53. Raphael: Gefangen

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Während die anderen feiern waren, machten Silas, Charlie und ich eine Spielenacht. Wir hatten Michael sogar angeboten, mit zu machen, nachdem Briana gegangen war, doch er hatte dankend abgelehnt und war in Luzifers Zimmer verschwunden, das nun ihm zu gehören schien.

„Mann, das ist doch alles echt seltsam", brummte ich vor mich hin, sah dabei nachdenklich auf das Spielbrett.

Silas lachte leicht und strich mir über den Kopf. „Nächstes Mal gewinnst du bestimmt, Baby"

Etwas verwirrt sah ich zu ihm, dann wieder zum Spielbrett und erkannte, dass ich gerade haushoch am Verlieren war. Auch das noch.

„Das meinte ich eigentlich nicht", gestand ich.

Silas sah mich ebenso fragend an wie Charlie. Ich zuckte mit den Schultern. „Naja, alles, was die letzten Wochen so passiert ist... Das ist doch krass oder? Ich meine, wir sind quasi mit dem Teufel befreundet und ein Erzengel sitzt oben in Amys altem Zimmer... Wir versuchen die Welt zu retten und die Menschen ahnen nicht mal was davon. Sie haben keine Ahnung, was wir für sie tun..."

„Willst du Dankbarkeit dafür, dass wir unseren eigenen Arsch retten, indem wir verhindern, dass die Welt untergeht?" Silas wirkte belustigt.

„Nein" Ich verdrehte die Augen. „Ich frage mich nur, wieso immer alles an uns hängen muss. Wir waren für die Integration verantwortlich, wir haben die Welt anscheinend schon mal gerettet und mussten verdammt viel dafür opfern" Silas legte wie auf Kommando seine Hand auf meinen Oberschenkel. Er verstand mich, auch ohne, dass ich es aussprechen musste. „Wieso ist es immer unsere Aufgabe, für Frieden zu sorgen?"

„Du hast die Aufzeichnungen deiner Mutter gelesen...", meinte Charlie streng. „...du hast Luzifer gehört. Es ist dein Schicksal."

„Aber wieso?" Ich sah ihn leicht verzweifelt an.

„Wozu sonst solltest du so eine Macht haben, Raphael? Menschen haben nicht die Möglichkeiten, die wir haben, um sich oder andere zu schützen. Wenn wir es nicht tun, tut es keiner. Willst du einfach wegsehen und nichts tun, weil du nicht mit der Verantwortung klarkommst?"

„Ich habe nicht darum gebeten..."

„Das ist egal" Charlie wurde sauer, als ich mit ihm diskutierte. Er schüttelte den Kopf und sah mich leicht ungläubig an. „Der Junge, den ich großgezogen habe, würde keine Sekunde darüber nachdenken, ob er anderen helfen soll, wenn er die Möglichkeit dazu hat. Was ist los, Raphael? Das bist doch nicht du"

Diesmal war ich es, der den Kopf schüttelte. Es klang Enttäuschung in seiner Stimme mit, ein deutlicher Vorwurf, was dazu führte, dass ich mich dafür schämte, worüber ich hier nachdachte. Charlie hatte recht. Es war mein Schicksal, den Frieden zu bringen. Doch ich konnte nicht akzeptieren, dass es Silas' Schicksal war, dafür zu sterben.

„Ich bin nicht bereit dazu", antwortete ich Charlie etwas verspätet.

Er sah, wie sich meine Hand an Silas' klammerte und verstand auch ohne verbale Erklärung, was mein Problem war. Daher seufzte er, seine Mimik wurde weicher. „Wir werden eine Lösung dafür finden"

„Versprichst du es?"

Charlie zögerte einen Moment. „Ich verspreche, alles zu tun, was in meiner Macht steht", gab er dann entschlossen zurück.

Ich wusste, dass Charlie seine Versprechen sehr ernst nahm. Noch nie hatte er eines gebrochen. Jedoch war mir klar, dass Charlie es so formulierte, weil er mir nichts versprechen wollte, das er nicht einhalten konnte.

