10 | Respekt durch Freundschaft

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»Und ich dir keine so krassen Beleidigungen. Ehrlich, total verletzend«, gab ich zurück.

Er erhob sich von meinem Bett, dessen unbezogene Decke halb auf dem Boden lag, und steuerte auf die Tür zu. »Ich hau' dann mal ab«, verkündete er dann.

»Wart' mal kurz.« Ich hob meinen Blick von meinen Boxhandschuhen, die ich zuvor mit dem Fuß hin und geschoben hatte. Mit der Hand an der Klinke blieb Federico stehen und drehte sich zu mir um.

»Wenn du magst ...« Ich räusperte mich. Das war meine Chance, denn wenn er sich schon nicht durch mich einschüchtern lassen würde, dann würde er vielleicht tun, was ich sagte, wenn er mich für seinen Kumpel hielt. »... kann ich mitkommen oder so.«

Skeptisch kniff er die Augenbrauen zusammen.

»War nur nett gemeint«, erwiderte ich. Federico befand sich in einer verdammt verletzlichen Situation, das musste ich unbedingt ausnutzen.

»Als ob du je irgendwas nett meinst.«

»Siehste. Du lässt mir nicht mal die Chance, mich besser zu verhalten, sondern hast mich für immer und ewig auf die Arschloch-Rolle festgeschrieben.«

Er seufzte, nahm seine Hand aber vom Türgriff weg.

»Könnt' damit meine Scheißaktion wieder gut machen. Als Beweis sozusagen, dass ich meine Entschuldigung doch ernst gemeint habe«, erklärte ich.

»Okay, komm halt mit. Ich will dich ja nicht an deinem Glück hindern.« Kurz sah ich sein mir nur allzu bekanntes spöttisches Grinsen auf seinen Lippen liegen, dann verschwand er hinter dem grauen Stoff meines Sweaters, den ich mir über den Kopf zog.

»Aber denk bloß nicht, dass ich dir dein Gelaber abkauf'«, merkte er an, während ich meine Zigaretten in die Tasche meiner Jogginghose steckte und überprüfte, ob ich auch mein Feuerzeug dabei hatte. Federicos misstrauischer Blick, den ich auch noch auf meinem Rücken liegen spürte, als ich vor ihm das Zimmer verließ, zeigte, dass er mir nicht vertraute.

Doch das war nur allzu verständlich, schließlich war er nicht dumm.

Es gab keinen Grund mir zu vertrauen.

Im Hausflur trafen wir auf meine Mutter, die sich scheinbar gerade von der Arbeit heimschleppte. Fettig hingen ihr die Haare, deren Ansatz längst rausgewachsen und mit grauen Strähnen durchzogen war, ins Gesicht. Harmonierte perfekt mit der Erschöpfung, die sie ausstrahlte.

»Abend, Jonathan.« Sie blieb stehen, um in der Tasche ihres hässlichen Mantels aus dem abgenutzten, billigen Kunstleder nach dem Wohnungsschlüssel zu suchen. Ich erwiderte ihren Gruß mit einem knappen Nicken und wandte mich in Richtung des Treppenhauses um.

»Gehst du nochmal weg?«, erklang ihre Stimme in meinem Rücken. In den langen Fluren hallte es immer ein wenig.

Ich drehte mich zu mir um. »Siehst du doch«, pampte ich sie an. Wie sehr sie mir doch mit ihrer unnötigen Fragerei schon wieder auf den Sack ging. Federico hielt sich im Hintergrund, die Hände in seinen Jackentaschen vergraben.

»Sei so gut und bring noch etwas Katzenfutter mit. Die in der Karl-Marx-Straße ham'n bis 24 Uhr offen«, trug meine Mutter mir auf. Sie liebte das kleine Mistvieh wahrscheinlich mehr als uns, doch das kam mir gerade recht. Alles andere wäre ja auch verdammt nervig gewesen. Dann bekäme ich noch wie Leonardo einen Suchtrupp auf den Hals gehetzt.

»Jaja«, murmelte ich und stopfte den Zehner, den sie aus ihrem Geldbeutel ausgegraben hatte, in meine Hosentasche. Natürlich würde ich das Geld für etwas anderes ausgeben. Ihr später weismachen, es schlichtweg vergessen zu haben. Groß was dagegen tun konnte sie ja ohnehin nicht.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now