Kapitel 91.5

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Enya, Samuel und Sanya dagegen wirkten wie vom Donner gerührt. Bill hatte es herausgefunden. Und das war nicht gut, sollte er wirklich das sein, für was wir ihn hielten.

Bill wandte sich an Enya. „Finanzierst du das alles hier alleine oder mit anderen?", fragte er interessiert. Entgeistert sah sie ihn an.

„Darüber gebe ich dir doch keine Auskunft.", erwiderte sie kopfschüttelnd. Bill seufzte tief und wollte sich wieder an die Brille fassen, ließ es aber dann doch noch bleiben. „Okay. Aber hättest du was dagegen, wenn ich dir ein bisschen unter die Arme greife? Finanziell und bei was auch immer du und die Mutanten sonst noch Hilfe braucht?", wollte Bill wissen. Irgendetwas an seinem Blick sagte mir, dass er es wirklich ernst meinte.

„Wenn wir dir nicht glauben, dass du -" Samuel räusperte sich. „-Louis und Fenya aus der Stadt bringst, ohne ihnen oder uns eine Falle zu stellen, kannst du davon ausgehen, dass wir deine Hilfe auch sonst nicht wollen."

Frustriert sank Bill in sich zusammen. „Ich habe euch doch schon erklärt, weshalb ich bei MaWiCon arbeite.", sagte er. „Außerdem vertraut ihr dem Jäger anscheinend auch. Ansonsten wäre er nicht hier. Und während Jäger die Mutanten eigenhändig töten, stellen wir lediglich die Gerätschaften her, die man zur Unterstützung nutzen kann. Natürlich ist auch das nicht zu verzeihen. Aber im Vergleich zu den Jägern, sind wir das weitaus kleinere Übel."

„Er darf hier bleiben, weil seine Schwester für ihn bürgt.", erwiderte Samuel eisern. „Im Gegensatz zu ihm hast du niemanden, der das für dich tut." Dabei ignorierte er Bills letzte Aussage. Obwohl Lucius und ich noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier waren, schien es mir bereits so, als würden Samuel und Enya meinem Bruder vertrauen. Auch ohne, dass ich ihnen versicherte, dass er niemandem etwas tun würde. Bill hatte dieses Vertrauen nicht erhalten.

„Enya!", wandte Bill sich wieder an Enya. „Erinnerst du dich noch an die achte Klasse? Und an John, Thomas und Flavio?"

„Die, die immer die anderen Schüler geärgert haben?", fragte Enya. Sie wusste definitiv nicht, auf was ihr ehemaliger Klassenkamerad hinauswollte.

Bill nickte. „Genau die. Und weißt du noch, dass ich mich mit ihnen angefreundet habe?" Abwartend sah er Enya an, die langsam nickte.„Nachdem ich das getan hatte, hatten meine Worte auf sie plötzlich eine Wirkung: sobald ich sagte, dass mir nicht gefiel, was sie taten, haben sie sich größtenteils zurückgehalten."

„Willst du das etwa mit der heutigen Situation vergleichen?" Abwertend verzog Enya ihr Gesicht. „Das ist doch etwas vollkommen anderes! Damals ging es um ein paar kindische Streiche und jetzt geht es um Mord!"

„Aber anders weiß ich mir jetzt nicht mehr zu helfen!", rief Bill verzweifelt aus und raufte sich das braune Haar. „Wie soll ich euch beweisen, dass ich keine schlechten Absichten habe?"

„Ich weiß es nicht."

„Bitte! Lasst mich Louis und Fenya – oder wie auch immer ihr beide wirklich heißt – sicher aus der Stadt bringen!", bat Bill. „Und danach möchte ich euch hier helfen. Was auch immer ihr vorhabt, ich werde euch unterstützen! Es ist nicht gerecht, wie man euch behandelt! Und wenn ihr mir immer noch nicht vertraut, nehmt dann bitte meine Spenden an!"

Überfordert blickte Enya zu ihrem Cousin. Sie wusste offensichtlich nicht, was sie jetzt tun wollte. Auch, wenn sie es nicht zugeben wollte, Geld brauchte sie dringend. Zwar kamen sie und die Mutanten bis jetzt über die Runden, aber was, wenn mal mehr Mutanten hier lebten, als jetzt?Oder, wenn etwas Unvorhergesehenes geschah oder sie wieder eine solche Aktion wie mit den Flugblättern starten wollten?

Zögerlich mischte sich nun Sanya ein. „Wieso geben wir ihm nicht eine Chance?" Samuel wollte schon etwas erwidern, doch Sanya bat ihn mit einer knappen Handbewegung, zu schweigen. „Bitte hör mir erst zu.", bat sie und deutete dann auf Lucius und mich. „Ihr beide wollt die Stadt verlassen. Und hier habt ihr eine Möglichkeit, das zu tun. Natürlich dürfen wir ihm nicht so leichtfertig vertrauen. Aber was, wenn wir ihn dabei beobachten? Ein paar von uns, die unter Menschen nicht auffallen, könnte euch folgen und so auch eingreifen, wenn etwas schiefläuft."

„Und was ist, wenn er die beiden aus der Stadt bringt und alles währenddessen gut läuft, er aber anschließend uns verrät? Bei den beiden handelt es sich um eine Jäger und eine Mutantin. Hier dagegen, leben viel mehr von uns. Was wäre also der bessere Fang?", gab Samuel zu bedenken.

„Bleibt uns überhaupt eine andere Wahl?", erwiderte Sanya vorsichtig. „Er weiß doch ohnehin schon von uns. Was wäre also die andere Option? Ihn gefangen zunehmen oder gar zu töten? Beides davon ist auszuschließen. Wenn er wirklich zu MaWiCon gehört, wie ich bis jetzt herausgehört habe, wird sein Verschwinden nicht unbemerkt bleiben. Auf die ein oder andere Weise würden wir entweder früher oder später die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns lenken."

„Aber wir können auch nicht einfach hoffen, dass Bill uns nicht verrät!", sagte Samuel und fuhr sich gestresst mit der Hand über den Nacken.

„Hast du vielleicht eine andere Idee?", klinkte sich nun auch Enya wieder ein. „Mir fällt nämlich keine ein. Und selbst, wenn es uns möglich wäre, umzuziehen, könnte er unsere Adresse einfach wieder herausfinden."

Zerknirschtes Schweigen lag schwer in der Luft. Betroffen hingen alle Anwesenden ihren eigenen Gedanken nach. Obwohl Bill bisher wirklich aufrichtig gewirkt hatte, konnte ich ihm einfach nicht vertrauen. Noch nicht. Es mochte ja sein, dass er tatsächlich die Wahrheit sprach. Aber es barg ein enormes Risiko, uns auf ihn einzulassen.

„Na schön.", sagte Samuel schließlich. Ihm war anzusehen, dass ihm die ganze Sache nicht gefiel. „Aber wir werden dich im Auge behalten." Trotz dieser offensichtlichen Warnung, nickte Bill erleichtert. Ein kleiner Funken von Hoffnung schien in ihm aufzuglühen.

„Natürlich!", stimmte Bill leicht lächelnd zu.

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt