„Warum sollten wir?"

Tom, entweder von der Antwort oder der Tatsache, dass sein Sohn ihm nicht sofort zustimmte, überwältigt, sah uns kurz an. Lina ebenfalls.

„Warum nicht? Ich bin mir sicher, dass es nicht in eurem Interesse ist, als Paar verstanden zu werden."

Ich blieb stumm, während Rhyse sich scheinbar entspannt zurücklehnte. Doch der feste Griff seiner Hand an meiner erlaubte mir, hinter die Fassade zu blicken. Rhyse war so nervös und aufgeregt – nicht die gute Art wie bei der Fahrt mit einer Achterbahn -, doch er konnte es besser verstecken.

„Tatsächlich bin ich mir sicher, dass es uns nicht interessiert, was die Leute denken."

Tom verzog das Gesicht.

„Deine Mutter und ich machen uns bloß Sorgen, Junge. Luxe Ruf hier ist nicht gerade großartig."

Dieses Mal mischte ich mich ein und betrachtete Tom höhnisch.

„Bloß weil dein Bekanntenkreis das denkt, heißt es noch lange nicht, dass alle so denken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mich so einige Leute sehr gut leiden können."

Das stimmte, da war ich mir ziemlich sicher. Die McLaneys schleiften mich immer noch mit in die Kirche, doch ich hatte einen Ausweg gefunden. Denn schließlich musste jemand kindgerechte Dinge aus der Bibel lehren. Ach, die gute, alte Sonntagsschule.

Viele der Kirchgänger freuten sich über eine Verstärkung der eher dünn gesäten Freiwilligen. Außerdem erzählten die Kinder viel Gutes über mich.

„Rhyse, bitte. Was bringt es dir, dass die Leute dich und Luxe für ein Paar halten?"

Rhyse räusperte sich.

„Mum, Dad, ich denke, dass wir reden sollten."

Beide erstarrten und sahen uns mit so großen Augen an, dass ich schon befürchtete, dass ihre Augäpfel herausfallen könnten.

„Nein."

Tom klang kalt, während er das Wort schließlich herauspresste.

„Ich verbiete das."

„Ich bin erwachsen, Dad. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen", antwortete Rhyse, jetzt eindeutig gereizt.

„Luxe ist es nicht. Wenn das nicht aufhört, dann rufe ich morgen seine Betreuerin an und ihr könnt euch voneinander verabschieden", drohte er, dann warf er Lina einen kurzen Blick zu.

Die jedoch sah nur ihre Hände an. Ich spürte, wie Angst sich in mir breit machte. Ich konnte nicht hier weg. Ich hatte ein Leben hier. Rhyse ließ meine Hand los, und dann, als hätte er meine Sorge gespürt, legte er einen Arm um meine Schultern, der Tom nur noch wütender zu machen schien.

„Rhyse McLaney", sagte er dann mit drohender Stimme.

Rhyse musterte seinen Vater aus kühlen Augen, dann setzte er mit überraschend ruhiger Stimme an.

„Du denkst, dass du Luxe wegschicken kannst? Ich bin mir ziemlich sicher, dass deine homophobe Haltung nicht gut beim Amt ankommen würde. Und außerdem, warum sollten sie Luxe wegschicken? Zum ersten Mal benimmt er sich und macht keinen Ärger. Du bist der Einzige, der ein Problem sieht.

Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass es übel für dich enden würde, wenn herauskäme, dass du einen Jungen wegen deiner Homophobie vor die Tür setzt, obwohl dein eigener Sohn schwul ist."

Tom starrte ihn an, dann schloss er den Mund. Mit Schwung erhob er sich aus seinem Sessel und marschierte heraus. Ich atmete erleichtert aus. Er wirkte, als wolle er seinem Ärger Luft machen und nicht mehr versuchen, uns zu trennen.

Lina, die bis dato still gewesen war, ergriff plötzlich das Wort, während sie uns vorsichtig anlächelte.

„Herzlichen Glückwunsch, schätze ich."

Sie wirkte so verlegen, wie ich mich fühlte. Dann stand sie auf.

„Ich mache Popcorn. Es ist doch in Ordnung, wenn ich mit schaue, oder?"

Kurz tauschte ich einen Blick mit Rhyse, dann nickte ich.

„Von mir aus."

Rhyse grinste mich an, dann senkte er den Kopf und presste seine Lippen auf meine.

„Das lief doch gar nicht so schlecht."

Ich schüttelte bloß den Kopf. Nicht so schlecht<ß Ich fühlte mich, als wären wir gerade so einer Explosion entgangen.

„Ich bin einfach froh, dass wir das hinter uns haben", murmelte ich irgendwann und presste dann keine Lippen auf seine.

„Ich liebe dich."

Überrascht hob ich den Kopf und sah Rhyse an, der mich liebevoll musterte. Bis auf meine Eltern hatte das nie jemand zu mir gesagt. Und ich hatte nicht erwartet, dass es jemand tun würde. Oder das es sich so verflucht gut und richtig anfühlte.

Mit einem breiten Grinsen rutschte ich näher, sodass ich beinah auf seinem Schoss saß, und sah ihn an.

„Ich liebe dich auch."

Ich senkte meinen Kopf und initiierte einen weiteren Kuss, in dessen Verlauf Rhyse mich irgendwie komplett in seinen Schoss bugsierte. Erst als Lina sich leise räusperte, lösten wir uns, grinsend wie zwei Idioten, voneinander. Umständlich dreht ich mich, bis ich mich an Rhyse lehnen konnte, dann stellten wir den Film an.

Rhyse Arme fanden ihren Weg um meine Hüfte und er zog mich dichter an sich. Ich genoss die Wärme, di er ausstrahlte. Ich war verdammt glücklich.

Eine leise Stimme flüsterte mir zu, dass ich es nicht verdient hatte. Ich war die letzten Monate ein mieser Arsch gewesen, der den Leuten ihr Leben zur Hölle gemacht hatte. Und dieser Stimme gab ich recht. Ich hatte jemanden wie Rhyse nicht verdient.

Aber das interessierte mich nicht wirklich. Ich konnte damit leben, selbstsüchtig sein. Denn ich würde einen Teufel tun und Rhyse aus meinem Leben vertreiben. Das wäre absolute Dummheit.

Außerdem gab es diesen Teil in mir, der sich sicher war, dass Rhyse meine zweite Chance war, zu lieben. Eine Chance, die ich ergreifen würde.

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Ich hoffe, dass dieses Ende besser ist. Ich habe immer noch etwas offen gelassen, aber ich denke, dass es weniger überstürzt wirkt. 

Warum ich dennoch nicht alle Fragen geklärt habe? Das Leben spielt nun einmal so. Irgendetwas wird immer im Dunkeln liegen und wir werden nicht immer herausfinden, was denn noch so alles passiert.

Ich muss mich entschuldigen, weil ich so lange für die Bearbeitung gebraucht habe. Ich wollte es schneller hinter mich bringen, habe dann die Motivation verloren. 

Und ich muss mich bedanken: Ich hätte nie gedacht, dass eine meiner Geschichten mal 100.000 Aufrufe überschreiten würde. Dafür möchte ich allen Lesern danken. Ihr wart schließlich die Motivation, die ich gebraucht habe. Denn seien wir ehrlich: Autoren brauchen ihre Leser, selbst wenn sie "für sich selbst" schreiben. Leser haben genauso Teil an der Geschichte wie der Autor. Darum mag ich Wattpad so sehr.

Over and Out, _Amnesia_Malum_

𝔻𝕖𝕤𝕡𝕖𝕣𝕒𝕥𝕖 𝕃𝕠𝕧𝕖Where stories live. Discover now