APRILWETTER

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Als wir den Club betreten, fallen mir sofort die kuscheligen dunkelroten Samtsofas mit den kleinen Tischen davor, eine schicke Bar und eine nette kleine Tanzfläche in der Mitte auf. Alles wirkt winzig, aber gemütlich wie in einem Wohnzimmer. An der Decke hängen große schwere Kronleuchter, ein bißchen zu protzig für den kleinen Raum. Anna fragt mich was ich trinken möchte, besser gesagt sie schreit die Frage in mein Ohr und grinst mich an. "Cola" schreie ich zurück und sie trabt zur Bar. Ich setze mich auf eines der Sofas in der Ecke wo auch schon die anderen Platz genommen haben und bin gespannt, versuche aber ganz cool und gelassen auszusehen.
Anna kommt mit zwei Gläsern Cola zurück und da sie garantiert nichts Alkoholfreies trinkt, ahne ich schon was in meinem Glas noch mit drin ist. Sie wirft sich neben mich auf die Couch und stößt mit mir und den anderen an. Ich nehme einen großen Schluck und klar, es ist nicht nur Cola. Die Wirkung setzt auch sofort wieder ein und ich bin beschwipst und lockerer. Mit dem Fuss beginne ich zur Musik zu wippen. Schöne elektronische Houseklänge, dumpfe Beats und wenige Vocals, genau mein Geschmack. Nach ein paar weiteren Schlucken traue ich mich in die Mitte des Raumes und lasse mich in die Musik fallen. Ich schalte völlig ab und bewege mich zum Beat.

Ich lasse mich vollkommen in die Musik fallen bis ich nichts anderes mehr spüre als den Bass und denRhythmus. Mein Körper bewegt sich ganz automatisch und ich schließe von Zeit zu Zeit meine Augen, um auch diesen Sinn auszuschalten. Als ich sie gerade geschlossen habe, spüre ich einen fremden Körper an meinem und öffne sie ganz schnell wieder. Erschrocken starre ich in Annas blaue Augen, die mich frech angrinsen. Sie legt ihre Hände um meine Hüften und bewegt sich mit mir. Mir wird schwindelig und ich beginne zu schwitzen. Ich löse mich von ihr und suche mit meinen Augen den Weg zu einem WC. Anna umarmt mich von der Seite und fragt in mein Ohr wo ich hin möchte. Tausend Ameisen krabbeln durch meinenKörper, als ihre Stimme durch meinen Kopf dringt und ich stammle nur, dass ich das Klo suche. Sie nimmt meine Hand und zieht mich inRichtung Bar und links daneben ist eine kleine Schwingtür, die sie für uns auf schubst. Eine Treppe führt nach oben und wir gelangen in einen kleinen halbdunklen Vorraum mit mehreren Sofas und Tischen. Ein paar einzelne Leute lümmeln darauf herum. Geradeaus ist dann auch endlich die Tür mit dem großen D darüber. Ich steuere darauf zu und Anna ruft mir nach, dass sie „hier" auf mich wartet. Völlig verpeilt stürme ich in die Örtlichkeiten und stelle mich erst mal vor einen Spiegel. Mit vernebeltem Blick starre ich mich an. ‚Reiß dich zusammen Eva', sage ich mir. Mein innerer Trieb wäre aber sofort dort raus zu gehen und mich ganz fest an diese traumhafte Frau zu drücken und sie nie wieder los zu lassen. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, zumindest dorthin wo kein Make Up ist und versuche mich etwas ab zu kühlen. Warum hat sie solch eine Wirkung auf mich? Ich erinnere mich kurz an ihre Berührungen und ein Schauer durchläuft meinen Körper.

