„Und wieso stellen wir das nicht einfach selbst ins Internet?", wollte die zierliche Mutantin wissen, die von Anfang an misstrauisch uns –und vor allem Lucius gegenüber – gewesen war. Stirnrunzelnd und mit verschränkten Armen saß sie neben Sanya auf dem Sofa. „Es gibt doch genügend Soziale Medien, bei denen wir uns einen Account machen könnten und dann unsere Bilder hochladen können. Dann sparen wir uns auch einen Haufen Arbeit."

Samuel seufzte. „Darüber hatte ich auch schon kurz nachgedacht, Jade. Aber was glaubst du, wie viele Leute werden dieses Flugblatt auf unserem eigenen Account sehen, wenn wir einen hätten? Wir haben noch keine Reichweite. Demnach könnte es lange dauern, bis irgendwann mal jemand auf uns stößt.", sagte er ruhig. „Aber das ist nicht das einzige Problem: wir müssten uns auf irgendeiner Plattform anmelden. Zum einen hinterlassen wir dann unsere persönlichen Daten und – was ich für sehr wahrscheinlich halte – gibt es da draußen eine Vielzahl an Leuten, denen nicht gefallen wird, was wir tun. Diese werden herausfinden wollen, wer wir sind und wo wir sind. Und was weiß ich, was sie alles noch über uns herausfinden könnten." Er machte eine kurze Pause, um Jade Zeit zum Nachdenken zu geben. Diese nickte nach einer kurzen Weile. Jetzt sah sie auf einmal ganz zerknirscht aus. „Du hast recht.", stimmte sie Samuel zu. „Das wäre zu riskant."

„Deshalb müssen andere Leute es für uns übernehmen, unsere Flugblätter und unsere Nachricht im Internet zu verbreiten. Aber das wird schon." Zuversichtlich lächelte er in die Runde. „Wir müssen nur abwarten. Heutzutage findet alles irgendwann seinen Weg ins Internet. Und sobald wir diese Hürde geschafft haben, wird sich unsere Nachricht von ganz allein verbreiten. Und niemand wird es mehr aufhalten können."

Zustimmendes Gemurmel. Die zierliche Mutantin, Jade, nickte entschieden. „Ja, so wird das funktionieren. Aber wie können wir sicher sein, dass unsere Flugblätter einer Person zukommen, die dies auch auf irgendwelchen Seiten hochlädt?", überlegte sie.

Nun meldete sich Elliot zu Wort. „Weißt du noch, als es groß in dieser uninteressanten Promi-Sendung herum posaunt wurde, dass Hacker die Adressen mancher Leute, die im öffentlichen Leben stehen, veröffentlicht haben?" Langsam nickte Jade als würde sie sich erinnern. „Und dann war da doch noch die Sache mit dieser einen Schauspielerin, die alles auf ihrer Social Media Seite hochgeladen hat. Blöderweise konnte man dabei im Hintergrund das Straßenschild sehen.", fuhr Elliot fort. „Und von die war nicht die Einzige, der das passiert ist." Ein hinterhältiges Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Von denen haben wir nicht nur die Adressen, sondern auch die Gewissheit, dass sie jeden möglichen Scheiß ins Netz stellen."

Jade zog bloß eine ihrer Augenbrauen hoch. „Und das hast du auch aus dieser Promi-Sendung, oder wie?", wollte sie skeptisch wissen. „Ich wusste gar nicht, dass du so was schaust."

Plötzlich wirkte Elliot ganz verlegen. „Na ja." Er kratzte sich am Kopf. „Eigentlich nicht. Solche Sendungen finde ich total ätzend. Wen interessiert schon, was irgendein 'Prominenter' in seiner Freizeit macht oder nicht?" Ein tiefes Seufzen verließ seine Kehle. „Aber ich habe nun einmal nicht viel zu tun. Und blöderweise kommt man um solche Sendungen zu bestimmten Zeiten leider nicht herum."

Jade wirkte immer noch nicht überzeugt. Außerdem schien sie es zu genießen, Elliot aufzuziehen. Und alle anderen folgten dieser Konversation interessiert.

„Aber das mit den Hackern liegt doch schon etwa zwei Jahre zurück.", gab Jade zu bedenken, während sie Elliot aufmerksam musterte. „Wer weiß, ob die betroffenen Leute nicht schon wieder umgezogen sind. - Außerdem ...  Warst du zu diesem Zeitpunkt nicht bei deiner Jäger jagenden Gruppe?"

Offensichtlich war Elliot mittlerweile von Jade genervt. „Ja, war ich.", sagte er düster. „Ich habe das auch nur mitbekommen, weil der Jäger, auf den wir es zu diesem Zeitpunkt abgesehen hatten, zu Besuch bei irgendwem war. Und da haben die nun einmal den Fernseher laufen lassen. Und da wir nicht unbedingt Unbeteiligte mit da rein ziehen wollten, haben wir gewartet, bis der Jäger das Haus wieder verlassen würde. - Das hat er übrigens leider nicht. - Ich weiß wirklich nicht mehr, wie lange wir im Gebüsch vor dem Wohnzimmerfenster gehockt haben, aber es war echt nicht angenehm!"

Neben mir bemerkte ich, wie Lucius ganz blass geworden war. Er bemerkte meinen fragenden Blick und presste seine Lippen fest aufeinander, sodass sie nur noch eine schmale Linie waren. Vielleicht wurde ihm jetzt bewusst, dass auch er dieser Jäger hätte sein können, den Elliot mit seinem Team beschattet hatte. Und wenn sich wirklich Lucius an der Stelle dieses Jägers befunden hätte, hätte er seine Freunde, Familie oder andere Bekannte gefährden können. Was für eine Gefahr von den Mutanten ausging, die Jäger jagten, wusste ich nicht. Zu wenig hatte ich von ihnen mitbekommen. Aber wie es schien, war zumindest Elliots ehemaliges Team nicht ganz zu unterschätzen.

„Was ist eigentlich aus den anderen Mutanten geworden, mit denen du unterwegs gewesen bist?", wollte ich wissen. Überrascht, dass ich meine Worte an ihn gerichtet hatte, sah Elliot zu mir. Noch immer war es mir ein Rätsel, wie Elliot, der sich seine Freiheit mit Gewalt hatte zurück reißen wollte, zu dieser friedliebenden Gruppe wechseln konnte.

Freya Winter - MutantWhere stories live. Discover now