7. Kapitel - Das Ende der Reise

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Am Horizont erhob sich ein riesiger Baum. Obwohl man bis jetzt nur seine Form erahnen konnte, wusste Vidar genau welcher Baum es war. Er war das Herz des Uralten Waldes. In seiner Krone verbarg sich das Nest das Apex-Monsters, dem König der Lüfte. Manchmal hatte Vidar ihn vom Fenster seiner Unterkunft aus am Himmel fliegen sehen, frei und unbeschwert. Vidars eigene Reise war jetzt fast zu Ende. Beinahe wehmütig erinnerte er sich an seine ersten Stunden und Tage im Tal, als er gedacht hatte, er müsste für immer dort bleiben und sterben. Irgendwie vermisste er es ein wenig. Sobald er wieder in Astera war, würde er allen seine Geschichte viele tausend Mal erzählen müssen und seinem routinierten Jägerleben nachgehen. Quests annehmen, Rüstung und Waffen verbessern und seinen Jägerrang steigern. Im Tal der Verwesung hatte er keine Verpflichtungen gehabt. Er war frei gewesen. Natürlich konnte er jederzeit zu Expeditionen in die verschiedenen Teile der Neuen Welt aufbrechen, aber das wäre nicht das gleiche.

„Hey, Vidar!", rief Zeron plötzlich, „Schau mal nach vorn!" Vor ihnen erstreckte sich nun der nahezu endlose Wald, in dem Vidar das Jagen gelernt hatte. Grüne Blätter reckten sich dem Himmel entgegen. Unterholz-Pteryxe und Aaskrähen flogen über ihnen hinweg. Obwohl man außer den Bewohnern des Himmels nicht viel sehen konnte, wusste Vidar, dass der Wald unter ihm mit Leben gefüllt war. „Wir sind fast zuhause.", rief Zeron ihm zu. Sie konnten schon das Stadttor von Astera und die Himmelsstürmerin – das riesige Luftschiff, welches auch als Versammlungsstätte diente – sehen. Je näher die Stadt kam, desto aufgeregter wurde Vidar. Er wollte vor Freude schreien. Seine Sorgen hatte er ganz vergessen. Nach Hause zu kommen war eben doch immer ein tolles Gefühl. Zeron hatte ebenfalls bemerkt, wie zappelig sein Kamerad geworden war und neckte ihn: „Pass auf, dass der Flugdrache dich nicht abschmeißt."

„Ich freu-" Weiter kam Vidar nicht, denn ein großer Schatten legte sich über die Jäger und ihre Flugdrachen und verdeckte die Sonne. Er schaute an seinem Mernos vorbei zum Besitzer des Schattens hinauf. Ein großer Wyvern war ein paar Meter über ihnen. Er hatte eine ganz helle Unterseite und auf seinen Flügeln war ein seltsames Muster abgebildet. Zuerst dachte Vidar es sei ein Rathalos, der König der Lüfte, aber dann quiekte Zeron erstaunt: „Eine Rathian! Eine waschechte Rathian!" Jetzt erkannte auch Vidar den Unterschied. Ein Rathalos hätte niemals so einen Giftstachel am Kinn. „Wird sie uns etwas zu tun?", fragte er besorgt. Eine aufgebrachte Rathian brauchte er jetzt nicht. Irgendwann anders zwar auch nicht, aber jetzt wäre sie ganz besonders schlecht.

„Keine Sorge.", beruhigte Zeron ihn, „Solange du nicht ein Ei aus ihrem Nest geklaut hast, sind wir ihr egal." Er irrte sich, denn im nächsten Moment kam ein Feuerschwall von oben. Die Mernos schrien entsetzt und flatterten schneller, die Rathian auch. „Wie war das eben?!", schrie Vidar Zeron zu, welcher sich am Seil seines Mernos festkrallte.

„Ein furchtbarer Irrtum!" Ein weiterer Feuerball. Diesmal verfehlte er nur ganz knapp Vidars Flugdrachen. 

