1. Kapitel

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Die grünen Wiesen und Felder des Willow Valley's, die an den Fenstern unseres Minivans vorbeizogen, sind Anfang Mai von Frühlingsblumen und deren bunten Farben überzogen. Warme Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Blätterdach der Baumkronen und erstellten ein Schattenspiel, an dem die leichte Briese teilnahm. Die Schönheit der Natur war eine gute Ablenkung zum Anblick der Straße, den ich seit knapp 6 Stunden vor mir hatte. Meinen drei Schwestern schien es ähnlich zu gehen, da in den hinteren drei Reihen unseres Minivans langsam Chaos ausbrach und die Kuscheltiere der Zwillinge durch den Fußraum rollten. Die Stimmung war dementsprechend auch im Keller und hatte das Potential, sich noch weiter in den Boden zu graben. Mein Dad hatte dabei aber das Glückslos gezogen, da er mit den Möbelpackern im Umzugswagen mitfährt und von diesem Chaos nichts mitbekommt. Dafür würde er im Anschluss die Stimmung meiner Mum zu spüren bekommen. Meine Oma war vor einigen Monaten gestorben und als Teil ihres Vermächtnisses gab es die Bedingung, dass wir ihr altes Haus renovieren und dort einziehen. Also wurde unser altes Haus verkauft und jetzt waren wir auf dem Weg in unser neues Traumhaus. Zumindest meinte das meine Mum.

Also, nach einem Traumhaus sah der Anblick aber nicht aus, als wir mit dem Van vor der Garage parkten. Ich quälte mich aus dem Beifahrersitz und ging um das Eck von der Garage, die den Anblick von einem Dschungel versteckt gehalten hatte. Der Garten ist nämlich von Disteln, Brombeeren, Himbeeren und Brennnesseln überwuchert. Die Hauswand war bis zum Dachstock in der 4. Etage mit Efeu bewachsen und einige der Fenster hingen außerhalb des Rahmens. Die Eingangstür war genauso mitgenommen und vermisste eine ihrer Ecken. Meine Oma hatte hier seit mehr als 3 Jahren schon nicht mehr gewohnt, da sie nicht mehr alleine in dem Haus wohnen konnte und war in einem Wohnheim näher an unserem alten Zuhause untergebracht worden war. Innerhalb von zwei Wochen wollten meine Eltern das Haus soweit fertig bekommen, damit ich meinen 16. Geburtstag hier feiern konnte. Eigentlich wollte ich nicht unbedingt meinen Geburtstag feiern, da alle meine Freunde über 6 Stunden Autofahrt entfernt wohnten.

Der Umzugswagen parkte gerade auf der Straße vor unserem Haus, während die Zwillinge mit Enid aus dem Van klettern, nachdem alles ein wenig aufgeräumt wurde. Mum und Dad sperrten die Haustür auf und halfen die ersten Kartons in den Eingangsbereich zu tragen, während ich mit Enid, Flora und Faith unsere Rucksäcke aus dem Auto holte und die ganze Beschäftigung von der Fahrt in die Taschen packte. Dann nahmen Enid und ich jeweils eine der Zwillinge an die Hand und gingen gemeinsam ins Haus. Dort mussten wir erst einmal den Möbelpackern ausweichen und wir landeten in einem völlig verstaubten Wohnzimmer. Mum und Dad hatten zwar den größten Teil der Möbel bereits ins Haus verfrachtet, aber einige der Zimmer waren wegen der Renovierungen noch im Originalzustand. Das Wohnzimmer schien eines davon zu sein.

"Ayla, das Haus ist gruselig", meinte Flora plötzlich und klammerte sich näher an meinen Arm. Faith nickte und hielt sich an Enid fest, während ich mich zu ihr nach unten beugte. "Das ist bloß ein bisschen Staub und Dreck. Wenn wir hier erstmal alles aufgeräumt haben, ist es wie vor ein paar Jahren. Dann ist alles voller Farbe und Licht. Vor allem, wenn wir wieder den Kamin in Betrieb nehmen. Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie wir vor vier Jahren hier in diesem Zimmer Weihnachten gefeiert hatten und ihr von Oma das Puppenhaus geschenkt bekommen habt?" Die beiden nickten und richteten ihren Blick auf die alte Feuerstelle. Der Griff um meinen Arm lockerte sich. "Na kommt, gehen wir in unsere Zimmer", meinte Enid und wir liefen die Treppe in den ersten Stock. Die Zimmer der Zwillinge sind direkt nebeneinander und schon zum großen Teil eingerichtet. Außerdem war das Zimmer meiner Eltern direkt nebenan.

