Mein Leben und Streben

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Daß ich von meinen Münchmeyerschen Romanen keine Korrekturen zu lesen und also auch meine Manuskripte nicht mehr zurückbekam, habe ich bereits erwähnt. Ich konnte also nicht kontrollieren, ob der Druck mit meinem Originalmanuskript übereinstimmte. Doch war mir hier so bestimmt Ehrlichkeit versprochen worden, daß ich einen Betrug für ausgeschlossen hielt. Auch daß Münchmeyer später einmal behaupten könne, meine Romane mit allen Rechten nicht bloß bis zum zwanzigtausendsten Abonnenten, sondern für immer erworben zu haben, erschien mir als unmöglich, denn erstens hatte ich mir alle seine Briefe aufgehoben, in denen er Alles, was wir schriftlich miteinander ausgemacht hatten, nach und nach wiederholte, und zweitens hatte ich auch noch einen andern vollgültigen Beweis in der Hand, daß er diese Rechte nicht für immer besaß. Er hatte nämlich den schriftlichen Versuch gemacht, diese Rechte noch nachträglich zu erwerben. Er hatte das durch einen Revers getan, den er mir durch jenes vorbestrafte Faktotum Walter schickte und zur Unterschrift vorlegen ließ. Ich wies aber diesen außerordentlich pfiffigen Boten mit seinem Revers zurück. Dieser Walter war es auch, durch den ich auf meine Anfragen immer die schriftliche oder mündliche Versicherung bekam, daß die Zwanzigtausend noch nicht erreicht sei. Uebrigens hatte ich nicht die geringste Sorge, weder um meine Rechte noch um meine "feinen Gratifikationen". Meine Rechte waren mir sicher, und Münchmeyers standen sich jetzt in pekuniärer Beziehung so, daß sie, wie ich glaubte, mehr als bloß zahlungsfähig waren. Daß er mit schlechtgehenden Romanen wieder verlor, was er an gutgehenden verdiente, und daß er sich auf Wechselreitereien eingelassen hatte, durch welche seine Kapitalkraft arg geschädigt wurde, davon wußte ich nichts. Ich war also überzeugt, ruhig warten zu können und gar keine Veranlassung zu haben, verfrühte und darum beleidigende Forderungen zu stellen. Uebrigens war meine Frau so vollständig gegen alles geschäftliche Drängen und Treiben, daß ich nun auch um den äußeren häuslichen Frieden besorgt sein mußte, falls ich gegen Münchmeyer nicht so nachsichtig war, wie sie wünschte. Auch behaupten die Kolportageverleger, daß es in ihrer Buchführung viel schwieriger sei und viel längere Zeit erfordere, als bei andern Verlegern, nachzuweisen, wieviel feste Abonnenten man habe. Es springen beständig welche ab, und es kommen beständig welche hinzu, darum hatte ich Geduld.

Im Jahre 1891 lernte ich meinen jetzigen Verleger F. E. Fehsenfeld, Freiburg, Breisgau, kennen. Ich übergab ihm den Buchverlag der bei Pustet in Regensburg erschienenen Werke und vereinbarte mit ihm, nach diesen dann auch die Münchmeyerschen herauszugeben. Er nahm die ersten sofort in Angriff, und sie gingen ausgezeichnet. Wir waren beide überzeugt, daß wir mit den Münchmeyerschen nicht weniger Erfolg haben würden, stellten die letzteren aber bis zur Vollendung der Pustetschen Serie zurück. Jede der beiden Serien sollte dreißig Bände umfassen. Was daran fehlte, hatte ich noch hinzuzuschreiben. Das ergab für die Pustetsche Serie ungefähr zehn Bände, die ich noch zu liefern hatte. Das war eine Arbeit, die mir keine Zeit ließ, mich jetzt um meine Münchmeyerschen Sachen zu bekümmern. Darum mußte mich auch die unerwartete Nachricht, daß Münchmeyer plötzlich gestorben sei, geschäftlich vollständig gleichgültig lassen. Ich erkundigte mich nur nach seiner Nachfolge, und als ich hörte, daß seine Witwe das Geschäft im Namen der Erben weiterführe, war ich für mich beruhigt.

Da geschah etwas Ueberraschendes. Frau Pauline Münchmeyer schickte mir einen Boten, der den Auftrag hatte, mich auszuforschen, ob ich vielleicht geneigt sein werde, ihr einen neuen Roman zu schreiben. Dieser Bote war auch ein "Vorbestrafter". Ich ließ ihn unverrichteter Sache wieder gehen, ohne über die Ursache seiner Sendung besonders nachzudenken. Ich wußte damals nicht, was ich erst viel später erfuhr, nämlich daß es mit Münchmeyers nicht so glänzend stand, wie ich dachte. Man hatte einen Familienrat gehalten und war zu dem Entschlusse gelangt, durch einen neuen Roman von Karl May die Lage zu verbessern. Ich hatte weder Zeit noch Lust, ihn zu schreiben, beschloß aber für den Fall, daß man den Versuch erneuern werde, trotzdem in Verhandlungen einzutreten, um über die Erfolge meiner bisherigen Romane etwas Bestimmtes zu erfahren. Und die Wiederholung des Versuches kam. Frau Münchmeyer stellte sich selbst und persönlich bei uns ein. Sie besuchte uns wiederholt. Sie bat. Sie bot sogar Vorausbezahlung des Honorars. Sie schickte auch das Faktotum Walter und ließ Briefe durch ihn schreiben. Ich gab den Bescheid, daß ich nicht eher etwas Neues liefern könne, als bis über das Alte volle Klarheit geschafft worden sei. Ich müsse unbedingt erst wissen, wie es mit der Abonnentenzahl meiner fünf Romane stehe; die Zwanzigtausend müsse doch schon längst erreicht worden sein. Frau Münchmeyer versprach Bescheid. Sie lud mich und meine Frau zum Essen zu sich ein, um da diesen Bescheid zu erteilen. Wir stellten uns ein. Sie gestand ein, daß die Zwanzigtausend erreicht seien, und zwar bei allen Romanen, nicht nur bei einem; nur müsse es erst noch genau berechnet werden, und das sei in der Kolportage so ungemein schwierig und zeitraubend. Ich möge mich also in Geduld fassen. Was meine Rechte betreffe, so fallen diese mir hiermit wieder zu, ich könne die Romane nun ganz für mich verwenden. Da forderte ich sie auf, mir meine Manuskripte zu schicken, nach denen ich setzen und drucken lassen werde. Sie sagte, die seien verbrannt; sie werde mir an ihrer Stelle die gedruckten Romane senden und sie vorher extra für mich in Leder binden lassen. Das geschah. Nach kurzer Zeit kamen die Bücher durch die Post; ich war wieder Herr meiner Werke -- -- -- so glaubte ich! Freilich war es mir unmöglich, sie sofort herauszugeben, weil die Pustetschen vorher zu erscheinen hatten. Ich legte die Bücher also für einstweilen zurück, ohne mich mit der Prüfung ihres Inhaltes befassen zu können. Ich hatte meinen Zweck erreicht, und von der Abfassung eines neuen Romanes war keine Rede mehr. Frau Münchmeyer ließ nichts mehr von sich hören. Ich schrieb das auf Rechnung des Umstandes, daß nun doch die "feinen Gratifikationen" fällig waren, deren Zahlung man mit Schweigen zu umgehen suchte. Ich aber drängte nicht; ich hatte mehr zu tun und brauchte das Geld nicht zur Not. Ich will den Umstand nicht übergehen, daß meine Frau während dieser ganzen Zeit sich alle Mühe gab, mich von geschäftlicher Strenge gegen Frau Münchmeyer abzuhalten. Diese ihre Vorliebe für Münchmeyer und seine Witwe bilden den Hauptgrund der sonst unbegreiflichen Nachsicht, die ich übte.

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⏰ Last updated: Jan 06, 2007 ⏰

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