Prolog

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Mit einem schnellen Wurf landete ein weiterer Holzklotz im Feuer. Mit ihrer weniger verschmutzten Hand strich sie sich den Schweiß aus der Stirn, bevor er ihr in die Augen fließen konnte und lehnte sich zurück, weg von der Feuerstelle die zischend knisterte. Sie tat es ihrem Großvater gleich und schloss die Augen um der Stimme ihres kleinen Bruders zu lauschen, der eine ausgedachte Melodie vor sich hin sang. Ayden war schon immer ein kleines Goldkelchen gewesen und schaffte es, mithilfe seiner Stimme, immer ihr Herz zu erwärmen, auch wenn ihre Glieder nach der Arbeit auf dem Hof steif und frostig waren. Im Winter war die Arbeit auf dem Hof jeden Tag eine Höllenqual, in eisiger Kälte Holz zu hacken, die Pferde zu einem Ausritt herauszuführen oder sicherzustellen, dass die Felder nicht vollkommen vereisten waren. Dennoch waren es Dinge, die getan werden mussten. Evelyn konnte sich bei diesen Aufgaben nun einmal auch auf niemanden verlassen. Ihrem Bruder wollte sie die Arbeit in einer solchen Kälte nicht zumuten, mit seinen zwölf Jahren würde er schon nach einigen Minuten das Gefühl in seinen Zehen verlieren. Zwar war dies im Sommer etwas anderes, denn da konnte er ihr mit den Pferden und auch ein wenig mit dem Feld zur Hand gehen, allerdings war sie somit im Winter auf sich allein gestellt. Denn auch ihr Großvater Michal konnte ihr nicht helfen. Seit dem Großen Krieg kann er sich wegen einer Verletzung die in seinem Knie steckte nicht mehr lange auf den Beinen halten. Sie waren alle froh, wenn er aus dem Bett steigen konnte, ohne vor Schmerzen schreien zu müssen. Ihr Großvater erzählte Evelyn und ihrem Bruder von vielen Geschichten aus dem Krieg, gab ihnen wenigstens ein wenig Unterricht, sodass die beiden etwas von dem Land verstanden in dem sie lebten, da sie nicht in eine Schule gehen konnten. Schulen gab es nur in den Städten, und besucht wurden sie auch nur von Kindern, deren Eltern mit dem Königshaus agierten oder eine unverschämte Menge Geld besaßen.

Während Familien wie die von Evelyn darum bangen mussten, genügen Holz zu finden um einen Raum in ihrem Haus heizen zu können, um im Winter den eisigen Fingern des Todes zu entrinnen.

Aber das Leben war nun einmal wie es war, von der großen Göttin so vorherbestimmt und so lernten die Menschen auch zu überleben. Evelyn versuchte im Sommer und im Frühling möglichst viele Erträge durch ihre Ernten zu erzielen um für die kälteren Monate, in denen auf den Feldern nichts wuchs, genügend Ersparnisse zu besitzen um einigermaßen über die Rundenzu kommen. Wenn dies nicht funktionierte, so wie in diesem Jahr, musste sie eines ihrer Pferde verkaufen. Diese Tiere waren ein Teil ihres Lebens, aber um Ayden und auch ihren tapferen Großvater zu helfen, musste sie Opfer bringen, auch wenn es ihr jedes Mal das Herz brach. Ihrer Familie beschaffte es einen nicht mehr allzu leeren Magen.

„Opa, kannst du mir eine Geschichte erzählen?", unterbrach Ayden den Gesang und sah seinen Großvater mit seinen großen Rehaugen an. Ihr Großvater tätschelte dem Jungen liebevoll den blonden Schopf. „Was für eine Geschichte möchtest du denn hören?"

Dass ihr Großvater Ayden schon jede Geschichte mindestens zwei Mal erzählt hat, schien ihm dabei nicht sonderlich zu stören. Der Junge liebte die Geschichten seines Großvaters beinahe mehr als die Musik, die er geradezu vergötterte.

„Die von den fünf Königen!", antwortete Ayden ihm mit einem strahlendem Lächeln, dass Evelyn das Herz erwärmte. Es mochte so viel Schlimmes passieren, wie sich die große Göttin nur ausdenken konnte, aber solange sie dieses Lächeln verschont ließ, würde Evelyn alles zu  ertragen wissen. „Nun gut, komm her!", murmelte ihr Großvater und ihr Bruder setzte sich zu dessen Füßen an den Sessel gelehnt hin. „Einst war Olea nicht das Land, wie wir es heute kennen. Es war gespalten in unendlich viele Fürstentümer, deren Fürsten ihr Land so regierten, wie sie es wollten. Den Menschen ging es sehr schlecht, sie litten Hunger, froren und mussten so viel Arbeiten, als dass ihnen die Knochen weh taten."

Allzu viel Veränderung hat es bisher nun auch nicht gegeben, dachte Evelyn im Stillen, und lauschte den sanften Worten des alten Mannes weiter.

Kingdom of FireWhere stories live. Discover now