1. Kapitel - Zum Weglaufen ist es jetzt auch zu spät

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-Draco-

Das Abteil war leer als ich mich hineinsetzte, und mit jeder Minute die es leer blieb wuchs der feste Klumpen in meinem Magen.
Ein paar Mal wurde der Vorhang beiseite gezogen, jedes Mal blickte ich auf, meinen finstersten Blick aufgesetzt. Der Vorhang schloss sich schnell wieder, einmal, zweimal, und beim dritten Mal musste ich schon gar nicht mehr böse schauen. Mein Anblick reichte wohl.
Mir war unwohl zumute. Ich wollte nicht das sich fremde Leute in mein Abteil setzten, ich wollte das sich meine Leute in mein Abteil setzten. Blaise, Crabbe, Goyle (wobei die beiden eher dazu da waren Plätze zu besetzen und bedrohlich auszusehen, wirklich viel zu unseren Gesprächen konnten sie nicht beitragen...) und meinetwegen sogar Pansy, obwohl mir ihr schrilles Gekicher oft schon nach Minuten auf die Nerven schlug und nicht selten Kopfschmerzen verursachte. Aber ausser mir traute sich keiner meiner Freunde zurück nach Hogwarts. Ich eigentlich auch nicht, aber mein Stolz überwog letztendlich meine Angst.

Wie würde es wohl aussehen wenn ich auch noch vor dem letzten Schuljahr flüchtete? Es reichte aus das mich jeder für einen Feigling hielt seitdem ich in der grossen Schlacht verschwunden war. Das ich die Hand meiner sterbenden Mutter gehalten hatte, das interessierte niemanden. Und niemand würde es jemals erfahren, das schwor ich mir. Ich konnte die Gehässigkeit der anderen ertragen solange sie nicht wussten wie sehr ich mich gefürchtet hatte an diesem Tag. Wie sehr ich weinte als meine Mutter mir mit schmerzverzerrtem Blick in die Augen schaute. Wie mein Herz in tausend Stücke zersprang als sie mit einem letzten leisen „Draco" in meinen Armen starb.
Ich kniete lange neben ihr. So lange, bis ihr Körper nicht mehr warm war, sondern nur noch eine Hülle der Frau die auch in der grössten Gefahr alles getan hat um mich vor dem schlimmsten zu bewahren.
Doch genug davon. Ich hatte beschlossen diese Geschichte nicht zu meinem Markenzeichen werden zu lassen, sondern einen letzten Rest Würde zu bewahren.

Zum Weglaufen war es jetzt sowieso zu spät. Ich lehnte meinen Kopf ans Fenster, einen Grossteil der Fahrt hatte ich noch vor mir. Vor lauter Langeweile zog ich eines meiner Schulbücher hervor, in Gedanken bei der Vorstellung das ich mich wohl dieses Jahr zu einem Hermine Granger Verschnitt mausern werde  müssen wenn ich weiterhin so allein blieb.
Ich bemerkte vor lauter Vertiefung zuerst nicht, das sich die Abteiltür erneut öffnete. Erst als ich ein Plumpsen, ein Rascheln und einen kurzen Fluch hörte, blickte ich auf. Auf dem Platz an der Tür hing ein Mädchen. Man konnte ihre Sitzposition nicht anders beschreiben, da ihr Oberkörper über dem Sitz hing, während sie verzweifelt versuchte, einen Stapel Pergamentrollen aufzusammeln der ihr wohl aus der Hand geglitten war. Seelenruhig beobachtete ich sie dabei. Nach geschlagenen fünf Minuten hatte sie ihre sieben Sachen beisammen, tauchte nach oben und funkelte mich an. In ihrem Blick war nichts als Genervtheit zu erkennen.
„Und alle sagen immer ihr Briten seid höflich. Du hättest mir ruhig beim Aufsammeln helfen können."nörgelte sie.
Ich wusste auf Anhieb: egal wer hier vor mir sass, ich hoffte ich musste nie wieder ein Wort mit ihr wechseln. Ich sah sie gelassen an, registrierte ärgerlich das sie dass nicht im Mindesten einschüchterte und zischte
„Das Aufsammeln hast du doch super alleine hinbekommen. Und jetzt raus aus meinem Abteil!"
Auch wenn ich mich nach Gesellschaft sehnte, ihre konnte ich ganz sicherlich schwer ertragen. Ich konnte es nicht ausstehen wenn Leute weder Manieren noch Respekt besaßen und hätte ihr den Pergamentstapel am liebsten auf den Flur gepfeffert.
Das Mädchen musterte mich noch ein letztes Mal abschätzig, verdrehte dann die Augen und sauste aus dem Abteil mit einem „Dann sitz ich lieber auf dem Flur!".
Rums. Die Tür war wieder zu, ich wieder allein und für einen kurzen Moment konnte ich die Stille sogar geniessen. Für ungefähr zwei Sekunden. Dann ging die Tür erneut auf und das Mädchen stand wieder im Abteil.
„Zu meinem Pech ist jedes andere Abteil voll. Vorschlag: Wir ignorieren uns für den Rest der Fahrt und wechseln danach nie wieder ein Wort."
Na das war immerhin in meinem Interesse. Ich ruckte unmissverständlich mit dem Kopf, wandte mich wieder meinem Buch zu und tat so als wäre das Mädchen in meinem Abteil Luft. Sie machte es mir nicht einfach. Pausenlos raschelte sie mit ihren Pergamentrollen herum, kramte in ihrer Tasche und als sie schließlich leise anfing zu summen, platze mir der Kragen.
„Wenn du nicht aufhörst mit dem Lärm setze ich dich wieder auf den Flur du Wicht!"
fauchte ich, während ich demonstrativ mein Buch zuschlug.
Normalerweise hatte dieser Tonfall alle um mich herum in Angst und Schrecken versetzt. Wenn ich etwas von meinem nichtsnutzigen Vater gelernt hatte, dann wie man herrisch klingt. Und tatsächlich, zu meiner grössten Genugtuung weiteten sich ihre irritierend hellbraunen Augen für einen Moment. Der Blick danach allerdings machte meine Genugtuung wieder zunichte.
„Pass auf du Frettchen. Noch ein Wort und ich hex dir was auf den Hals. Mir ganz egal ob ich das darf oder nicht, redest du noch einmal so mit mir wirst du dir wünschen du hättest diesen Zug nie betreten. Verstanden?" sagte sie lauernd. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Auf die Beleidigung „Frettchen" reagierte ich ganz besonders allergisch.

Augenverdrehend wandte sie sich wieder ihren Pergamentrollen zu. Währenddessen kochte ich vor Wut. Wie sie es auch nur wagen konnte mir mit einem Fluch zu drohen! Sie hatte gar keine Ahnung was ich alles...bei diesem Gedankengang stoppte ich mich. Meine Hände fingen an zu zittern. Mein Unterarm brannte. Er war zwar weiss und makellos, doch unter der verzauberten obersten Hautschicht brannte das Dunkle Mal beständig. Nicht weil der Dunkle Lord mich rief,wie sollte er auch, sondern weil meine Schuldgefühle mich jede Sekunde meines Lebens begleiteten. Ich holte unauffällig tief Luft.
Ich hatte mich hierfür entschieden. Für das Gute. Ich war bereit zu bereuen, Sachen gerade zu rücken.Und davon würde mich auch nicht diese Nervensäge abhalten.
Den Rest der Fahrt verbrachten wir in einträchtigem Schweigen, jeder auf sich selbst konzentriert. Sie hörte auf herumzurascheln, ich plante nicht mehr ihr einen Flederwichtfluch auf den Hals zu jagen.

Schon von weitem sah ich die unzähligen Lichter des Schlosses, die spitzen Türme und die ausufernden Ländereien. Ich liebte das Schloss, ich liebte es wirklich. Nur schämte ich mich immer zu sehr es zu sagen, nicht vor meinem Vater, der Hogwarts von Anfang an brennen sehen wollte. Im Schloss überwachte niemand jeden meiner Schritte. Im Schloss hetzte mir niemand den Imperius Fluch auf den Hals wenn ich nicht hörig war.
Schnell warf ich mir meinen Umhang über, das Mädchen neben mir tat das gleiche.
Ihr Umhang wies einige Mängel auf, hätte sie nicht pechschwarze Haare gehabt, hätte sie glatt zur Wiesel-Familie gehören können. Ich lachte abschätzig in mich hinein. Ein scharfer Seitenblick traf mich. Sie.
„Wenn du nicht aufhörst so dämlich zu grinsen dann sorge ich dafür das dein Umhang innerhalb der nächsten drei Sekunden noch schlimmer aussieht. Interesse?"zischte sie mich an. Ich stand auf, sah auf sie herab (sie war wirklich winzig, ich überragte sie mit Leichtigkeit um einen Kopf) und grinste hämisch.
„Ich dachte wir wollten uns ignorieren? Das kriegst du toll hin!" lachte ich. Mein Gegenüber bedachte mich mit einem letzten hasserfüllten Blick, schnappte an mir vorbei ihren Koffer, nicht ohne mir ihren Ellenbogen in die Seite zu rammen, und rauschte aus dem Abteil. Mir platzte der Kragen. Angezischt zu werden hin oder her, ich konnte den blauen Fleck an meiner Seite bereits spüren. Ich sauste hinter ihr her, zog meinen Zauberstab und wollte gerade meinen ersten Fluch loswerden, da flog mir mein Zauberstab schon aus der Hand. Sie hatte sich noch nicht einmal umgedreht.
Langsam wandte sie sich zu mir.
„Das" presste sie zwischen ihren Zähnen hindurch „hättest du nicht tun sollen"
Innerhalb der nächsten Sekunden starrten wir uns einfach nur feindselig an. Der Zug kam mit einem Ruck zum Stehen.
„Das wirst du bereuen!"knurrte ich und sie sah aus als ob sie mich am liebsten mit blossen Händen erwürgt hätte.
Ich drängelte mich unsanft an ihr vorbei und stieg auf den Bahnsteig. Alles war in schummeriges Licht getaucht, eine Schar von Erstklässlern wuselte an mir vorbei. Ich hörte ihr Tuscheln und bemerkte ihre Blicke, doch in diesem Moment sah ich nur eins: Hogwarts.

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⏰ Last updated: Sep 03, 2020 ⏰

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cracked mirrors- draco malfoyWhere stories live. Discover now