolgreich.

Das Lied wofür heute ein Video gedreht wird, handelt von Zeiten, in denen man sich vielleicht nicht so fühlt wie sich selbst und keine Motivation hat irgendetwas zu machen. Wenn das Leben manchmal zu viel wird und man das Gefühl hat man selbst hat nicht wirklich die Kontrolle. Wenn man sich wünscht, jemand könnte dich aus dieser Lage herausziehen. Als wir das Lied geschrieben haben, hatten wir vor allem uns gegenseitig im Kopf. Wenn wir schlechte Tage oder Wochen haben, sind die Jungs und ich füreinander da und zwingen uns gegenseitig aufzustehen, Dinge zu tun, die man nicht tun will aber muss. Ich hatte die Melodie schon länger im Kopf und als Tim ein paar Sätze geschrieben hat, hatten alle anderen schnell passende Texte zu liefern. 

Wenn wir Musikvideos drehen, die eine Geschichte haben, haben wir manchmal Schauspieler, die im Fokus stehen und wir nur hin und wieder im Hintergrund zu sehen sind. Manchmal sind wir selbst der Fokus. Manchmal haben wir alle einen eigenen kleinen Abschnitt. Manchmal steht nur einer aus der Band im Fokus. Dieses Mal entschieden wir uns für Tim, der im Fokus stehen wird. Dass er das meiste vom Lied singt, hat defnitiv zu dieser Entscheidung beigetragen.

[Original: Mundane - Hardcastle]

Somebody save me from the mundane

I've been watching TV to entertain

Shut my tired eyes and forget my brain

In einer Szene sitzt Tim alleine auf einer Couch, vor einem Fernseher, und schaut emotionslos drauf. Aaron und Nick lassen sich auf jeweils eine Seite von ihm fallen und schauen kurz mit ihm fern, stehen dann aber lachend und miteinander redend auf. Tim bleibt sitzen. Für den zweiten Teil, wenn diese Stelle im Lied vorkommt, setzen Nathan und ich uns jeweils auf eine Seite von Tim. Nathan und ich tun so als würden wir total viel Spaß haben, Nathan zeigt Tim lachend etwas auf seinem Handy, aber Tim schaut nur kurz drauf ohne irgendwie drauf zu reagieren. Ich halte ihm eine Chips-Tüte hin, welche er aber nur für einen Moment anstarrt und dann mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken lehnt. Letztendlich bleibt er alleine dort sitzen.

Als wir mit dieser Sequenz fertig sind, schauen wir uns einige Aufnahmen an und ich muss echt sagen, Tim ist ein ziemlich guter Schauspieler. Die Props sehen echt gut aus und so komisch es ist sich selbst in einem Video zu sehen, besonders jetzt ohne dass die Musik anständig dahinter gelegt wurde, es ist auch irgendwie echt cool. 

Da ein großer Teil des Musikvideos auf einer Party spielt, ist der Raum voll mit Extras und Fremden. Es ist so komisch Party-Szenen zu drehen, wenn es eben nur gespielt ist. Musik spielt zwar durchgehend und Leute scheinen sich zu amüsieren, aber so tun zu müssen als hätte man Spaß ist schwieriger als ich gedacht hätte. 

Dwelling on my thoughts

And in these months

I haven't felt that most conversations

Have left me anything but blue

Wir sind alle im Raum verteilt und tun so als wären wir in Gesprächen mit verschiedenen Leuten verwickelt oder als würden wir flirten oder tanzen oder was man sonst auf einer Party macht. Aber wir sind nur im Hintergrund zu sehen. Der Fokus ist auf Tim, wie er jemandem zuhört, aber kaum wirklich zuhört und man ihn immer trauriger werden sieht. Trotzdem werden der Rest der Jungs und ich definitiv auch zu sehen sein, weswegen wir nicht nur blöd rumstehen sollen. Letztendlich habe ich Glück, denn ich wurde mit einer Frau gepaart, die einen ganzen Arm tätowiert hat und ich das als Anfangspunkt des Gesprächs nehme und dann nicht nur interessiert tun muss.  

I try to talk but the words don't come

I want to move my body

But my limbs are numb

Ein paar Szenen werden gedreht wo Tim einfach auf dem Boden liegt, sich nicht bewegen kann, mit einem leeren Blick, während der Alltag um ihn herum weitergeht. Ein paar mal laufe ich an ihm vorbei, dabei sieht man später nur unsere Schuhe. 

'Cause I just wanna be

Out of my head, out of my head

Can you show me how it feels to be

Out of my head, out of my head

Das Musikvideo wird aber mit folgenden, zusammengeschnittenen Szenen enden. Wie Nathan Tim vom Sofa hoch zieht und seinen Arm um ihn wickelt und durch seine Haare wuschelt. Wie ich ihn mit mir auf die Tanzfläche ziehe und Tim sich langsam lockert. Wie Aaron ihm Essen in die Hand drückt und sie dann doch zusammen etwas essen. Wie Nick ihm seine Hand entgegen streckt und Tim vom Boden hoch hilft. Wie wir am Ende alle zusammen auf der Bühne stehen und singen und unsere Instrumente spielen.

Es wäre einfach gewesen das Musikvideo mit einer Frau als 'Retter' zu drehen, was auch nicht schlecht wäre und das Lied kann man definitiv so interpretieren. Aber für uns war die Gefahr, dass man es so sieht, als könne man sich auf seinen Partner verlassen, damit er oder sie uns 'repariert' oder 'rettet' zu groß. Und da wir sowieso beim Schreiben weitgehend aneinander gedacht haben, war es für uns besser so.

"Tim, hast du mal an 'ne Karriere als Schauspieler gedacht?", fragt Andre und hört sich dabei echt ernst an. Wir sind nach einem sehr langen Tag mit dem Dreh fertig geworden und packen gerade unser Zeug aus dem Ankleidezimmer zusammen. Mein Rücken schmerzt leicht.

Tim lacht und schüttelt seinen Kopf: "Nope, heute war's genug. War ganz witzig, aber nur weil es für unsere Musik war." Er zieht sich eine Mütze über den Kopf, die mir sehr bekannt vor kommt, aber was wem gehört ist gerade echt egal. Hauptsache wir kommen so bald wie möglich nach Hause.

"Bin echt aufs Endergebnis gespannt.", sage ich und die anderen stimmen zu. Mit einem letzten Blick durch den Raum, nehme ich meinen Rucksack und laufe Richtung Ausgang. 

Wir hatten alle Spaß beim Dreh und den Eindruck, dass es ein echt gutes Video wird. Das nimmt uns ein wenig die Müdigkeit. Bis wir ins Auto steigen. Ich fahre und die einzigen Geräusche kommen von der Musikanlage. Sobald sich alle hingesetzt haben, rutschen sie in ihrem Sitz runter, lehnen den Kopf ans Fenster oder an die Person neben ihnen. Mir geht es ähnlich, aber ich bin zu hungrig als dass ich so krass müde sein kann. Mein Magen knurrt so laut, dass es die anderen auch hören.  Nathan sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber ich zucke nur mit den Schultern. Wir hatten zwar ein Buffet am Set, aber davon habe ich nicht so viel essen können. Wir hatten echt nicht genug Zeit, obwohl Tim das meiste zu tun hatte. 

"Kommt gleich jemand mit etwas zu essen holen?", frage ich als wir fast zu Hause sind. Nathan, der auf dem Beifahrersitz sitzt, schaut mich an und schüttelt den Kopf.

"Bin echt zu müde.", sagt er, worauf ich automatisch auf die Uhr schaue. Es ist kurz vor 23 Uhr. Wir waren aber sehr früh morgens am Set.