Die Zimmer von Enid und mir sind im zweiten Stock. Gemeinsam mit einer kleinen Küche und unserem Bad. Im Moment sehen die Zimmer aber sehr traurig aus, da nur unsere Matratzen auf den Böden liegen. Ich legte meinen Rucksack auf meine Matratze und packte meine ganze Elektronik aus. Dann machte ich mich auf den Weg in die Küche im Erdgeschoss, die als eines der wenigen Zimmer schon fast fertig renoviert war. Mama war gerade am Herrichten des Abendessens und ich setzte mich an die Kücheninsel. "Ayla Schatz, kannst du bitte kurz auf den Herd aufpassen, damit die Soße nicht anbrennt? Die Nudeln sind nämlich noch im Auto", meinte sie und ich nickte, während sie schon den Raum verließ. In dem köchelte eine Bolognese Soße mit Gemüse. Ohne die Nudeln kämen wir heute deswegen nicht sehr weit. Nach knapp 2 Minuten streckte mein Vater den Kopf in die Küche. "Ist das Essen schon fertig?", fragte er begeistert. Spaghetti Bolognese war sein Lieblingsgericht. "Oh, hey Ayla, wo ist den Mama?" "Die ist die Nudeln suchen", antwortete ich schmunzelnd und er drehte sich im Schwung um und folgte Mama in die Garage. Nach 5 Minuten waren sie endlich mit zwei Packungen Spaghetti zurück und ich ging meine Schwestern holen.

Nach dem Abendessen half ich noch dabei den Tisch abzuräumen und das Geschirr abzuspülen, während Mama die Zwillinge ins Bett brachte. Enid war dabei, die Fläche vor unseren Zimmern zu entrümpeln, als ich im 2. Stock angekommen war. Da standen Stapel von alten Zeitschriften und Boxen, die Oma seit Jahren nicht mehr genutzt hatte, weil sie nicht mehr so gut auf den Beinen war und den 2. Stock nicht mehr benutzt hatte. Jetzt wühlten wir durch Reliquien der letzten 60 Jahre. "Hey, schau mal, das ist doch ein altes Bild von Oma und ihrer Freundin. Da waren wir knapp ein Jahr alt." Enid zeigte mir ein Bild von Oma und unserer alten Nachbarin, die damals neben uns gewohnt hatte. Sie und unsere Oma hatten sich, kurz nachdem ich bei meinen Eltern vor die Tür gelegt wurde, kennengelernt und bis zum Schluss Kontakt gehalten. Vor einem Jahr ist sie an Krebs gestorben. Ich fand noch eine Box mit ganz vielen Babybildern von mir und Enid und ich nahm sie mit in mein Zimmer. Dort setzte ich mich auf meine Matratze und blätterte durch die Fotos. Damals hatte ich noch schnee-weiße Haare, die innerhalb der ersten Monate bräunlich geworden sind.

Keiner wusste, wie und von wem ich damals als Neugeborenes vor die Tür dieses Hauses gelegt wurde. Mama war zu diesem Zeitpunkt im 7. Monat mit Enid schwanger gewesen. Laut dem Krankenhaus war ich damals nur wenige Tage alt und so wurde mein Geburtstag auf den 16. Mai gelegt. In vier Tagen war es soweit und ich werde 16 Jahre alt. Meinen Geburtstag würde ich nur mit meiner Familie feiern. In unserer alten Stadt hatte ich nicht viele Freunde. Um ehrlich zu sein, hatte ich nur Enid als Freundin. Mit ihr war ich in einer Klasse und verbrachte fast meine gesamte Zeit mit ihr. Ich legte die Bilder wieder zurück in die Box und wollte sie vor meine Zimmertür stellen, als mir ein Licht aus der kleinen Küche im Flur gegenüber auffiel.

Eigentlich hatten wir das Licht schon ausgeschaltet und ich war neugierig, was das Leuchten auslöste. Also bahnte ich mir meinen Weg durch die Boxen und entdeckte, dass das Licht aus der Tür zu unserem "Dachboden", einer größeren Kammer bei uns im 2. Stock, schien. Als ich die alte und schwere Tür aufgedrückt hatte, musste ich kurz nach der Quelle des Lichtes suchen. Diese war ein alter Standspiegel, der auf mysteriöse Weise glühte. Als ich näher an die leuchtende Oberfläche kam, verschwand der Nebel hinter dem Spiegel und ich sah etwas völlig Bizarres. Ein alter Mann half zwei jungen Mädchen dabei, glühende Flüssigkeiten zu vermischen und eine leuchtende Grafik erschien in der Hand des jüngeren Mädchens. Mir stand der Mund offen, als ich das sah und starrte in die Projektion. Ich musste schon eingeschlafen sein und träumte alles. Es gab das hier nicht!

Plötzlich drehte sich das ältere Mädchen um und hielt in ihrer Bewegung inne. Sie starrte mir dabei direkt in die Augen und ich erschrak. Während ich mich vom Spiegel weg drehte, stolperte ich über eine Kiste und fiel mit dem Kopf gegen den Schrank, der hinter mir stand. Ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Körper und alles wurde schwarz.

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⏰ Last updated: Mar 21 ⏰

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Descendants of Light - StarlightWhere stories live. Discover now