Kapitel 3.1 - Brüllendes Blut

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Brüllendes Blut

Es brauchte nur ein paar bescheidene Worte, doch das, was sie aussagten, war so viel mehr, als ich zu denken vermocht hatte. Galchas Stimme hallte in meinem Kopf wider, brannte sich in die Zellen meines Gehirns ein, doch eigentlich...

»Das ist Mist«, antwortete ich und ein langes Seufzen drang aus meiner Kehle. Der Troll hatte die Geschichte um den fünften Gott und seiner Verbannung in den Abyss bereits so oft erzählt, dass sie selbst die Kinder auswendig aufsagen konnten. Wenngleich es für sie nicht viel mehr war als ein altes Märchen. Sie konnten nicht wissen, dass Galcha jedes Wort, das er sprach, ernst meinte und irgendwie stimmte es mich traurig, ihm dabei zuzusehen, wie er sich an eine falsche Hoffnung klammerte.

»Das ist kein Mist«, brummte der Häuptling und eine Zornesader pulsierte auf seiner Stirn. Seine verklemmten Muskeln spannten sich an, während er mir einen bösen Blick zu warf.

Er hatte es noch nie akzeptiert, dass ich nicht an diesen Mythos glaubte. Wiederum war er so von der Wahrheit der Legende des fünften Gottes besessen, dass er jegliche andere Meinung an sich abprallen ließ. Zwar bewunderte ich ihn aufgrund seiner Weisheit, doch in diesem Sinne war er echt einfältig. Man könnte behaupten, unsichtbare Ketten fesselten ihn an diesen Glauben.

»Es ist traurig, dass du noch immer nicht die Bedeutung dieser Legende verstanden hast«, meckerte Galcha weiter, während ich ihm nur noch meine halbe Aufmerksamkeit schenkte. Es gab keines seiner Argumente, das ich noch nicht kannte und trotzdem würde ich meine Meinung nicht ändern. Es gab keine Beweise für die Existenz eines fünften Gottes und selbst wenn, warum sollte er versuchen Cytron zu retten, wenn es eindeutig hieß, dass er versucht hatte, es zu zerstören?

»Es gibt keinerlei Beweise, dass sie der Wahrheit entspricht«, widerlegte ich seine Worte und verdrehte etwas die Augen. Zugegeben verstand ich, was ihn zu diesem Entschluss gebracht hatte, gleichzeitig klang seine Vermutung derart abwegig, dass sie überhaupt nicht stimmen konnte. Als ich ihn um Rat gebeten hatte, hatte ich definitiv etwas anderes erwartet. Allein die Vorstellung, dass ein derart mächtiges Geschöpf nach einer einfachen Diavi rufen würde, konnte nur falsch sein. Auch wenn ich dank meiner Abstammung wesentlich stärker war, als die meisten Menschen. Nur Stärke allein sorgte nicht dafür, um von einem Gott gerufen zu werden.

Galcha erwiderte einen empörten Laut, bevor er Blickkontakt aufnahm. Ich wusste, was der Ausdruck seiner Augen mir sagen sollte, dennoch schüttelte ich den Kopf. Es musste eine andere Erklärung für das seltsame Ereignis geben.

Als der Troll begriff, dass ich auf meiner Postion verharren würde, entschied er sich dazu, alte Lügen erneut aufzurüsten und die Legende des fünften Gottes abermals zu erzählen: »Vor vielen Jahrtausenden, als Cytron, wie wir es kannten, noch nicht existierte, regierten die fünf Götter gemeinsam über das Land. Es herrschte Frieden und das Volk lebte harmonisch miteinander. Doch eines Tages fraß sich Eifersucht in das Herz des Gottes über Raum und Zeit. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die mit überragenden Fähigkeiten gesegnet waren, besaß er nur wenig Kraft. Seit Anbeginn der Zeit stand er in ihrem Schatten, sodass sein Wunsch sie zu übertreffen von Tag zu Tag stärker wurde. Schließlich gab er sich der dunkeln Magie hin, die die Finsternis in seinem Herzen verstärkte, bis er sich gänzlich dem Bösen zuwandte. Im Himmel verrichteten sie einen blutigen Krieg, der selbst den beiden Göttervätern das Leben raubte. Doch schließlich gelang es ihnen, den Zeitgott in den Abyss verbannen. Der Abyss ist ein Ort, in dem keinerlei Materie existiert, weswegen der fünfte Gott machtlos war, sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Trotzdem heißt es, dass er eines Tages die Ketten sprengen wird, die ihn an den Abyss binden und dann wird er wiederkehren, um seine vergangene Schuld zu begleichen.«

Der fünfte GottWhere stories live. Discover now