„Wir müssen landen!", schrie er, „Bis nach Astera schaffen wir das nicht!" Die Flugdrachen schienen dieselbe Idee zu haben. Noch bevor Vidar zu Ende gesprochen hatte, flatterten sie mit rasender Geschwindigkeit auf die Baumkronen zu. Unsanft wurde Vidar von seinem Flugdrachen abgeworfen und landete mit seinem Gesicht in der Erde. Immerhin war er auf dem Boden gelandet und hatte keine Probleme, sich wieder aufzurappeln. Zeron hingegen musste sich erst aus den Ästen eines Baumes befreien. Um ihn oder seine Schmerzen konnte Vidar sich jetzt jedoch nicht kümmern, denn über ihnen brüllte die Rathian, ehe sie direkt vor ihm landete. Das Laub um sie herum stob auf. Zwischen den grünen Schuppen in ihrem Gesicht funkelte ein Paar roter Augen. Plötzlich war Vidar wieder im Tal der Verwesung. Glühende Augen und der undurchdringbarer Schuppenpanzer eines tobenden Monsters. Die Rathian war genau wie der Groß-Girros. Sie war nicht einfach grundlos wütend. Sie war verängstigt und wollte etwas beschützen. Ihren Wald oder nur ihre Jungen? Vidar atmete tief durch und erinnerte sich an das, was Antara ihm beigebracht hatte. Sobald er seine Waffe ziehen würde, wäre alles vorbei. Stattdessen stellte er sich vor die Rathian und versuchte so harmlos wie möglich auszusehen. Er entspannte seine Muskeln und beugte seine Knie, damit er kleiner wirkte. „Was machst du da, Vidar?!", rief Zeron. Mit einem dumpfen Aufprall kam auch er schließlich auf dem Boden an. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, wollte er seine Insektenglefe ziehen. „Nicht." Vidar schrie nicht. Seine Stimme war ganz ruhig. Andernfalls könnte er die Rathian erschrecken, die ihn misstrauisch beobachtete.

„Was?", entfuhr es Zeron, „Ich würde gern in einem Stück wieder nach Hause kommen! Und ich werde dich garantiert nicht noch einmal verlieren!"

„Dann hör auf mich." Noch immer wandte er seinen Blick nicht von dem Flugwyvern ab und hoffte, dass sie Zeron ignorieren würde. „Ich habe nicht überlebt, weil ich auf jedes Monster wie wild eingedroschen habe." Er näherte sich der Rathian um einen Schritt. Etwas Qualm stob aus ihren Nüstern, aber ansonsten blieb sie ruhig. Hinter ihm zog Zeron trotz seiner Warnung die Glefe. Bis auf einen kurzen Blick zu ihm, schenkte die Rathian ihm keine Beachtung und widmete sich wieder Vidar. Mit den Krallen schabte sie auf dem Erdboden herum. Sie war nicht so aggressiv wie der Groß-Girros, aber wesentlich gefährlicher. Genau wie er besaß Gift, welches jedoch nicht lähmte, sondern einen langsam schwächte. Dazu kam noch ihr feuriger Atem und die Fähigkeit zu fliegen. Ein kehliges Knurren entfuhr ihr. Beinahe klang es, als wolle sie sprechen. „Wir sind nur auf der Durchreise.", versicherte Vidar dem Monster, „Niemand wird dir etwas tun." Es wunderte ihn wirklich, dass Zeron noch nicht eingeschritten war. Er konnte spüren, wie angespannt sein Kamerad hinter ihm war. Vorsichtig griff er nach seinem Beutel. Die Rathian schnaubte wütend. Das war ihr suspekt. Nicht verunsichern lassen. Schließlich fand er das, wonach er suchte: Girros-Fleisch. Er schmiss ihr die letzten Reste hin. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Wenn sie das nicht annahm, wusste er nicht weiter. Einer ausgewachsenen Rathian konnte und wollte Vidar sich nicht so nähern wie einem einfachen Rudelmonster. Er hatte Glück, denn die Rathian hob das Fleisch nach ausgiebiger Untersuchung mit ihrem Maul auf und drehte sich von den beiden Jägern weg. Bevor sie jedoch endgültig den Rücktritt antrat, warf sie Vidar einen letzten vielsagenden Blick zu. Dieses Mal lasse ich dich leben, Jäger. Nächstes Mal wirst du kämpfen müssen. Er atmete erleichtert auf. Geschafft. „Was?", platzte es aus Zeron heraus. Auch er schien den Atem angehalten zu haben. „Wie hast du das gemacht?!"