Ich schaue kurz nach hinten, Tim und Nick schlafen. Rechts und links von Aaron haben sie ihre Köpfe auf seinen Schultern. Aaron ist auch fast soweit, sein Kopf an Tims gelehnt. Nathan folgt meinem kurzen Blick und macht schnell ein Foto von den dreien. Erst dann setzt sich Aaron etwas auf und meint, dass er mitkommen würde, aber kurz in die Wohnung muss, weil er aufs Klo muss. Also parke ich am Apartment-Komplex.

"Soll ich euch was mitbringen?", frage ich die anderen, aber Tim und Nick werden ganz sicher direkt schlafen gehen und Nathan schüttelt seinen Kopf wieder. Er murmelt etwas, aber ich kanns nicht verstehen. Während sie ins Gebäude laufen, nehme ich mein Handy raus und scrolle durch meine Emails. Ich bin leider in dem Alter, wo Emails ein Teil meiner Social Media Routine gehören. Naja, der Bereich in dem ich arbeite trägt dazu bei. Ich überfliege alle neuen Emails und lande auf der letzten Nachricht von James. Wenn ich seinen Namen sehe, zieht sich mein Bauch sofort zusammen. Er hatte uns geschrieben, dass das Catering für das Charity-Event in ein paar Wochen geklärt wurde. Das meiste, was nun für das erste, große Event unserer Charity geklärt werden muss, kann man über Emails klären. Es ist einfacher für alle. Und seitdem unsere Fans das Gebäude ihres Büros belagert haben, sind die wenigsten scharf darauf, dass wir da auftauchen. Die letzten anderthalb Wochen ging es hin und zurück, wann genau das Event stattfinden soll, ob bis dahin das Gebäude komplett fertig gestellt werden kann, wer eingeladen werden soll, welche Catering-Firma engagiert werden soll und vieles mehr. Ohne die Beratungsfirma wären wir echt aufgeschmissen gewesen. Es kommt alles zusammen und hoffentlich können wir dann schon sehr bald das Gebäude öffnen, damit Leute, die eine Unterkunft und ein warmes Essen brauchen, sich dort melden können.

Während ich kurz durch Instagram scrolle, kriege ich eine Nachricht von Nick. Ich klicke drauf und sehe ein Bild von Aaron, wie er auf dem Sofa liegt, mit dem Gesicht im Kissen. Nick schreibt dazu: Ich glaube, Aaron kommt nicht mehr

Ich antworte: Okay, wenn ihr was essen wollt sagt bescheid, ich geh mir eben irgendwas holen

Jetzt bin ich echt nicht mehr in der Lage mir selbst was zu Hause zu machen. 

Und damit fahre ich los, obwohl ich nicht einmal weiß, was genau ich essen möchte. Ich möchte nicht lange warten und möchte auch nicht zu weit in die Innenstadt, deswegen entscheide ich mich für einen Imbiss, wo wir immer mal wieder abends was essen holen gehen, da sie bis in die Nacht offen haben. Ich finde direkt vor dem Geschäft eine Parklücke und gehe in den kleinen Laden. Es ist ein Gyros/Pizza-Geschäft und witzigerweise sind beides dieser Gerichte hier echt lecker. Auf der rechten Seite des kleinen Geschäfts stehen zwei Tische, die beide voll sind. Eine Gruppe von Teeangern sitzt dort, man merkt sofort, dass sie betrunken oder zumindest angetrunken sind. Sie sind ziemlich laut. Ich laufe an ihnen vorbei und gehe direkt zur Theke, wo der Besitzer des Geschäfts mal wieder steht. Er erkennt mich und grinst. Es ist echt komisch daran zu denken, dass wir anscheinend so oft hier sind, dass selbst in einer so großen Stadt ein Imbissbesitzer uns wiedererkennt. Zu Hause war das gar kein Thema, da kennt jeder jeden. Hier eben nicht.

"Alex, wie geht's? Wo sind deine Freunde?", fragt Alexandros als ich vor ihm stehe. Dass unsere Namen sich ähneln, war ein großer Punkt, wieso er sofort so super nett war. Das hat er mir selbst gesagt. 

"Hi. Gut, gut. Dir so? Die anderen sind nach der Arbeit direkt ins Bett, ich hatte noch Hunger.", antworte ich. "Du hast anscheinend noch genug zu tun.", füge ich hinzu und nicke zu der lauten Gruppe rechts.

Seine Augen folgen meiner Bewegung und er nickt, lacht dann und sagt: "Jung muss man sein.", und fragt schließlich was ich essen will. Nachdem ich bestelle, gehe ich wieder raus. Er wird mich reinholen, wenn das Essen fertig ist. Ich überlege, ob ich mich in mein Auto setzen soll, aber so kalt ist es noch nicht, also bleibe ich draußen stehen und lehne mich an die Wand. Sterne sieht man leider kaum, aber die Lichter und Schilder der Geschäfte auf der Straße reichen. Nebenan ist ein weiterer Imbiss, der aber leer zu sein scheint. Ein paar Türen weiter sind dann weitere Geschäfte, einige davon schon für den Tag geschlossen. Da ich nichts tun kann als warten, fische ich mein Handy aus meiner Hosentasche und scrolle ein wenig durch Instagram, bis mir dann einfällt, dass Isabelle und Mira vielleicht noch wach sind.

In die Gruppe mit den Jungs plus den beiden Frauen schreibe ich:

@ Isabelle @ Mira seid ihr wach? soll ich euch was von Alexandros mitbringen?

Mira antwortet sofort: hab vorhin schon gegessen und bin jetzt im bett. Aber danke!!

Isabelle antwortet nicht, aber nach zwei Minuten schreibt Nathan: Isabelle schläft schon
und schickt ein Foto in die Gruppe, wo man Isabelle schlafen sieht, die Decke bis zum Kinn hochgezogen und ihre Haare im Gesicht.

Ich antworte direkt auf seine Nachricht: sicher dass du nichts mehr essen willst? und die anderen? letzte chance

Nathan schreibt: bin schon im bett, ich werd nicht wieder aufstehen können

Nick: Aaron und Tim schlafen schon und ich ess einfach morgen ein großes Frühstück

Na dann, immerhin habe ich gefragt. Ein Angestellter des Imbisses von nebenan kommt raus und raucht, steht dabei mit dem Rücken zu mir. Sein Handy klingelt, worauf er anfängt laut zu telefonieren. Während ich noch kurz warte, kommt die Gruppe von Teenagern aus dem Geschäft. Es sind sieben oder acht Leute. Einer von ihnen schwankt beim Laufen und läuft gegen mich, bis ein Mädchen ihm am Arm hält und mit weg zieht. Wäre er nicht einen Kopf kleiner und sturzbetrunken hätte es vielleicht weh getan, weil er wirklich direkt in mich rein gerannt ist. Sobald sie alle draußen sind, gehe ich rein und direkt zur Theke.

Alexandros hält mir direkt zwei Tüten hoch, wobei ich nicht so viel bestellt habe. Ich sehe ihn fragend an und deute auf die zweite Tüte. Mein Bauch knurrt allein beim Geruch des Essens.

"Keine Ahnung wem du was gesagt hast, aber du hast wohl meinen Imbiss empfohlen und seit zwei Wochen oder so habe ich mehr Kundschaft, besonders gegen Mittag. Auch Touristen..", er sieht verwirrt aus und mir geht es genauso. Ich nehme das Essen entgegen und überlege, während er noch weiterredet. "Da hast du dir Desserts verdient."

"Ehm... danke.", sage ich nur und hole meinen Geldbeutel aus meiner Hosentasche, aber er winkt ab. "Passt schon."

"Nein, geht doch so nicht.", sage ich und frage wie viel ich ihm schulde, aber er nimmt kein Geld an. Wann habe ich diesen Imbiss erwähnt, frage ich mich. 

"Nächstes Mal kannst du...", aber er redet nicht zu Ende, sein Blick wandert von mir zu meiner rechten Seite. Ich folge seinem Blick. Aus dem kleinen Flur links, der zum Bad führt, kommen zwei Mädchen und eine von ihnen weint. Schluchzend. Alexandros ist mehrfacher Großvater und das sieht man ihm an seinem Blick jetzt sofort an. Seine Augenbraune ziehen sich sofort zusammen und er kommt hinter der Theke hervor und geht zu den Mädels rüber. In einem sanften Ton fragt er, was los ist und ob er was für sie tun kann. Ich bleibe noch stehen, da ich mich noch bedanken und verabschieden will. Das Mädchen hört nicht auf zu weinen, sie zittert deutlich und das Mädchen daneben sagt, dass es schon okay ist und sie nach Hause fahren. Erst als Alexandros fragt, ob er ein Taxi rufen soll und man für einen Moment nur das Mädchen weinen hört, schaue ich direkt zu ihnen und bin überrascht, dass ich das weinende Mädchen kenne. Es ist Victoria, Chloes Schwester. Ich habe einen Moment gebraucht sie zu erkennen, aber das ist sie sicherlich. Dann schaue ich zu dem Mädchen neben ihr und sie sieht einfach komplett überwältigt aus, hält Victoria aber an ihrem Arm hoch.

Ich zögere kurz, stelle mich dann aber doch zu Alexandros und schaue dann Victoria an. Sie sieht nur auf den Boden, also wende ich mich an das Mädchen neben ihr.

"Hey, ich bin Alex. Ich kenne Victorias Schwester, Chloe, von der Arbeit. Kann ich euch irgendwie helfen? Was ist passiert?", nach der ersten Überraschung, dass ich das weinende Mädchen kenne, mache ich mir schließlich Sorgen. Sie weint immer noch und schaut niemanden richtig an. Was muss passiert sein, dass sie in diesem Zustand ist. Wie alt ist sie überhaupt, 16? 17? 

Das Mädchen sieht mich an und schaut kurz wieder zu Victoria. Dann sagt sie: "Sie hat zu viel getrunken und ihr geht's nicht so gut. Ich sollte sie nach Hause bringen."

"Soll ich euch fahren? Bin mit dem Auto hier. Oder ich kann Chloe anrufen, falls sie wach ist.", sage ich und schaue dann Alexandros an, der nur zuhört. Seine Augen sind auf Victoria. Er hat ihr inzwischen Taschentücher gegeben, aber reagiert hat sie nicht aus sie entgegen zu nehmen.

Das Mädchen neben Victoria schaut immer wieder von Victoria zu mir und hin und wieder zu Alexandros. Sie sieht einfach total überwältigt aus.
Ich deute auf Alexandros und sage: "Oder wir können euch auch ein Taxi oder sowas rufen, wie ihr wollt." Um diese Uhrzeit in ihrem Zustand noch mit dem Bus fahren wäre ein Fehler.

Ein paar Momente später sitzen die beiden Mädels auf der Rückbank meines Autos, Alexandros sieht von der Tür seines Geschäfts zu wie ich aus der Parklücke fahre und ich sehe ihn noch ein paar Sekunden im Rückspiegel. Das Mädchen, dessen Namen ich immer noch nicht kenne, sagt: "Wir fahren am besten zu Vic's Schwester. Ihre Eltern würden sie umbringen, wenn sie so nach Hause kommt."

Erst dann realisiere ich, dass ich losgefahren bin ohne zu wissen wo es hingeht. Ich schaue sie durch den Rückspiegel an und frage: "Hast du die Adresse?", wonach sie kurz am Handy scrollt. An einer roten Ampel bleibe ich stehen, gebe die Adresse in mein Navi ein und muss dann eine U-Wendung machen, bin dann wohl in die falsche Richtung losgefahren.

"Wie heißt du übrigens?", frage ich, als Anfang zu einem Gespräch.

"Ashanti, aber Ash ist okay.", antwortet sie und hält dann kurz inne, sagt dann langsam, "Du bist Alex von After Midnight, oder?"

Ich nicke leicht lächelnd, weiß aber nicht, ob sie mich ansieht, also sage ich: "Ja. Ich kenne Chloe durch die Arbeit. Ihre Firma hilft meiner Band bei einem Projekt. Wie lange kennst du Victoria schon?", frage ich, "Echt gut, dass du dich um sie kümmerst, während sie in diesem Zustand ist." Ich bin kurz davor zu fragen, ob sie nicht zu jung zum trinken sind, aber das hält ja generell kaum jemanden ab. Dass ich überhaupt an diese Frage denke zeigt, dass ich älter werde. Oh Gott. 

"Nicht so lange. Zwei Wochen, vielleicht etwas weniger. Sie kennt wohl meine Cousine und wir waren vorhin mit ihr und ihren Freunden draußen, aber sie sind ohne uns gegangen.", erklärt sie und seufzt einmal laut. Ich schaue sie nochmal durch den Spiegel an, sie sieht echt fertig aus. Sie hat schwarzes Haar, das ein bisschen verwuschelt aussieht und ihr Makeup ist ein wenig verrutscht. "Ich bin nur zu Besuch hier, kenne niemanden außer meiner Cousine und sie hat da nicht so viel Rücksicht drauf genommen und jetzt muss uns ein Fremder Heim fahren, während meine Freundin sturzbesoffen auf meinem Schoß liegt.", sie atmet kurz durch, ihre Hand an Victorias Schulter. "No offense. Voll nett von dir, dass du das überhaupt machst. Wir hatten Glück, dass du zufällig da warst und Vic kennst.", sie lacht leise, "Sorry, ich rede so viel. Ich wusste gerade nur nicht was ich tun soll und ja..."

"Hey, alles gut.", sage ich. "Tut mir Leid, dass der Abend nicht so gut für euch verlief, aber Victoria kann sich glücklich schätzen, dass du da warst."

Für einige Minuten ist es ruhig im Auto, das Navi zeigt noch sechs Minuten an, als Ash die Stille unterbricht.

"Kann ich dich was fragen?", höre ich von der Rückbank und nicke. Sie redet weiter: "Weißt du, ob Vic's Schwester wütend werden könnte?"

"Du hast doch ihre Adresse, du müsstest sie persönlicher kennen als ich.", sage ich in einem leichten Ton.

Ash antwortet: "Ich habe Vic vor ein paar Tagen von da abgeholt, ich habe ihre Schwester nicht getroffen. Aber Vic erzählt oft von ihr und hatte gesagt, wenn was ist meldet sie sich immer erst bei ihr und nicht ihren Eltern. Deswegen dachte ich, dass es besser wäre zu ihr zu fahren, aber ich kenne sie nicht und sie mich nicht und irgendwie habe ich gerade Angst, dass sie mich beschuldigt, dass ich es so weit kommen lassen habe." Sie redet wieder super schnell, wobei ihre Worte ineinander verschmelzen. 

"Also, ich kenne Chloe nur wie sie auf der Arbeit ist. Aber ich bezweifle, dass sie dich beschuldigen würde. Sie müsste eher froh drüber sein, dass du Victoria zu ihr gebracht hast.", sage ich und schaue in den Rückspiegel und sehe, dass sie nicht überzeugt aussieht. "Wenn du magst, kann ich erst mit ihr reden?", schlage ich vor, obwohl ich selbst nicht überzeugt davon bin. Ich kenne Chloe nicht gut genug, als dass ich einfach bei ihr auftauchen kann. Aber ich sehe wie nervös Ash ist und ich erinnere mich, wie ich noch vor ein paar Jahren Angst hatte mich Erwachsenen zu stellen, wenn ich Scheiße gebaut habe. In diesem Fall, falls Ash mir alles gesagt hat, hat sie zwar nichts falsch gemacht, aber trotzdem.

