Prolog

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Die Menschen fürchten das, was sie nicht kennen. Das war schon immer so gewesen und wird vermutlich auch immer so sein. Sie lehnen das Fremde - das, was sie nicht verstehen - ab. Es liegt in ihrer Natur, ehe sie gezwungen werden, sich wirklich damit auseinanderzusetzen und sie feststellen müssen, dass ihre Angst - ihre Ablehnung - unberechtigt ist. Aber Menschen sind stolze Geschöpfe. Sie sehen ihre Fehler nicht gerne ein. Stattdessen schauen sie weg, schieben sie auf andere und verzerren sie bis in die Unendlichkeit. Es ist unglaublich, was für Erklärungen Menschen sich ausdenken, damit alles in ihr Weltbild passt.

Zu gerne ignorieren sie, was das für diejenigen bedeutet, die das betrifft. Ich bin kein Mensch. Aber ich war es einst. Vor langer Zeit. Noch immer erinnere ich mich an das Leben, wie es einmal war. Als noch kein Experiment mein Leben zerstört hat.

Was wir sind sagt noch lange nicht über uns aus, wer wir sind. Denn das entscheiden ganz allein wir. Auch wenn die meisten Meinesgleichen sofort von den Menschen in unsichtbare Schubladen geschoben werden. Sie sind nicht wirklich da und doch existieren sie. Die meisten von uns sehen anders aus und wir verfügen über Fähigkeiten, die den Menschen verwehrt sind. Das schürt die Angst wie ein Feuer. Es erlischt nicht, brennt immer weiter, verzehrt Leute wie mich. Mit Haut und Haar.

Wir sind Ungeziefer. Fehler, eines schiefgelaufenen Experiments. Und genauso werden wir auch behandelt. In ihren Augen sind wir Abschaum und nicht würdig, um ein Leben wie sie zu führen. Sie wollen nicht sehen, was wir einmal gewesen sind. Sie sind Menschen. Wir nicht. Nicht mehr.

Es ist ein einzelnes Wort, das uns von ihnen trennt. Ein einzelnes Wort, das unser Leben zerstört. Das uns unseren Wert abspricht.

Wir sind die Sklaven, die es nicht besser verdient haben. Wir haben den Mund zu halten und zu dienen. Mehr kann man von misslungenen Experimenten nicht erwarten. Sind wir ungehorsam, können wir keine Gnade erwarten. Kein Mitleid. Kein Verständnis.

Wir sind die Soldaten, die in der Armee kämpfen für einen Krieg, der nicht unserer ist. Einen Krieg, den die Menschen begonnen haben und sie opfern lieber uns, als einen von ihnen.

Das Wort, von dem ich spreche, ist „Menschenrechte". Aber wir sind keine Menschen. Wir sind Mutanten. Die Monster, vor denen euch eure Eltern warnen, obwohl sie sich von einem von uns das Frühstück bringen lassen.

Es gab eine Zeit, in der ich genau war wie sie. Acht Jahre meines Lebens bin ich ein Mensch gewesen. Aber das ist lange her. Ich selbst weiß nicht, als was ich mich sehen soll. Ich weiß, dass es zu viele Unterschiede gibt, um mich noch länger als einen Menschen bezeichnen zu können. Mein Körper hat sich verändert, ist zu etwas Fremden geworden. Aber hat sich auch mein Herz verändert? Mein Innerstes?

Einst bin ich ein ganz normales kleines Menschenmädchen gewesen. Bis es zu dem Ereignis kam, das alles veränderte hat. Man spielt nicht mit der Natur des Menschen. Man erhebt sich nicht selbst zu einem Gott, greift in die Leben anderer ein. Und doch haben sie das getan. Die Gier des Menschen ist unersättlich. Nie haben sie genug. Für ihr Streben haben ich und so viele andere leiden müssen.

Ich bin kein Mensch. Es gibt nichts, das mich schützt. Mache ich auch nur eine falsche Bewegung, bedeutet das mein Ende. Mutanten erhalten keinen fairen Prozess. Mutanten erhalten überhaupt keinen. Ungehorsam bedeutet für uns den Tod oder ein Leben in Wahnsinn als Soldat im Krieg. In den Augen der Menschen stellen wir eine Gefahr dar. Gehorchen wir nicht mehr, glauben sie, die Kontrolle über uns zu verlieren.

Aber am besten sollte ich erst einmal von vorne anfangen. Mein Name ist Freya Winter und ich war einmal ein ganz normales Mädchen.

Freya Winter - MutantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt