Prolog

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Im Wald war es still. Die Sonne hatte es noch nicht geschafft, den Tau, der die Pflanzen und den Boden bedeckte, zu trocknen und auch die vorfrühlingshafte Luft war noch kühl.

Das störte jedoch den blonden Jungen nicht, der aufgeregt durch den für ihn noch so unbekannten Wald lief und versuchte, alles in sich aufzusaugen und sich jede Ecke zu merken. Er war mit seinem Rudel erst vor ein paar Tagen hier her gezogen. Sie waren von einem anderen Rudel aus ihrer alten Heimat vertrieben worden und nach den Wochen der Wanderung und Suche war er jetzt froh, dass seine Familie sich in einem der verlassenen und teilweise heruntergekommenen Hochhäuser der kleinen Ruinenstadt einquartiert hatte.

Aufmerksam beobachtete er, wie sich die Blätter am Boden bewegten und sofort ging er in Lauerstellung, die Katzenohren aufmerksam auf seine Beute gerichtet, den Schweif so ruhig es geht haltend, um kein verräterisches Geräusch zu verursachen.

Tatsächlich, seine Augen konnten dort zwischen dem alten Laub, am Fuße eines Baumes, ein Tier entdecken, irgendein Nager. Und auch, wenn er nicht vorhatte, es wirklich zu fressen – er war zwar Katze, aber immer noch zur Hälfte ein Mensch – konnte er das Verlangen, es zu jagen, nicht unterdrücken.

Lautlos ging er in Position, war sich seines Erfolgs fast schon sicher und wollte gerade zum Sprung ansetzen, als er ein Geräusch von der Seite hörte. Auch seine Beute hatte es vernommen und noch ehe der Junge reagieren konnte, hatte sie das Weite gesucht.

Verärgert fauchte der Junge auf, dann jedoch besiegte ihn seine Neugier und er begann, nach der Quelle des Störgeräusches zu suchen.

Schneller als erwartet wurde er fündig, als er zwischen zwei Sträuchern durchschlüpfte und auf ein Mal in eine andere Person hinein lief.

Überrascht schrie er auf und stolperte zurück. Sein Fuß blieb an irgendetwas hängen und im nächsten Moment fiel er rückwärts in einen Strauch, der ihm augenblicklich die Haut zerkratzte.

Vor ihm stand ein Junge, etwa in seinem Alter, der ihn neugierig musterte. Zuerst dachte er, es würde sich dabei ebenfalls um eine Halbkatze handeln, dann jedoch entdeckte er die Form der Ohren, die zwischen den dunklen Haaren seines Gegenübers hervorsahen. Beinahe im selben Moment nahm er den Geruch des Fremden wahr und augenblicklich begann sein Herz, schneller zu schlagen.

Vor ihm stand ein Hundemensch. Einer von denen, vor denen seine Mutter ihn immer gewarnt hatte. Die natürlichen Feinde der Katzen, die aus Spaß Katzen jagten, quälten und töteten. Und auch, wenn dieser Hundejunge nicht viel größer als er war, was er sich in diesem Moment sicher, in großer Gefahr zu schweben.

Panisch versuchte der Katzenjunge, sich näher in das Gebüsch zu drücken, darin zu verschwinden, auch wenn es ihm die Arme zerkratzte und er sogar schon ein bisschen Blut sehen konnte, das dadurch auf seine Haut floss.

Als er merkte, dass dieser Versuch sinnlos war, kauerte er sich, so klein er konnte, zusammen. Wahnsinnige Angst durchströmte sein Bewusstsein. Er wollte nicht getötet werden, wollte nicht von Hunden gefangen und gequält werden! Er war doch noch ein Kind!

»Hallo.«

Die Stimme des Hundejungen war ruhig und freundlich, so gegensätzlich zu dem, was sein blonder Gegenüber erwartet hätte.

»Bist du eine Katze?«

Zögerlich nickte der blonde Junge, wagte es nun sogar, seine Augen ein kleines Bisschen zu öffnen.

»Ja. Du bist ein Hund.«

Es war viel mehr eine Feststellung, als eine Frage, doch der dunkelhaarige Junge nickte eifrig.

»Ja. Hast du dir weh getan?«

Der Katzenjunge rappelte sich nun langsam auf. Anscheinend wollte der andere Junge ihm gar nicht weh tun.

»Ein bisschen.«

»Tut mir leid. Ich hab dich nicht gesehen. Wie heißt du?«

»Stegi. Und du?« Der blonde Katzenjunge stand nun wieder auf den Beinen. Es schien so, als wäre der Fremde eigentlich ganz nett. Vielleicht hatte seine Mama sich getäuscht, als sie ihm gesagt hatte, dass alle Hunde böse waren?

»Ich bin der Tim.«

»Wie alt bist du?«, fragte Stegi neugierig weiter.

»Acht! Und du?«

»Sieben!«

»Dann bin ich älter!«

Tim schien echt stolz über diesen Fakt zu sein.

»Aber wir sind gleich groß!«, lenkte der Katzenjunge sofort ein. Das musste nun auch sein neuer Freund zugeben.

»Warum bist du hier?«

»Ich wohne jetzt hier!«

Stegi nickte ganz stolz, als er das verkündete. Er mochte sein neues Zuhause echt gerne.

»Echt? Ich auch! Dann können wir ja zusammen spielen!«

Sofort stimmte auch Stegi zu. Ja, einen Spielkameraden zu haben, wäre etwas tolles!

Und neben mir: Du ~ #StexpertWhere stories live. Discover now