Also stehe ich nach Mitternacht vor Chloes Tür und klingle. Es dauert ein bisschen, aber sie öffnet die Tür und guckt mich dann perplex an. Sie schaut mich an, schaut hinter mich als würde sie noch jemand anderen dort erwarten und schaut dann wieder mich an. Ich lächle sie kurz an, meine Hände in meinen Hosentaschen.

Chloe steht in einer Jogginghose und einem lockeren T-shirt vor mir. Ihre Haare hat sie hochgebunden und sie sieht ungeschminkt aus. Ich kenne sie nur top gestylt für die Arbeit. Dieser Anblick ist anders, aber irgendwie noch attraktiver als sonst. Bevor ich da zu lange drüber nachdenken kann, fange ich an zu reden.

"Hi, sorry, dass ich um die Uhrzeit störe.", sage ich und sage kurz lachend, "Ich bin kein Creep, versprochen."

Sie sieht mich immer noch verwirrt an, also erzähle ich schnell, wo ich war und wie ich auf die zwei Mädels getroffen bin und wieso ich sie gefahren habe und dass sie in meinem Auto warten.

"Was?", ist das einzige was sie sagt, bevor sie an mir vorbei geht und die Treppen runter zu meinem Auto läuft, wo ich vorhin drauf gezeigt habe. Ich folge ihr, helfe ihr Victoria aus dem Auto zu holen und als ich sehe wie Victoria noch halb-schläft, nehme ich ihren rechten Arm, Chloe den linken. Wir führen sie hoch und ich gehe mit rein als Victoria fast fällt und Chloe mit sich zieht als ich loslasse. Man kommt direkt ins Wohnzimmer, wo Chloe ihre Schwester auf der Couch liegen lässt. Sie zieht ihr die Schuhe aus, streicht ihr die Haare aus dem Gesicht und dreht sich dann zu mir und Ash, die inzwischen neben mir steht.

"Was genau ist passiert?", fragt sie erst, ihre Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen tief, ihre Hände an ihren Hüften. Dann schaut sie kurz zu ihrer Schwester, atmet einmal tief durch und schaut dann wieder zu Ash und mir. "Sorry. Erstmal, danke. Danke, dass ihr sie hergebracht habt.", dann sieht sie eher zu Ash und sagt: "Victoria hatte von dir erzählt.", sie lächelt Ash leicht an und fragt dann in einem netten Ton: "Wieso habt ihr getrunken und wieso so viel?", dann überlegt sie es sich anders. "Nein, sorry. Du bist ja nicht dafür verantwortlich. Danke nochmal, dass du auf sie Acht gegeben hast. Wenn du willst, kannst du die Nacht auch hier bleiben. Victoria hatte erwähnt, dass du zu Besuch hier bist."

Es ist das erste Mal, dass ich Chloe so durchwühlt und chaotisch sehe. Aber natürlich macht es gerade Sinn.

Ich melde mich kurz zu Wort: "Ich kann dich auch fahren, falls du nach Hause oder so musst."

Mit nach Hause meine ich zu ihrer Cousine, aber das versteht sie. Sie schaut von mir zu Chloe und sieht wieder so überwältigt aus. Sie sieht so unglaublich jung aus. Dann ruht ihr Blick auf Chloe und sie sagt: "Ehm, wäre sehr nett, wenn ich hier bleiben kann. Habe gerade keinen Schlüssel und weiß nicht, wann meine Cousine zurück nach Hause geht."

