Zwei

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Mich überkam eine urplötzliche Übelkeit und ich ließ mich auf mein Bett fallen. Leere Gedanken, nichts als leere Gedanken...

Mein Kopf brummte und meine Augen brannten, außerdem war mein Gesicht Leichenblass und meine Augenlider feuerrot. Warum? Warum musste das passieren?...

Stop! Andere Gedanken! Denk an was... Mist, und schon wieder fing ich verzweifelt an zu heulen. Mein Kopf war nur kurz davor, zu zerspringen . Ich glaube, ich habe wieder Migräne. Es klopft. Ich reagiere nicht. Es klopft noch einmal.

Als ich wieder keinen Laut von mir gab, öffnete sich die Tür schließlich doch und Mum trat ein.

,, Darf ich reinkommen, Schatz? "
fragte sie vorsichtig. Ich zog mir die Decke über die Nase und schluchzte leise. Mum setzte sich neben mich auf die Bettkante und strich mir über die Stirn.

,, Schätzchen, du glühst ja! Hast du etwa Fieber?" sie eilte aus dem Zimmer und kam zwei Minuten später mit einem Fieberthermometer wieder.

,, 37,8. Das ist leicht erhöht." Sie stand auf und öffnete das Fenster, dann setzte sie sich wieder.

,, Es ist alles gut. Ich weiß, es ist schwer, doch es ist wichtig, dass du drüber redest, meinetwegen auch mit jemand anderem, aber sonst machst du dich selbst daran kaputt." und sie strich mir erneut über die Wange. Ich fing wieder an zu weinen und drehte mich zu Mum.

,, Schatz, es war ein Unfall. Es ist schrecklich, ich weiß, er war doch so ein toller Junge. Du darfst auch trauern, das auf jeden Fall, er war dein Freund, aber du musst weiter leben, denn das hätte er nicht gewollt. Vielleicht können wir nachher mal zu Regina gehen, ihr geht es mindestens genauso schlecht wie dir. " und sie nahm meine Hand und schaute mir in die Augen.

,, Du bist ein starkes Mädchen, und dein Vater, dein Bruder und ich sind immer für dich da, das weißt du hoffentlich." und sie fing auch leicht an zu weinen.

,, Ja klar. " krähte ich heiser.
,,Ich lass dich dann noch einen Moment allein. Wenn du magst, kannst du gleich zum Frühstücken kommen, Jonas hat Brötchen geholt. "
und sie schenkte mir ein warmes Lächeln.

Ich nickte schwach und kaum war sie aus meinem Zimmer draußen, fielen mir auch schon wieder die Augen zu.

. .. Als ich wieder aufwachte, war es bereits dunkel. Mist... Stöhnend quälte ich mich aus dem Bett und tapste runter  in die Küche.

Als ich den Raum betrat, wurden alle Augen auf mich gerichtet. Ich blickte leicht beschämt auf meine Füße und auf Mums Gesicht schlich sich ein schwaches Lächeln.

,, Na mein Mädchen, hast du gut geschlafen? " fragte Dad und strich mir über meinen Oberarm. Ich erschauderte kurz, fing mich aber schnell wieder.
,, Hmmm..." sagte ich gedankenverloren  und gab ihm  einen leichten Kuss auf die Wange.

,, Ich mache dir schnell etwas zu Essen warm! " rief Mum plötzlich und eilte zum Kühlschrank.

, , Wir wollten einen Film zusammen gucken, hast du Lust? " fragte Jonas und setzte sogar ein Lächeln auf, doch ich wusste, dass es für ihn genauso schwer ist, wie für uns alle. Ich setzte mich zu ihnen und kuschelte mich an die Schulter meines Bruders.

Allerdings richtete ich mich kurz darauf wieder auf, da ich mich so wie gewöhnlich immer an Alex gekuschelt habe, wenn wir einen Film angesehen oder einfach irgendwo gesessen haben.

Wenn ich sogar in Anwesenheit meiner Familie andauernd an ihn denken muss... Wie soll ich jemals nur damit klarkommen können, dass ich ihn nie wieder sehen werde?
Wenigstens ein letztes Mal, damit ich mich von ihm verabschieden könnte, seine letzten Wünsche erfüllen und ihn ein aller letztes Mal küssen, so, wie wir es immer tun, oder eher getan haben.

Ich schluckte und blinzelte die Tränen weg, die sich wieder anstauten  und da kam Mum auch schon mit dem Essen.

Während des Films stocherte ich die ganze Zeit lustlos in meinem Essen herum und nahm hier oder da mal einen Bissen in den Mund.

Es war zwar wie immer wundervoll, doch ich hatte gerade echt überhaupt keinen Appetit.

Der Film war lustig, lauter Dinge zum lachen und ohne irgendwelcher Romantik. Ich wusste, dass sie das mir zuliebe getan haben, doch lachen konnte ich nun doch nicht.

Der Film ging bis halb zwölf, und meine Eltern gingen ins Bett. Jonas murmelte irgendetwas mit zocken und schon saß ich allein auf der Couch.

Allerdings hatte ich gerade überhaupt keine Lust, irgendetwas zu machen, und geschlafen habe ich auch schon genug.

Ich zog mir eine dünne Jacke und meine Turnschuhe an und schnappte mir meinen Schlüssel vom Haken.
Als ich in die warme Sommernacht hinaustrat, atmete ich einmal tief ein und schloss kurz die Augen.

Dann ging ich einfach los und blieb zwanzig Minuten später stehen... Und musste Schlucken. Ich war an der Brücke am See, wo ich und Alexander immer saßen.

Ich schluckte, setzte mich aufs Geländer und ließ gedankenverloren die Beine baumeln. Mein Blick schweifte über die Landschaft und blickte letzendlich sehnsüchtig zum Vollmond hinauf.

,,Alex?" flüsterte ich mit tränener-
stickter Stimme.

,, Kannst du mich hören?" die Tränen rollten immer weiter und meine Hand verkrampfte sich am Geländer.

,, Ich hätte nie gedacht, dass ich dich so schnell gehen lassen muss, aber... aber du solltest wissen, nur weil du nicht mehr bei mir sein kannst, werde ich dich nicht vergessen, ich... Ich... Ich liebe dich doch! " und ich konnte meine Tränen nun endgültig nicht mehr zurück halten.

Würde ich ihn nicht so sehr lieben, und meine Familie, dann würde ich mich wahrscheinlich entscheiden zu gehen, dann wäre ich wieder bei ihm...

Was ich doch alles tun würde, um nur noch einmal in seine wunderschönen blauen Augen schauen zu können...

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt