Geisterbus auf grauem Teppich

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Ein Bus fährt an mir vorbei. Er ist gelb. Ein Schulbus wie ich ihn aus unzähligen amerikanischen Highscoolfilmen kenne. Ich laufe dem Bus hinterher; er fährt sehr langsam. Nach einer Weile wird mir bewusst,dass der Bus nur aus der Karosserie besteht. Nur Stahl. In den Fenstern fehlen die Scheiben, die Reifen sind nicht vorhanden und selbst einen Motor gibt es nicht. Aber der Bus fährt trotzdem.

Ich hole den Bus ein und steige durch die Rückwand.
Ich wundere mich und bemerke Menschen. Viele Menschen.  Neben mir sitzt ein alter Mann mit Hut.
Ich frage ihn,was er hier macht; er schaut mich nur an und zuckt mit seinen Schultern. Ich möchte mit jemandem sprechen, doch die Leute sind ohne Gesicht.
Sie haben keine Ohren, auf ihrem Körper sitzt nur ein blasser Schleier.
Die nicht vorhandenen Augen auf eine Metallplatte in ihren durchsichtigen Händen gerichtet.
Ich verstehe nicht, was sie dort tuen. Welche Intention haben sie?
Ich möchte mich auch setzen, doch der Bus hat keinen Boden, die Sitze sind immateriell.
Also laufe ich durch den Mittelgang weiter nach vorne.
Am Steuer sehe ich eine dicke Frau. Sie scheint nicht ganz so abwesend wie all die anderen hier. Mit Ein paar zügigen Schritten gehe ich neben ihr.
Kaum merklich steigt das Tempo.
Was ihr Ziel ist?
Ein Fingerzeig nach vorne ist der einzigen Hinweis wohin es gehen soll.
Warum diese Straße? Wohin geht es?
Keine Antwort. Nur starres Gestarre nach vorne. Durch einen trüben Schleier auf den Augen.
Sie sieht nicht wo sie hinfährt, guckt nicht nach links, schaut nicht nach rechts, nur geradeaus.
Das Tempo steigt kontinuierlich weiter. Ich schaue mich weiter um. Rechts neben mir  sitzt ein Junge. Auch er spricht nicht. Er ist vielleicht 8 oder 9 Jahre alt,
aber leibig und ähnelt von seiner Statur her stark der Busfahrerin.
Er schaut unentwegt auf etwas, in seinen Hände. Drückt darauf herum, bewegt seine Finger darüber. Aber es scheint nichts zu passieren. Das Ding kann nur seine Farbe ändern. Mehr nicht.
Ich gucke mir die Gegend an, zu beiden Seiten sind nur Berge aus alten Autoreifen zu sehen. Vor uns liegt Asphalt und die untergehende Sonne.
So geht das nicht, ich kann den Jungen nicht hier lassen. 
Ich versuche mit der dicken Frau zu sprechen. Ich sage ihr, dass sie langsamer fahren soll, am besten ganz anhalten.
Doch der Blick bleibt auf den Horizont gerichtet. Ich meine einen Schimmer von Hoffnung aufblizten zu sehen. Mittlerweile fällt es mir allerdings schwer mir dem Bus mitzuhalten. Mir wird klar, ich muss hier raus und die beiden Dicken auch.
Ich rede ein letztes mal auf die Frau ein, schreie sie an, doch ohne eine Reaktion hervorzurufen.
Mir ist als wäre das Tempo nun stärker gestiegen.
Ich rede auf den Jungen ein, doch auch er ist einer Konversation abgeneigt.
Ich packe ihn, hebe ihn hoch und breche unter der Last fast zusammen.
Mit eisernem Willen stemme ich sein Gewicht, obwohl es ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Ich überlege wie ich hier rauskomme.
Die Fenster, ohne Glas. Aber ich werde es mit dem Jungen auf dem Arm nicht schaffen da hindurch zu klettern.
Die Tür vorne fehlt, doch um die zu erreichen müsste ich schneller werden und meine Beine fangen an zu Krampfen.
Es bleibt die Rückwand, also werde ich etwas langsamer. Der Bus überholt mich und die Freihet scheint nahe, doch dann bemerke ich das die Rückseite als Rahmens noch existiert.
Ich muss über den Stoßstange steigen. Mein Puls steigt, Adrenalin durchströmt meinen Körper. Übermut erfüllt mich. 
Ich nehme meine letzte Kraft zusammen und setze zu einem großen Schritt an, doch im gleichen Moment beschleunigt der Bus ein weiteres mal und die Stoßstange reißt mir die Beine weg. Ich werde ein Stück hinterher gezogen, meine Ellenbogen schlagen auf den Asphalt und meine Knie scheuern über die Straße. Sie fangen an zu Bluten, der Schmerz wird immer stärker. Ich versuche den Jungen zu schützen. Nach einiger Zeit schaffe ich es mich von dem Bus zu berfreien.
Doch das Aufstehen fällt schwer. Denn der dicke Junge wird zu einer enormen Last. Ich gehe auf der Straße zurück, dahin wo wir herkamen.
An Bergen von Reifen und Kaputten Autos vorbei.

Ich verliere das Gefühl für Zeit und Raum.
Irgendwann guckt der Junge nach oben. Er fragt mich was das ist. Seinem Blick folgend bemerke ich nichts besonderes, bis ich verstehe, er meint die Sterne. Der kräftig Junge kennt keine Sterne. Ich halte an, erkläre das er dort Sterne sieht, zeige ihm ein Paar Sternbilder. Er freut sich, zum ersten mal sehe ich ein Lächeln in seinem Gesicht.
Der Kleine hüpft von meinem Arm. Ich wundere mich, dass er überhaupt stehen kann. Doch es geht und er kann auch laufen.
Er dreht sich nach ein Paar Schritten um und fragt mich warum ich nicht mitkomme. Ich kann nicht mehr. Ich falle hin. Da kommt er zu mir, nimmt meine Hand und zieht so doll er kann. Er zieht mich hoch und wir gehen zusammen. Der Junge pfeift ein Lied vor sich hin. Ich habe Schmerzen in meinen geschliffenen Knien.
Und mir fällt es schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzten.
Doch wir gehen und schauen dabei in den Himmel. Ich werfe einen letzten Blick hinter mich und sehe wie der Bus weit entfernt auf eine Wand aus alten Autos zu hält und daran zu zerschellen droht.
Ob die Insassen nicht bemerken, dass sie dem Tode geweiht sind? Ich kann nichts mehr für diese Leute tun. Nicht für die dicke Fahrerin, nicht für den alten Mann mit Hut und auch nicht für die unzähligen gestalltlosen Personen,welche in dem Bus immer schneller fahren.
Mir bleibt nur die Hoffnung, dass sie es noch schaffen rechtzeitig aus ihrer Trance zu erwachen und aus dem Bus zu springen.
Ein Fahrzeug raast an mir vorbei. Es ist schnell. Schneller als mein Bus.
Es ist ein Geisterbus auf grauem Teppich.

Geisterbus auf grauem TeppichWhere stories live. Discover now