Winter tales

By RaKoVader

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- WATTYS WINNER 2021 - Eine Begegnung im Central Park, ein Kuss und ein neues Leben. Um uns herum ist es stil... More

Kapitel 1 - Len
Kapitel 2 - Jeffrey
Kapitel 3 - Jeffrey
Kapitel 4 - Jeffrey
Kapitel 5 - Jeffrey
Kapitel 6 - Len
Kapitel 8 - Len
Kapitel 9 - Len
Kapitel 10 - Len
Kapitel 11 - Len
Kapitel 12 - Len
Kapitel 13 - Len
Kapitel 14 - Len
Kapitel 15 - Len
Kapitel 16 - Jeffrey
Kapitel 17 - Len
Kapitel 18 - Len
Kapitel 19 - Len
Kapitel 20 - Len
Kapitel 21 - Len
Kapitel 22 - Len
Kapitel 23 - Len
Kapitel 24 - Jeffrey
Kapitel 25 - Jeffrey
Kapitel 26 - Jeffrey
Kapitel 27 - Jeffrey
Kapitel 28 - Len
Kapitel 29 - Len

Kapitel 7 - Len

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By RaKoVader

Als ich heute Morgen erwachte, galt mein erster Gedanke Jeffrey und der Weichheit seiner süßen Lippen. Ohne jede Hast erkundete die Kuppe meines Daumen jeden Zentimeter und fühlte das Prickeln als wäre er direkt über mir und würde unsere Lippen vereinen. Ich schloß meine Augen und wie eine Fotografie betrachtete ich die Erinnerung in meinen Gedanken. Nachtschwarze Haare, helle Haut und sturmgetränkte blaue Augen. Ich habe nie einen schöneren Mann gesehen und konnte mich schwer von der Macht meiner Träume lösen. Ich ließ zu, dass meine Triebe die Oberhand gewannen und ich etwas tat, was in den Augen der meisten meiner Landsleute nicht normal war.

Ich wuchs in einem konservativen Elternhaus auf und habe mehr als einmal die Proteste vor Veranstaltungen der LGBTQ+ Bewegung in Jakarta gesehen. Auch wenn es per Gesetz nicht verboten ist als Mann einen Mann zu lieben, so ist die Angst vor Diskriminierung und Bestrafung doch sehr präsent. Nach jedem Telefonat mit meinen Eltern verfalle ich in Selbstmitleid und Scham. Sie wünschen sich eine liebevolle Frau an meiner Seite und das Drängen auf eine Ehe mit der Patentochter meines Onkels wird immer lauter. Wie oft habe ich mir vorgenommen ihnen die Wahrheit zu sagen, sammelte all meinen Mut und Kraft zusammen. Um dann doch zu schweigen. So auch am gestrigen Abend. Ich wollte ihnen von Jeffrey erzählen und meine Freude teilen. Aber ich habe es einfach nicht geschafft.

Zu hören, dass Jeffrey diesen Abend nicht möchte, schmerzt ungemein. Ich höre mir an was er zu sagen hat und entscheide dann meinen nächsten Schritt.
"Ich bin Arzt. Spezialisiert auf Notfallmedizin. Den ganzen Tag lief ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die Notaufnahme und dankte Gott dafür, dass meine Schicht verhältnismäßig ruhig verlief. Ich konnte unsere Verabredung kaum erwarten und die letzten zwei Stunden krochen quälend langsam dahin. Kurz vor dem Ende meiner Schicht, änderte sich das. Wir bekamen einen Notfall herein. Autounfall. Eine junge Frau, schwanger mit Zwillingen und ein Kind... ein Mädchen kaum älter als meine Patentochter, klammerte sich verzweifelt an ihre Mutter. Ich erspare dir die Details.."

"Du musst das nicht machen. Es ist okay. Tut mir leid", sage ich entschuldigend. Ich hatte keine Ahnung. Wie auch? Bisher haben wir nicht viel miteinander geredet. Ich fühle mich schlecht das ich glaubte, Jeffrey hätte sich eine billige Ausrede zurecht gelegt. Dabei hatte er einen mehr als triftigen Grund sich zu verspäten.
"Lass mich bitte ausreden. Lass es mich erklären. Ich habe einen der Assistenzärzte in den Aufenthaltsraum geschickt um mein Handy zu holen. Er hat es nicht gefunden und ich bin fast durchgedreht weil ich wusste, das du auf mich warten würdest. Gleichzeitig versuchte ich das Leben der Mutter und den Zwillingen zu retten. Das Leben ist nicht immer fair. Und schon gar nicht leicht. Mir ging es nicht gut. Ich brauchte einen Moment für mich und ein Gebet. Dabei dachte ich die ganze Zeit an dich. Um nichts in der Welt hätte ich zugelassen, dich heute Abend nicht mehr zu sehen. Ich habe gehofft, dass du auf mich wartest", sagt er eindringlich und ich schlucke trocken. Fuck er ist Arzt und hat sein Bestes gegeben um unschuldiges Leben zu retten. Leidenschaft und Schmerz liegen in seiner Stimme, die Mutter hat es nicht geschafft. Er muss es nicht sagen, ich kann es spüren.

"Jeffrey."
"Ich habe das Handy in der Innentasche meines Mantels gefunden. Da wo es immer ist. Ich hätte es beinahe an die Wand geworfen als ich sah das der Akku leer ist. Möchtest du noch immer nach Hause?", fragt er. Ich schüttele meinen Kopf und vertreibe die ängstliche Stimme die flüsternd versucht mich aufzuhalten.
"Nein. Ich möchte nicht mehr nach Hause. Aber mir ist noch immer kalt. Auch wenn deine Hände meine etwas aufgewärmt haben", antworte ich und schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln. Ich hoffe, der Abend wendet sich noch zum Guten. Bisher ist er alles andere als das. Natürlich freue ich mich, dass er trotz allem noch gekommen ist. Aber ich hätte es auch verstanden, wenn er lieber hätte alleine sein wollen. Langsam zieht er unsere Hände aus den Taschen meines Mantels. Sein Daumen streichelt zärtlich über meine Haut. Eine liebevolle Geste voll Zuneigung und der stummen Bitte von vorne anzufangen.

"Lass uns rein gehen. Es ist wirklich kalt. Du trägst keinen Schal und deine Nase ist ganz rot", sagt er und sofort wird mir heiß. Ich muss schrecklich aussehen. Mit roter Nase und verdächtig tränenfeuchten Augen. Wie peinlich ist das bitte? So habe ich mir unser Date wirklich nicht vorgestellt.
"Schon vergessen? Mein Schal hat den Besitzer gewechselt. Frosty war sehr glücklich und die Farbe harmoniert so schön mit seiner orangefarbenen Karottennase", antworte ich und versuche meine Nervosität zu überdecken. Jeffreys Hände halten mich nicht mehr im Hier und Jetzt. Sanft umschließen seine großen Hände meinen Hals, er wird die Schläge meines erhöhten Pulses gedanklich zählen. Jeder Versuch meine Nervosität zu überspielen scheitert an der verräterischen Ader, die heiß und schnell gegen seine Fingerspitzen pocht. Ich schließe meine Augen und genieße das aufregende neue Gefühl das wie sanfte Wellen durch meinen Leib fließt.

"Was das angeht, muss ich dir etwas gestehen. Ich war gestern nach der Arbeit im Park und habe Frosty den Schal geklaut", sagt er grinsend und ich schaue ihn gespielt entsetzt an.
"Du hast was? Der arme Frosty."
"Ich dachte, du möchtest ihn vielleicht zurück haben. Es war sehr nett von dir Kate den Schal zu geben. Du hast maßgeblich zum Sieg beigetragen", erwidert Jeffrey sanft. Seine Daumen streicheln über die klare Linie meines Kinn, aber seine Augen fixieren meine Lippen und ich wünschte er würde sie küssen.
"Das habe ich gerne gemacht", hauche ich und kaum das die Worte meinen Mund verlassen haben, spüre ich das Gefühl absoluter Zufriedenheit und innerer Ruhe. Doch das Gefühl täuscht. Der tosenden Sturm in meinem Inneren ist kurz vorm explodieren, Jeffrey küsst mich sanft und doch mit einer Dringlichkeit die keiner Erklärung bedarf. Hitze und Kälte wechseln sich ab und wie ein Ertrinkender versuche ich Halt und Schutz in diesem Ozean der Emotionen zu finden.

Ich weiß nicht wie lange wir hier schon stehen und von der süßen Sünde kosten. Ich weiß aber, dass ich nie wieder etwas anderes als Jeffreys Lippen auf meinen spüren möchte. Kampflos ergebe ich mich seiner Zunge die sich forsch durch den kleinen Spalt drückt. Seufzend lasse ich mich fallen in dem Wissen, dass Jeffrey mich auffängt. Als er den Kuss lös,t klärt sich der Nebel in meinem Kopf nur langsam.
"Alles okay?", fragt er und grinsend nicke ich. Meine Zähne schaben über das geschwollene Fleisch meiner Lippen, nehmen den Geschmack nach Minze und Jeffrey pur auf. Ein anderes Aroma als unser erster Kuss und unweigerlich frage ich mich, ob es immer so sein wird. Wird jeder Kuss anders schmecken, eine andere Reaktion meines Körpers hervorrufen? Ich bin vollkommen unbedarft in solchen Dingen und schleichend kommt die Angst etwas falsches zu sagen oder zu tun aus ihrer Deckung hervorgekrochen.

"Alles okay. Lass uns den Abend einfach genießen", erwidere ich prompt und bin unendlich dankbar, dass Jeffrey mein Gesicht nicht mehr mit seinen weichen Händen umschließt. Verlegen wende ich mich ab und atme tief durch um neue Kraft zu sammeln. Meine Nervosität ist schlagartig wieder zurückgekehrt. Leider ist es kein Scherz und mein Körper nunmal ein mieser Verräter. Meine Hände zittern nicht nur von der Kälte, sondern auch der prickelnden Aufgeregtheit. Und immer wieder eine Spur Unsicherheit.
"Du bist süß wenn du verlegen wirst", haucht er nah an meinem Ohr und die Schmetterlingslarven in ihren Kokons strecken aufgeregt die Fühler aus. Jeffrey legt seinen Arm um meine Hüfte, führt mit sanftem Druck und ich lasse ihn bereitwillig gewähren.

Wie ein echter Gentleman und eines perfekten Abends würdig, öffnet er die Tür und wartet bis ich durch das gläserne Gebilde getreten bin. Meine Augen drehen sich im Kreis, versuchen jedes Detail aufzunehmen und die Informationen an meinen Kopf weiterzugeben. Nur zögerlich finden die Ströme den Ort seiner Bestimmung, verankern sich und die Stimme in meinem Kopf flüstert: 'Fuck, dass ist scheißedel hier.'
Mit vom Staunen offenem Mund und riesengroßen Augen gleitet mein Blick durch die Räumlichkeit. Dunkles Holz dominiert die Einrichtung, wunderschön geformte Stühle mit geschnitzten Details und blutroter Polsterung, weiße Tischwäsche und silberglänzendes Besteck. Die Gläser blankpoliert und funkelnd. In ihnen klar und deutlich, hell und strahlend Spiegelreflexionen von großen schweren Kristallleuchtern die wie Stalaktiten von der Decke einer Tropfsteinhöhle hängen.

Leise Musik dringt an mein Ohr, sanftes Licht von flackerndem Kerzenschein auf den separaten Tischen verleiht dem Restaurant einen einzigartigen Schein. Die Wandvertäfelung besteht ebenso aus wunderschön geschnitzten dunklen Holz. Andächtig betrachte ich die Formen und analysiere das Muster. Ein Bild, ein Kunstwerk. Zentrales Element bildet eine Blüte mit kreisrundem Kern und davon ausgehend große wunderschön geschwungene Blütenblätter. Feine Linien durchziehen Kelch und Kronblätter, verleihen dem Abbild einer mir unbekannten Pflanze etwas Erhabenes. Ich möchte es berühren, die Struktur der Linien und Form, die Beschaffenheit der Maserung unter meinen Finger spüren. Filigran gestaltete Ranken, florale Muster und eine glänzend polierte Oberfläche vervollständigen das Bild. Es ist wunderschön und fügt sich harmonisch in den Raum.

Plötzlich und vollkommen unerwartet drücken zwei starke Hände die Hülle meines Lebens auf die weichgepolsterte Sitzfläche. Verwirrt blicke ich mich um und sehe Jeffrey gegenüber von mir Platz nehmen. Mein Mantel bedeckt nicht mehr meinen Körper und auch er hat sich seines entledigt. Ich kann mich nur vage daran erinnern, dass er mich bat den Mantel auszuziehen.
"Gefällt es dir?", fragt er vorsichtig und ich kann nichts weiter als übermäßig mit dem Kopf zu nicken.
"Es ist wunderschön. Ich bereue gerade meine Kamera nicht mitgenommen zu haben. Das hätte wohl auch etwas seltsam gewirkt, bei unserem ersten Date mit meiner Nikon aufzutauchen", beantworte ich seine Frage. Meine Nervosität legt sich kein Stück als Jeffrey meine Hand ergreift und unsere Finger sich wie selbstverständlich miteinander verflechten. Seufzend betrachte ich den Knoten, seine helle Haut im Kontrast zu meiner dunkleren. Ob es ihn stört? Meine Herkunft ist schwer zu leugnen und auch meine akzentbehaftete Aussprache gehört nicht unbedingt zu den Dingen, die besonders sexy klingen. Aber es scheint ihn nicht im geringsten zu stören. Sonst würde er das hier in der Öffentlichkeit nicht tun.

"Guten Abend die Herren. Darf ich Ihnen schon etwas bringen?", unterbricht der Kellner des heutigen Abends diesen Moment. Jeffrey löst unsere verschlungenen Finger und mit Entsetzen sehe ich dabei zu, wie er seine Arme schwungvoll um die Taille des Kellners legt und sie sich fest aneinander drücken. Die Mimik des Kellners verändert sich, von freundlich geschäftig zu verliebt und in seinen wässrig wirkenden blau-grauen Augen sammeln sich kleine Herzen in allen Farben des Regenbogens. Er ist eindeutig schwul und sie scheinen sich sehr gut zu kennen. Feurige Eifersucht flackert durch meine Venen, mein Kiefer schmerzt so stark ist der Druck den ich somit kompensiere.
"Schön dich zu sehen Jeff. Es ist eine Weile her. Fast vier Wochen. Was hast du getrieben? Oder sollte ich fragen mit wem?" Ich kann ihn nicht leiden. Die Art wie er redet, seine Hände über Jeffreys Unterarme fahren, der Blick mit dem er mich fixiert.

Mit zornigem Ausdruck schaue ich mir den Kellner genauer an. Seine blonden Haare sind gepflegt, frisch geschnitten und kein einziges störisches Barthaar verläuft über Kiefer und Kinnpartie. Er hat feine Gesichtszüge, eine schlanke Nase, schmale Lippen und sehr helle reine Haut. Der Kellner hat ungefähr meine Größe, er leckt sich immer wieder über die Lippen welche bereits von seinem Sabber glänzen. Er flirtet mit meinem Date und ich hasse ihn. Viel zu nah steht er bei Jeffrey und in Gedanken hat er ihn sicherlich bereits entkleidet. Wer könnte es ihm verübeln? Ich nicht. Denn auch meine Gedanken sind bereits in einer eindeutigen Richtung unterwegs. Jeffrey sieht unglaublich gut aus. Das dunkelblaue Leinenhemd liegt eng an seinem Körper, die kurzen Ärmel geben einen Blick auf definierte Muskeln frei und ich wünschte es wären meine Finger, die zärtlich seine Haut erforschten. Jede Berührung war oberflächlich, dicke wärmende Wolle hinderte mich alles von ihm zu ertasten.