Ich kann da nicht wieder raus gehen. Sie wird es irgendwann merken. Jeder wird es merken. Ich schüttle mich kurz und dann wage ich doch den Schritt nach draußen. Dort sitzt sie auf einem der Sofas und strahlt mich an. Wie in Zeitlupe gehe ich auf sie zu und hoffe dass sie aufsteht um mit mir zurück auf die Tanzfläche zu gehen. Doch stattdessen zieht sie mich neben sich und hält meine Hand fest. Ich bekomme schon wieder Herzrasen.„Hast du Spaß hier?", fragt sie mich ganz ernst und ich nicke einfach nur, obwohl es hier leise genug ist zum reden und verstehen.„Ich will mich ein bisschen ausruhen und nett unterhalten, wenn du magst." Wieder nicke ich schweigend. Jetzt sollte ich vielleicht auch etwas zum Gespräch beitragen, aber meine Zunge ist wie gelähmt. Anna zeigt auf den Tisch vor uns und dort stehen zwei neue Getränke. Cola, mit Inhalt sicherlich. Ich nehme erleichtert einen großenSchluck und der hat es in sich. Sie schaut mir tief in die Augen und fragt mich wie ich zu meinem Ausbildungsberuf gekommen bin oder überhaupt auf die Idee. Sie fände es bis jetzt ja ganz ok, aber nicht so spannend wie erhofft. Jetzt habe ich ein Thema und plappere munter drauf los. Der Alkohol hat mich schnell entspannt und nun bin ich in meinem Element. Während ich erzähle, starrt sie die ganze Zeit auf meine Lippen. Erst bemerke ich es nicht, aber dann wird es sehr auffällig und vor allem irritierend. Ich beginne zu stottern und sie zu grinsen. Sie hat meine Reaktion wahrgenommen und jetzt wandern ihre Blicke über meinen ganzen Körper. Ich kann nicht mehr weiter reden und fühle wie ich innerlich schwach werde. Sie kramt irgendwas aus ihrer Hosentasche, zerteilt es mit den Fingern, nimmt meine Hand und drückt mir etwas hinein. Ich öffne sie schwach und sehe eine halbe Tablette. Fragend schaue ich sie an: „Ich habe noch keine Kopfschmerzen", erwidere ich dankend und will sie ihr zurückgeben. Sie lacht mich an und sagt: „Das ist nix gegenKopfschmerzen. Lass uns ein bisschen Spaß haben." Sie steckt sich die andere Hälfte in den Mund und spült sie mit ihrem Getränk herunter. Dann schaut sie mich erwartungsvoll an. Diesmal starre ichauf ihre Lippen und würde sie am liebsten auf der Stelle mit meinen berühren. Spaß hat sie gesagt, sie will Spaß haben. Ich vertraue ihr und schlucke meine Hälfte auch. Als ich das Glas abstelle, nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände und küsst mich. Damit habe ich nicht gerechnet. Es trifft mich wie ein Blitz und meine Sehnsucht danach wird voll erfüllt. Ihre Lippen sind weich und warm und wundervoll. In mir schießen alle Synapsen gleichzeitig los und ich will diesen Augenblick nie wieder verlassen. Wie ein Magnet klebe ich an ihr und versuche immer mehr von ihr zu bekommen. Meine Zunge sucht nach ihrer und ich wundere mich später selbst über meinen Übermut. Jetzt aber sind alle meine Sinne auf eines fokussiert, auf sie und ihre elektrisierenden Lippen. Und dann ist es vorbei. Sie löst sich von mir und blinzelt mich an. Ein Grinsen huscht über ihr Gesicht und sie springt auf. „Komm, wir gehen wieder tanzen." Ich strecke ihr meine Hand entgegen und sie zieht mich die Treppe herunter, durch die Schwingtür zurück ins Getümmel und in den musikalischen Lärm, der jede Unterhaltung unmöglich macht. Ich beginne wieder zu tanzen und sie macht es mir nach. Ich versuche sie dabei nicht anzustarren, geschweige denn an diesen wahnsinnigen Kuss zu denken, der mich sicher in die Knie gezwungen hätte, hätte ich nicht gesessen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass das soeben mein erster richtiger Kuss mit einer Frau war und er alles in den Schatten stellte was ich bisher erlebt hatte. So muss sich das also anfühlen, wenn man es mit dem bevorzugten Geschlecht tut. Ich grinse unbewusst vor mich hin. Das erklärt auch meine ganze Unlust mit den Jungs und Mark. Jetzt bin ich ganz und gar fixiert auf Annas Lippen, die vor mir mit geschlossenen Augen im Takt wippt. Was mochte sie wohl darüber denken? Hatte sie das schon öfter getan? War es für sie nur einSpaß und völlig normal?

Am liebsten würde ich sie fragen, aber das kommt mir ziemlich albern vor. Ich würde sie auch gern weiter küssen, aber natürlich traue ich mich das nicht und schon gar nicht öffentlich und vor ihren Freunden. Die habe ich ja völlig vergessenund sehe jetzt Ben im Augenwinkel, der sich zu uns durchdrängelt. Er fasst dabei jeder Frau auf seinem Weg um die Hüften und ich reagiere leicht angewidert. Als er bei mir ankommt, mache ich einen großenSchritt beiseite und er geht auf Anna zu. Er versucht sie zu umarmen. Sie schubst ihn leicht wütend weg und guckt um ihn herum zu mir. Jetzt muss ich grinsen und zucke die Schultern. Hilflos schaut sie mich an und für einen Augenblick falle ich darauf herein und schlängle mich um den Kerl zwischen uns herum um sie vor ihm zu retten. Kaum bin ich bei ihr, schlingt sie ihre Arme um mich und tanzt mit mir eng und lacht. Es war also nur ein Trick, der mir richtig gut gefällt. Ich lasse mich in ihre Bewegungen fallen und sauge den Geruch ihres Haares in meine Nase ein. Mein ganzer Körper kribbelt und ich fühle mich plötzlich viel wacher und aufmerksamer. Die Musik klingt irgendwie intensiver und Anna fühlt sich so verdammt gut an. Ich drücke sie fester an mich und verliere mich in ihrer Umarmung. Plötzlich wird mir schlecht und ich laufe so schnell ich kann die Treppen hoch. Gerade noch rechtzeitig erreiche ich eine der Kloschüsseln und muss mich übergeben. Verdammt. Was ist denn jetzt wieder los?

Mir geht es aber gleich wieder besser, ich kontrolliere mein Make Up im Spiegel und sehe wie mich zwei riesige Pupillen anstarren. Meine Augen sind fast schwarz und jetzt fällt mir auch die Tablette wieder ein, die ich von Anna bekommenhabe. ‚Okay Eva, ganz ruhig...Es wird schon nichts weiter passieren.' Ich trinke ein paar gefühlte Liter aus dem Wasserhahn, mache mich noch einmal frisch und gehe dann gut gelaunt zurück auf die Tanzfläche um nach Anna zu schauen. Vielleicht geht es ihr ja auch schlecht?

Als ich sie endlich entdecke, tanzt sie eng umschlungen mit Ben. Das bereitet mir ein ziemlich mieses Gefühl, welches ich aber sofort abschüttle und ich tanze mich trotzdem zu ihnen durch. Als Ben mich sieht, freut er sich sichtlich und schiebt mich und Anna wieder zusammen. Ich bin etwas irritiert und er tanz direkt neben uns weiter. Jetzt wird mir klar, dass er eine Show erwartet. Typisch Männer. Er sieht auch nicht mehr ganz nüchtern aus. Nun ja, ich denke ich kann ihn ignorieren und wende mich Anna zu. Sie schaut mich etwas abwesend und mit einem glückseligen Lächeln an. Sofort legt sie ihre Arme um meinen Hals und ich ergreife die Gelegenheit und küsse sie erneut. Dieses Mal fühlt es sich noch krasser an. Ich sehe nur noch Sterne vor meinen Augen. Jede Zelle meines Körpers reagiert mit einer Art Überdosis an Glückshormonen. Die Zeit scheint stehen zu bleiben und der Bass dringt nur noch leise in mein Ohr. Alle meine Sinne sind auf meine Lippen konzentriert, die einfach nur die ihren suchen. Nach einer Weile löst sie sich von mir und geht an die Bar. Ich folge ihr wie benebelt und sie drückt mir ein Glas Wasser in die Hand. Hastig trinke ich es aus und dann kommen von beiden Seiten ein paar Typen auf uns zu und versuchen uns anzuquatschen. Ich tue so als verstünde ich nichts und versuche mich zu entziehen. Das ist aber nicht mehr so einfach, da der Club jetzt doch ziemlich voll ist. Außerdem ist Anna nicht mal halb so abgeneigt wie ich und beginnt mit einem der Männer ein Gespräch. Ich komme mir vor wie abgemeldet und meine Glückshormone verwandeln sich in das reinste Aprilwetter. Einerseits fühle ich mich total gut, weil meine Lieblingsmusik läuft und ichSpaß am Tanzen habe und andererseits will ich Anna nicht hergeben und an meiner Seite behalten. Doch diese ist nun vollends abgelenkt und scheint zu flirten. Ich drehe mich zur Seite und nehme das Angebot des Typen an meiner Seite an. Er spendiert mir ein weiteres Glas Wasser und wir gehen uns hinsetzen. Ich habe Anna noch immer im Blickfeld und bin maßlos enttäuscht. Dabei hatte ich mich doch selbst getäuscht. Was zum Henker hatte ich mir nur eingebildet? Dass wir jetzt glücklich zusammen sind bis ans Ende unserer Tage? Völlig übertrieben, aber genau das was ich mir wünsche. Und leider muss ich mir das eingestehen, bin ich total verliebt in sie. Für einen kurzen Augenblick hatte sie mich in die Illusion geworfen, dass es ihr genauso ginge. Jetzt kommt mir alles nur noch wie ein Spiel vor und wahrscheinlich hat sie nicht mal ansatzweise das gleiche empfunden wie ich. Meine Gedanken schlagen Purzelbaum. Einerseits will ich hier raus, andererseits kann ich meine Augen und mich nicht von ihr losreißen. Sie scheint sich zu amüsieren, lacht viel und geht jetzt mit dem Typen durch die Schwingtür nach oben. Ich bin außer mir vor Wut und Unruhe und weiß gar nicht wohin damit.„Willst du tanzen?", brülle ich in Richtung meines Verehrers und er nickt und springt mit mir auf. Eigentlich sollte er mir ja leidtun, da er keinerlei Chancen bei mir hat. Egal, ich muss mich ablenken und hoffen, dass das bei Anna genauso ist. Ich schüttle jeden Gedanken an sie ab und tanze mich in Trance...

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⏰ Última actualización: May 15, 2019 ⏰

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