Der Schrecken von Grauheim

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Einen wie ihn hatten sie hier noch nie gesehen. Zwar rasteten öfters Männer aus dem Norden im verschlafenen Grauheim, doch waren diese als Händler zu erkennen. Dieser hier wirkte durch seine derbe Lederkleidung jedoch ungleich wilder. Dass er aus den nördlichen Landen kommen musste, ließen vor allem sein stattlicher Bartwuchs und die Vorliebe mit dichten Fell besetzte Kleidung zu tragen vermuten.

Am späten Abend war er in der schummrigen Schenke Zum Alten Knurrhahn aufgetaucht, sprach nur wenige Worte mit dem Gastwirt und machte es sich ausgiebig in einer Ecke bequem. Nun thronte sein massiger Körper an einem Eichentisch und er verschlang gierig und schmatzend eine stattliche Schinkenkeule. Dazu kippte er beachtliche Mengen des würzigen Schwarzbiers in sich hinein und ließ keinen Zweifel aufkommen, dass es ihm wunderbar schmeckte. Doch noch etwas ließ Hagal alle Blicke auf sich ziehen: Neben seinem Reisesack in beunruhigend naher Griffweite zu ihm lehnte eine riesige zweiblättrige Axt aus geschwärztem Stahl an der Wand.

»Also dieser ... dieser Kerl da, wenn du mich fragst, der sieht nach Ärger aus. Hat er irgendetwas gesagt, ...was er hier will oder so?«, lallte neugierig ein leicht angetrunkener Stammgast beim Ausschank.

Der Wirt schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht. War nicht sehr gesprächig, wollte nur - wie es aus seinem Munde kam - was ordentliches zu fressen und ein einfaches Zimmer für die Nacht. Außerdem.«, der Wirt räusperte sich«, fragte er nach Stoßmaiden, aber das hier ist ein anständiges Haus! Jedenfalls, ich vermute, er ist wegen des Aushangs am Schwarzen Brett hier. Diese Trollsache, weißt du?«

Der Gast runzelte die Stirn und seine Blicke wanderten erneut über Hagals Axt zum kahl geschorenen Haupt des Fremden. Mit wilden Blick, biss er abermals wie ein Tier mit seinen weißen Zähnen in den saftigen Schinken. Das Fett lief ihm auf beiden Seiten die Wangen runter.

»Hm, ich hoffe, dass du recht hast.«

Das wichtigste, wenn man einen guten Preis aushandeln will, ist zu zeigen, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Das hatte Hagal bei seinen Streifzügen durch die wilden Lande nur zu gut gelernt. Grobe Arbeit und Blutwerk sorgten für ein gutes Einkommen und als er am Vortag davon gehörte hatte, dass er lediglich einen Tagesmarsch weit von einem äußerst gewinnbringenden Auftrag entfernt sei, schnürte er seinen Reisesack und machte sich auf nach Grauheim.

Nachdem er sich abends im Gasthaus Zum Alten Knurrhahn ausgiebig gestärkt hatte, trug er am folgenden Morgen kurz nach dem Aufstehen den größten Teil seines Gepäcks direkt am Körper: eine massive Rüstung aus dem gehärteten Leder der sagenhaften Orokbullen, zwar grob gefertigt, aber davon zeugend zahlreiche Kämpfe bestritten zu haben. Hagal zog noch rasch den Riemen seines Brillenhelmes stramm, kämmte sich den Bart über die Brust, schulterte seine mächtige Axt und schritt aus der kleinen Gaststube geradewegs hinaus auf den Hauptweg des kleinen Fischerdorfes Grauheim. Die Bewohner folgten mit ihren Blicken jeden seiner Schritte und tuschelten. Einige stellten ihm sogar bis hin zum Hause des örtlichen Vogts nach. Energisch klopfte Hagal zahlreich an die schwere Eichentür des Anwesens.

Kurz darauf hörte man es hinter der Tür fluchen: »Herrje, seid ihr von allen guten Geistern verlassen! Ich werde euch ...«, die Tür öffnete sich, »...oh, wie, eh, was wollt ihr?«, drang es trocken aus dem Mund des als Diener erkennbaren Mannes.

»Ich bin Hagal », sprach Hagal ruhig und bedeutungsschwanger, als sei damit alles gesagt. Bevor der Diener die Stirn runzeln konnte, fuhr Hagal mit fester Stimme fort: »Dieser Troll, von dem auf dem Aushang die Rede ist, den erledige ich für deinen Herren. Ich verlange dafür allerdings das Doppelte. Bis zum Morgengrauen seid ihr das Drecksvieh los.«

Der Diener des Vogts stotterte ungläubig »Das Doppelte?!«

Hagal entgegnete nur mir einem brummenden »Aye!«. Als er merkte, dass seine Redekunst den Diener offenbar noch nicht genug überzeugt hatte, fuhr er fort: »Nun, wie mir zu Ohren gekommen ist, hängt der Aufruf schon einen halben Sonnenlauf am Brett dieses stinkenden Kaffs angeschlagen und offenbar hat sich noch niemand gefunden sich der Sache anzunehmen. Es ist eure Entscheidung. Entweder ihr seid den Troll bis zum Morgengrauen los oder er macht weiter eure Wälder unsicher und frisst das Wild des Vogts«

Der Schrecken von GrauheimWhere stories live. Discover now