Vorwort

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Mein Name ist Elina Peltola, aber alle nennen mich Elli. Ich bin 30 Jahre und lebe in Helsinki Finnland. Dort besitze ich seit über sieben Jahren einen ziemlich gut laufenden kleinen Klamottenladen der ein paar ausgefallene Marken, ausschließlich für Frauen führt. Ich liebe das Joggen, das Leben und alles was damit zu tun hat.

Vor zehn Jahren, mit gerade einmal 20, lernte ich meinen Mann Chris kennen und lieben. Chris kam ursprünglich aus Österreich, lebte aber bereits seit seinem vierten Lebensjahr hier in Helsinki. Er war drei Jahre älter als ich und das Beste das mir je passiert ist.

Nach nur vier Jahren machten wir Nägel mit Köpfen und heirateten. Kurz darauf, kauften wir uns ein altes Haus, das etwas abgelegen von Helsinki City, direkt an einem kleinen verträumten See lag und renovierten dies in einem Jahr mühevoller Arbeit.

Nur ein Jahr später zog unsere Fellnase Yukon, ein Rhodesian Ridgeback Bub bei uns ein. Unsere Liebe schien Grenzenlos zu sein und an meinem 27igsten Geburtstag entschieden wir uns, bei einem wundervollen romantischen gemeinsamen Dinner, das wir nun endlich den nächsten Schritt wagen wollten um unser Glück vollkommen zu machen. Wir wollten endlich versuchen Eltern zu werden. Doch dazu, sollte es NIE kommen...

Am Heimweg von diesem Dinner, verlor ein betrunkener Mann die Kontrolle über sein Auto und rammte uns frontal mit über 100km/h. Nachdem wir uns einige Male überschlagen haben... kam unser Wrack in einem Graben zum Stillstand.

Während ich mir so ziemlich jeden einzelnen Knochen in mir gebrochen hatte und mit einer schweren Gehirnerschütterung davon gekommen bin... erlag Chris noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen.

Ich war nun ab sofort mit gerade einmal 27 Jahren Witwe und ich hasste alles an dem Wort: Wie es klang. Was es bedeutet und wie sich mein Mund dabei anfühlte, wenn ich es aussprach... also nahm ich es erst gar nicht in den Mund.

Nach einem dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt, kam ich wieder nach Hause und es war alles andere als einfach dort zu leben. Denn einfach ALLES hier, erinnerte mich an ihn und an unsere Zeit.

Seine Sachen nahmen noch immer die Hälfte des Kleiderschrankes ein, sein Rasierer lag noch immer neben der Seifenschale im Bad, seine Sportsachen waren noch immer in der Abstellkammer, genauso wie sein Schreibtisch noch immer auf eine Wiederkehr wartete. Oft saß ich Tagelang im Zimmer ohne mich zu waschen, essen oder etwas zu trinken. Wobei letzteres das wohl schlimmste war. Immer wenn sich andere nach meinem Befinden erkundeten, zuckte ich nur mit der Schulter, denn... WAS um Himmels Willen wollten sie denn hören? Gut? Es ging mir alles andere als gut.

Ich weinte in dieser Zeit ununterbrochen, nahm über 15 Kilo ab und war im Grunde nicht mehr fähig mich um Yukon, meinen Laden oder gar um mich selbst zu kümmern. Meine Depressionen schienen sich ins unermessliche zu steigern, bis irgendwann meine Familie und vor allem meine beste Freundin Taru, das nicht mehr länger mitansehen konnten und mich für ein Jahr in stationärer Therapie gaben.

Anfangs war ich sauer und wehrte mich ziemlich heftig dagegen, aber nach nur einem Monat musste ich feststellen, dass diese Menschen mir dort wirklich helfen konnten, denn es war einfach schwer für mich, nein... es war nahezu unmöglich für mich, ohne professionelle Hilfe wieder zurück ins Leben zu finden. Nach diesem ersten Jahr, stand mir weiterhin meine beste Freundin Taru wohl am meisten zur Seite. Sie war stark für mich und zeigte alles andere als Mitleid. Mit ihrer direkten und manchmal auch ziemlich harten Art, schaffte sie es irgendwie mich immer wieder zurück ins Leben zu holen, in dieses Leben das ich davor so sehr liebte.

Es war eine harte Zeit und sie musste mich fast täglich daran erinnern, dass Chris das nicht gewollt hätte. Natürlich hätte er es nicht gewollt mich so zu sehen. Doch so etwas ist immer einfacher gesagt als getan. Es war alles andere als einfach für mich und trotzdem ich das wirklich wollte und mir Mühe dabei gab, war es immer wieder, jeden Tag auf's neue, eine Herausforderung für mich gewesen und ist es auch teils heute noch immer.

Durch Zufall fand ich damals einen Ausgleich in dem ich wirklich alles abschalten konnte und entdeckte die Leidenschaft zum Laufen. Mittlerweile ist es wie eine Droge für mich geworden, denn ohne meine tägliche Runde am frühen Morgen im Wald, kann ich den Tag nicht beginnen. Dadurch bekam ich wieder meine altbekannte Lebensfreude zurück und alles begann langsam wieder normal zu werden. Ich konnte endlich wieder zurück in meinen eigenen geliebten Klamottenladen und begann wieder zu arbeiten. Ich kann wieder über alles Mögliche lachen, treffe mich wieder regelmäßig mit Freunden, kann mich über Dinge freuen und ich kann mich mittlerweile normal unterhalten, ohne ständig an das passierte oder an Chris denken zu müssen.

Anfangs waren im ganzen Haus überall Bilder von uns, in allen möglichen Situationen von unseren gemeinsamen Leben und immer wenn ich zu Hause war, ging es mir nicht gut und ich fühlte mich einsam, verlassen, wütend, traurig und hilflos. Mein Leben musste weiter gehen. Weiter gehen ohne Chris... ob ich es wollte oder nicht, also ließ ich mit Hilfe meiner Therapeutin, Monat für Monat ein Bild mehr von uns verschwinden und mittlerweile stehen nur noch zwei Bilder von uns im Haus. Eines davon im Flur, das mein absolutes Lieblingsbild ist, denn dabei lehne ich mich lächelnd an Chris's Schulter, während er mir einen Kuss auf die Stirn gibt... immer wenn ich es mir ansehe, kommt es mir vor als wäre es erst gestern gewesen! Wenn ich gehe oder heim komme ist das Foto, das erste das ich sehe und sofort legt sich dabei ein Lächeln auf meine Lippen und das zweite von uns das noch über blieb, steht im Schlafzimmer.

Ich bin furchtbar stolz darauf, das ich bis heute so weit gekommen bin, denn... mit dem heutigen Tag habe ich drei Jahre harten Kampf hinter mir und fühle mich eigentlich den Umständen entsprechen gut und trotzdem bin ich noch immer auf der Suche nach dem eigentlichen Sinn in meinem jetzigen Leben. Einen Sinn den ich ganz alleine selbst für mich finden muss.

Chris hat immer gesagt:
Nichts geschieht ohne Grund

...doch welcher beschissenen Grund, sollte bitte dafür gut sein, das er nicht mehr hier ist???

Nothing is over / Samu Haber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt