Von Unfällen, Polizisten und Dner

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Als ich spürte, wie das Auto einen gewaltigen Satz nach vorne machte, ohne das ich überhaupt Gas gegeben hatte, begann mein Herz sofort damit wie wild zu schlagen. Meine Hände zitterten, während ich meine Füße immer noch wie eine Irre auf die Kupplung und die Bremse drückte.

Ein Blick in den Rückspiegel zeigte mir, dass der Fahrer des Wagens hinter mir wahrscheinlich genauso geschockt war wie ich.

Nach einem weiteren Schockmoment, in dem ich vergessen hatte, wie man den Motor ausstellte, drehte ich den Schlüssel im Zündschloss, zog die Handbremse an und stieg aus.

Völlig entgeistert lief ich einmal um das Auto herum.

Meine Rückscheinwerfer lagen in Scherben auf dem harten Asphaltboden verteilt und der Kofferraum war eingequetscht.

„Es…Es…Oh Gott.“, sprach eine Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und sah in die überforderten Augen eines Jungen, der ungefähr in meinem Alter war. Eine Hand hatte er in seinen Haaren vergraben, was ich unheimlich unschuldig wirken ließ und die andere hatte er in die Tasche seiner Jeanshose gesteckt.

Ich drehte mich wieder zu dem Auto meiner Eltern und hockte mich hin um mir die Schäden näher anzusehen.

„Das war wirklich keine Absicht!“, sprach der Junge erneut.

„Ja. Das bringt mir jetzt nicht wirklich viel.“, gab ich patzig zurück. „Das ist nicht mal mein Wagen. Hast du die Ampel nicht gesehen..oder mich?“

„Es ist dunkel.“, kam es als Antwort.

„Wenn du nachtblind bist, hätten sie dich durchfallen lassen sollen!“, konterte ich entnervt und richtete mich wieder auf.

„Hey!“

„Ja, was denn?“, fragte ich. „Guck dir das hier doch an.“

„Es war doch keine Absicht.“, versicherte er erneut. „Ich bin einfach zu schnell gefahren und hab dein Auto übersehen. Es ist nicht so, dass ich für den Schaden nicht aufkomme!“

Ich schüttelte nur verächtlich den Kopf.

Er wandte sich von mir ab und stieg zurück in seinen Wagen. Ich sah ihm hinterher und beobachtete ihn dabei, wie er sich über den Fahrersitz beugte.

Wenig später stand er wieder neben mir. Er war gut 20cm größer als ich.

Mit der rechten Hand hielt er sein Handy dicht an sein Ohr.

„Hallo. Hier ist Felix von der Laden.“, sagte er völlig ruhig. „Ich muss einen Unfall melden…. Hudson-Street. Direkt an der Kreuzung zur Redenson-Road [Fan von dummen Straßennamen. Wuh]… Würde ich sagen. Es ist zwar noch fahrtauglich soweit ich das beurteilen kann, aber es muss trotzdem in die Werkstatt….. Nein, wir stehen relativ am Rand. Man kommt gut vorbei und wirklich viel Verkehr ist auch nicht…Okay, wir warten.“

Das ganze Telefonat über hatte ich ihn beobachtet. Einige Male fing er meine Blick auf, aber dann drehte er sich schnell wieder weg.

„Ich hab jetzt die Polizei angerufen.“, sagte er als er sein Telefon wieder in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Sie sollte bald hier sein und ein Abschleppwagen ist ebenfalls unterwegs.“

Ich schnaubte laut. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was meine Eltern hierzu sagen würden. Da bekam ich einmal das Auto und dann passierte sofort ein Unfall.

„Okay.“, sagte ich.

Mit den Fußspitzen schob ich die Scherben auf dem Boden hin und her.

„Ich heiße übrigens Felix.“, stellte er sich vor.

Durch das Telefonat war mir das ja bereits bekannt.

„Kyra.“, antwortete ich simpel.

Er streckte mir die Hand entgegen, aber ich ignorierte sie.

„Das ist mein erster Unfall.“,murmelte er um die Unterhaltung aufrecht zu erhalten.

„Meiner auch.“, sagte ich. „Aber um ehrlich zu sein, bin ich da nicht stolz drauf.“

Er sah mich mit seinen großen Augen an. Was war das für eine Farbe? Blaugrau? Grüngrau? Im Dunkeln war das wirklich schlecht zu erkennen.

„Mhh.“, machte er.

Etwas weiter weg konnte man bereits die Sirenen eines Polizeiautos hören.

Wir standen beide am Rand neben der Ampel und warteten.

Ungefähr 2 Minuten später parkte hinter Felix Auto ein Polizeiwagen. Das blaue Licht erleuchtete die Umgebung.

Ein Mann und eine Frau in Uniform verließen das Dienstfahrzeug und kamen zu uns. Der Mann hatte die Daumen hinter seinem Gürtel verhakt und begutachtete mit gerunzelter Stirn den Schaden.

Die Frau stellte sich vor uns und zog ein Notizheft aus ihrer hinteren Hosentasche.

Sie hatte eine ziemlich breite Figur und sah in der Uniform aus wie eine billig angeheuerte Stripperin.

Eilig nahm sie unsere Personalien auf und leistete ihrem Kollegen an meinem Wagen Gesellschaft.

Aus der anderen Straßenrichtung kam ein großer blauer Abschleppwagen und wendete dann ziemlich umständlich auf der Straße. Zum Glück war wenig Verkehr, sodass es keine großen Probleme gab.

„Haben sie einen Ersatzschlüssel bei sich?“, fragte der Mann in Uniform und nahm seine Mütze ab.

Ich nickte bestätigend und nahm meinen Autoschlüssel vom Schlüsselbund. Der Ersatzschlüssel hing zu Hause am Haken.

Aus dem Abschleppwagen stieg ein Mann in schwarzer Arbeitshose aus. Ein Junge, der vielleicht 2 Jahre älter war als ich stieg auf der Beifahrerseite aus und folgte seinem Chef.

Zusammen verfrachteten sie meinen Wagen auf die Fläche des Abschleppwagens und nahmen den Autoschlüssel vom Polizisten entgegen.

„Fahrzeugpapiere?“, fragte der Abschleppmann brummend.

Er war ca. 50 und hatte fast keine Haare mehr.

„Alles im Handschuhfach.“

Der Mann nickte. „Wir werden Sie benachrichtigen, wenn ihr Wagen abholbereit ist.“

„Danke sehr.“

Der Mann und sein Kumpane verschwanden wieder im Wagen und ich sah ihnen hinterher, während sie mein Auto mit sich zogen.

„Nun zu Ihnen.“, sagte der Polizist und wandte sich zu Felix.

Ich stand mit verschränkten Armen in ungefähr einem Meter Entfernung bei ihnen und lauschte ihrem Gespräch.

„Ich nehme mal an, Sie sind versichert.“

„Natürlich.“

Die Polizisten notierte sich die Versicherungsnummer und sah dann zu mir.

„Eine Anzeige können wir ausschließen?“

„Ja. Natürlich.“, sagte ich hastig.

Eine Anzeige war vollkommen übertrieben. Felix war immerhin nicht abgehauen und hatte die Polizei von sich aus angerufen. Es bestand keine Notwendigkeit.

„Okay.“, sagte der Polizist und wandte sich zum Gehen. „Sie werden von uns hören.“

Die Frau nickte zustimmend und beide gingen zum Streifenwagen.

Kurze Zeit später waren sie verschwunden.

Als mich die Realisation traf, sah ich mich hektisch in der Gegend um. Scheiße. Ich war noch ungefähr 10km von dem Haus meiner Eltern entfernt und stand mitten auf einer Umgehungsstraße.

„Musst du irgendwo hin?“, fragte Felix und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen.

„Ja.“

Ich nahm mein Handy aus meiner Jeans. 22:47Uhr. Wenn ich jetzt zu Hause anrufen würde, wäre ich sicherlich tot. Wenn sie von dem Autounfall erfahren, bin ich das sowieso.

„Soll ich dich mitnehmen? Es ist das Mindeste was ich tun kann.“, sagte er und sah zu Boden.

Kein Ding fürn King (Dner FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt