15 | Nur bis Physik

Start from the beginning
                                    

»Aber indirekt können wir den Urknall sogar doch sehen«, fuhr er fort. Vor uns glitten die Schiebetüren zur Seite und Heizungsluft schlug uns ins Gesicht, als wir in den Laden traten.

»Kurz danach ist nämlich die Hintergrundstrahlung entstanden, die erfüllt auch heute noch das ganze Universum. Kennst du das Rauschen, wenn man beim Fernseher keinen Sender eingestellt hat? Ein Teil davon ist der Hintergrundstrahlung zu verdanken, eine ständig greifbare Erinnerung daran, dass das Universum mal in einem verdammt winzigen Punkt komprimiert war.«

Tief atmete Federico durch und warf mir ein schiefes Grinsen zu. »Tja, scheinbar hab' ich echt viel dazu zu sagen.«

»Willst'n das dann auch mal werden? Keine Ahnung, Astronaut oder so?«, fragte ich nach. Vor dem Regal mit den süßen Getränken blieben wir stehen. Schummriges Neonlicht beleuchtete die Gänge, ein paar Lampen waren bereits ausgefallen.

»In den Weltraum fliegen muss jetzt nich' unbedingt sein. Aber Astrophysik würde ich schon gerne studieren ... wenn das was wird.« Federico zuckte mit den Schultern.

»Alter, als ob du das halt nicht packst.« Ich hob die Augenbrauen an und bückte mich, um einen Sixpack aufzureißen und einen einzelnen Eistee daraus hervorzunehmen.

»Mein Vater findet die Idee gar nich' gut. Meint, ich soll lieber gleich arbeiten gehen und sowas«, erzählte er. »Wir hätten nicht genug Geld.«

»Ganz ehrlich, wenn das dein Traum is', dann schaffst du das.« Wir steuerten auf die Kassen zu, im Vorbeigehen schnappte ich mir noch eine Chipstüte und einen Energydrink. »Scheiß mal auf das Geld, gibt doch genug Möglichkeiten.«

Er warf mir einen überraschten Blick zu, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn aufmuntern würde. Hatte ich selbst ja auch nicht, verdammt. Schon gar nicht, ohne irgendein Ziel damit zu verfolgen.

Musste an dem verfickten Kater liegen. Wahrscheinlich hatte ich einfach zu wenig Energie, um über das nachzudenken, was ich tat.

Während die Aufmerksamkeit der Kassiererin, einem schlechtgelaunten alten Weib mit überschminkter Fresse, einer Mutter mit Kleinkind galt, ließ ich meine Hand zu den Zigaretten wandern und steckte unauffällig eine Schachtel ein. Fede entging es nicht. Er zog eine Augenbraue hoch und grinste, doch der dumme Spruch, mit dem ich schon fest gerechnet hatte, kam nicht.

Genervt scannte die Verkäuferin die paar Sachen, die ich aufs Band gelegt hatte, ein und pampte: »Drei Euro neunzehn.«

»Willst du dir nichts kaufen?«, fragte ich Fede, während ich das Geld aus meiner Hosentasche kramte. Er schüttelte nur mit dem Kopf.

Draußen setzten wir uns neben den Werbetafeln auf den Boden, der hier teilweise überdacht war. Noch immer nieselte es, auch wenn sich hinter den grauen Wolken bereits die Sonne hervorkämpfte.

»Was ist mit dir, was willst du mal machen?« Fede ließ seinen Blick auf mir ruhen, während ich die Einkäufe in meinem Rucksack verstaute. Ich befreite die Zigaretten von der Plastikfolie, die ich achtlos auf den Boden fallen ließ.

Das war keine Frage, über die ich mir zuvor große Gedanken gemacht hatte. Meine Mutter würde mich niemals mit einem solchen Bullshit bequatschen und auch für mich war es schlichtweg nicht wichtig, was nach der verfickten Schule kommen würde.

»Ich werd' mich jedenfalls niemals für irgendwelche anderen Menschen kaputt machen. So wie meine Alte. Die reißt sich den Arsch für ihren Job auf, aber als ob sich das einfach lohnt.« Ich verdrehte genervt die Augen und drehte den Deckel der Flasche auf. Ein paar Schlucke kippte ich hinunter, ehe ich den Eistee an Fede weiterreichte. Er bedankte sich und trank ebenfalls.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now