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Zitternd klammerte sich Leonie an ihren Plüschfuchs, den sie fest im Arm hielt und zog sich wimmernd die Decke über den Kopf. Der Sturm, der laut um das Haus ihrer Familie herum tobte, machte ihr mehr Angst, als sie vermutet hatte. Hatte ihre Mama nicht gesagt, dass das nur ein bisschen stärkerer Wind war? Leonie hätte schwören können, dass dort draußen böse Geister herum schwebten, die nur auf einen günstigen Moment warteten, um ihr ihre Seele zu rauben. Sie hatte sich in ihrem jungen Leben noch nicht viele Gedanken um den Tod gemacht, doch in diesem Moment hatte sie panische Angst, dass er sie holen könnte.

Dichter Nebel hatte sich über die Landschaft gelegt, sodass weder der Mond noch die Sterne großartig zu sehen waren. Allein die Straßenlaternen sorgten für eine spärliche Menge an Licht, das die Nebelschwaden jedoch nur bedingt zu durchdringen vermochte.

Leonie kauerte sich noch etwas weiter zusammen, versuchte so, dem kräftigen Heulen vor ihrem Zimmerfenster zu entkommen. Wenn doch bloß ihre Mama bei ihr wäre. Doch Leonie wagte es nicht, zu schreien oder gar zu dem Zimmer ihrer Eltern zu gehen, aus Angst, die bösen Geister so auf sich aufmerksam zu machen. Wenn sie sich ganz still verhielt und gut versteckt blieb, würden sie sich jemand anderen suchen und sie endlich in Ruhe lassen, so hoffte sie. Und an diese Hoffnung klammerte sie sich genauso fest, wie an ihren Fuchs.

Die Worte ihrer Mutter kamen ihr wieder in den Sinn. „Du brauchst keine Angst zu haben, mein Schatz", hatte sie gesagt, nachdem das Radio die Sturmwarnung durchgegeben hatte, „der Sturm kann dir nichts tun, okay?"

Leonie hatte genickt und war sich zu dem Zeitpunkt auch noch sicher gewesen, dass sie kein bisschen Angst verspüren würde. Warum sollte sie sich auch vor Wind fürchten? Sie mochte Wind. Er machte immer so tolle hohe Wellen, wenn sie im Urlaub am Meer waren. Wind war etwas Tolles. Doch das hier war nicht mehr der Wind, den sie so gern hatte, das hier war Sturm und Sturm fand sie unheimlich. Es kam ihr unwirklich vor, dass sie vor wenigen Stunden noch fröhlich unten am Tisch gesessen und Kartoffelbrei in sich hinein geschaufelt hatte. Eher schien es ihr, als wären seit diesem Moment Tage vergangen, wenn nicht sogar Wochen.

Ein besonders starker Windstoß ließ sie erneut wimmern. Es sollte aufhören! Warum hörte es nicht auf? Warum setzten diese blöden Geister ihre Jagt nach Seelen nicht woanders fort? Weit weg von ihr und Fuchsi. Ihre kleine Hand krallte sich in das Fell des orangenen Tieres.

Plötzlich ertönte von draußen ein lautes Knacken. Leonie konnte nicht verhindern, laut aufzuschreien. Schnell presste sie sich eine Hand auf den Mund, ohne ihren kleinen Fuchs loszulassen. Ein leises Knarren drang an ihre Ohren, ihre Zimmertür würde geöffnet. Schluchzend verbarg das Mädchen sein Gesicht ich seinen Knien, während ihm die Tränen in Strömen über die Wangen liefen. Sie wollte noch nicht sterben! Ihre Kindheit war zu schön, um schon zu gehen. Gestern erst hatte ihre beste Freundin Charlotte ihr ein Freundschaftsarmband geschenkt und Leonie trug die kleine Kette seitdem stolz um ihr rechtes Handgelenk. Und nun sollte sie Charlotte alleine zurücklassen?

„Psst, Mäuschen, was ist los?"

Erleichtert realisierte Leonie, dass es bloß ihre Mama war, die in ihr Zimmer gekommen war. Die bösen Geister hatten ihren Schrei also nicht gehört.

„Es ist so laut und gruselig", sagte Leonie und schniefte.

„Ach, Süße." Ihre Mama strich sanft über dir Decke. „Meinst du, du hältst es noch eine Minute ohne mich hier aus? Ich hab da nämlich eine Idee."

Die Sanftheit in ihrer Stimme machte Leonie Mut, aber sie wollte nicht mehr alleine sein.

„Was für eine Idee?", wollte Leonie wissen und schielte unter der Decke hervor.

Ihre Mama lächelte sie sanft an. „Warte kurz, ich bin gleich wieder da."

Leonie war kurz davor, sie aufzuhalten, doch die Neugierde war in diesem Moment stärker als ihre Angst und außerdem hatte ihre Mama ihr versprochen, gleich wieder da zu sein, also ließ das Mädchen sie gehen.

Kurz darauf tauchte sie tatsächlich wieder in der Zimmertür ihrer Tochter auf. Dieses Mal mit einem Tablett in der Hand.

„Lust auf einen Nachtsnack? Ich habe heiße Schokolade und Kekse."

Mit Schwung riss sich Leonie die Decke vom Leib und griff nach einem der Kekse. Ihre Mutter lachte leise über die Begeisterung ihrer Tochter, bevor sie selbst anfing, das Stück Apfelkuchen zu verputzen, das sie für sich selbst mit hoch gebracht hatte.

„Guck mal, Mama, ich trinke Kaffee", rief Leonie auf einmal und nahm einen großen Schluck von ihrem Kakao.

Schmunzelnd hob ihre Mutter die Augenbrauen. „Bist du nicht noch etwas zu jung, um Kaffee zu trinken?"

„Nicht für Schokokaffee", meinte Leonie überzeugt.

„Na dann, guten Appetit."

Die beiden redeten noch eine Weile miteinander, bevorLeonie endlich einschlief. In den Armen ihrer Mama hatte sie keine Angst mehr,denn sie war sich sicher, dass ihre Mama stärker war als die bösen Geister unddass sie sie vor ihnen beschützen konnte. Und sie träumte davon, wie siezusammen mit ihren Freunden als Superhelden gegen die Geister kämpfte und dieseschließlich zurück ins Niemandsland schickte, wo sie hingehörten.

Sternenschreiber - Zeig Was Du KannstWhere stories live. Discover now