4- "Mir tut es auch leid."

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          Das Einzige, was es schlimmer machte, als dass ich Calean nicht sagen konnte, warum ich gegangen war, war die Tatsache, dass er genauso wenig darüber reden wollte. Es hing zwischen uns, wie dichter Nebel, der mir meine Worte zu den ungünstigsten Momenten stahl.

Calean hatte schnell herausgefunden, dass Maze auf dem Weg zurück zu Mr. Nacat war. Das Problem mit seinen eigenen Kräften wurde dabei am deutlichsten. Calean wusste nicht einfach Dinge. Er musste sich gezielt Fragen stellen, um eine Antwort darauf zu bekommen. Und so lange Maze selbst nicht wusste, wo er hingehen sollte in seinem Zorn, war die Antwort auf Caleans Frage ebenfalls: Ich weiß es nicht.

Doch jetzt waren wir alle auf dem Weg zurück in den Süden. Maze mit bald zwei Tagen Vorsprung; Calean und ich auf einem offenen Reisewagen.

„Ich kann nicht glauben, dass du diese Leute einfach gefragt hast, ob wir mit ihnen mitfahren dürfen." Calean machte ein Exempel daraus, mich nicht anzusehen. Stattdessen glitten seine grauen Augen über die weiße Landschaft hinter mir. Sie rollte in gemütlichem Tempo an unserem Wagen vorbei, hüpfte und sprang mit der unebenen Straße.

Ich erlaubte mir ein Lächeln.
„Ich kann nicht glauben, dass sie ja gesagt haben."
Die Welt war nicht so grausam, wie alle sie sahen. Man musste nur die richtigen Leute finden, deren Licht für einen die Schatten vertrieben.

Es war nicht so, dass ich zuletzt viel zu Lachen gehabt hätte. In Caleans Nähe zu sein und ständig darüber nachzudenken, was ich alles nicht sagen durfte, bereitete mir Kopfschmerzen. Und wenn ich mich nicht daran aufhielt, raubte mir Angst um meine Schwester den Schlaf. Und Sorge um Maze.

Der Grund, warum ich das ältere Pärchen mit dem Holzwagen aufgehalten hatte, war simpel: Ich konnte nicht mehr. Keinen einzigen weiteren Schritt. Und irgendeine Göttin hatte Erbarmen gezeigt, denn sie hatten uns hinten auf die Ladefläche zwischen mehrere Koffer Gepäck und einen erstaunlich großen Vogelkäfig klettern lassen.

„Wo wollt ihr zwei Süßen hin?", lehnte sich die Frau vom Kutschbock zu uns zurück. Sie trug schlichte, warme Kleidung, deren dunkle Färbung das Grau ihrer Haare leuchten ließ. Erste Linien zeichneten sich auf ihrer Stirn ab und gaben ihr einen freundlichen Ausdruck.

Ihr Mann warf ihr bewundernde Seitenblicke zu, während er mit Ruhe und Geduld die zwei Pferde die Straße hinunter leitete und unseren Gesprächen in zufriedener Stille lauschte. Ich stellte mir prompt vor, wie sie ihr unwiderrufliches Ende finden würden, wenn Iza Nacat einen Weg fand, die Waffe der Nebelflüsterer einzusetzen. Er hatte nicht-magische Menschen gehasst.

Calean dachte vermutlich dasselbe. Statt einer Antwort, drehte er den Kopf weg und starrte zurück zu dem Wald, den wir am heutigen Morgen verlassen hatten. Meine Anwesenheit machte ihn schweigsamer als sonst.

Aber das war kein Grund, die nette Dame nicht freundlich anzulügen. Höflichkeit. Seit Caleans Rückkehr hörte ich die Stimme meiner Mutter wieder deutlicher.
„Wir wollen meine Familie besuchen." Und retten. Ich würde sie alle retten.

Die Brauen der Frau hoben sich und ihr Blick fiel auf meinen Bauch. Sogar Calean bemerkte das.
„Große Neuigkeiten überbringen, für die kein Brief reicht?"

Was auch immer das heißen sollte.
Ich fühlte mich nicht danach, ihr zu widersprechen. Vor allem nicht, wenn ich nicht wusste, was mein Gewicht mit dem Besuch zu tun hatte. Und so sagte ich gleichzeitig, „Ja", wie Calean ein schockiertes „Nein!", hervorbrachte. Gleichermaßen irritiert wechselten wir einen Blick.
Was denn?

Auch unsere Gastgeberin runzelte die Stirn und wandte sich mit geschürzter Lippe an meinen Freund.
„Du solltest sie in diesem Zustand nicht laufen lassen. Du hättest die Reise alleine antreten können."

Jagd der Nebelflüsterer - Die NebelsucherWhere stories live. Discover now