Da waren wir auch schon. So unauffällig ich konnte, stieg ich aus. Ein Paar vor mir küsste sich ausgiebig auf der Rolltreppe, die direkt zum Ausgang führte, bei dem meine Schule lag. Na klasse! Wirklich jeder hatte jemanden. Außer mir.

Vor dem Eingang erwartete mich meine beste Freundin Tatjana sehnsüchtig.

„Marie, Marie! Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist!", rief sie mir freudestrahlend entgegen.

„Nein, was denn?" Zugegebenermaßen hatte ich keinen blassen Schimmer.

„Melissa hat mir geantwortet!"

Voller Enthusiasmus fiel sie mir in die Arme. Ganz fest drückte ich Tatjana an mich. Ich freute mich wirklich, von ganzem Herzen für sie. Melissa war das Mädchen eine Klasse über uns, auf das Tatjana schon seit fast drei Jahren ein Auge geworfen hatte. An unserer Schule hatte es eine Aktion gegeben, dass man seinem Schwarm einen Valentinsbrief schreiben konnte. Auf rote Herzen in Schönschrift. Richtig romantisch.

„Heute Nachmittag gehen wir dann Waffeln essen. Mein erstes Date!"

Tatjanas Augen glänzten.

„Und wer hat dir geschrieben?", fragte sie aufgeregt.

„Niemand.", erwiderte ich knapp. Damit hatte sich das Thema auch für diesen Tag. Ja, meine Valentinstage waren meist minder interessant.

Die Stunden flossen zäh vor sich hin und ich war froh, als endlich das Klingeln ertönte. Ich konnte nach Hause gehen.

Tatjana begleitet mich nicht wie gewöhnlich auf meinem Weg. Ich schien die Einzige zu sein, die den Pausenhof allein verließ.

Der Eingang zur U-Bahn war heute leerer als sonst. Man musste das Positive sehen im Leben. Immerhin war mir auf diese Weise ein Sitzplatz garantiert. Den nahm ich auch sofort ein, als ich in die U-Bahn einstieg. Nur noch eine halbe Stunde. Ich starrte aus dem Fenster, wo es außer Werbeplakaten nicht viel zu sehen gab. Wie üblich.

Mit einem Mal bemerkte ich, dass ich doch nicht so alleine war, wie ich angenommen hatte. Im Fenster spiegelte sich das Gesicht einer Person, die mir nur allzu gut bekannt war. Der wunderschöne Volleyballspieler! Sein bester Freund war auch wieder mit von der Partie. Fast verwunderlich, dass beide kein Valentinsdate hatten. Ach nein, Marie! Die Herzensdame deines Schwarms wartete sicherlich woanders auf ihn. Weshalb musste sie denn zwingend auf seine Schule gehen?

Die beiden Jungs unterhielten sich über ihr letztes Spiel, dann über die bevorstehende Matheklausur. Unbemerkt hörte ich ihren Gesprächen zu. Wenn ich doch nur mitreden könnte! Aber wie hätte ich das anstellen sollen? Komm schon, Marie! Hör auf zu träumen. Dieser Typ ist nichts für dich. Absolut nicht deine Liga. Und das sollte ich endlich mal kapieren. Schließlich gab es noch tausend andere Jungs auf dieser Welt. Die waren nur alle nicht so umwerfend wie er.

„Komm jetzt, Herbert! Wir müssen aussteigen.", meckerte eine ältere Dame ihren Ehemann an, die vor mir saßen. Nörgelnd erhob sich der Mann. Was bedeutete, mehr Platz für mich! Gerade wollte ich genüsslich die Beine austrecken.

„Hey! Dürfen wir uns zu dir setzen?"

Wow!

Das war er. Der Mann meiner Träume! Und er wollte sich auch noch direkt vor mich setzen. Wie wunderbar.


Der Junge aus der U-Bahn - Teil 1Where stories live. Discover now