"Die Arbeit hinderte mich. Und meine kleine Maus. Du kennst das Brian. Arbeit und Familie. Das Elixier meines Lebens."
"Hmhm. Wenn du mal wieder etwas Ablenkung brauchst", säuselt er, zwinkert Jeffrey zu und ich ziehe scharf die Luft ein.
"Du weißt wo du mich findest." Mir ist übel. Ich kann den Geschmack von bitterer Galle gewürzt mit beißend wilder Eifersucht bereits auf der Zunge ertasten. Jeffrey lächelt freundlich und entzieht sich dem schmierigen Klammergriff des Kellners. Seinen Namen habe ich bereits wieder vergessen. Er ist nicht wichtig und mit einem liebevollen Lächeln richtet sich Jeffreys Aufmerksamkeit komplett auf mich.
"Trinkst du Wein?", fragt er und ich nicke.
"Manchmal. Zu besonderen Anlässen."
"Und heute ist so einer." Mehr eine Aussage als eine Frage und wieder nicke ich stumm. Jeffrey redet mit dem Kellner und aus dem Augenwinkel registriere ich seinen abschätzigen Blick. Ich frage mich, wie nahe die beiden sich stehen.

Er reicht jedem von uns eine Speisekarte und Jeffrey bedankt sich höflich bei ihm. Ein Blick in die Karte schmälert das aufregende Kitzeln in meinem Inneren und lähmende Ernüchterung macht sich breit. Fleisch. Jede Menge Fleisch. Stumm studieren wir das durchaus köstlich klingende Angebot. Meine Wahl ist schnell getroffen, viel zu laut schließt sich die Karte als der Einband aus elegantem Leder aufeinander trifft. Jeffrey sieht mich an und schenkt mir wieder dieses umwerfende Lächeln welches er bereits im Central Park getragen hat.
"Ist alles okay?", fragt er fürsorglich.
"Natürlich." Eine halbherzig Antwort, ich bin ein schlechter Lügner. Er ist zu gut für diese Welt. Freundlich lächelt er und sein linker Mundwinkel zieht sich verspielt nach oben. Wie kann ein Mensch nur so erotisch sein? Jede Geste, seine Art sich zu bewegen, zu sprechen und zu lächeln erregt mich sehr. Es ist ein schönes Gefühl, aber hier in der Öffentlichkeit vollkommen falsch.

Der Kellner ist wieder da. Sein abwertender Blick entgeht mir nicht. Mit gespieltem Interessen betrachte ich das Muster der blütenreinen Tischwäsche. Edles Damast und eine passende Serviette aus dem gleichen feinen Stoff. Das Logo dieses Lokals gestickt in geschwungenen blutroten Lettern. Alles hier ist wirklich elegant und verstärkt meinen ersten Eindruck eines höherpreisigen New Yorker Restaurants. Meine Speisekarte enthielt keine Beträge. Ich habe keine Ahnung was das Essen auf unseren Tellern und der Wein in den Kristallgläsern kostet. Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass Jeffrey desöfteren hier ist. Und ganz sicher nicht alleine, sondern in Begleitung diverser attraktiver Männer. Denn der nervige flirtende Kellner, der gerade dunkelroten, schon fast schwarzen Rotwein in unsere Gläser füllt, gab mir wie selbstverständlich die Karte ohne Preise, welche sonst für die Damen bestimmt sind.

