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Doch mein Jubeln erstickte alsbald.

Suchend drehte ich mich um mich selber, erneut, hielt Ausschau, nach einem Ausweg, vielleicht, einer Fluchtmöglichkeit aus dieser weiten, weiten Wüste, aus diesem düsteren Staubfeld, dessen Trockenheit sich nur langsam und äußerst widerwillig dem sanften Regen hingab.

Ebenso wie mein Freudenjauchzen erstickt war, gehindert durch meine trockene Kehle, so wurde auch das blubbernde Glücksgefühl in meinem Inneren mehr und mehr von schwerer Verzweiflung niedergepresst, geschwert durch die Umstände meiner Umgebung. Nur düster erinnerte ich mich, wie ich hier gelandet war. Ewig waren wir gegangen, denn damals war ich noch in Gesellschaft anderer verkümmerter Seelen, wie ich eine war, gewesen, und wir alle hatten uns verloren geglaubt. Kaum klarer, doch nicht ganz so niederschmetternd, erschloss sich mir wieder, wie ich meinen Platz gefunden und dort auf ewig, wie ich geglaubt hatte, erstarrt war, zu einer schmutzigen Statue aus sprödem Stein. Dass dem nicht so gewesen war... Das überraschte mich noch immer.

Und vielleicht rührte mein in Chaos gestürztes Inneres daher.

Denn ich konnte noch kaum glauben, welches Schauspiel sich meinen Augen hier bot, welche Wunder vonstatten gingen. Hellwach, mit geweiteten Augen reckte ich den Kopf, so schwer es mir auch fiel, mich zu bewegen.

Ich glaubte nicht, zu träumen, denn dies musste ich schon vor unendlichen Jahren verlernt haben, als ich vor solch langer Zeit in meinen Schlaf gefallen war, erstarrt war. Nicht nur äußerlich – auch mein Inneres hatte sich nicht mehr geregt.

Und nun war ich erwacht. Doch etwas fehlte, fehlte mir noch immer... Es war ein schleierhafter Schemen, dort, am Rande meines Bewusstseins. Gerade so außer Reichweite meiner tastenden Gedanken...

Langsam schloss ich meine Lippen wieder, zu gleicher Zeit senkten sich meine Augenlider ein weiteres Mal. Die schwere Starre drohte für einen kleinen, einen letzten Moment, mich erneut zu überkommen, doch dann wich sie zögernd, als habe sie Angst, mich loszulassen, von mir, ohne dass ich wusste, weswegen.

Doch ich war erleichtert, breitete vorsichtig die Arme zu beiden Seiten aus, als könne ich fliegen, abheben und fortfliegen aus diesem Tal der Ödnis. Ich hatte vom Fliegen geträumt, einst, vor vielen, vielen Jahren... und nun war ich dem Himmel hoch über meinen Heimatdorf ferner denn je, so glaubte ich. Viel mehr war es eine unbestimmte Ahnung, feine, doch nicht gewisse Intuition, denn ein reiner, und wohl möglicherweise fehlerhafter Glaube.

Mein Gewand flatterte im sanften Wind, der langsam mit dem Regen aufgekommen war, obgleich es wasserdurchtränkt war,  vermochte der zarte Luftzug es zu bewegen. An den Schultern klebte es mir an der bloßen Haut, doch ich empfand es in diesem Moment kaum als unangenehm, möglicherweise noch als ein wenig störend...

Zu sehr forderte das stille Wogen zwischen schäumender Glückseligkeit und der schwermütigeren Verzweiflung meine Aufmerksamkeit ein, und ich ertappte mich dabei, nicht sicher zu sein, welches Extrem mir recht und billig war.

Beinahe konnte ich die Verzweiflung in mir jubilieren hören, während sie erneut auf mich einstürzte und mich aus dem Gleichgewicht ins Taumeln brachte.

Ich fiel auf meine schmutzigen Knie – was gäbe ich nur um ein Bad, ein Bad in dem See nahe meines geliebten Heimatdorfes... Eine stille Sehnsucht trieb Teile der tauben Verzweiflung hinfort und so begann ich, am Boden zu suchen, strich mit den Spitzen meiner Finger über Staub und Sand und Erde, doch was ich begehrte, fand ich nicht.

Noch immer am Boden kniend, trocken aufschluchzend, legte ich meinen schmerzenden Kopf langsam zurück.

Unten ging es nicht hinaus, in keine aller Himmelsrichtungen schien das Staubfeld ein Ende zu nehmen. Und auch hoch über mir türmten sich zwar die dunkelgrauen Wolkenberge, doch auch sie schienen keine Möglichkeit auf eine Ausflucht zu bieten.

Und mir wurde langsam bewusst, dass ich irgendwo, an einem mir noch ungewissen Punkt, einen Pfad ohne Wiederkehr eingeschlagen hatte.

Fluss der Seelen Where stories live. Discover now