Trotzdem gab ich mich damit zufrieden und nickte als Einverständniserklärung. Silas rückte nah an mich heran, umarmte mich und gab mir einen Kuss. „Es wird alles gut", flüsterte er aus geringer Distanz an meine Lippen. Dabei strich er durch meine Haare. Als ich diesmal nickte, lächelte ich dabei und gab mich dem Gefühl hin, dass die Berührung meines Gefährten in mir auslöste. Silas war mir das Wichtigste. Er war mir wichtiger als der Thorn, der war mir wichtiger als meine Freunde, er war mir wichtiger als die ganze verdammte Welt. Ich war bereit, alles dafür zu tun, um ihn zu beschützen. Alles.

„Silas" Charlies stimmte klang seltsam fremd, als er das sagte. Ich sah ihn an, erkannte, dass er steif dasaß, den Blick stur nach vorne gerichtet, jedoch ohne wirklich etwas anzuvisieren. Seine Augen waren weit aufgerissen, er tastete nach Silas' Hand und presste sie sich auf den Kopf.

Auchs Silas' Mimik veränderte sich, er sagte „Sieh rein!", doch wirkte abgelenkt dabei.

Ich nahm seine fallende Barriere als Anlass, unseren Gedankenaustausch zuzulassen und konnte dadurch erkennen, was er in Charlies Bewusstsein wahrnahm.

„Hört auf!" Es war Boris' Stimme, die das schrie. Ich erkannte einen dunkeln Raum, die Wände bestanden aus Holz, der Boden aus kaltem Beton, das Licht fiel durch ein kleines Gitter schwach hinein. Es musste sich um den Keller eines Holzhauses handeln.

Jay saß festgekettet auf dem Boden neben Austin, der immer wieder Elektroshocks abbekam. Der Typ, der sie ihm verpasste, grinste dabei hämisch und sah immer wieder zu Chad, der festgekettet an den Handgelenken von der Decke hing.

„Wie feige bist du eigentlich?" Jay wandte sich an den Typen mit dem Elektroschocker. „Du traust dich das auch nur, weil wir gefesselt sind. Mach uns los und ich schwöre, ich trete dir in den Arsch..."

Der Typ beachtete Jay nicht, sondern quälte Austin weiter. Er schien kein bestimmtes Ziel dabei zu verfolgen, er genoss es einfach.

„Warum tust du das, Connor?", fragte Chad ihn vorwurfsvoll. „Austin hat dir nichts getan. Ihr wolltet ihn doch nicht mal gefangen nehmen! Lass ihn und Jay gehen. Sie haben nicht hiermit zu tun..."

Connor drehte sich zu Chad und sah ihn ungläubig an. „Versuchst du dreckiger Bastard gerade, mir Befehle zu geben?" Er näherte sich Chad langsam an, bedrohlich.

Währenddessen lag Austin komplett ausgelaugt auf dem Boden und heilte sich, soweit er es ohne Blut konnte.

„Ich versuche, an deinen gesunden Menschenverstand zu appellieren", widersprach Chad. „Wieso tust du ihm das an?"

Connor begann zu lachen. „Ganz einfach: Weil ich es kann. Es macht Spaß und keiner hält mich davon ab. Wieso sollte ich es also nicht tun?"

„Du Sadist!", zischte Jay, man sah den Hass in seinem Blick.

Langsam rückte die Szene jedoch in den Hintergrund und wir hörten Boris' Stimme. „Charlie, ich habe keine Ahnung, ob das hier klappt, ich weiß nicht wie oft ich es jetzt schon versucht habe, aber wir könnten hier ein bisschen Hilfe gebrauchen. Chads Familie hat uns gefangen genommen. Ich habe keine Ahnung, was sie von uns wollen. Ich weiß nur, dass Austin es nicht mehr lange mitmachen wird. Ich glaube, wir sind irgendwo im Wald, in einer Holzhütte, aber mehr weiß ich nicht. Jetzt dreh nicht durch, sondern bleibe ruhig. Mir tun sie nichts, weil sie mich auf ihrer Seite wollen. Vielleicht kann ich sie hinhalten. Aber bitte beeilt euch..."

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