"Hat deine Begleitung schon gewählt?", fragt er und ich unterdrücke ein genervtes Augenrollen. Seine nasale Stimme trieft vor Nichtakzeptanz und ich höre förmlich das Betteln und den Wunsch, an meiner Stelle sein zu dürfen.
"Len? Hast du dich entschieden?"
"Ja. Das habe ich. Babyspinat-Birnen-Salat mit Walnüssen bitte. Und eine extra Portion Parmesan", antworte ich auf seine Frage und fixiere die stechenden Augen des Kellners, dessen Name ich noch immer nicht mehr weiß.
"Eine gute Wahl als Vorspeise. Was darf es als Hauptgericht sein?", fragt er und ich fühle mich ertappt. Obwohl es dazu überhaupt keinen Grund gibt.
"Nichts weiter. Vielen Dank." Er nickt und wendet sich Jeffrey zu. Am liebsten würde ich ihm sein schmieriges Grinsen aus dem Gesicht fegen.

"Das gleiche wie immer nehme ich an? Entrecotes in Gewürzkruste. Ohne Koriander. Weil du den Geschmack nicht magst." Mir ist so dermaßen übel. Dieser Schleimbeutel umgarnt meine Verabredung und es ist ihm scheiß egal, dass ich alles mitbekomme. Jeffrey lächelt freundlich und die Hand des Schmierbeutels legt sich wie selbstverständlich auf Jeffreys Unterarm. Ich balle meine Hände zu Fäusten und bin kurz davor ein besitzergreifendes Knurren loszulassen. Wir haben ein Date, führen keine Beziehung. Dennoch macht mich das Verhalten des Kellners unglaublich wütend.
"Deine Augen funkeln heute so schön Jeff", flötet er und vergessen ist meine Selbstbeherrschung und die gute Erziehung meiner Eltern. Laut räuspernd liegen die passenden Worte bereits auf meiner Zunge, aber über meine Lippen kommen sie nicht. Jeffrey ist schneller. Er nimmt die Hand des Kellners und schiebt sie von seinem Arm.

Seine Hände finden wieder die meinen und ich bin froh, dass unser Tisch für zwei gerade so viel Platz einnimmt, wie man für zwei Teller benötigt. Jeffrey verschränkt unsere Finger miteinander und führt meine linke Hand an seinen Mund. Die Berührung seiner weichen warmen Lippen jagt einen Strom elektrisierender Wellen durch meinen Körper und ich halte die Luft an um keine falsche Bewegung zu machen. Sanft küsst er die Spitzen meiner Finger, saugt an der Haut meines Ringfingers und alles in mir ist in Wallung. Ich bin kurz vorm durchdrehen und ein wohlig kribbelnder Schauer perlt über meine Haut.
"Das liegt an diesem atemberaubenden Mann und seiner Schönheit." Ich bin im Himmel, schwebe hoch über den Wolken und fühle mich berauscht und geschätzt durch Jeffreys Worte.

"Bist du sicher, das dir ein Salat reicht? Du darfst bestellen was du möchtest", sagt Jeffrey und ich beschließe ihm die Wahrheit zu sagen.
"Ich bin Vegetarier. Es ist das einzige fleischlose Gericht auf der Karte."
"Oh. Wenn ich das gewusst hätte, dann wären wir woanders hingegangen. Möchtest du gehen? Wir können in ein anderes Lokal gehen", plappert er verunsichert und enttäuscht drauf los.
"Nein. Es ist alles gut. Du wusstest es nicht. Ich hätte etwas sagen können", erwidere ich. Dennoch kann ich die Enttäuschung in seiner Mimik erkennen. Jeffrey hat mich bewusst hierher ausgeführt und ich fühle mich schlecht ihm nicht vorher von meiner Abneigung gegenüber Fleisch erzählt zu haben. Er löst meine Hände aus seinen und steht langsam auf. Plötzliche Leere überfällt mich.

"Ich bin kurz auf der Toilette", sagt er leise und verschwindet in den hinteren Bereich des Restaurants. Und wieder kommen Bruder Angst und Schwester Zweifel zu Besuch, beginnen ein Streitgespräch mit der überzeugten Stärke.
Niedergeschlagen senke ich meinen Blick und versuche mich so klein wie möglich zu machen. Der Abend verläuft nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben.

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