Leider hatte ich nicht die Selbstkontrolle meine neu gewonnene Freizeit mit fernsehen, lesen, oder ähnlichem zu verbringen. Statt dessen las ich alle Artikel und Diskussionen, die ich über meine Mutter finden konnte. Es war unschön.

Natürlich hatte sich am Neujahrsabend die Situation noch nicht beruhigt. Trotz allem musste ich erscheinen, doch etwas erleichterte mir dies. Es war ein Maskenball. Das bedeutete bis Mitternacht, wenn die Masken fallen würden, wäre ich von neugierigen Blicken und Fragen verschont.

Ich genoss den Maskenball. Ich tanzte etwas, kam hinter Demeters und Daves Identität und konnte die Probleme meiner Mutter vergessen. Die Zeit flog nur so dahin, und bald war es nur noch eine halbe Stunde bis die Masken fallen würden.

„Bist du dir sicher das das hier eine gute Idee ist?" hörte ich eine seltsam bekannte Frauenstimme.

„Es ist albern, aber ich möchte sie noch einmal sehen" antwortete eine andere Frauenstimme. Auch diese klang sehr vertraut, mehr als die erste.

„Es ist nicht albern Schatz, nur gefährlich. Außer wir ändern unseren Plan, vielleicht wird es nicht so schlimm" sagte die erste Frauenstimme.

„Es wird so schlimm werden, glaub mir. Jetzt ist die richtige Zeit zu verschwinden" entgegnete die zweite Frauenstimme.

Ich kannte diese Stimmen. Ich blickte mich um, um nach ihrem Uhrsprung zu suchen.

Zwei Frauen, in eleganten Kleidern und ebenso eleganten Masken standen etwas von mir entfernt. Ihre Hände krallten sich angespannt in einander. Meine Mutter und ihre Beratrin standen vor mir.

„Mum?" entfuhr es mir. Dann viel mir ein, das sie zu weit weg stand um mich zu hören.

Ich glitt zwischen ausladenden Kleidern und lachenden Menschen hindurch. Nun stand ich vor ihnen. Beide wichen meinem Blick aus. Sie hofften das ich sie nicht erkennen würde.

„Mum?" fragte ich noch einmal.

„Hallo" antwortete sie. Dann trat Stille ein. Was sagt man seiner Mutter, die gerade in den Medien wegen Hochverrat angeklagt wird?

„Was habt ihr jetzt vor?" fragte ich.

„Wir fliehen" antwortete Jean. „Deine Mutter war so schlau etwas Geld beiseite zu schaffen"

„Es ist nicht das tapferste" sprach ich meine Gedanken aus, ohne weiter darüber nach zu denken.

„Wir tun nie das tapfere. Wir tun das sichere, so überleben wir" erklärte meine Mutter. Fast musste ich lachen. Sie hatte recht.

„Wir müssen jetzt gehen, bevor die Masken fallen" sagte meine Mutter, und verschwand aus meinem Leben.

Da stand ich. Was sonst sollte ich tun? Ich konnte mich schlecht auf den Boden setzen, auch wenn ich es gern getan hatte. In fünfzehn Minuten würden die Masken fallen. Dann würde ich ein fake Lächeln aufsetzen und mit alkoholfreien Sekt anstoßen. Ich atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann zerrte mich jemand an meinem Arm aus dem Ballsaal.

„Demeter, was ist los?" fragte ich, als sie mich in der Gaderobe wieder los lies.

„Ich bin ein furchtbarer Mensch" antwortete sie.

„Nein bist du nicht, was ist los?" fragte ich.

„Ich habe das Leben meiner Schwester zerstört, und ausgerechnet dein Verlobter hat es mir erzählt" entgegnete Demeter und ließ sich in einen Haufen teurer Jacken fallen.

„Okey Demeter, was immer auch los ist, wir kriegen das hin. Aber dafür musst du mir erzählen was passiert ist" versuchte ich sie zu beruhigen. Sie vergrub sich tiefer in den Jacken.

„Demeter?" fragte Dave, der plötzlich die Tür öffnete.

„Dave, kannst du mir erzählen was los ist? Warum hat sich Demeter in einem Haufen Jacken versteckt?" fragte ich.

„Ich habe das Leben meiner Schwester ruiniert" rief Demeter aus den Jacken hervor.

„Du hast also heraus gefunden warum sie nicht mehr mit dir reden wollte?" fragte ich in einem verzweifelten Versuch die Situation zu verstehen.

„Ich habe es raus gefunden" sagte Dave zerknirscht.

„Was hast du raus gefunden?" fragte ich. Langsam begann ich mich wie der Babysitter meiner Freunde zu fühlen. Interessierte es keinen das ich gerade meine Mutter zum letzten mal gesehen hatte? Zu ihrer Verteidigung, ich würde es nicht erzählen wenn sie fragen würden.

„Erinnerst du dich als Demeter und Adam diesen Streit hatten? An Weihnachten?" fragte Dave. Auch wenn ich mich nicht an den genauen Wortlaut erinnern kann war mir doch bewusst, das die beiden sich in dieser Nacht etwas gestritten hatten.

„Demeter hat doch seine... Sexualität als Druckmittel verwendet?" fragte Dave.

„Oh nein" entfuhr es mir, denn ich glaubte das Problem zu kennen.

„Oh doch! Meine kleine Schwester denkt ich hasse sie, weil Adam ein Idiot ist" rief Demeter, deren Schreie zum Glück durch die Jacken gedämpft wurden.

„Sie ist lesbisch?" fragte ich, um sicher zu gehen das ich mich nicht irrte.

„Sie hat sich vor einer weile in ein Mädchen verliebt. Mehr weiß sie auch nicht. Und sie denkt nicht das du sie hasst. Sie denkt nur das du vielleicht nicht dafür wärst, wenn sie es dir erzählt" antwortete Dave.

„Leonora, hilf mir" sagte Demeter ohne ihren Kopf aus den Jacken zu heben.

„Das ist alles kein Problem. Du musst nur mit Hestia darüber reden. Das schaffst du" ermutigte ich sie.

„Es ist jeden Moment Mitternacht, wir müssen los" ermahnte uns Dave. Er hatte recht. Es würde kein gutes Licht auf uns Werfen den wichtigsten Teil des Abends zu schwänzen.

Als wir in den Saal traten hatet der Countdown bereits begonnen. 8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1. 0.

Die Masken vielen. Viele der Gesichter kannte ich, mehr kannte ich nicht. Ich fühlte mich einsam wie nur selten. Ich hatte viele der Dinge die mir wichtig waren zuhause zurück gelassen. Meine Familie war mehr oder weniger zerstört wurden und auch mein Freundeskreis war dabei im Chaos zu versinken.

Ich lächelte. Für die Kameras. Für die Menschen. Ich schüttelte Hände und wünschte ein frohes Neujahr.

Die gesamte Gesellschaft ging nun in das wunderschöne Gartengelände, um das Feuerwerk zu sehen. Diese Changse würde ich nutzen.

Sobald es ging entfernte ich mich von der lauten Gesellschaft in die kühlen, dunklen teile des verlassenen Schlossgarten. Das Feuerwerk tauchte die exotischen Pflanzen in buntes Licht. An dem See, auf dem ich meinen ersten Anschlag erlebt hatte blieb ich stehen. Das Wasser war nun ruhig. Das Feuerwerk spiegelte sich auf dem dunklen Wasser.

Langsam und vorsichtig, um das Kleid nicht zu beschädigen, näherte ich mich dem Ufer. Nun spiegelte auch ich mich auf der Oberfläche. Ich sah müde aus.

Der feuchte, kühle Duft des Sees stieg mir in die Nase. Ich schloss die Augen. Der Geruch von Wasser, Blumen und Rauch mischte sich in der Nachtluft. Trotz des lärmenden Feuerwerks schien die Welt nun still zu sein. Vielleicht könnte ich es auch allein schaffen. Vielleicht brauchte ich keine stabile Familie. Vielleicht war ich allein genug um den Krieg zu verhindern.

Mit dieser seltsamen, neu gewonnenen Stärke öffnete ich meine Augen. Im See spiegelte sich ein dunkler Schatten. Dieser Schatten war das letzte was ich sah, bevor ein chemisch riechendes Tuch über meinen Mund gepresst wurde.

Nach einer Ewigkeit endlich ein weiteres Update. Ursprünglich wollte ich diese Geschichte vorerst Pausieren und vielleicht ganz beenden aber jemand hat mich gezwungen weiter zu schreiben. Allerdings werden die Updates jetzt nicht mehr so häufig sein, da ich eigentlich an einem anderen Projekt arbeite. Ich hoffe ihr mögt das  neue Kapitel, wenn nicht stelle ich mich gerne eurer Kritik. 

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