Chloe nickt und streicht sich über den Kopf und hält kurz ihren Dutt und nickt wieder.
"Okay, gerne. Du kannst schon mal den Flur lang und in die zweite Tür rechts, ins Gästezimmer. Ich komme gleich, falls du noch was brauchst."

Ash nickt und bedankt sich, schaut mich an und bedankt sich auch bei mir und geht dann den Flur entlang.

Chloe trifft meinen Blick und lächelt leicht. Ich weiß, dass es komisch für sie sein muss, dass ich hier bin. Es ist irgendwie komisch für mich.
Lächelnd sage ich: "Okay, da die beiden jetzt sicher hier sind, lasse ich euch mal in Ruhe."

"Ich weiß nicht, wieso sie mich nicht angerufen hat, aber danke, dass du sie hergebracht hast. Echt Glück gehabt, dass du zufällig da warst. Es gibt so viele Creeps, wer weiß was hätte passieren können. Wieso hat sie mich nicht einfach angerufen.", sie redet vor sich hin, weniger mit mir sondern mit sich selbst. Sie ist sehr besorgt, was man ihr ansieht. Sie schaut wieder zu ihrer Schwester und reibt sich die Augen. "Sorry.", sagt sie mit ihrem Blick wieder auf mir.

Ich schüttele lächelnd den Kopf. "Alles gut. Und ich glaube, sie war nicht im Zustand anzurufen. Als ich sie gesehen habe, kam sie taumelnd und weinend mit Ashanti aus dem Bad. Der Besitzer des Imbisses hätte die beiden sonst auch in ein Taxi gesetzt und es wäre okay gewesen."

Chloe sieht immer noch nicht beruhigt aus, also sage ich noch: "Ashanti hat auf dem Weg hierher erzählt, dass sie von dir wusste, weil Victoria oft von dir redet und meinte, dass sie sich immer erst bei dir meldet, wenn was ist. Also sie hätte sich bestimmt bei dir gemeldet."

"Okay...", sagt Chloe und trifft wieder meinen Blick und lächelt, "Danke, wirklich."

"Kein Problem.", sage ich auch lächelnd.

Chloe schaut instinktiv erneut zu ihrer Schwester, die inzwischen wieder fest zu schlafen scheint. Chloe lacht ein wenig als sie mich wieder ansieht und sagt: "Ich will dich nicht länger aufhalten. Du hattest sicherlich besseres zu tun als zwei betrunkene Teenager durch die Gegend zu kutschieren."

Ich zucke mit den Schultern: "Ich war nur was zu essen holen."

"Und du konntest noch nicht essen?", fragt sie.

Ich nicke und sage: "Das ist aber auch okay." Die ganze Zeit war ich auf die Mädels oder Chloe konzentriert, lasse jetzt aber für einen Moment meinen Blick durch den Raum fahren und sehe, dass auf ihrem Couchtisch eine halbe Pizza im offenen Karton liegt. "Anscheinend haben wir dich auch beim Mitternachtssnack unterbrochen.", sage ich darauf deutend.

Sie schien ihr Essen bisher komplett vergessen zu haben und lacht kurz.
"Ja, hatte vorhin einfach plötzlich Lust drauf.", ihre Augen wandern von ihrem Couchtisch, zu ihrer Schwester auf der Couch und letztendlich zu mir. Ich kann ihr ansehen, dass sie für einen Moment nachdenkt. Ihre Augen auf mich gerichtet. Ich schaue sie nur abwartend an, meine Hände in meinen Hosentaschen. Ich hebe fragend die Augenbrauen.

"Wenn du nicht direkt weg musst oder willst, kann ich dir gerne als Danke was zu trinken anbieten. Wenn wir beide sowieso noch essen wollten.", sagt sie schließlich.

Ich schaue kurz auf die Uhr, die an der einen Wand hängt. Ich muss nicht direkt weg, bevor ich was zu essen holen war, war ich sehr müde, aber das ist inzwischen verflogen.

"Wieso nicht?"

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