Sunhunters

18 - Matthias Green

„Völkerball zum Aufwärmen", beschließe ich schließlich.

Ich werfe dem zwei Meter großen Booth einen pinken Softball zu, den dieser irritiert auffängt.

„Wer am öftesten abgeworfen wird, der ..."

„... muss beim Versteinern Fänger machen, schon klar", murrt Booth missmutig.
Ich hätte ihm richtig Probleme dafür machen können, dass er mich unterbricht und nicht mit meinem Titel anspricht, doch heute habe ich gut gefrühstückt und schon zwei Folgen meiner Lieblings Telenovela intus, also belasse ich es bei einem:
„Ich wollte eigentlich sagen, dass ich denjenigen einer Horde genmutierter Schildkröten vorstellen will, aber Booth, ihre Denkweise gefällt mir."

Ich hebe einen weiteren Softball auf und werfe diesen Panic zu.

„Panic und Booth wählen Teams. Und wehe, ich sehe nicht gleich vollen Einsatz auf dem Feld", drohe ich noch, während ich jedem der beiden Teamkapitäne einen Haufen müffelnder Trikots in den Arm drücke.
„Wer abgeworfen wird, muss eine meiner unzähligen Quizfragen zu den Kampftechniken der VHN und der Geschichte des Kriegs beantworten. Versucht nicht, zu schummeln, Puppies. Mir entgeht nichts", ich führe Zeige- und Mittelfinger an meine Augen, um ihnen ‚I'm watching you' zu signalisieren.
Grabsy imitiert mich.

Aw, hat sie gesagt, denke ich, als Clara vorbei läuft, um sich in Booths Team einzureihen. Sie sieht gar nicht aus, wie jemand, der etwas Süßes mit Aw kommentiert.
Machen das nicht nur Nerds?
Hat sich das Croissant gerade als Nerd des Jet Teams geoutet?
Sie trifft meinen Blick – oder den meines Baby Aliens, so sicher kann man sich da nicht sein, wenn unsere Köpfe so nahe beisammen liegen – und lächelt kurz und leicht angenervt, bevor sie sich ihr Trikot überstreift.
Aw, denke ich.

„Bedankt euch nicht bei mir", sage ich noch, während ich nach guter alter Sportlehrer Manier am Rand des Felds Aufstellung nehme und die Play Taste an meinem CD Player drücke, „Ich hätte euch ordentlich in Lebensgefahr gebracht."

~

Wer hätte gedacht, dass Völkerball so schnell in eine Schlägerei eskaliert? Anstatt schlichtend einzuschreiten, nutze ich die Situation, um beiden Lagern nützliche Tipps zu geben und eine „Nicht in den Schritt treten!"-Regel festzulegen, bevor ich sie wieder aufeinander loslasse.
Es ist ohnehin mehr eine Kindergartenkeilerei, als handfester Nahkampf.
Zumindest in Sunhunter Maßstäben.

Als sie alle zu erschöpft sind, um sich weiter zuschlagen und der Boden der Turnhalle von einigen Blutspritzern geziert wird, sammle ich seelenruhig die Trikots wieder ein.
Angel und Panic, die die Schlägerei angefangen haben, tragen beide ein Verkehrshütchen auf dem Kopf, das sie mit Schande straft.

„Ich hoffe euch ist klar", setze ich an, während ich den Eiskaffee, den ich mir zwischenzeitlich holen habe lassen, mit einem winzigen Papierschirmchen umrühre, „Dass das das letzte Mal war, dass ihr euch gegenseitig angreift. Um ehrlich zu sein, habe ich euch gezielt mehr oder weniger dazu gebracht, genau das zu tun", ich lecke Eis von meinem Schirmchen und gebe es an den verzückten Oktopus weiter, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz den vor Schweiß triefenden und teilweise blutverschmierten Kadetten zuwende.

„Wenn ihr da draußen seid und angegriffen werdet, dann hat jeder eurer Jet Kameraden euer Leben in der Hand. Einer von euch verkackt eine Kleinigkeit und der Rest geht mit drauf. Einer opfert sich für die anderen und vielleicht überlebt dann das restliche Team", ich klopfe auf den Karteikarten Stapel mit den Geschichtsfragen, den ich aus der Bordbibliothek geklaut habe,
„Es gibt viele solcher Geschichten."

Ich lasse kopfschüttelnd den Blick schweifen.

„Ich kenne eure Lebensgeschichten, babies. Ihr habt eure Familien verlassen, eure Freunde und Freundinnen. Ihr wurdet eingezogen, hattet in den meisten Fällen gar keine Wahl und wollt wahrscheinlich gar nicht hier sein. Aber ihr seid es. Zusammen."

Beschämt senken sie alle den Blick, während ich ernst vor ihnen stehe, ohne mir irgendeine Mühe zu geben, meine Worte dramatisch aufzubauschen. Die Wahrheit in ihnen ist hart genug.

„Ihr müsst euch gegenseitig vertrauen. Im Krieg ist dieses Team eure Familie, vergesst das nicht", ich sammle meine Sportlehrerausrüstung zusammen.

„Familie beschützt man um jeden Preis", schließe ich sachlich.

Sie blinzeln unter ihren Verkehrshütchen zu mir auf, die zukünftigen StarSoldaten der Föderation, als hätte ich ihnen kaltes Wasser über den Kopf gegossen. Meine Worte sind angekommen, aber ihre wahre Bedeutung werden sie alle noch lernen müssen, wenn sie Seite an Seite um ihr Leben kämpfen.
Ich schultere meinen CD Player.

„Und jetzt geht duschen, oder ich lasse mir meine hübsche Nase amputieren", hänge ich noch an, bevor ich in durchaus düsterer Stimmung die Turnhalle verlasse.

~ ☀️ ~