„Ich... Ich weiß es selbst nicht so genau.", gestand Vidar. War er wirklich noch am Leben oder war das alles hier doch nur ein seltsamer Traum?

„D-das war eine Rathian, Vidar!" Zeron konnte es auch noch nicht glauben und rüttelte Vidar. „Und... Und du hast sie einfach... verjagt!" Die nächsten paar Minuten verbrachten sie noch damit, sich gegenseitig zu vergewissern, dass sie noch am Leben waren und dass das, was eben passiert war, wirklich geschehen war. Zeron räusperte sich. Er hatte sich wieder beruhigt. „Wir sollten jetzt gehen.", meinte er, „Bevor deine neue Freundin zurückkommt." Vidar nickte lächelnd. Das war hoffentlich seine letzte Prüfung für heute gewesen. Er hatte genug Aufregung für die nächsten paar Wochen gehabt. Außerdem tat ihm vom Sturz immer noch alles weh.

Bald kam das Stadttor von Astera in Sichtweite. Es stand offen. Keine größeren Gefahren in der Nähe. Man konnte bereits ein paar der Stände auf dem Handelshof sehen und ab und zu schrie einer der Verkäufer besonders laut. Vidar fing an zu rennen. Er hatte solange darauf gewartet die Jägerstadt mit all ihren vertrauten Gesichtern wiederzusehen. Noch länger könnte er nicht warten. „Ich bin schneller!", rief Zeron im Vorbeidüsen. Das war unfair. Er hatte die leichtere Waffe. Je näher sie kamen, desto mehr konnten sie erkennen. Die Stände wurden deutlicher und die Stimmen lauter. Vidar glaubte fast, das Essen aus der Kantine riechen zu können. Dann fiel sein Blick auf eine Person, die direkt im Tor stand. Lange, hellblonde Haare fielen auf ihre breiten Schultern. Die Arme waren verschränkt. Rhaach! Neben ihm kauerte ein kleiner brauner Palico. Das musste Nuro sein, Vidars eigener Palico. Vidar wurde noch schneller und überholte sogar Zeron. Er fiel Rhaach direkt in die Arme. „Ich habe dich vermisst, alter Mann.", nuschelte er. Rhaach legte ungläubig seine Arme um ihn. "Du bist es wirklich..." Sein Griff verstärkte sich. Es war, als wolle er den Jüngeren nicht mehr loslassen. Nuro schmiegte sich an Vidars Hosenbein und miaute aufgeregt. "Gruppenkuscheln!", scherzte Zeron, ehe er sich anschloss. Vidar traten Tränen in die Augen, aber das war ihm egal. Er war Zuhause. Endlich.

A/N: Ihr habt offiziell das Ende dieser Fanfiction erreicht. Bevor ihr geht und euch wieder wichtigeren Dingen zuwendet, möchte ich euch noch um einen letzten Gefallen bitten. Ich als Autorin kann nicht beurteilen, ob euch die Geschichte gefallen hat, was verbessert werden muss oder ob sich der ein oder andere vielleicht sogar eine Fortsetzung wünscht. Deshalb würde es mich sehr freuen, wenn ihr einen Kommentar hinterlasst, egal ob kurz oder lang, positiv oder negativ.
Das Kapitelbild kommt übrigens von mynerdylockscreens auf tumblr.

Monster Hunter - In den Tiefen des TalsWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu