Kapitel 19 ~ Sternenhimmel

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Obwohl die Geschehnisse, während Yeosang schlief, alles andere als schön waren, nickt Sefia leicht lächelnd und sieht ihn liebevoll an. „Ja, aber das erzähle ich dir morgen, in Ordnung? Heute will ich mich selbst einfach nur noch ausruhen", erklärt sie ihm ruhig, denn würde sie jetzt damit anfangen, wäre sie sicherlich wieder vollkommen wach. Er nickt verständnisvoll und sieht ihr dabei so intensiv in die Augen, dass Sefias Wangen sich schrecklich erhitzen. Unterbrechen kann sie den Blickkontakt allerdings auch nicht, da er sie zu sehr fesselt. Das spärliche Licht, welches noch durch das kleine, runde Fenster über Yeosangs Bett hineinkommt, spiegelt sich in seinen dunklen Augen, als befände sich der gesamte Sternenhimmel in ihnen. Mittlerweile hat Sefia auch aufgehört ihre Hand in seinem Haar zu bewegen und lässt sie stattdessen in seinem Nacken ruhen, bis er sie unerwartet mit seiner zärtlich umgreift und sie vorsichtig von dieser Stelle entfernt, während er sich selbst aufsetzt. Nun auf Augenhöhe sehen sie sich noch immer direkt an und Yeosang platziert ihre verschränkten Hände auf seinem Knie. Sefias Herz rast, ihr Gehirn setzt vollkommen aus und ihre Atmung geht schneller als normal, wenn sie nicht für einzelne Augenblicke sogar vollkommen aussetzt. Wie macht er das nur?

Trotz der Finsternis in dem kleinen Raum entgeht Yeosang nicht die Röte, die sich so plötzlich in Sefias Gesicht gebildet hat. Er findet es irgendwie süß, wie sie nervös wird, wenn er ihr so nahe kommt. Dabei empfand er das noch nie zuvor bei irgendjemand anderem so, da war es eher lästig. Vielleicht beruht dieser Sinneswandel auf seiner eigenen Aufregung, sobald sie bei ihm ist. Eigentlich konnte er ein solches Verhalten noch nie vorher nachvollziehen, doch seitdem sie in sein Leben gekommen ist, hat sich alles verändert. Es ist das erste Mal, dass er einer Person nicht ausweichen will, wenn sie sich so in seiner Gegenwart verhält, sondern er noch mehr Zeit mit ihr verbringen möchte.

Damals, als er bei einem seiner besten Freunde ein ähnliches Verhalten bemerkt hatte, wollte Yeosang sich einfach nur noch von ihm distanzieren und möglichst wenig Kontakt mit ihm haben. Bis jetzt weiß er nicht, ob das die beste Art war damit umzugehen, aber niemals hätte er es geschafft ihn direkt zurückzuweisen. Er hatte einfach die Hoffnung, dass diese Gefühle nur temporär wären, allerdings haben sie sich im letzten Jahr anscheinend kaum verändert. Immer noch ist ihre Beziehung ein wenig komisch, obwohl es in den ersten paar Stunden nach Sefias Ankunft besser zu werden schien. Anfangs meinte Yeosang sogar, dass sein Freund plötzlich diese ganze Verliebtheit ihm gegenüber verlor, sobald er die junge Frau erblickte. Ihm ist bei der ersten Begegnung nicht entgangen, wie jener sofort gestrahlt hat und seine Augen aufleuchteten.

Obwohl seine Gedanken an einem völlig anderen Ort sind, bricht er den Blickkontakt mit Sefia nicht ein einziges Mal ab. „Alles in Ordnung bei dir?", fragt sie besorgt nach, denn der Sternenhimmel in Yeosangs Augen ähnelt jetzt eher leeren Fenstern. Nicht einmal geblinzelt hat er, es ist beinahe so, als wäre er nur noch eine leere Hülle. Allerdings ist der jungen Frau klar, dass das nur dem Schein entspricht; eigentlich muss er tief in Gedanken versunken sein. Trotz ihrer Worte erwacht er noch nicht aus seiner Starre, sondern bemerkt sie nicht einmal im geringsten. Sorgenvoll legt sie ihre freie Hand auf seine Wange und hofft ihn so wieder in die Realität holen zu können. Dieses Mal funktioniert es tatsächlich, denn er blinzelt wieder und sein gesamter Ausdruck wirkt wacher. „Ja", meint er plötzlich, weshalb Sefia ihn verwirrt ansieht. „Wegen deiner Frage vorhin; ich dachte ich sollte dir wenigstens jetzt antworten." Ein leichtes Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht, doch es ist eine Fassade. Dabei ist Sefia sich ganz sicher. Nichts ist in Ordnung. Sie ist sich nicht sicher, ob sie weiter nachbohren sollte oder lieber nicht. Immerhin hat er sich bei ihrem ersten Trefffen auch weiter nach der Wahrheit erkundigt, aber sie war noch nie die Person dazu so etwas zu tun. Wie sollte sie nur am besten handeln? Angestrengt denkt sie über die beste Lösung nach und spürt, wie sie dabei ihre Stirn in Falten legt.

„Du weißt, dass du mir deine Probleme anvertrauen kannst, oder? Immerhin kann ich mich von Anfang an auch auf dich verlassen und das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann", versichert sie ihm schließlich. So drängt sie ihn zu nichts und zeigt ihm trotzdem, wie wichtig ihr sein Wohlergehen ist. Jetzt lächelt er wieder, dieses Mal ist es allerdings echt und strahlt so viel Wärme aus, dass diese sich bis in Sefias Herz ausbreitet. „Danke. Ich danke dir", haucht Yeosang sanft und langsam kehrt auch das Glitzern in seine Augen zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde bricht er den Augenkontakt ab, um nachdenklich an die Decke zu sehen. Dabei verzieht er seinen Mund zu einem einseitigen Grinsen, welches nur noch breiter wird, als er die junge Frau vor sich wieder fixiert. Er hat eine Idee; aber welche nur? Behutsam lehnt er sich nach vorne, so dass sich die Distanz zwischen beiden immer mehr verkürzt. Sefias Herz rast wieder wie wild und ihre Augenlider flattern immer wieder leicht auf und zu. Sie spürt seinen warmen Atem auf ihrer Haut - ist das alles gerade wirklich die Realität? Wenn sie sich nicht täuscht, vernimmt sie auch seinen Herzschlag, der synchron zu ihrem eigenen pocht. Dieser Moment ist einfach wunderschön;

„Willst du noch ein wenig aufs Deck gehen und den Nachthimmel beobachten? Vielleicht entdecken wir sogar eine Sternschnuppe", flüstert Yeosang leise in ihr Ohr. Leicht überrascht braucht sie einen Moment, bis sie seine Worte wirklich verstanden hat, und nickt dann. Noch immer ist sie schrecklich aufgeregt. „Perfekt." Beim Zurückgehen streift er mit seinen weichen Lippen ihre Wange und sie meint sogar, dass er mit ihnen für einen Moment einen leichten Druck auf sie ausgeübt hat. Ruckartig steht er von seiner Liege auf und zieht aufgrund ihrer verschränkten Hände auch Sefia auf ihre Beine. Im Gegensatz zu heute Morgen übernimmt er die Führung und zerrt sie so schnell wie möglich nach oben. „Schau, da vorne!", ruft Yeosang euphorisch, noch während er auf einer der letzten Stufen steht. Die junge Frau, die eine Stufe unter ihm steht, sieht sofort in die Richtung, in welche er mit seiner Hand deutet und versteht auch bald seine Freude. „Hast du dir etwas gewünscht?", fragt sie nach einem kurzen Moment der Stille nach, denn der Schweif der Sternschnuppe ist schon längst in den Tiefen der Nacht verschwunden. Da die beiden sich noch kein Stückchen bewegt haben, löst Sefia sich aus seinem Griff, schlingt ihre Arme um seine Taille und schmiegt sich an ihn. Von ihm kommt erst nur ein geistesabwesendes 'hm', bis er sich nach ihrem Wunsch erkundigt. „Aber sag nicht, was! Sonst geht es nicht in Erfüllung", fügt Yeosang beinahe etwas aufgebracht hinzu und wendet sich zu ihr. Weil er seinen Arm um ihre Schultern gelegt hat, besitzt er den perfekten Blick auf ihr Gesicht und bewundert ein weiteres Mal, wie wunderschön es doch ist.

„Hatte ich auch nicht vor", kichert Sefia und bringt dadurch ihr Gegenüber wieder zum Grinsen. Eine Weile starren die beiden sich gegenseitig so an und vergessen alles; die Zeit, den Drang diesen Feind zu bekämpfen und sogar den Teufel. „Wir sollten langsam wirklich schlafen gehen, sonst sind wir morgen völlig nutzlos", stellt Yeosang irgendwann fest und schnauft ein wenig... enttäuscht? Sie nickt daraufhin, löst ihre Umarmung und steigt die Stufen in den Bauch des Schiffes hinab. Wieso muss es auch schon so spät sein?

Wieder in ihrer gemeinsamen Kabine angekommen, fällt Sefia wieder ein, dass sie nachsehen wollte, was sich hinter der zweiten Tür verbirgt und geht deshalb zielstrebig darauf zu. Ein Badezimmer? Neben einem kleinen Waschbecken befindet sich ein Wasserfass, welches einen Zapfhahn besitzt, auf einer Erhöhung. Darüber hängt ein Schrank an der Wand, der Gläser und verschiedenste Waschutensilien beinhaltet, wie Sefia nach dem Öffnen herausfindet. Im Eck gibt es sogar eine Toilette;
Wahrscheinlich gehört so ein Raum zu jeder einzelnen Kabine. Aber wie funktioniert das alles? Und wie soll das Fass wieder aufgefüllt werden, wenn es leer ist? Oder muss ein neues geholt werden? „Es füllt sich von selbst wieder auf", beantwortet Yeosang ihre Frage, noch bevor sie sie stellen konnte. Mit einer Schlaufe, die am Deckel befestigt ist, hebt er ihn hoch, so dass man hineinsehen kann und greift dann nach einem Glas, um es aufzufüllen. Tatsächlich - der Wasserspiegel verändert sich kein bisschen. „Alles in diesem Schiff wird durch Magie betrieben, das ist faszinierend", haucht er und reicht Sefia das Glas.

„Morgen reden wir. Wir beide. Aber jetzt sollten wir schlafen. Gute Nacht, Sefia."

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[24.08.2019]

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